„Nächste dann links.“, sagt der Prüfer. Ein dicker gemütlicher Kerl. Ich fahre links, dann rechts, mache alles was er sagt. Dieter summt neben mir leise. Läuft! Auf die Autobahn zu fahren war gar kein Problem. Wieder runter auch nicht. Jetzt sind wir auf dem Rückweg. Geparkt habe ich noch nicht. Aber das machen wir dann wohl auf dem TÜV-Gelände. Da ist es schon. Ach wie schön, die wehenden Fahnen. Und gleich ist es fertig. Ich bin gefahren wie ein junger Gott. Kurzer Blick zu Dieter. Er strahlt auch.
„Jetzt rechts.“, sagt der Prüfer. „Dann gleich wieder rechts.“ Jetzt kommt wahrscheinlich noch das Quereinparken. Türgriff zwischen die Autos, Rückwärtsgang, dann eindrehen und langsam rein. Langsam, langsam, gegenlenken, Räder gerade, Gang raus, Handbremse ziehen, Motor aus.
„Ich gucke nach hinten.“
Der Prüfer lächelt. „Frau Freitag, ich darf Ihnen zur bestandenen Prüfung gratulieren.“
Bestanden, Bestanden, bestanden! Ich schüttele dem Prüfer strahlend die Hand. Dieter gratuliert mir auch. Ab da ist alles wie ein Rausch. Ich bekomme einen Zettel, der Prüfer bleibt, wir fahren zurück. Radio läuft, Dieter raucht und ich bin glücklich. Von der Fahrschule laufe ich nach Hause. Yeahhh, bestanden! Dann bin ich zu Hause. Ich sitze auf der Couch. Warum habe ich noch niemanden angerufen und mich feiern lassen? Komisch.
Brrrrrr. Der Wecker. Wo bin ich? Scheiße, das war nur ein Traum. Oh nein, ich hab die Prüfung noch gar nicht gehabt. Es ist erst sechs und die ganze Sache liegt noch vor mir. Ich stehe auf. Mein Knie tut weh. Mist. Das Brems- und Gasgebeknie schmerzt. Hoffentlich beeinflusst das später nicht meine Fahrfähigkeiten. Ich frühstücke, rauche und gucke das Morgenmagazin. Die haben es gut. Wahrscheinlich haben die alle schon ihren Führerschein. Die Moderatoren und die Frau von den Nachrichten und der vom Wetter bestimmt auch. Nur ich nicht. Geduscht habe ich auch schon, die unbequeme gegen die bequeme Hose getauscht und es ist immer noch nicht Zeit loszugehen. Ich rauche noch eine. Ich muss schon wieder aufs Klo. Ich war doch gerade. Oh Mann, ist das krass. So eine Prüfung zu haben. Meine armen Schüler. Die haben das ja dauernd. Erst immerzu Klassenarbeiten und dann MSA-Prüfungen und später Abi. Ob die auch immer so aufgeregt sind?
Ich geh los. Auf dem Weg zur Fahrschule kann ich auch niemanden anrufen, um mich beruhigen zu lassen, weil es noch viel zu früh ist. Ich bin auch viel zu früh. Vor der Fahrschule gucke ich mir die Rechtsabbieger an. Okay, jetzt schalten sie runter, gucken, fahren. Dann kommt Dieter. Er gibt mir die Hand. Ich bin aufgeregt und Dieter fragt immer wieder: „Warum biste denn so aufgeregt, Mensch Mädel, entspann dich!“
Wir gehen zum Auto und fahren los. Die gewohnte Strecke nach Tempelhof. Quereinparken, dreißiger Zone, Gefahrbremsung, dann zum TÜV. Beide nochmal aufs Klo und eine rauchen. Drei Männer stehen neben mir am Aschenbecher. „Auch Prüfung?“, frage ich. „Nee, nee, nur Probefahren.“ Wir reden ein bisschen über das Wetter und den Verkehr und sie wünschen mir viel Glück.
Dann kommt der Prüfer. Er sieht nett aus, setzt sich hinten rein und fragt nach meinem Personalausweis. „Oh, der liegt hinten. Neben mir hält ein Fahrschulauto. Die haben auch einen Prüfer hinten drin. Und die Prüfung ist offensichtlich vorbei. Ich hole meinen Perso aus dem Kofferraum und gebe ihn dem Prüfer. Der fragt mich nach den Leuchten und wo man die Heckscheiben Heizung anmacht. Ich weiss alles und wir fahren los. „Rechts, dann links.“ Ich schleiche mich vom TÜV-Gelände in den Verkehr. „Dann geradeaus.“ Aber geradeaus stehen zwei riesige LKWs und rangieren sich einen ab. Ich muss sowieso an der Ampel halten. Diese LKWs verwirren mich total. Eigentlich hätte ich mich rechts einordnen müssen. Hab ich aber nicht. „Dann nach links!“
Ich biege links ab und fahre ein Stück geradeaus. „Dann vorne links auf die Autobahn Richtung Steglitz.“ Und ich denke: Wassss? Autobahn Richtung Steglitz? Was soll das denn jetzt? Hier waren wir noch nie. Ich werde etwas unsicher. Wo ist hier die Straße, die auf die Autobahn führt? Und fängt die Autobahn hier gleich an? Ich biege ab und bin plötzlich auf einer dreispurigen Straße. Aber das ist doch nicht die Autobahn, oder? Ich schalte in den dritten Gang und fahre 50. Mehr geht sowieso nicht, weil es zu voll ist. Dann werde ich doch noch auf die richtige Autobahn geleitet. Aber was ist das? Wo sind die anderen Autos? Ich bin ganz alleine. Und wo fahre ich überhaupt hin. Nach einer Weile denke ich: Scheiße, ich fahre hier mit 80 im dritten Gang. Besonders umweltschonend ist das nicht, deshalb schalte ich schnell in den fünften. „Die nächste wieder runter“ sagt der Prüfer. Aber runter ist in diesem Fall rauf. Noch immer ist nirgends ein anderes Auto zu sehen. Was ist hier los? Ist die Autobahn vielleicht gesperrt? Ist was Schlimmes passiert und alle sind tot? Ich blinke rechts, um von der Autobahn zu kommen. Aber auf meinem Fahrstreifen – der rechte ist ja immer meiner – steht so ein Megaauto von der Autobahnmeisterei und zwei Leute werkeln an dem Auto rum. Also kann ich ja nicht rechts fahren. Ich ordne mich links ein und versuche die Fahrbahn hochzufahren. Oben ist eine Ampel. Wie mache ich denn das jetzt? Hochfahren, da muss ich doch Gas geben. Runterfahren, das kann ich, rollen lassen, dann Kupplung treten, dann anhalten. Aber hoch? Und dann stehe ich an der Ampel und der Prüfer sagt: „Jetzt nach links!“ Ich stehe ja auch schon links und vor mir ist alles frei. Immer noch kein anderes Fahrzeug außer mir unterwegs. Ist das jetzt „The walking Dead“ und von links kommt gleich eine Horde Zombies angehumpelt? Als die Ampel grün wird fahre ich los. Mist, ich bin ja links, ich muss doch immer rechts fahren, also rüber. Geht doch.
Ich will gerade weiterfahren da sagt Dieter: „Fahren wir zurück, oder?“ Oh neeeeeiiiin! Ging wohl doch nicht, was ich da eben gemacht habe. Ich fahre die Straße runter und der Prüfer sagt: Halten Sie mal hinter dem roten Wagen. Ich halte. Das war’s dann wohl. Einparken will er wohl nicht mehr sehen.
„Wissen Sie, was Sie falsch gemacht haben?“, fragt er.
„Äh, ich war in der falschen Spur, oder?“
„Sie haben schon gleich am Anfang einen Spurwechsel ohne zu gucken gemacht. Das hätte ich Ihnen noch durchgehen lassen. Aber jetzt haben Sie drei Spurwechsel gemacht, ohne zu gucken und ohne zu blinken. Oben an der Ampel hatten sie auch zu spät gemerkt, dass sie noch nach rechts blinken. Sie wollten ja nach links.“ Und dann redet er weiter und ich höre gar nicht mehr was er sagt. Durchgefallen. Mist. Dieter ist bestimmt total enttäuscht von mir. Er kann jetzt nicht mal sagen, dass ich nicht gemacht habe, was er gesagt hat, ich habe da eben so einen megamäßigen Unsinn abgeliefert, damit hätte niemand gerechnet und warum? Nur weil ich so verwirrt war, dass wir nicht mehr in Tempelhof sind. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht gemacht fürs Autofahren. Vielleicht war das der Weckruf. Dieter und ich wechseln die Plätze, ich sitze stumm neben ihm und starre vor mich hin. Durchgefallen. Mist.
Beim TÜV verabschiedet sich der Prüfer und Dieter fährt mich nach Hause. Ich rauche.
„Wat heißt, du warst verwirrt, weil du das nicht kanntest? Wenn du den Führerschein hast, musst du durch ganz Berlin fahren können.“, sagt Dieter. Aber er sagt auch: „Mach dir nichts draus. Ist doch nicht so schlimm. Ist doch besser als ein Puckel.“ Ich frage „was?“
„Na ein Puckel auf dem Rücken, den sieht man. Dass du durchgefallen bist sieht man nicht.“Puckel? Ach er meint einen Buckel. Ja, eigentlich hat er recht. Lieber durchfallen, als einen Buckel. Wenigstens bin ich nicht wegen so einer Lappalie durchgefallen, sondern mit Pauken und Trompeten.