Oh, no!

Was für ein schöner Tag. Morgens im Lehrerzimmer gibt es Brötchen und Kisir. Frau Schwalle hatte Geburtstag. Wir feiern und essen und freuen uns. Dann geht es gut gelaunt in den Unterricht. Die Sonne scheint, die Kinder sind mehr oder weniger pünktlich, Frau Freitag ist die Ruhe selbst. Ich frage nach den Topmodels. Sie sehen es genau so wie ich. Ich bin zufrieden. Ich vergesse nach Newtopia zu fragen. Freue mich dann aber, weil ich das dann morgen nachholen kann. Pause.
Im Lehrerzimmer dann die Kollegen. Alle sind bester Stimmung, es wird viel gelacht, Scherze werden gemacht. Meine Beobachtung: Je anstrengender das Unterrichten an einer Schule ist, umso härter und auch lustiger sind die Witze und Sprüche im Lehrerzimmer. Jeder, der zur Tür reinkommt wird von mir mit einem strahlenden Lächeln begrüßt. Es klingelt. Wieder Unterricht. Wieder meine Klasse. Ich behalte mein Strahlen bei. Frau Dienstag, nicht nur die Schüler wahrnehmen, sondern auch soviel wie möglich anlächeln, denke ich. Ich lächle und bin nett und zugewandt und geduldig. Es breitet sich eine himmlische Ruhe aus. Rosa fragt, ob wir nicht nach den schriftlichen Prüfungen zum MSA unseren Klassenraum streichen wollen. Komisch, sie sind doch dann nur noch ein paar Wochen da – aber egal. „Klar, das machen wir.“ Und wenn sie mich jetzt fragen würden, ob wir nicht noch im Juni nach Hawaii fahren wollen – ich hätte nichts dagegen. Heidepark, Ostsee, Tegeler See, Tropical Island. You name it – ich fahr mit euch dahin.

Dann noch mehr Unterricht und dann nach Hause. Auch in der U-Bahn bin ich freundlich und stehe sogar auf, um einer älteren Frau meinen Sitzplatz anzubieten. Dann hüpfe ich wie ein Grundschulkind von der U-Bahn nach Hause. Klingel an der Haustür, der Freund kommt mir im Treppenhaus entgegen und strahlend begrüße ich ihn. Und er? Er starrt mich an. Ich frage: „Was ist denn los?“ Und er grinst und sagt: „Guck mal in den Spiegel!“ Im Badezimmer gucke ich mich an und kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Okay, die Haare müßte ich mal nachfärben lassen. Der Pickel am Kinn ist leider noch nicht reif und die Augenbrauen…

„Im Mund!“ ruft er aus dem Flur. Ich ziehe die Lippen auseinander und erstarre.
Da hängt ein riesiges Stück Petersilie an meinem rechten Schneidezahn. Ich überlege… wann habe ich denn Petersilie… oh nein, der Bulgursalat von Frau Schwalle!

Wie peeeeeinlich!!! Da renne ich den ganzen Tag mit Grünzeug am Zahn durch die Gegend!!! Soetwas DARF einem nicht passieren!!!! Deshalb mein Tipp an alle: Immer mal einen Blick in den Spiegel werfen! Wenn kein Spiegel zur Hand ist – einen Kollegen oder Schüler fragen: „Hab ich da was zwischen den Zähnen.“ Und liebe nicht mehr ganz so junge männliche Kollegen – immer checken, ob der Hosenstall zu ist. Da kannst du den tollsten Unterricht machen – mit offener Hose oder Kräutern im Gebiss gewinnst du keinen Blumentopf!

Frau Dienstag hat wieder was erfunden

Unser Fitnessclub hat einen neuen Kurs: Buti. Power Yoga gemischt mit Arschwackeln. Frau Dienstag und ich probieren den Kurs aus. Wir sind uns einig: Buti ist super. Frau Dienstag geht sogar noch weiter: „Von wegen inspiriert von Madonna – Buti habe ICH erfunden.“ Soso, denke ich.
Neulich sagte sie: „ICH bin Carolin Kebekus.“ Ist sie gar nicht, aber was soll man dazu sagen. Und jetzt hat sie also die Schüler-in-ihrer-ganzen-Person-wahrnehmen-Methode erfunden. Völlig beseelt davon unterrichtet sie sich damit durch die ersten Tage nach den Osterferien und schwebt auf Wolke 7.

Und sie hat recht. Man muss die Schüler als Personen wahrnehmen und sich vor allem für sie interessieren. Aber wie macht man das?
Ich erinnere mich noch genau an meinen zweiten Tag im Referendariat. Ich traf meine anleitende Lehrerin für Kunst. Eigentlich stand ich die längste Zeit nur dumm in der Gegend rum, weil sie mich irgendwie gar nicht richtig beachtete. Aber eine Sache hat mich damals beeindruckt. Bevor der Unterricht losging, sagte die Lehrerin zu einer Schülerin: „Tanja (oder irgend so ein Mädchenname), ich hab hier das Buch, das ich dir mitbringen wollte.“ Und ich – frische Referendarin dacht: Cool, da hat die Lehrerin also extra etwas für eine Schülerin von zu Hause mitgebracht. Das hat mich total beeindruckt. Dieses Private hat mich damals beeindruckt. Das war irgendwas, das nichts mit dem Unterricht zu tun hatte.

Wenn man jetzt nicht dauernd etwas von zu Hause mitbringen will, kann man dann trotzdem die Schüler als Personen wahrnehmen?

Ja, indem man sich für Sachen interessiert, die sie auch interessieren. Aber Achtung – hier zählt nur echtes Interesse. Keine Ranschleimen, kein Interessegeheuchel, kein Fußballgequatsche, wenn man sich nicht für Fußball interessiert.

Was immer geht: Fragen die das Handy betreffen: „Kann mir jemand sagen, wie ich dieses WhatsApp auf mein Handy machen kann? Welchen Weckruf habt ihr denn?“ Wir haben uns mal gegenseitig unsere Weckrufe vorgespielt. Sehr lustig. Bei meinem schrie Dilay los: „Iiiihhhh, den hat meine Schwester, ich kann den nicht ertragen!“

Mich interessieren ja immer alle Liebesdramen und wer gerade mit wem im Streit ist und warum. Das lasse ich mir immer ausführlichst erzählen.
Ich lese auch gerne unfertige Raptexte und gebe meinen Senf dazu.

Und manchmal ist es sogar gut, dass man Teenager unterrichtet, denn mit manchen meiner Interessen kann ich bei meinen Freunden überhaupt nicht landen, dass ich z.B. Newtopia gucke, traue ich mich nicht mal zu sagen. Damit kann ich den Schülern auch nicht kommen – dafür sind die zu cool. Obwohl, ich werde morgen mal fragen – vielleicht gibt es ja irgendeinen Uncoolen unter ihnen, der Newtopia verfolgt. Ich würde mich so gerne mal mit jemanden über diesen Fake-Skandal unterhalten.

Und hoffentlich gibt es noch Schülerinnen, die Topmodels gucken – da ist ja letzte Woche diese Varessa rausgeflogen, weil sie angeblich die anderen schlagen wollte und sie Huren und so genannt hat. Aber eigentlich hat das nur diese Laura gehört und in der Vorschau von den nächsten Folge, da heult diese Laura schon wieder rum, dass sie Beef mit irgendeiner hat und jetzt liegt ja der Verdacht nahe, dass sie sich das vielleicht alles nur ausgedacht hat… bin gespannt, ob ich da die einzige bin, die das so sieht.
Ach, Lehrerinsein fetzt echt. Und danke Frau Dienstag für diese tolle Erfindung. Schüler in ihrer Person wahrnehmen bringt’s voll. Probiert das doch morgen alle mal aus.
PS: In dem Video turnt euch Frau Dienstag Buti vor.

Frau Dienstag – take this!

Ich beginne meine Stunde heute so:
„Also, ich habe eine Freundin, die ist auch Lehrerin. Und die fragte mich gestern: Und, was haben deine Schüler in den Ferien gemacht? Und ich sage so: Oh, das hab ich sie gar nicht gefragt. Und sie so: Waaas? Hast du nicht, ich habe die ganze Stunde mit meinen über deren Ferien geredet. Und darum bin ich eine viel tolle Lehrerin als du.“
Meine Schüler starren mich an.
Ich hole tief Luft: „Na ja, und deshalb wollte ich euch heute fragen, wie eure Ferien waren.“
Rosa sofort: „Nee Frau Freitag, heute ist zu spät!“
Ich: „Oh, echt?“
Sie grinst: „Nee, nee… boahhh, die Fereien waren voll langweilig. Das Wetter war schlecht und ich habe mich total gelangweilt.“
Dilay: „Ich mich auch.“
Ich: „Aber in der zweiten Woche, da war doch schönes Wetter, wart ihr da draußen?“
Die Jungen nicken. Rosa auch. Rosa: „Firat war die ganze Zeit im Center.“
Firat liegt mit dem Kopf auf dem Tisch. Jacke an, Rucksack auf dem Rücken.
Ich: „Firat, echt? Warst du immer im Center? Arbeitest du dort?“
Firat erhebt sich in Zeitlupe: „Ich wohne neben Center.“
Ich wittere Wissenswertes-Wiedergabe: „Wisst ihr, in Amerika, da heißen Center ja malls und zu Leuten, die immer in den malls rumhängen, sagt man mall rats. Also Center Ratten.“Rosa lacht: „Haha, Firat, du bist Center Ratte.“
Firat hat sich wieder abgelegt.
Ich: „Firat, gehst du denn immer nur in das eine Center?“
Vincent: „Er traut sich nicht woanders.“
Ich: „Vincent, und was hast du gemacht in den Ferien?“
Vince: „Gechillt.“
Ich: „Und wie muss ich mir das vorstellen? Auf dem Bett rumgelegen?“
Vincent nickt.
Ich: „Und an die Decke gestarrt? Zwei Wochen lang?“
Hamid leise: „Und sich einen gekurbelt.“
Allgemeines Gelächter.
Günther: „Ich war im Kino.“
Ich: „Ahhh, was hast du denn gesehen?“
Günther: „Fast and Furious.“
Ich: „Fast and Furious 17?“ Ich denke: Hört das eigentlich noch mal auf, mit dem Fast and Furious?
Günther: „7“
Melike: „Als das Wetter besser war, waren wir am Tegeler See. Voll schön da.“
Ich: „Ja, kenn ich.“
Melike: „Können wir da mal Wandertag hingehen?“
Ich: „Kannst du uns da hinbringen?“
Melike nickt.
Rosa: „Frau Freitag, was machen Sie eigentlich, wenn wir alle durch die MSA Prüfung in Englisch fallen?“
Ich: „Dann häng ich mich auf.“
Sie grinsen.
Ich: „Und damit das nicht passiert, üben wir jetzt für den Schreibteil vom MSA.“
Und dann fingen wir an und übten bis zum Klingeln.
Gut so Frau Dienstag?

Frau Dienstag sagt wie’s ist

Wer ist die beste Lehrerin? Die beste Lehrerin ist Frau Dienstag!
Sonntagnachmittag. Ich rufe Frau Dienstag an: „Frau Dienstag, ich geh zum Yoga. Was machst du?“
„Ich bereite meinen Unterricht vor.“
„Echt? Ich habe beschlossen NIX für die Schule zu machen“
„Ja. War klar jewesen. Darum bist du auch nicht so eine tolle Lehrerin wie ich.“
„Nee, anders wird ein Schuh draus: Ich bin so eine tolle Lehrerin, dass ich mich gar nicht mehr vorbereiten muss!“
„Ich muss jetzt weitermachen. Tschüüüüßii.“

Ich gehe zum Yoga. Bin ich wirklich so eine tolle Lehrerin? Sollte ich mich nicht auch auf die Schule vorbereiten? Jetzt hatte ich zwei Wochen Ferien und habe NICHTS für die Schule getan. Die ganze Zeit dachte ich – ach, das machst du dann am Sonntagnachmittag und dann kommt der Sonntagnachmittag und was mach ich – ich geh zum Yoga, dann Lindenstraße, Tatort und dann gute Nacht. Und Frau Dienstag, sitzt schon das ganze Wochenende und bereitet eine Unterrichtseinheit nach der anderen vor.

Während der Tagesschau denke ich: Mist, hätte ich nicht doch irgendwas für die Schule machen sollen? Irgendwas. Irgendwas gibt es doch immer vor- oder nachzubereiten… Solle ich jetzt vielleicht noch…? Ein Blick zum Schreibtisch. Nee, jetzt liege ich ja schon auf der Couch und Yoga war voll anstrengend und gleich kommt doch Tatort. Das muss ich doch gucken.

Der Tatort nervt. Ich schreibe Frau Dienstag eine WhatsApp Nachricht: Tatort nervt.
Sie: Ei, i hör des fränkische so gern.
Ich denke, GERADE das Fränkische nervt. Und dass die so rumschreien nervt und dass ich morgen wieder zur Schule muss nervt und dass ich mich nicht vorbereitet habe, das nervt auch.
Plötzlich Frau Dienstag: Ich freu mich auf morgen.

Oh Mann denke ich – Frau Dienstag nervt auch.

Heute dann Schule. Unvorbereitet schummele ich mich durch den Tag. Manche Kollegen kommen gar nicht. Dann doch lieber unvorbereitet, als gar nicht.
Nachmittags Frau Dienstag: „Oh es macht sooo einen Spaß die Kinder zu fragen, was sie in den Ferien gemacht haben.“
Ich denke: Mist, das habe ich meine nicht gefragt. Ich habe gleich mit dem Unterricht angefangen.
Sie: „Die anderen Kollegen fangen gleich mit dem Unterricht an. Die holen die Schüler gar nicht da ab, wo sie sind. Ich habe die ganze Stunde mit denen über die Ferien geredet. Das war total schön.“
Ich denke – ich habe nur Unterricht gemacht. Mist.
Sie: „Ach, ich bin einfach sooo eine tolle Lehrerin.“
Ich denke: Ja. Frau Dienstag ist die tollste Lehrerin der Welt. Ob ich die Schüler morgen noch nach ihren Ferien fragen kann? Das klappt bestimmt nicht. Die hassen mich jetzt alle. Weil ich kalt und gemein und noch dazu schlecht – pfff, GAR nicht vorbereitet bin. Vielleicht gehe ich mit meiner Klasse morgen Eisessen. Aber ich befürchte fast, das nützt jetzt auch nichts mehr.