Okay, die Fachangestellte in der Englischen Buchabteilung beobachtet mich, wie ich meiner Freundin demonstriere, dass sich englische Taschenbücher meiner Meinung nach nur suboptimal aufschlagen lassen.
Ich merke gar nicht, dass sie mich anspricht. Was heißt anspricht? Sie meckert mich an.
„HALLO SIE, SO KANN MAN BÜCHER IN EINER BUCHHANDLUNG NICHT BEHANDELN. SIE MACHEN DAS BUCH KAPUTT: DA BRICHT DER RÜCKEN…USW.“
Ich gucke mir das Taschenbuch an. Es sieht tadellos aus. Ich halte es der Verkäuferin unter die Nase, um sie zu beruhigen: „Hier, ist nicht kaputt. Der Rücken ist noch ganz.“
Sie hört aber nicht auf und meckert und meckert. Eigentlich möchte ich ihr sagen: „Sie schicken doch die kaputten Bücher sowieso als sogenannte Remmis wieder zurück an die Verlage, also warum regen Sie sich jetzt so auf?“ Das sage ich aber nicht, weil ich völlig fasziniert bin von ihrer Anmecker. Vielleicht ist fasziniert das falsche Wort. Ich bin fassungslos, dass ich – eine erwachsene Frau am hinteren Ende des mittleren Alters – sich in der Öffentlichkeit anmeckern lassen muss. Innerlich koche ich. Kein schönes Gefühl.
Sie ist wie so eine Maschine. Eine Anmeckermaschine. Ich lege das Buch wieder auf seinen Stapel zurück, hole tief Luft, hebe beide Hände und sage: „Okay, das war jetzt meine Anmecker des Tage. Vielen Dank.“
Zu meiner Freundin sage ich: „Ich muss jetzt hier raus, sonst platze ich.“
Draußen rauche ich eine Zigarette und habe Schwierigkeiten, mich zu beruhigen. Es regnet. Es ist kalt. Ich werde von Passanten angerempelt. Ich will nach Hause. Meine Freundin kommt.
„Du, ich habe die Verkäuferin gerade nochmal angesprochen und gesagt, dass der Ton ja eben wohl nicht okay war. Und da meinte sie, dass sie heute einen schlechten Tag hat, weil sie eine Email mit einer schlechten Nachricht bekommen hätte.“
Ja – FUCK YOUR FUCKING EMAIL!!!!! Ich hätte das Buch nehmen sollen und den Rücken richtig durchbrechen sollen. „Hier! JETZT ist es kaputt!“ Und dann hätte ich ihr noch ein 10 Euro Schein vor die Füße schmeißen sollen.
Oder so: „Sprechen sie mit MIr? – Are you talking to me? Sprechen SIE in DIESEM Ton mit mir? Sie arbeiten doch hier, oder? Und ich bin hier KUNDE und ich habe gerade für 45 Euro Bücher in IHREM Laden gekauft und SIE wagen es mich hier öffentlich anzumeckern??? Ich würde gerne Ihren Chef sprechen, damit ich die gerade gekauften Bücher zurückgeben kann….“
Ich lasse mich nicht mehr anmeckern!!!! Schon gar nicht da, wo ich KUNDE bin!!! Wo sind wir denn?
Ich bin doch kein Kind mehr. Ha, als Kind auf dem Hof hinter unserem Haus hat mir mal ein anderes Kind gesagt – als wir irgendeinen Unfug gemacht haben: „Du hast es gut, du kriegst ja nur Anmecker. Ich krieg Verkloppe.“