Kein Bock mehr!

Ich dachte ein bisschen Musik beim Schreiben wäre schön. Aber Adeles Hello treibt mich ja gleich ans offene Fenster. Adele hat bestimmt den Führerschein sofort bestanden. Und sogar alles links. Die hat es gut. Ich wäre lieber Adele.

„Ich würde niemandem sagen, wann deine nächste Prüfung ist.“, sagt eine Freundin.
Die Prüfung ist am Dienstag und ich habe keinen Bock. Ich hab keine Angst – nur eine richtig große Bocklosigkeit. Regelrecht gelangweilt fühle ich mich. Dienstagabend bin ich schon verabredet. Besaufen, feiern, trauern… eigentlich egal.

Vielleicht einfach mit dem ganzen Führerscheingemache aufhören? Ich habe wirklich gut ohne den Scheißschein gelebt. Und der Ärger hört doch dann nicht auf… Dann kommt, sich beim Gebrauchtwagenkauf von windigen Gesellen übers Ohr hauen lassen – woran würde ich denn einen Unfallwagen erkennen, wenn der nicht eindeutig irgendwo eingedellt ist? Dann kommt, sich mit Versicherungen auseinandersetzen. Formulare, die ich nicht lesen will, lesen. Dann kommen Unfälle – Blechschäden. Ich werde immer Schuld sein. Und wenn nicht, dann werde ich denken, ich sei Schuld. Dann kommt Werkstatt und Fachsprache, die ich nicht verstehe. Dann fühle ich mich wieder dumm.

So ein Auto ist doch eigentlich dem Menschen voll überlegen. Ich kann doch so einem Auto gar nichts entgegenhalten. Ein sehr ungleicher Gegner. Ich verstehe so ein Auto nicht. Dass ich so ein großes Ding bediene, ist eigentlich nicht normal. Ich fahre doch auch nicht gut Fahrrad. Ich kann laufen. Ich laufe gut. Obwohl – von dem Autofahren habe ich mir so einen kleinen Knieschaden eingehandelt – und später kommt da noch ein fetter Arsch dazu.

Aber ich kann auch nicht mehr ohne Dieter. Dieter strukturiert meine Woche. Ich brauche diese regelmäßigen Fahrstunden. Ich bin doch ein Sklave der Gewohnheit und momentan im Sabbatjahr. Für meine Persönlichkeit eigentlich Gift. Die Arbeit mit Netflix zu ersetzen geht ein paar Wochen. Momentan habe ich mich mich von Netflix emanzipiert. Lebt sich auch gut ohne Netflix. Aber ohne Dieter? Als Frau hat man bei Dieter ja nur Chancen, wenn man ihn bezahlt. 50 Euro für ein bisschen mit ihm rumgurken. „Mensch Mädel“ – im Preis inbegriffen. Genauso wie: „Ich hätte ja runtergeschaltet.“ Und: „Nicht denken. Einfach machen, was ich sage.“

Die Stunden nach meinem grandiosen Durchfall fahre ich wie ein Zombie. Wieder durch Tempelhof. Lustlos und apathisch. Und ich mache auch immer wieder Fehler. Mit erfahrenen Autofahrern zu fahren bringt auch nichts, die blinken gar nicht und auf Schulterblicke kann man da auch ewig warten.

Keine Lust mehr!!!! Mist. Ich muss doch bei der Prüfung wenigstens so tun, als sei ich am Bestehen interessiert. Na ja, die Aufregung wird schon noch kommen. Durchfallen – Bestehen… im Moment habe ich dazu gar keine Meinung. Emotional habe ich ich mich schon längst davon entfernt. Vielleicht ist das normal. Vielleicht ist das ein Schutzmechanismus. Vielleicht ist das Evolution. Das Mammut ist ja schon um die Ecke gerannt, da brauch ich jetzt auch nicht mehr hinterher, krieg ich sowieso nicht mehr.

Aber ich will ja auch nicht alle, die immer sagen – das schaffst du nächstes Mal ganz sicher – die will ich ja nicht enttäuschen. In meinem Alter sollte man eigentlich keine Prüfungen mehr machen. Da sollte man alle Prüfungen schon hinter sich haben. Steuerprüfung, okay, aber sonst?

Können die Durchgefallenen mir mal sagen, ob diese Abgeklärtheit und vor allem diese extreme Bocklosigkeit normal ist? Und vor allem, ob die wieder weg geht? Ich kann doch nicht im Ernst wollen, dass ich mein Leben lang zwei Mal die Woche mit Dieter durch die langweiligen 30er Zone von Tempelhof schleiche. Das Leben muss doch noch mehr zu bieten haben.

Allgemein

11 Gedanken zu “Kein Bock mehr!

  1. Ich glaub du hast den Prüfungskoller.
    Den hab ich mit dem Referendariat jetzt auch, lustlos, es geht ja auch ohne Examen usw.
    Da hilft nur, sich diese Gedanken radikal zu verbieten und sich auf das Ziel zu konzentrieren und dann mit stoischem Mut immer weiter. Guck mal, du hast dein Examen, ich hab 2 Führerscheine gemacht – beides Beweise, dass es möglich ist. Also nehmen wir uns jetzt beide zusammen und lenken unsere Unzuzfriedenheit in Treibstoff um, um unser Ziel zu schaffen. TSCHAKKA!! 🙂

  2. Ja, die extreme Bocklosigkeit und Apathie ist normal. Ich wollte nachdem ich (das erste Mal) durchgefallen bin, nicht mal Fahrstunden ausmachen. Ich glaube, ich hab mich 3 Wochen nicht mehr bei meinem Fahrlehrer gemeldet. Und auch die Gedanken, „Was soll das Ganze, ich konnte bisher doch auch gut ohne Führerschein leben“ sind normal. Mir war auch alles egal. aber als ich dann endlich bestanden hatte(laut meinem Fahrlehrer „mit Altersbonus“ : „Bei Fahrschülern in deinem Alter sind die Prüfer nicht mehr so streng“), habe ich mich dann doch gefreut.

  3. Zugegeben, bei mir ist es jetzt schon fast 20 Jahre her, dass ich beim ersten Mal durch die Prüfung gefallen bin und zum zweiten Mal antreten musste. Im ersten Moment war es für mich eine Katastrophe, dann wollte ich vor der zweiten Prüfung am liebsten weglaufen. Mein Fahrlehrer hat mir dann verraten, dass er beim LKW-Führerschein auch einmal durchgefallen ist. Er war der Sohn, der die Fahrschule übernehmen sollte und dann so was. Das hat mich irgendwie beruhigt. Meine zweite Prüfung war auch nicht berauschend. Der Prüfer sagte, er habe alle Augen und Hühneraugen zugedrückt… Immerhin fahre ich seither unfallfrei quer durch Europa.
    Wenn Du erst einmal Alleinherrscher in Deinem Auto bist und Dir nicht ständig jemand über die Schulter schaut, dann bist auch Du der Chef und nicht das Auto. Das wird schon. Auch die anderen machen nicht immer alles richtig – auch Dieter nicht, da bin ich mir sicher. 😉 Viel Erfolg!

  4. Das finde ich echt cool, schade, dass ich den Führerschein schon habe. Ich werde mir jetzt was suchen, in dem ich versage. Das sollte jeder Lehrer tun, denn dann wissen wir ganz genau, wies unseren Schülern geht. Warum die keinen Bock mehr haben 😀 Dabei bin ich nicht Dieter sondern total motivierend.
    lg

  5. Ich kann doch nicht im Ernst wollen, dass ich mein Leben lang zwei Mal die Woche mit Dieter durch die langweiligen 30er Zone von Tempelhof schleiche. Das Leben muss doch noch mehr zu bieten haben.

    Liebe Frau Freitag …
    Keanu Reeves fragte in dem Philosophenfilm „John Wick“ seinen Freund Willem Dafoe : „Warum ausgerechnet sie ?“ und der antwortete ihm darauf : „Versuche nicht, dem Leben einen Sinn zu geben. Es ist nur eine Aneinanderreihung von Tagen und schlechten Tagen.“
    Keanu Reeves : „Ist das wirklich so ?“
    Willem Dafoe : „Das Leben geht weiter.“
    Soviel Tiefsinn sollte unbedingt beachtet werden.

    tja, … Kino ist nicht zum Spass sondern für´s Leben.

  6. Ja, jetzt noch ein bißchen der Depression hingeben, dann zusammenreißen und die Prüfung schaffen!!! Oder hängen Sie in der zwischenzeit so an Dieter, dass es ohne nicht mehr geht? Vielleicht ist es auch das?
    Grüße,
    Eva

  7. Doch, war bei mir genauso. „So eine gottverdammte Scheiße. Warum mach ich das überhaupt? Hat doch bisher auch super geklappt ohne, heute braucht den Führerschein doch kein Schwein! Klar, mal zu Ikea oder nach Italien fahren wäre schon mal nett gewesen, aber da komm ich so auch hin. Halt nicht so komfortabel, aber dafür hab ich dann noch Muckis vom Tütentragen. Autofahrer sind doch alle verweichlicht! Die laufen ja nicht mal drei Meter zum Supermarkt. Aber das ganze Geld will ich denen eigentlich auch nicht in den Hintern schieben. Einfach so, ohne was dafür zu haben. Ne, is mir jetzt scheißegal, ich zieh das jetzt durch. Und wenn ich’s 10 mal machen muss, geht mir doch am Po vorbei wenn’s wieder nix wird. Irgendwann wird’s schon werden, und ob ich den Führerschein dann überhaupt nutze, schau ma mal.“
    Ich hab beim 4. Mal bestanden. Immer nur durch so dumme Leichtsinnsfehler. Aber am meisten Schiss hatte ich vor der Zeit danach, wenn niemand mehr neben mir sitzt und mich korrigiert bzw. auch eingreifen kann wenn’s nötig sein sollte. Ich habe meinen Schein jetzt knappe 2 Monate, Auto gucken war ich mit einem befreundeten Mechantroniker, da war’s dann nur noch halb so schlimm. Aber ich hätte immer noch gerne jemanden neben mir, der mir sagt ob der Gang zum Abbiegen jetzt richtig war und ich so fahren kann wie ich fahre. Ich bin froh ihn gemacht zu haben, soviele Möglichkeiten!
    Ich denke diese Bocklosigkeit ist völlig normal und irgendwo auch ein Schutzmechanismus. So tut man wenigstens so, als sei es einem egal & damit das durchfallen auch nicht so schlimm.
    Nach der zweiten Durchgefallenen Prüfung (ich hab’s nach der ersten niemandem mehr gesagt) war mein einziges Ziel nur noch, nicht mehr Prüfungen als meine Nachbarin zu brauchen, die ist gnadenlose 7 mal durchgefallen. Da zieh ich heute noch den Hut davor, ich hätte irgendwann wahrscheinlich doch aufgegeben.

  8. liebe Frau Freitag , das ist alles ganz normal ….. bei mir kam erst der Lachkrampf ,danach die Selbstzweifel …. trotzdem hab ich ’s noch dreimal versucht ,hat nicht geklappt , ich war zu nervös …. häusliche Probleme halt …..einen Führerschein hab ich immer noch nicht , nur stört mich das ebenso wenig wie das ungewaschene Gesülze aus meinem Bekanntenkreis ….also halt die Ohren steif ….. 🙂

  9. Dooooch Bocklosigkeit finde ich da schon ganz normal. Eigentlich weis man ja das man es schon kann, darum hat man auch keine Lust auf noch mehr Fahrstunden und die Prüfung. So zumindest meine Theorie.

  10. Moin, moin,
    also auch ich habe damals die erste praktische versemmelt, weil ich etwas gemacht habe, was ich heute noch immer wieder mal mache, nämlich noch kurz vor dem Stoppschild bei durchgezogener Linie die Spur zu wechseln, weil man sich vertan hatte.
    Der Prüfer sagte dann süffisant am Ende:“Kommen Sie man schnell wieder, Autofahren können Sie ja.“
    Ich hätte ihn da fast verklagt, denn wenn er der Meinung war ich kann das, warum gibt er mir da nicht den Schein?
    Nächste Prüfung, gleicher Prüfer, er ein Gesicht als wäre die Welt am untergehen. Ich mit dem Gefühl „Du kannst mich mal!“ und los. Immer zügig mit genau 50 durch die Stadt. Bei Gelb noch zügig durch usw. Meinem Fahrlehrer kroch der Schweiß auf die Stirn, ich sah stets seine Hand die versuchte mich zu bremsen.
    Und siehe da, anstandslos bestanden! Fahrlehrer meinte nur, so schnell sei noch keiner bei seiner Prüfung gefahren und so kurz wären Prüfungen sonst auch nicht.
    Ich wünsche dir genügend Selbstbewusstsein für den nächsten Versuch, bleib aber am Boden und konzentriere dich auf die „BigPoints“. Also Schulterblick, Stoppschilder Spielstraßen und Vorfahrt. dann klappt das schon.
    Gruß Frank

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