Spiegel gucken, aber noch nicht in alle

„Okay, Frau Freitag, heute fangen wir mal ganz vorsichtig an in die Spiegel zu gucken.“
„Echt? Jetzt schon? Bist du sicher? Ich hatte doch erst 43 Fahrstunden.“
Wir fahren los. Blinker setzten, Kupplung, erster Gang, anfahren mit Vorgas… Frau Dienstag lacht über Vorgas. Das gab es noch nicht, als sie ihren Führerschein gemacht hat. Da sind die Pferde einfach losgelaufen, wenn man an den Zügeln gezogen hat.

„So und jetzt in den Rückspiegel gucken.“ Ich gucke. Ich sehe gut aus. Die Haare sitzen nicht ganz so toll und ich könnte die Wimpern nachtuschen, greife nach meiner Tasche auf dem Rücksitz…
Nein, nein, Spaaaaß. Meine Tasche darf nie auf dem Rücksitz liegen, weil die könnte mich erschlagen, wenn ich mit 50 bremsen sollte. Dann katapultiert die sich nach vorne und macht noch ’ne Biegung zum Fahrersitz oder sie kommt direkt durch den Sitz und tötet mich. Das wollen wir ja nicht. Tod durch Tasche. Also liegt sie im Fußraum hinter mir und ich komm da während der Fahrt auch nur sehr schlecht dran.

„Wie, du fährst jetzt schon seit über 10 Stunden ohne in die Spiegel zu gucken?“, fragt ein Freund gestern. Ich nicke. Er lacht. „Das wäre ja wie schreiben lernen ohne auf die Rechtschreibung zu achten.“ Und plötzlich sehe ich Harald mit ganz anderen Augen. Ist er am Ende doch kein frustrierter Westdeutscher der nach Berlin kam, um der Enge seiner piefigen Kleinstadt zu entfliehen und im großen Berlin sein Glück zu finden? Ist er doch nicht latent depressiv, weil er in Berlin dann nur die piefige kleine Fahrschule bei mir um die Ecke fand? Ist er am Ende der Fahrlehrer, der ganz neue pädagogische Akzente in der Fahrschulszene setzt? Der Held der didaktischen Reduktion. In der ersten Stunde lernen wie, wie wir uns anschnallen. Das ist gar nicht so einfach, denn spiegelverkehrt. Dann lenken, Schritttempo, dann erster Gang, dann zweiter Gang, dann eine Weile nur zweiter Gang, dann im Dunkeln, dann wieder zurück zu nur erster Gang, dann wieder zweiter, dann sogar dritter Gang und jetzt eben Spiegel gucken. Aber nur in einen. Nicht zuviel auf einmal. Bis Oktober haben wir ja noch sooo viel Zeit.

„Unterschätze das in die Spiegel gucken nicht.“, sagt er.
„Keine Angst, tue ich nicht.“, antworte ich.
„Blinker setzten nach links.“ Ich gehorche. Fahre. Er: „Jetzt Blinker setzen nach links.“ Ich denke – da ist doch gar keine Straße. Er meint wahrscheinlich rechts. Da geht es zu einer Tankstelle. Aber ich soll nicht denken. Ich bin etwas unsicher und ziehe leicht nach rechts. Er geht in die Bremse und guckt mich an: „Ich hatte gesagt links.“ Ich: „Oh ja, klar, natürlich, sorry.“ Winde mich in meinen Entschuldigungen, tzzzz, da zahle ich auch noch über 50 Euro für, damit ich mich hier ständig vor dem winden darf, komische Welt.

Ich schleiche links an der Tankstelle vorbei. Bin immer noch verwirrt, warum ich nach links blinken sollte. Und dann tue ich etwas sehr Unüberlegtes: Ich frage nach. „Äh, warum sollte ich denn blinken.?“
„Da war ein Fahrbahnwechsel.“ Er seufzt „Halt mal an, ich erkläre dir was eine Fahrbahn ist.“
Und dann erhalte ich wieder so einen Vortrag auf Folien mit Straßen, auf die er mit ausgetrockneten Overheadstiften (non-permanet) Striche und Pfeile zeichnet. Dann wischt er alles weg. Aber nicht ordentlich. Ich denke: Wisch das doch mal richtig weg! Du hast ja alles nur verschmiert. Aber er hat den kleinen Hefter schon wieder weggepackt.

Am Ende der Stunde sitzen wir im Auto und Harald sagt: „Ich wünschte es würde dir Spaß machen.“
Ich sage: „Ich bin verunsichert und wenn du immer sagst, dass es so lange bei mir dauern wird, dann komme ich mir vor wie der allerletzte Depp, der das nie schaffen wird.“
„Das habe ich nie gesagt.“
„Aber, wenn du immer sagst das ist alles so schwer, dann heißt das doch dass ich zu bekloppt bin für den Führerschein.“
„Das sage ich ja gar nicht. aber es wird nicht leicht.“ Ich quatsche gegen eine Wand. Er hat seine feste Meinung von mir und davon rückt er auch nicht ab.
„Ich meine ja nur, mir ist es egal wie lange es dauert. Es dauert so lange, wie es dauert. Aber ich muss das nicht ständig hören.“

Harald seufzt: „Frau Freitag, da musst du dich durchbeißen und ich weiß nicht ob du das kannst.“ Und da denke ich: Wie bitte???? Ich und nicht durchbeißen können??? Durchbeißen ist mein zweiter Vorname!
„Ich hab mich schon durch ganz andere Sachen durchgebissen. Das schaffe ich schon.“, sage ich und steige aus. Tzzzz, durchbeißen. Als wäre Lehrerin zu werden nicht 1000 Mal schwieriger, als einen Führerschein zu machen. Ich habe in meiner Berufslaufbahn so viele schlechte Lehrer gesehen. Lehrer, die ihr Leben lang Chaos in den Klassen hatten. Und die waren alle gute Autofahrer. Das beweist doch, dass es viel leichter ist, einen Führerschein zu machen, als an einer Brennpunktschule zu unterrichten. Aber ich sage nichts. „Ich habe mich schon durch ganz andere Sachen durchgebissen“ lasse ich einfach mal so stehen. Da kann er sich ja jetzt mal überlegen, durch was sich diese Frau Freitag durchbeißen musste.

Es wird ja immer besser mit dem

„Frau Freitag, ich hab den Eindruck, dir macht das alles keinen Spaß.“, sagt der Fahrlehrer und recht hat er. Spaß ist anders. Spaß ist vorher und danach. Spaß ist um die Fahrstunden drum herum. Das ist nicht gut. Die sind so teuer. Das muss sich ändern. Also teuer werden die bleiben, aber entweder fange ich an da Spaß zu haben oder ich höre wieder auf.

Frau Dienstag meint ich soll Harald mal sagen, dass er mich mehr loben soll. Dass er mich motivieren soll. „Machst du da keine Witze?“
„Nee. Da bin ich voll konzentriert.“ Vielleicht sollte ich da ein paar Witze machen. Aber ich glaube Harald findet der Oberwitz ist, dass ich versuche den Führerschein zu machen. Wahrscheinlich lacht er sich vor und nach den Stunden schlapp.

Nach der Stunde kamen wir irgendwie auf das Thema praktische Prüfung zu sprechen und da sagte er, ich solle doch lieber beim TÜV machen, weil die netter seien. „Da hast du vielleicht eher Chancen die Prüfung zu schaffen.“ Ich so: „Hähhhh? Meinst du ich habe eigentlich gar keine Chance durch die Prüfung zu kommen?“
„Es wird sehr lange dauern. Wir sind noch sehr sehr am Anfang.“, sagt er und seufzt.
„Weißt du, ich glaube ich bin nicht die erste, die den Führerschein macht und ich habe schon ganz andere Sachen geschafft.“
Er lässt nicht locker: „Es wird schwer. Und ich will ja jetzt nicht sagen, dass du das schnell schaffst, wenn es dann später so teuer wird… es ist eben so, wenn man älter ist.“ Und dann erzählt er mir, dass es einfach so ist, dass man in meinem Alter eben sooo schwer dazulernt und so weiter und so weiter.

Was soll das alles? Mir ist es doch egal was das kostet. Ich hab genug Geld. Ich glaub das muss ich ihm mal sagen: „Alter, mir geht es nicht ums Geld. aber ich möchte nicht dauernd hören, dass ich dass nicht schaffe. Und wenn ich 1000 Stunden brauche – scheiß drauf. Dann brauche ich eben 1000 Stunden. Zahl ich. Kein Problem. Aber wenn du mich weiter so demotivierst, dann kaufe ich die Scheißfahrschule und schmeiß dich raus und dann kannste ja mal sehen, wie schwer das ist nochmal was neues zu lernen. Bist ja auch nicht mehr der jüngste.“
Ich bin ja in der Schule nicht immer der größte Motivator. Aber wenn ich den Schülern permanent sagen würde, dass sie den MSA wahrscheinlich nicht schaffen… und woher würde ich das überhaupt wissen? Nicht alle Schüler sind gleich. Einigen fielen die Prüfungen leicht, anderen nicht. Einigen wird auch der Führerschein leicht fallen und anderen nicht, auch wenn die alle 18 sind. Oder schaffen alle 18jährigen den Führerschein im Vorbeigehen? Und sind wir alten Leute alle gleich?
Und überhaupt… was ist Fahrlehrer überhaupt für ein komischer Beruf?
Frau Dienstag sagt: „Ist doch lustig, da ist dein Fahrlehrer wahrscheinlich aus Westdeutschland nach Berlin gekommen, um nicht zur Bundeswehr zu müssen und jetzt ist er trotzdem Fahrlehrer geworden.“ Ja, hehe, wahrscheinlich fiel es ihm zu schwer noch was anderes zu lernen.


Na warte!

Anfahren am Berg. Tzzzz. Anfahren am Berg. Bremsen. Wieder anfahren am Berg. Wieder bremsen. Wieder anfahren und weiterfahren, rechts abbiegen. Es ist wieder dunkel, aber es regnet nicht. Man sieht dann wirklich besser. Meine Freunde, die DHLs, sind immer noch unterwegs und stehen mir im Weg rum.
Eine Freundin erzählt mir, dass sie 100 Fahrstunden hatte. Ich denke: EINHUNDERT MAL 50 Euronen???? Alter Falter. In der Raucherpause der Theoriestunde erzählt einer was von den „12 Pflichstunden“. Wenn ich Harald und den Jüngling im Büro frage, wieviel Stunden man so braucht, dann halten sie sich immer total bedeckt. Sie haben so ein stillschweigendes Übereinkommen, dass man Oma bloß keine konkreten Zahlen nennen darf. Und nach meiner verkackten Dunkelfahrt neulich höre ich von Harald auch nichts mehr von wegen Fahrgefühl einer Achzehnjährigen. Ich glaube er hat mich jetzt in die Kategorie unbelehrbar – das kann dauern, das dauert eben und bei dem einen eben länger und der eine ist Oma – eingeordnet. Ich sage, wenn ich meinen Antrag beim Bürgeramt abgegeben habe, dann kann ich frühstens im März meine Prüfung haben. Ich rechne. Jede Woche zwei Fahrstunden – das wären dann so 40 Stück. Ich frage Harald, wie das ist, wenn ich erst so spät Prüfung mache, ob ich dann immer weiter jede Woche zweimal… und er sagt, das sei schon sehr wichtig und gut so und gibt mir mehr oder weniger zu verstehen, dass ich mit 40 Fahrstunden doch noch recht schnell sei – für mein Alter.
Ich sage nichts. Weiter anfahren am Berg. Wieder links, dann weiter geradeaus. Dann abbiegen, DHL, Fußgänger, Radfahrer, anfahren am Berg. Irgendwann sind wir fertig. Wir sitzen im Auto und Harald seuftzt. „So, nun mach mal den Motor aus.“ Ich fand, ich war eigentlich ganz gut. „Ging doch eigentlich.“, sage ich. Harald sagt erstmal nichts. Das sollte ich mal wagen, Tarik oder Hamid nicht zu loben, wenn sie sich mal angestrengt haben. Und ich habe mich angestrengt. Harlad sieht nur geradeaus auf die Straße und sagt dann: „Und das schlimmste ist, dass ich gleich noch so eine Stunde habe.“ Hallo? Was meint er denn damit? Meint er noch so eine Stunde mit so einer unfähigen Fahrschülerin wie mir? Ich versuche zu gucken, welche lernresistente Greisin in der Fahrschule auf ihn wartet. Aber da ist niemand. Ich verabschiede mich und latsche nach Hause. „Noch so eine Stunde…“ Unverschämtheit! Aber warte nur, denke ich. Dir werd ich es zeigen. In der nächsten Stunde wirst du dein blaues Wunder erleben!
Am Montag gehe ich mit Frl. Krise auf ein Verkehrsübungsgelände und werde üben. Alles werde ich üben – schalten, bremsen, anfahren am Berg, einparken, rückwärtsfahren. Und dann wollen wir doch mal sehen… Ha! Oma hat noch so einige Asse im Ärmel!!

War klar gewesen

Scheiß kack fuck Fahrunterricht. Verkackte Dämmerung, in der man gar nichts sieht. Scheiß fucking andere Autos, die immer in der zweiten Reihe parken müssen. Immer einladen und ausladen, scheiße, scheiße, scheiße.
„Warum hältst du denn jetzt an?“
„Ich weiß auch nicht.“
Harald verdreht die Augen. Ich sehe es nicht, aber er macht es trotzdem. Ich hasse Autofahren. Ich hasse dunkel. Alles blendet, trotzdem sieht man gar nichts. Und dann noch Regen! Regen – scheiß-kack-fuck-Regen!
Scheiß super ausgeleuchteter Radfahrer mit Helm – wer denkt er wer er ist? Leuchtet wie ein Weihnachtsbaum und fährt dann wie Sau an mir vorbei. Wenn ich nicht dauernd grundlos anhalten würde, hätte ich den voll erwischt. Den Kacker. Radfahrhelmkacker.
„Das war nicht der dritte Gang, das war der fünfte.“ Scheiß Gangschaltung. Scheiß Auto.
„Siehst du, darum hatte ich vorgeschlagen, dass du erstmal mit Automatik…“
Buuuuullllshit! Das hast du doch vorgeschlagen, weil ich schon so alt bin und nicht, weil ich mich nach sechs Stunden in der kompletten Finsternis im Regen mal verschaltet habe! Sei doch wenigstens ehrlich. Scheiß-kack-doofer-Fahrlehrer.
Ich will überhaupt nicht Autofahren. Sooo ein stress. Wer braucht das denn? Ich brauchte das doch nie. Warum denn jetzt? Ich werd‘ das nie lernen. Ich höre auf damit. Diese Scheiße macht auch gar keinen Spaß. Und was da alles noch kommt… Autobahn – pahhh drauf geschissen. Fahrt doch alleine auf eurer doofen Autobahn. Ich fahr Bus.
Wie konnte ich nur sooo doof sein und den Führerschein machen wollen. In meinem Alter! Ist doch klar, dass ich das nicht mehr packe. Ich kann gar nichts mehr lernen. Ich bin schon auf dem Rückweg. Ab 30 wird nur noch verlernt. Negatives Lernen – vergessen und nicht mehr können. Früher konnte ich auch viel mehr. Headbanging. Ging früher voll gut. Jetzt nicht mehr. Spagat. Lange Schlafen.
Wie komm ich jetzt wieder raus aus der Nummer? die nächste Fahrstunde ist auch wieder abends. Ich glaube ich mache das wie meine Schüler. Ich geh einfach nicht hin. Ich schwänze meinen Führerschein. Die können mich alle mal am Arsch lecken. Die Fahrschule, die Dunkelheit und der ganze bescheuerte kack-scheiß Verkehr.

Hunde und Vögel

„Kinder haben keine Bremsen.“
„Alte Leute bleiben vielleicht auf der Straße stehen und Blinde sehen nichts.“
Zum Glück lerne ich diese Weisheiten in meinen Theoriestunden.
Aber jetzt mal im Ernst – was ist das mit den Vögeln? Radfahrer okay, die habe ich jetzt schon als völlig brainless auf dem Schirm. Sobald ich einen Radfahrer sehe, stelle ich mir vor, dass er das aller aller Bescheuertste tun wird. Wenn er rechts fährt erwarte ich, dass er nach links kommt. Und meistens machen die das dann auch. Damit kann ich mittlerweile umgehen. Ich stelle mir einfach immer vor, die sind gerade vom Mars gekommen und wissen gar nichts. Sie haben auch gerade erst Fahrradfahren gelernt und dann muss ich mich eben auf sie einstellen. Das geht schon. Baustellen sind auch kein Problem. Die sind ja statisch und wandern nicht umher. Wanderbaustellen?

Die anderen Autofahrer… sind eigentlich ganz okay und eher rücksichtsvoll. Ab und zu kommen so schleichende Autos an uns vorbei, die nicht abbiegen wollen, mit Fahrern, die einen nervös angrinsen. Fahrschulkumpels. Ich freue mich immer, wenn ich sie sehe, wenn wir da so mit unserem Betreuer neben uns durch die Gegend tuckern.
Betreuer trifft es ganz gut. „Jetzt vom Gas, rollen lassen, Kupplung treten, erster Gang, Gas geben….“ Er sagt mir alles was ich machen soll. Wenn ich mal denke, okay, erster Gang war drin, dann Gas, dann kommt doch Kupplung und dann zweiter Gang.“ Dann gibt es gleich einen Vortrag, dass ich doch genau das machen soll, was er sagt. Und warum. Und was passieren kann, wenn ich das nicht mache usw., dabei will ich doch nur zeigen, dass ich das alles kapiert habe. Soll ich aber nicht.
Nun gut. Einparken geht auch. Vor allem, wenn keiner hinter einem steht.
Aber jetzt mal eine Frage: Was ist das mit den Hunden? Warum spricht niemand über diese Hunde, die da auf der Straße rumsitzen. Also die sitzen am Rand rum und gucken mich an. Und ich denke: Wattn? Stehst du jetzt auf und gehst über die Straße, oder nicht. Blickkontakt mit denen bringt gar nichts. Überfahren darf ich die wahrscheinlich auch nicht, obwohl, davon war noch keine Rede in der Theorie.
Aber die Vögel… da nehme ich nun wirklich keine Rücksicht mehr. Da halte ich frontal drauf. Die Deppen können ja wegfliegen. Vögel… was wollen die eigentlich? Latschen da über die Fahrbahn. Ich versteh’s nicht. Wenn ich ein Vogel wäre – ich wäre immer in der Luft. Keine Autos da oben und man trifft seine Buddys und alle denken neidisch: Geil, die können fliegen, ich nicht.
Fliegen ist doch eigentlich auch viel besser als Autofahren.
Und wußtet ihr, dass man die Parkuhr nur einmal bis zum Anschlag drehen darf und wenn die Zeit abgelaufen ist, muss man wegfahren. Da kann man nicht einfach nochmal Geld reinwerfen und dann ein zweites mal bis ganz hinten drehen. Schön, dass ich das jetzt auch weiß.

Dritte Fahrstunde

„Nicht schlecht. Ich muss wirklich sagen, dass du dich anstellst, wie eine Achtzehnjährige“, sagt Harald und ich werte das sofort als das größte Lob, dass man Oma machen kann. Als er dann auch noch seinen Vorschlag, ich solle doch lieber nur Automatik lernen zurücknimmt, bin ich im siebten Himmel und würge, vor lauter verwirrter Freude, zum ersten Mal den Motor ab. Den darauf folgenden Vortrag über das Absaufen lasse ich, immer noch freudestrahlend über mich ergehen.
„Weißt du, warum ich das mit der Automatik gesagt habe?“, fragt Harald. Natürlich weiß ich das. Weil man in MEINEM Alter statistisch gesehen, also wissenschaftlich erwiesener Maßen GAR nichts mehr lernen kann. „Kannst du dir vorstellen, warum ich das gesagt habe?“ Ich schüttele den Kopf. „Nee. warum?“
„In deinem Alter brauchen die Leute wirklich sehr sehr lange, um das zu lernen. Aber bei dir geht das ja wirklich gut.“ Gleich sagt er, dass er sowas noch nie erlebt hat und mich nächste Woche zur Prüfung anmelden wird. Aber er sagt nur: „Vorne Fuß vom Gas und rollen lassen.“ Ich lasse rollen. Ich gebe Gas und ich lenke. Ich fahre niemanden um, obwohl ich die Chance dazu gehabt hätte und hier nochmal eine Bitte in eigener Sache – könnt ihr mal alle aufhören in dem scheiß Internet zu bestellen? Diese DHL-Autos versperren ständig meine freie Fahrt. Das nervt total. Und außerdem veröden die Innenstädte. Geht meinetwegen zu Karstadt. Aber Hände weg von Zalando!
Und morgen habe ich wieder Fahrstunde. Macht Spaß. Pfff, wäre ja auch noch schöner, wenn das keinen Spaß machen würde. Ist ja schließlich auch voll teuer.

Ich hab nochmal eine Frage in ganz anderer Sache. Also der Tatort gestern… ich schlafe ja leider immer genau um halb zehn kurz ein. Kurz vor 21.30Uhr verfolgen sie ja immer die falsche Spur. Aber gestern habe ich den Schluß gar nicht mehr mitgekriegt. Was war denn das jetzt mit diesem hässlichen grünen Ring? Von diesem albernen Musikproduzenten? Und was war mit diesem Junkie Mädchen? Was war denn ihr Deal? Hatte sie nur den Ring gestohlen? Wenn ich den Freund frage, dass sagt er auf alles immer nur: „Ja.“ Ich glaube der guckt gar nicht richtig hin und versteht auch nur die Hälfte. Und dann noch eine Frage: Warum müssen die immer so viel schreien? Die schreien sich da von morgens bis abends die Lunge aus dem Hals. Zuviel Schauspielschule, wa? Und warum schreien sich die Kommissare immer so an. Dass Frau Mattes so schlecht gelaunt ist, das verstehe ich ja noch. Wahrscheinlich sägt man sie bald ab und sie schmollt jetzt schon mal für die nächsten paar Sendungen. Aber der junge Typ … immer so mies drauf. Und überhaupt ist der Tatort immer so düster und alle sind schlecht drauf. Das hebt ja auch nicht gerade die eigene Laune so am Wochenausklang. Zum Glück kommt dann ja immer noch Günther Jauch mit seinen heiteren Themen. Bei dem ist die Welt noch in Ordnung.

Frau Dienstag langweilt sich

„Is voll langweilig deine Geschichte. Ich hab die nur überflogen“, sagt Frau Dienstag und erzählt mir dann haarklein, was sie gestern gekocht hat. Aber mit all den Vor-und Nachteilen der einzelnen Gewürze.
Frau Dienstag kannst du es nicht recht machen. Sie liest hier nur, wenn sie als Hauptperson drin vorkommt. Und dann: „Is voll lustig, was du über mich geschrieben hast.“ Aber ich kann ja jetzt nicht jeden Tag über Frau Dienstag schreiben. Sie ist ja nicht mein Fahrlehrer und auch nicht Sarah Whitmann und ich muss das doch schreiben, wegen der Kohle. Ich hab doch keine Kinder, die mich später nicht bei sich aufnehmen. Ich muss mich doch um mein Altersheim selbst kümmern und ich geh nicht in so ein asseliges staatliches Ding, wo sie uns nur im Rollstuhl auf den Gang schieben und dann stehste da und langweilst dich. Nee, nee, ich will meinen eigenen Alterswohnsitz und weil ich dann alles bezahlt habe, bestimme auch ich, was im Fernsehen läuft. Und Frau Dienstag, darauf kannst du dich schon mal einstellen! Dschungel Camp, Top-Models, DSDS. Und ich werde mich auf die Fernbedienung setzen und da kommst du dann nicht ran, weil du nicht aus deinem Rollstuhl aufstehen kannst. Und wenn du dann versuchst den jungen Pfleger zu bestechen damit er umschaltet, da wirst du auch Pech haben. Weil die sind alle loyal. They don’t shit where they eat. Die beißen nicht die Hand, die sie füttert. Die sind mir alle treu ergeben, da kannst du nichts machen, Frau Dienstag. Tja, sorry, aber so sieht’s aus.
Also, wenn du auch in der schönen Villa mit den weißen Säulen und den jungen Pflegern wohnen willst, dann unterstütze mal lieber meine Versuche aus Sarah Whitmann einen neuen Shades of Grey-Erfolg zu machen. Mit unserer polpligen Lehrerinnenrente servieren die uns im Alter nur Tütensuppen und abgelaufene Hackbraten. Lauwarm und ohne Salz und wenn du nach Salz fragst, dann geben sie dir das nicht. Und unsere einzige Bewegung wird sowas auf einem Stuhl sein, mit so kleinen Bällen. Aber wir wollen doch einen Pool im Keller, für die Aquagymnastik. Das kostet. Also bitte! Mehr Support.
Vielleicht sollte ich die Geschichte doch nicht in England spielen lassen. Da kenne ich mich ja auch gar nicht aus. Vielleicht doch mehr Berlin in der Jetztzeit. Ich kann ja nochmal anfangen.
Sarah stand am Fenster. Ihre Kinder Jeremy und Esra hatten gerade das Haus verlassen und auch Rcihard stand schon im Flur und zog sich die Schuhe an. Velten, dachte Sarah. Velten… warum waren sie nur vor 10 Jahren hierher gezogen. Sie vermisste Berlin. Hatte immer gerne in Berlin gewohnt…