Bei Lehrer du musst richtig schleimen!


Feeeeerieiiiennnnn!!!!! Endlich!!!! Was kann ich anderes tun als singen und tanzen? Singen und Tanzen!!!!

Eben war der Deutschlehrerfreund hier zum anstoßen mit Kaffee. Der Ferienbeginn will ja befeiert werden. Und dann haben wir uns das Video vom Julklapp noch mal angesehen.
Abdul hat echt Talent. Er sollte Weihnachtsmann werden. Michael hat gefragt, was Abdul sagte, als er mir das Geschenk überreichte. Ich zitiere wörtlich:

„Hier ein Geschenk für Frau Freitag. Ich kenn‘ sie sehr lange. Ab und zu seh‘ ich sie auch bei Lehrerzimmer und bei Elternabend. Sie ist immer sehr nett. Erstmal, sie weiss ich bin schlecht in der Schule, aber sie erzählt, also sie bringt rüber immer erst die die schlechte Nachricht, dann die gute, aber die gute überdeckt die schlechte.“

Dann komme ich nach vorne und wir umarmen uns. Abdul hält eine Tüte hoch mit einer libanesischen Tanne: „Hier sind die Geschenke, zwei Geschenke, weil bei mir ist immer so: Wenn ich ein Jungen ziehen würde – ich hol ihm Parfüm oder was Billiges, bei Mädchen musst du schon ein bisschen mehr achten, so, damit sie dich mag, aber bei Lehrerin – du musst richtig schleimen!!!! “

Ich finde dem ist heute gar nichts hinzuzufügen!
SCHÖNE WEIHNACHTSFERIEN EUCH ALLEN!!!!!!!

Vertretung

Frau Freitag ist virös belastet….! Oder war es nervös? Oder beides?

Jedenfalls soll ich kurz Bescheid sagen, dass sie heute hier nicht mehr vorbeikommt, sondern sich mit einigen Drogen (nein, natürlich nicht halluzinogener Art, sondern mehr Richtung Hustensaft und Aspirin) auf ihr Lager zurückgezogen hat.
Eine gute Lehrerin (und das ist Frau Freitag) wird ja grundsätzlich in den Ferien krank…..oder ganz kurz vorher.
Ist nicht morgen überhaupt ihr Julklapp? Na, dann muss sie ja auf jeden Fall in die Schule…Herzlichen Glückwunsch..

So. Psssst! Und jetzt schreit hier bitte nicht weiter rum, verzieht euch mal lieber, sonst wird sie wach!!!

Viele Grüße und tschüss !
(Ihr könnt ja ruhig zu mir aufn blog kommen, falls ihr euch langweilt!)

Frl. Krise

Saturday night life

Hannah bekommt eine Geschenkpackung „Vanille-Jasmin Dream-irgendwas“ – Duschgel, Bodylotion noch so was und ein rosa Schwamm. Alles in einer schönen Packung. Für 5.45 Euro. Sieht super aus, lässt sich gut einpacken und überhaupt.

Obwohl ich ja dieses Jahr gar nichts mit Weihnachten zu tun haben wollte und deshalb extra seit September nicht mehr in einem Supermarkt war, hat mich dieser ganze Christmaskram doch fest am Wickel. Bin gerade vom Wichteln gekommen. Gibt es ein furchtbareres Wort als Wichteln?
Wichteln sagt man, wenn man eigentlich Julklapp meint. Nur man will irgendwie cooler sein und man verschenkt nichts Schönes, sondern Schrott. Wir sollten ein gutes und ein blödes Geschenk mitbringen. Der Freund hat mit diese Wichteleinladung eingebrockt und deshalb muss er sich auch um die Geschenke kümmern. Kinderfeuerwerk, eine Fantastische Vier Figur aus einem Happy Meal von McD, Smarties und Comics. Und – und hier hört der Spaß eigentlich auf – eine meiner geliebten 100 Watt Glühbirnen, die ich mir aus dem Urlaub in einem unökologischen Schwellenland mitgebracht habe. Schwer ranzukommen an die Dinger – hierzulande.
Jedenfalls wird gewichtelt und am Ende habe ich eigentlich doch ganz gute Sachen: Papst J.P.II – sein Leben, seine Zeit, sein Wirken – auf DVD, die super Kriegsfilm Collection – drei Filme auf einer DVD: High Sky Mission, Going back und Jäger der Apokalypse und was ganz Feines: das Rauschgift Quartett. Da erfährt selbst der größte Junky noch Wissenswertes. Also ich bin ganz zufrieden mit meinen Geschenken. Mein Freund hat nur eine Bernhard Brink Single bekommen.

Ich überlege ja, ob ich dem Ronnie nicht noch das Quartett zum Julklapp schenke. Der kennt sich zwar schon gut aus mit Tilidin, aber von den ganzen anderen Opiaten, Sedativa und Amphetaminen hat der doch noch gar keine Ahnung…

Nie endet der Julklapp


Nun dachte ich, ich hätte diesen Julklapp erledigt – also die Vorbereitung dafür und dann kommt Frau Hinrich in meinen Raum. Letzte Stunde, Dschinges und die anderen basteln gerade an ihren Pinguinen und labern unheimlich unerträglichen Schwachsinn, als die Tür aufgeht. Frau Hinrich fröhlich, mit Jacke und Tasche. Sie hat früher Schluss weil sie mit ihrer Klasse ein Projekt gemacht hat. „Soll ich dir einen Kaffee holen?“ „Ja, gerne. Schwarz bitte.“ Und weg ist sie. Und die kommt gar nicht wieder. Irgendwann bemerkt Dschinges: „Diese Frau Hinrich wollte Ihnen doch einen Kaffee holen. Wo bleibt die denn?“
„Dschinges, kannst du Gedanken lesen? das Gleiche wollte ich auch gerade sagen.“ Ach schön, dieser regelmäßige Unterricht scheint uns geistig in die gleichen Bahnen zu tunen. Zu Hause rede ich wie die Schüler: „Was geht, Frl. Krise? Gehst du Karstadt?“

Aber irgendwann kommt Frau Hinrich mit dem Kaffee. Sie läßt sich erschöpft neben mich auf den Stuhl plumpsen. „Ach Frau Hinrich, ist gut, dass du kommst. Beim Julklapp hat sich was geändert.“ Ayla und Elif kamen heute ganz aufgeregt zu mir. Es gäbe Probleme, da Mariella irgendwie zweimal gezogen hätte und da sei dann einiges durcheinander gekommen. Jedenfalls hat Hannah niemanden. Und sie müssten jetzt unbedingt wissen, wen Frau Hinrich und ich gezogen haben. „Also ich habe Bilal und Ronnie und Frau Hinrich hat Christine.“
„Christine wurde aber schon von Peter gezogen.“
Dann kann doch Frau Hinrich Bilal nehmen, denn ich habe doch zwei.“ „Aber Hannah kann sich doch nicht selbst beschenken.“ gibt Ayla zu bedenken. Elif sagt uns, wie wir das machen sollen: „Frau Hinrich beschenkt Hannah und Hannah nimmt Bilal und Sie behalten Ronnie.“ Ich denke an die Federtaschen, die ich doch schon gepackt zu Hause rumstehen habe. „Okay, das können wir so machen.“

„Frau Hinrich, du beschenkst jetzt doch nicht Christine, sondern Hannah.“
„Du genau darüber wollte ich mit dir sprechen. Ich schaff das gar nicht, ein Geschenk zu kaufen. mach du das mal für mich, ja? ich geb‘ dir das Geld.“
Na toll, bin ich also immer noch nicht fertig mit diesem blöden Julklapp. Die Federtasche mit dem Gelben Stern ist ja nun gar nichts für Hannah…. muss ich morgen noch mal los. Schönen Dank
auch Frau Hinrich.

Julklapp, entpuppt sich mal wieder zu einem endlos Thema.

Und kann mir mal jemand mal sagen, was in diesem Bildungspaket sein soll, dass im Januar für die Hartz4 Kinder kommen soll? Ich hoffe Stifte, Federtaschen, ausreichend Papier und ein Schulabschluss.

Jedes Jahr der gleiche Stress

Julklapp. „Was ist jetzt mit Julklapp, Frau Freitag?“ Ayla interessiert sich schon seit Wochen für nichts anderes mehr. Bisher konnte ich sie immer vertrösten. Irgendwann muss ich mich allerdings dem Julklapp und seiner Vorbereitung stellen.

„Okay Ayla, frag‘ mal die Klasse, ob die das wollen und dann organisiere das mal.“

„Aber können wir dann auch ein Frühstück machen?“

„Ja. Machen wir dann in der dritten Stunde.“

„Aber auch in der Zweiten.“

„Nein, da habt ihr Deutsch. Wir machen das nur in der dritten Stunde.“

„Aber eine  Stunde reicht nicht!!!!!“

Langes hin und her. Jetzt macht Frau Hinrichs in ihrer Deutschstunde auch mit und zwangsläufig macht sie auch Julklapp mit.

Ist ja schon ein Jahr her mit diesem Julklapp, aber war nicht der Gag dabei, dass man nicht gleich weiß, wer wen gezogen hat? In meiner Klasse schreien sie es sofort raus. Jeder wird sofort informiert. Abdul öffnet seinen Zettel. Kurzes Entsetzen: „Ich hab‘ Frau Freitag.“ Dann ein Erleichtertes: „Ach, das macht meine Mutter.“ Und wie sie das machen wird! Ich freue mich jetzt schon auf ein schönes Geschenk von Mama Abdul. Und ich kann jetzt schon garantieren, dass das nicht nur 5 Euro kosten wird. Ich überlege schon, was ich kaufen könnte. Hoffentlich ziehe ich eins von den Disco-Mädchen, dann bekommt die billige Wimperntusche und Lipgloss oder so was. Ronnie sitzt direkt vor mir und grinst: „Hoffentlich ziehe ich nicht Frau Freitag.“ Jetzt denkt der sich wahrscheinlich wieder eine Gemeinheit aus. Scheinheilig frage ich: „Warum?“

„Frau Freitag will bestimmt eine WII.“ Süß.

„Ja, hätte ich wirklich gerne.“ sage ich ihm begeistert. Vor allem, wo doch der Deutschlehrer mir seit Wochen sagt: „Kauf dir mal eine Wii! Du hast doch Kohle“ (Sein Lieblingssatz, weil er nie Geld hat). Und es gäbe ein Programm, mit dem man Rappen lernen könne. Ich dachte immer auf dieser Wii kann man nur so kreplige Pseudo- Turnübungen machen. Aber Rappen lernen…

Alle ziehen, alle kreischen, sie ziehen für die fehlenden Schüler, für Mariella, die ich rausgeschmissen habe, weil sie nicht aufhörte zu essen und dann noch pampig wurde. Alles läuft wunderbar bis zum Schluss. Ich bin die letzte und da sind noch zwei Zettel drin. Ayla ist überrascht:“Häääh? Wieso sind da zwei drin? Muss doch nur noch Frau Freitag ziehen.“ Ich nehme die beiden Zettel. Bilal und Emre. Plötzlich nimmt mir Ayla die Zettel wieder aus der Hand, verschwindet, kommt kurze Zeit später wieder und hat immer noch die zwei Zettel.

„Na Ayla, dann gib her, dann muss ich eben zwei Geschenke besorgen.“ Ich nehme die Zettel und stecke sie mir in die Hosentasche.

Im Lehrerzimmer hole ich die Zettel aus der Tasche. Und da steht Bilal und,…Ronnie!

Schon wieder eine neue Unterrichtsmethode erfunden


Müde. Sehr Müde. Aber muss ja, muss ja, schreiben, Kaffee, Zigaretten, Sport… einer muss ja.

So. Wolltet ihr nicht schon immer mal wissen, wo der Spruch: „Wer zuerst kommt malt zuerst“ herkommt? Der kommt aus meinem Unterricht. Eine spontan erfundenen Unterrichtsmethode.

Heute morgen begebe ich mich widerwillig in meinen Raum. Früh genug, um noch die Zeichenvorlagen zu suchen, die ich meiner Klasse heute im Kunstunterricht vorsetzen will. Ich brauche noch ein paar kleine Noten von ihnen und für große künstlerische Würfe sind wir alle schon zu müde. Ich suche also diese Vorlagen in meinen Schränken, in den Regalen. Nichts. Ich finde viel, aber nicht das was ich suche.

Vor einigen Jahren wäre ich in dieser Situation in Panik ausgebrochen. Noch 10 Minuten bis zum Unterrichtsbeginn und noch keine Aufgabe in Sicht. Heute – abgebrüht berufserfahren – grabe ich mich durch die Berge von Material, die ich in meinem Raum angehäuft habe und werde fündig. Aquarellvorlagen. Das isses. Ein Kollege hatte mir mal lauter alte Kalender mit kitschigen Blumenmotiven geschenkt. Alles aquarelliert.

Ich finde ungefähr 20 verschiedene Motive. Die magnetisiere ich alle an der Tafel. Ich kann kaum hinsehen – sie sind so kitschig, geradezu romantisch. Dazu schreibe ich: Neues Thema: Aquarellieren. So. jetzt können sie kommen. Es kommt nur Esra. „Ohhhh, wie schöööön. Machen wir das heute?“ Dann kommt Peter und dann klingelt es.

Ich fange an die Nichtanwesenden aufzuschreiben. „Peter, hier ist ein Blatt, schreibe mal jeden der Reihe nach auf, der jetzt reinkommt.“ Nach zehn Minuten sind alle da. Ich erkläre die Aufgabe. Wir klären schnell, was Aquarellieren ist. Die Italienerin klärt uns auf – ach ich liebe meine kosmopolitische Klasse. „Ich will das mit den Rosen.“ schreit Ayla. „Nein, das will ich schon „kreischt Christine.

Ich bleibe ganz cool. Früher wäre die Stunde jetzt ins Chaos entglitten, denn die Alphatiere hätten sich die Vorlagen genommen, die sie sich ausgewählt hatten und die Opferschüler hätten schweigend geschmollt und jegliche Mitarbeit für den Rest der Stunde boykottiert, wegen Ungerechtigkeit.

„Sorry Ayla, aber es gibt schon eine Reihenfolge. Als erstes darf Esra sich ein Bild aussuchen. Dann Peter. Wer zuerst kommt malt zuerst.“

Peter liest die Namen vor, alle kommen gesittet nach vorne, suchen sich ein Motiv aus, ich händige das Aquarellpapier aus und alle beginnen zügig mit der Arbeit. Es gibt keinen Streit und keinen Stress. Ich bin begeistert, von meinem Unterrichtseinstieg.

Nach zehn Minuten herrlichster Ruhe kommt Bilal mit einem total vollen Rucksack zu mir. „Frau Freitag, darf ich was essen?“
„Nein, wir haben doch jetzt Unterricht.“
Er öffnet seinen Rucksack und der ist voll mit kleinen Tüten vom Bäcker, trocknen Chinanudeln und Süßigkeiten. Es sieht aus, als würde er das Wochenende in der Schule verbringen wollen.
„Frau Freitag, bitte, ich hab‘ so Hunger. Hier, hier, nehmen Sie auch was. Hier!“
Er zieht eine Tüte raus.
„Hier hmmmm lecker Vanillietasche, mit Schockolade, für Sie, hier, nehmen Sie.“ Ich nehme die Tüte. Sieht lecker aus, diese Tasche. Ich breche ein winizig kleines Stück ab und als ich es in den Mund stecke bemerke ich, wie ich von meiner gesamten Klasse beobachtet werde.

„Abbooooo, sie isst!“ Und ab da gab es kein Halten mehr. Alle holten ihr Frühstück raus, Bilal verteilte großzügig Süßigkeiten (geizig sind meine Schüler nicht) und dann wurde gegessen, bis zum Klingeln.

„Frau Freitag, wir machen einen Deal“, sagt Bilal beim Rausgehen „Ich bringe Ihnen immer Vanielletaschen mit und sie schreiben nicht mehr auf, wenn ich zu spät komme“. Ich schüttle nur den Kopf, weil ich mit der Gummischlange im Mund nicht sprechen kann. Abdul schiebt Bilal durch die Tür und sagt: „Abooo Frau Freitag wäre voll fett am Ende des Schuljahres.“

Manchmal kommt es anders, als geplant


Aus meiner angekündigten emotionslosen Arbeitsrückgabe wurde heute nichts. Erstmal hatte ich die Siebte Klasse. Und nun ratet mal, wer heute am allerbesten mitgearbeitet hat. Mert. Er saß direkt vor mir, hat zugehört und sofort mit der Aufgabe angefangen. Ich habe ihn immer wieder gelobt und ermutigt. „Soll ich das so machen, Frau Freitag?“ Er hält mir seinen Block unter die Nase.
„Genau so. Super. Du arbeitest heute echt gut mit, Mert.“
Er lächelt. „Können wir das auch mal vorspielen?“ (Sie erarbeiten sich gerade kleine Szenen.)
„Ja, das SOLLT ihr nachher sogar schon vorspielen.“
„Jippppy, das haben wir auch immer in der Grundschule gemacht.“

Alles lief heute super mit dem bloßgestelltem Mert und am Ende habe ich ihn vor allen anderen gelobt und er hat auch eine der besten Mitarbeitsnoten bekommen. Beim Rausgehen habe ich noch gesagt: „Mert, sag deiner Mama, einen schönen Gruß und dass ich heute sehr zufrieden mit deiner Mitarbeit und deinem Verhalten war.“ Er lächelt und verabschiedet sich mit einem freundlichem: „Einen schönen Tag noch.“

Dann die Rückgabestunde, auf die ich mich schon gefreut habe. Mein Ärger ist wie verflogen. Die Arbeiten sind in meiner Tasche. Ich habe beschlossen, sie am Ende zurückzugeben. Der Anfang des Unterrichts verzögert sich, weil wir einen massiven „Er hat zwar mit Schneebällen geworfen, aber als der andere dann auf ihn geworfen hat ist er sauer geworden“-Konflikt klären müssen. Peter kann gerade noch verhindern, dass ein Stuhl geworfen wird und ein Schüler wird von mir nach draußen geschickt, um sich abzuregen. Schonmal einer weniger.

Aber wo sind die anderen? Es sind nur 5 Schüler da. Heute findet so eine Musikveranstaltung bei uns in der Schule statt. Emre, Abdul und Bilal machen da mit und Marcella auch. Hatte ich ganz vergessen. Also noch mal 4 weniger. Fehlen aber trotzdem noch ungefähr 7 oder so. Hassan bietet sich an, bei der Musikveranstaltung nach den anderen zu suchen. Er meint, die hängen da schon den ganzen Tag als Zuschauer rum, obwohl sie wissen, dass sie das nicht dürfen. Er kommt wieder und sagt, dass sie nicht kommen wollen. Ich gehe runter und erwische zwei, die ich mit nach oben nehme. Drei entkommen mir und ich trage sie als unentschuldigt ein und beginne mit dem Unterricht. Es sind nur 7 Schüler da. Es ist ruhig und gemütlich.

Hassan zeigt mir einen Brief: „Vallah, ja, gucken Sie Frau Freitag, was ich bekommen habe.“ Ich sehe einen Adler auf dem Brief. „Ist das von der Bundeswehr?“
„Ja.“ Es ist die Einladung zur Musterung, oder die Vorstufe dazu. „Frau Freitag, ja, ich verstehe nichts. Was soll ich da machen?“ Zugegeben, es ist viel Text und den müsste man lesen. Da gibt Hassan natürlich auf und fragt lieber Frau Freitag. Wir reden über die Wehrpflicht, ich erkläre den Unterschied zwischen Zivildienst und Wehrdienst. Hassans Brief nehme ich mit. „Können Sie bitte heute Abend meine Mutter anrufen und ihr das erklären?“ „Ja kann ich.“

Im Bus habe ich den Bescheid gelesen und dann einen jungen Mann gefragt, ob er so was auch schon bekommen hat. Der hat mir ganz freundlich alles erklärt. Nachmittags habe ich dann noch kurz mit einer Frau von der Bundeswehr telefoniert und mich erkundigt, wie Hassan seinen Wunsch nach Zivildienst äußern kann und gleich muss ich seine Mutter anrufen.

Aber zurück zur heutigen Englischstunde. Flexibel weiche ich von meiner Planung ab und übe mit denen die da sind für die mündliche Prüfung. Sie arbeiten in Gruppen und alle machen mit. Am Ende spielen wir Prüfung und ich gebe ihnen Tipps, wie sie ihr Englisch verbessern können. Sie hören aufmerksam zu. Kurz vorm Klingeln gehe ich zu meiner Tasche: „Ach, hätte ich fast vergessen. Hier, eure Arbeiten.“ Sie nehmen sie, gucken drauf, vergleichen ihre Noten, stellen mit mir gemeinsam die Stühle hoch und gehen.

Komisch heute hatte ich weder Wut, noch musste ich Emotionslosigkeit spielen. Ich habe einfach die Arbeiten zurückgegeben. Am Ende einer Stunde, in der die meisten ziemlich gut mitgearbeitet haben. Waren aber auch nur 7.

It gives children that gives not


Gestern habe ich die Englischarbeiten meiner Klasse korrigiert. Ging schnell, da die meisten Schüler die beiden Schreibaufgaben gar nicht bearbeitet hatten. Langer roter Strich über die leeren Zeilen, eine kleine Null vor die /10P. Fertig. Mit jeder Arbeit, die ich zensiere werde ich wütender. „Warum lernen die nicht? Ich hatte alles, wirklich alles vorher angesagt. Zwei der Aufgaben haben wir sogar schon im Unterricht bearbeitet. Ich hatte ihnen immer wieder gesagt: „Diese Aufgabe kommt auf jeden Fall in der Arbeit vor.“

Und dann – am Tag der Arbeit – „Häääähhh? Arbeit? Heute? Ich dachte morgen.“ „Morgen haben wir gar kein Englisch.“ Bei einer Arbeit schreibe ich unter einen Schülertext: Du MUSST mehr lernen, das ist schon fast kein Englisch mehr. Ich erhalte viel direct oversetting: „It gives childrens she will become money.“ Dazu kann ich nur sagen: „I think I spider! Have she not anything learnt from me??? I become money and it gives childrens she learn not English. I know not what I must do?“

Morgen will ich die Arbeit zurück gegen. Die Arbeit ist das letzte Puzzelstück ihrer Halbjahresnote. Wir haben noch drei, vier Stunden, bevor ich die Zensuren für die Zeugnisse abgeben muss, aber eigentlich ist alles gelaufen in Sachen: Ich schwöre ich verbessere mich, Sie werden sehen. Jetzt gibt es nichts mehr zu verbessern. Die meisten Schüler werden eine vier oder sogar eine fünf auf dem Zeugnis haben.

Um den Realschulabschluss zu erhalten brauchen sie aber eine Drei. Und wenn sie im Halbjahr eine Fünf (4Punkte) haben, dann brauchen sie im zweiten Halbjahr eine Zwei (10 Punkte) und auf die Drei (7Punkte) zu kommen. Eigentlich eine sehr einfache Rechnung. Die Schüler, die jetzt eine Fünf bekommen werden, werden niemals eine Zwei im zweiten Halbjahr bekommen. Genauso wenig werden sie die erhalten, wie ich im Lotto gewinnen werde. Denn ich spiele gar nicht und sie lernen gar nicht.

Nun habe ich lange überlegt, was ich beim Zurückgeben der Arbeiten sage. In meiner ganzen Wut, die ich wegen ihrer Faulheit empfand hatte ich mir schon die wildesten Ansprachen überlegt. Dann ging es eher in so ein mitleidiges: Was soll ich nur machen… warum lernt ihr nicht? – Gejammer. Dann dachte ich, dass ich sie frage, wie ich denn den Unterricht gestalten soll, damit sie was tun. Was passieren muss, damit sie anfangen Hausaufgaben zu machen und sich regelmäßig im Unterricht zu beteiligen?

Und dann lese ich den Eintrag von Frl. Krise gestern und rege mich wieder auf. Über ihre Klasse, über meine Klasse, über das ganze Schulsystem. Wütend rufe ich Frl. Krise an und frage sie, was ich meinen Schülern zu ihren schlechten Arbeiten sagen soll. Und sie wäre ja nicht King-Teacher, wenn sie nicht den perfekten Tipp hätte. „Du gibst die Arbeiten völlig emotionslos wieder. Hier eure Arbeiten. Packt sie bitte weg, wir fangen mit dem Unterricht an.“ Klingt super. Die Frage ist nur, ob ich meine Wut und meinen Ärger unterdrücken kann. Aber Frl. Krise sagt: „Du gibst die Verantwortung an sie zurück. Wenn ihnen ihre Noten egal sind, dann sind sie dir eben auch egal.“

Klingt einleuchtend. Es kann ja wohl nicht angehen, dass ich mir tagelang den Kopf zermartere, wie ich denen den popligen Stoff der Arbeit darreiche und alles mit ihnen gemeinsam vor- und zurück kaue und die mir dann lapidar sagen: „Oh, die Arbeit, habe ich voll vergessen. Nö, gelernt habe ich nicht. Schreiben wir noch eine???“

NEIN WIR SCHREIBEN NICHT NOCH EINE! ES GIBT AUCH KEINE LETZTE CHANCE MEHR. DAS HIER WAR DIE LETZTE CHANCE. DIE IST JETZT WEG. UND HOFFT NICHT AUF DAS ZWEITE HALBJAHR. DA BRAUCHT IHR DANN EINE ZWEI. HALLLLLOOOO, EINE ZWEI!!! DIE MEISTEN VON EUCH HATTEN NOCH NIE IRGENDWO EINE ZWEI AUF DEM ZEUGNIS – AUßER VIELLEICHT IM GEBURTSDATUM!!!!!

Wieder Schule


Mein Lieblingskollege und ich gehen zum Rauchen. Dazu müssen wir den Hof überqueren. Vor der Turnhalle stehen zwei Schüler. Nebeneinander, mit dem Gesicht direkt vor der Wand. „Was machen die?“ fragt mich der Kollege „Pissen die gegen die Wand?“ Ich bin mir nicht sicher, aber dafür stehen die irgendwie zu dicht an der Wand und zu nahe beieinander. Plötzlich gehen die auf die Knie und und legen ihren Kopf in den Schnee. Hääää? Yoga? Sonnengruß? Dann stehen sie wieder auf. „Die beten.“ stelle ich fest und muss mich zurückhalten nicht loszulachen. Ich ziehe den Kollegen am Ärmel weiter zum Ausgang. Er faselt immer noch was von „gegen die Wand pissen.“ Ich mag ihn echt gerne, aber manchmal rafft er echt nichts. „Die beeeeeten! Hallllooooo, Moslems!“ erkläre ich ihm draußen noch mal, was wir gerade gesehen haben.
Gleichzeitig frage ich mich: Dürfen die das? Dürfen die den Hof einfach so zum Gebetshof machen? Naja, die dürfen sich ja auch nicht schlagen und das machen sie ja trotzdem. Lieber beten, als schlagen, sag ich mal. Aber ein komischer Anblick war das schon. Irgendwie zu intim. Mir wäre fast lieber gewesen, sie hätten nur gegen die Wand uriniert. dann hätte ich ja einschreiten können/müssen. Aber so, so sind wir nur schnell vorbeigeschlichen. Mit so einem Gefühl, dass wir das eigentlich nicht sehen sollten. Der Kollege schon mit der Zigarette in der Hand. Wird das jetzt einreißen? Noch sind das ja nur zwei. Die sind schon älter. Diese ganze Gebetsraumdebatte haben unsere Schüler gar nicht richtig mitbekommen und sich dafür engagieren wäre ihnen nie in den Sinn gekommen. Schülerdemos oder Streikaufrufen gehen an denen unbeachtet vorüber. Und selbst, wenn sie so was mitbekommen, dann vergessen sie das Datum wieder. Auch die ganze Terrorgefahr kam bei ihnen erst an, als sie eigentlich schon wieder aus den Medien verschwunden war.
Abdul irgendwann: „Frau Freitag, haben Sie gehört, es soll Bomben geben auf Weihnachtsmärkten.“ „Hmmm, hab‘ ich gehört.“ antworte ich.
Elif entsetzt: „Echt? Frau Freitag, warum tut Frau Merkel nichts dagegen?“
Süß, wie die Schüler Frau Merkel immer als so eine Art Alleinherrscherin sehen. Wie eine Königin. Oft höre ich den Satz: „Warum macht Frau Merkel da nichts gegen?“ Ich berichtete ja schonmal, dass die Schüler auch denken, dass Frau Merkel alle Hartz4 -Ausgaben persönlich bezahlt.
Ach, wo wir gerade bei Hartz4 sind- schön war auch Elifs Zukunftsplanung neulich: „Naja, ich werde wahrscheinlich in meinem Job so 1200 Euro haben, dann verdient mein Mann vielleicht noch so 1500 Euro und dann noch das Geld vom Job-Center…“ Keine Angst, den Zahn habe ich ihr gleich gezogen.

Ach, die Lieben Kleinen… morgen sehe ich sie wieder. Ich will mit denen ja am Ende des Jahres so ein Heft machen, wo jeder über jeden was schreibt. Vielleicht mache ich morgen mal diese Rückenstärkenmethode…wo jeder einen Zettel auf den Rücken bekommt und dann müssen die anderen was Positives drauf schreiben. Sonst fällt denen doch zu Peter und Ronnie wieder nichts Nettes ein, außer: „Sie haben nur deutsche Freunde.“
Aber wir haben alle die gleich Königin.