„Hier sind zwanzig Euro, bringt mir aber den Bon mit.“
„Okay, geht klar.“ sagt Felix und zieht mit Taifun die Treppe runter und raus zu Aldi. Die beiden sollen für uns Eis kaufen. In meinem Raum sind es dreißig Grad und nur noch zwanzig Minuten trennen uns von den Brückentagen.
Diese Brückentage haben sich in meiner Vorstellung und vor allem in meiner Vorfreude zu sowas wie etwas verkleinerte Sommerferien ausgebaut. Ich lebe nur noch in der Antizipation auf diese vier hintereinanderkommenden, unterrichtsfreien Tage.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch habe ich Hausaufgabenstunde mit den Jungs. Sie sollen Mathe machen. Die Mädchen hatten damit kein Problem. Ich war in meiner Freistunde kurz bei ihnen und da haben sie alle gerechnet. Nun brüten die Jungs über einem Arbeitsblatt. Erst muss noch geklärt werden, was eigentlich gemacht werden soll.
„Aufgabe B.“
„Nein C, du Spast.“ Man einigt sich auf C. Alle starren auf das Blatt. Die Erzieherin ist auch bei uns. Sie sitzt an meinem Pult. Ich stehe an der Tür und versuche etwas Kühle vom Flur abzubekommen.
Onur leidet. Nicht nur unter der Matheaufgabe, auch unter der Hitze. „Frau Freitag?“
„Ja.“
„In welchem Monat beginnt eigentlich der Kurzstundenplan?“
„Onur, den gibt es nur, wenn es sehr sehr heiß ist. Und den gibt es auch nicht jedes Jahr.“
Er legt den Kopf auf dem Tisch ab. Unzufrieden mit meiner Antwort.
„Mach mal deine Matheaufgabe!“
„Ich versteh das nicht.“
„Ich auch nicht!“
„Frau Freitag, können Sie mal kommen und mir helfen?“
MATHE!!!! ICH HELFEN????? Niemaaaaals!!! Wenn es um Zahlen geht kriege ich Blackout. Ich komme lediglich mit den Zahlen auf den Euroscheinen klar.
„Na Hamid, dann zeig mal her. Was müsst ihr denn machen?“ Ich gehe zu Hamid und gucke auf das Arbeitsblatt. Schreibe die Zahlen in Prozente und Brüche um…. Ach du scheiße… ich lese die Aufgabe noch mal laut vor und gucke hilfesuchend zur Erzieherin. Die zuckt mit den Schultern.
„Paul, verstehst du die Aufgabe?“
Paul, meine letzte Chance, der Rest der Klasse hofft jetzt auf mich. Paul schüttelt den Kopf: „Kein Plan.“
Die Erzieherin steht auf, nimmt das Arbeitsblatt in die Hand und schreibt ein paar Zahlen ran. Überzeugt von ihren mathematischen Fähigkeiten ist sie selbst nicht. Die Schüler gucken noch verwirrter als vorher. „Hähhhhh???? Was soll das denn jetzt?“
Ratlosigkeit macht sich breit. Wäre ich Mathelehrerin, sie hätten alle eine gute Note. Plötzlich habe ich DIE Idee. Ich drehe mich kurz zur Erzieherin und flüstere: „Du ich hole jetzt einen Mathekollegen.
„Das wird dann aber peinlich für uns.“ flüstert sie zurück „Brüche und Prozentrechnung…“
Mir egal. Ich bin schon durch die Tür und finde sogar Herrn Koch ein paar Räume weiter einsam am Pult sitzen. „Du wir haben da ein mathematisches Problem.“
Sofort springt er auf und folgt mir.
Dann das Wunder: Er erklärt, die Jungs hören zu; er rechnet an der Tafel, die Jungs kleben an seinen Lippen. Ihre Gesichter hellen sich auf, sogar ich verstehe jetzt worum es geht. Hamid und Onur wollen unbedingt an der Tafel rechnen. Die anderen rechnen an ihren Plätzen. Herr Koch geht rum und erklärt Halil noch mal, wie man die Aufgabe rechnet.
Felix und Taifun kommen mit dem Eis: „Frau Freitag, wir haben 12 Eis gekauft. Aber das sind jetzt eins zu wenig. In den Packungen sind immer sechs Stück drin. Jetzt haben wir keins für Sie.“
Wir sind zwölf Jungs und ich und die Erzieherin. Also fehlen sogar zwei Eise. „Vielleicht ist aber auch keins für dich und Taifun dabei.“ sage ich, während ich das Wechselgeld einstecke. Die anderen Jungs haben das Eis noch gar nicht bemerkt, weil sie so konzentriert rechnen. Ich gebe Felix noch mal zwei Euro und schicke ihn und Taifun wieder los.
Jeder, der mit Mathe fertig ist, bekommt ein Eis. Herr Koch natürlich auch.
Onur sagt den Satz des Tages: „Voll leicht, wenn man es versteht.“
„Ja, so ist es mit den meisten Sachen. Und jetzt stellt bitte die Stühle ran und ich wünsche euch schöne Brückentage!“
„Ich Ihnen auch. Tschüüüüß.“