Noten können auch schlecht sein

Die Noten die Noten
Gehörten verboten
Härter als meine Schulbroten
Kamen sie als Vorboten

In meine Klasse
Und das Versagen der breiten Masse
Gesichter erstarrt zur Grimasse
Jedes Jahr das Gleiche – wie ich das hasse
Jedoch Frau Freitag – hat im Ärmel die Asse.

„Waaaaaaas, in Deutsch eine fünf?????“ schreit Rosa.
„Tja.“ sage ich.
„Frau Freitag, wirklich? Eine fünf????“
„Ja, keine Ahnung, musst du Frau Schwalle fragen.“
„Jetzt mal ganz ehrlich, steht dann auf dem Zeugnis Deutsch fünf?“ Rosa kann es nicht fassen. Eigentlich sollte sie ihre Deutschnote gar nicht so sehr überraschen, denn sie war an deren Schlechtigkeit ja nicht ganz unbeteiligt.
„Auweia, wie soll ich mich denn damit bewerben?“
„Tja.“ Mehr fällt mir dazu auch nicht ein.

Alle Schüler haben sich schon auf den Hof begeben, nur Rosa und ihre BFF Dilay scharwenzeln noch um meinen Schreibtisch.
Dilay fixiert mich mit ihren großen, braunen Augen und grinst. „Frau Freiiii-taaaag?“ Ich trage gerade die Vokabeltestnoten in mein Zensurenheft ein. Diesen Tonfall kenne ich doch – dazu muss man keine eigenen Kinder haben, um zu wissen, dass Dilay irgendetwas Ungewöhnliches von mir will.
Ich gucke sie an.
„Ja Dilay?“
„Frau Freitag, wer schreibt eigentlich die Noten in die Zeugnisse?“
Was für eine komische Frage… alles was der Klassenlehrer machen kann, muß der Klassenlehrer machen. Das wäre dann also ich.
„Ich. Wieso?“

Dilays Augen werden noch größer und auch Rosa scheint ihren Kummer über die Deutsch fünf vergessen zu haben.
„Frau Freitag, dann können sie doch einfach bei Rosa eine vier reinschreiben.“
„Hähhh?“
„Na, Sie MÜSSEN doch gar nicht die richtige Note eintragen. Schreiben Sie einfach Deutsch – Note vier.“
Ich glaub ich spinne. Auf was für Ideen kommen die denn?
„Das DARF ich aber nicht.“
Jetzt rücken sie beide noch näher an mich ran. Rosa ist kurz davor sich zu mir auf den Schoss zu setzen.
„Frau Freitag, das merkt doch keiner.“ Womit sie wahrscheinlich Recht hat. Denn ich bezweifle, dass sich Frau Schwalle das ausgedruckte Zeugnis von Rosa angucken wird.

„Sagt mal Kinder, ihr habt ja Ideen… das ist illegal.“
„Wir verraten auch nichts!“

Ich grinse über soviel Dreistigkeit, was sie allerdings falsch deuten.
Dilay kennt sich aus und legt sofort nach: „Frau Freitag, kommen Sie. Wie wäre es mit einem schönen Urlaub in der Türkei.“
Jetzt muss ich wirklich laut lachen und schiebe die beiden zur Tür raus.
Aber auch im Treppenhaus lassen sie nicht locker. Ich schüttle den Kopf und gehe zum Rauchen vor die Schule.

Und jetzt muss ich erstmal gucken, ob ich noch einen Türkeiflug zum Frühbucherrabatt bekomme.
Neee, nee, Spaaaaaaß!

2 Gedanken zu “Noten können auch schlecht sein

  1. Liebe Frau Freitag,
    als Mutter zweier Teenager, Sohn 17 Jahre alt, Tochter 13 Jahre alt, und damit zwangsläufig auch mit dem Schulalltag vertraut, bin ich Fan Ihrer Bücher. Ich habe viele tolle Lehrer und Lehrerinnen kennen gelernt, allerdings ebenso viele „Leerkörper“. Viele offene, engagierte, mutige und originelle Lehrer, aber eben auch die ständig überlasteten, missverstandenen, teils stinkfaulen und inkompetenten ihres Berufszweigs. Wie erfrischend, dann in all Ihren Büchern zu lesen, dass endlich mal ein Lehrer frei zugibt, neben all dem Trouble doch auch einen Job zu haben, in dem man auch einfach eine Menge Urlaub hat. Auch Ihr Eingeständnis, einfach mal keine Lust zu haben und einen lauen Morgen zu machen ist mehr als sympathisch. Ich habe noch nie eine Lehrkraft erlebt, die dies zu gibt. Wie schön!
    Allerdings ist es sicherlich oftmals eine Herausforderung, auf desinteressierte Eltern, pampige Schüler, oder auf blanke Unverschämtheiten passend zu reagieren. Habe stellenweise bei manchen Freunden meiner Kinder die Faust in der Tasche gemacht.- Oder auch nicht…..Sie mußten dann plötzlich nach Hause. Ich werde mich jetzt weiter Ihrem Buch zuwenden, und es genießen. Vielen Dank für den offenen Blick auf die andere Seite. Mir ist ja nur die Elternsicht bekannt. Übrigens: Okayyyy finde ich auch ganz grauenhaft. Viele Grüße, Tina

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