Opelhaus

„Jetzt gehen wir aber gleich rein und gucken uns die Neuwagen an!“, sagt Frau Dienstag und zieht mich am Arm in das große Opelhaus. Eine riesige Halle. Ein paar Verkäufer stehen im Anzug um einen Schreibtisch und quatschen. Überall stehen glänzende Autos. Die drei Opel Adams fallen uns sofort ins Auge. Einer ist rot, einer blau und einer silber.

„Sind die süß“, sagt Frau Dienstag und steuert auf den roten zu.
„Kann man sich da einfach reinsetzen?“, frage ich und gucke zu den Männern am Schreibtisch. Die beachten uns gar nicht. Müsste da nicht einer rüberkommen und uns sagen, dass wir uns ruhig mal reinsetzen können? Frau Dienstag ist schon an der Beifahrertür. Na, wenn die uns nicht bedienen wollen, dann bedienen wir uns halt selber. Ich setze mich auf den Fahrersitz. Ist doch eigentlich auch schöner erstmal ohne Verkäufer in dem Auto zu sitzen. Unser blödes Gequatsche wäre mir ja vielleicht peinlich. Statt sich über die unterschiedlichen PS Zahlen und den Verbrauch zu unterhalten gucken Frau Dienstag und ich doch nur, ob es Spiegel in den Sonnenblenden, einen USB Stecker und einen Getränkehalter gibt.

„Cool, Bordcomputer! Da kann der Freund dann Videos gucken.“ Frau Dienstag streichelt wieder die Amaturen. Sie ist sehr haptisch. Und diesmal strahlt sie: „Sooo schön!“ Und wirklich, das Innenleben dieses Autos gefällt mir auch. Alles sieht gut aus. Nicht so nach Auto. Mehr nach Spiel und Spaß. „Und die Sitze sind total bequem.“ sage ich „Und man hat voll viel Platz, dabei ist das Auto richtig klein“, sagt Frau Dienstag. Das mit dem Platz relativiert sich, als wir beide auf die Rückbank klettern. Auf die Rückbank zu kommen gestaltet sich schon mal schwierig, dort zu sitzen grenzt an Folter. In diesem Auto darf man nur Feinde transportieren. „Ist schon sehr eng hier hinten“, sage ich. „Aber das kann dir ja egal sein.“, sagt Frau Dienstag. „Du wirst ja jetzt nie mehr hinten sitzen. Ich sitze überhaupt nicht mehr hinten.“ Nie mehr hinten sitzen. Crazy, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber wahrscheinlich hat sie recht. Zumindest wenn ich mit dem führerscheinlosen Freund unterwegs bin, werde ich wohl immer vorne hocken und fahren. Und vorne ist geil. Ich setze mich wieder auf den Fahrersitz. Man möchte sofort losfahren. Ich finde nicht mal, dass das Auto unangenehm riecht. Opel Adam – präsentiert von Germanys Next Top Model – wenn das nicht genau der richtige Wagen für mich ist.
Wir setzen uns auch noch in den Silbernen und in den Blauen. Mir gefällt der rote am besten. Weil die Handbremse auch rot ist und Teile der Amaturverkleidung auch. Ich bin so ein Mädchen.

Dann versuchen wir in den Kofferraum zu gucken. Aber wir kriegen die Klappe nicht auf. Jetzt könnte aber mal so ein Fachverkäufer kommen und uns helfen. Aber die Herren denken gar nicht daran. Stehen da und quatschen. Sie sehen jetzt nicht gerade besonders gestresst oder beschäftigt aus. Es sind außer uns auch gar keine anderen Kunden hier. Einer von ihnen könnte doch mal kommen. Die bearbeiten doch da keinen Notfall.
Frau Dienstag guckt zu ihnen, während sie immer noch an der Heckklappe rüttelt. „Entschuldigung, wie geht die denn auf?“
Widerwillig schleicht ein Jackettyp zu uns: „Da muss man erst die Batterie anstecken.“, sagt er. Ja, dann soll er das doch machen. Müssen wir ihm jetzt auch noch sagen, dass wir gerne hätten, dass er die Batterie…damit wir…ah, jetzt bewegt er sich. Ist das hier eine Behörde, oder was?

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn uns der Kofferraum ein ewiges Rätsel geblieben wäre. „Ich nehme den roten, packen Sie mir den bitte schön ein. Wo kann ich den bezahlen?“ Und dann zu Hause – huch, da passt ja gar kein Wasserkasten rein.

„Okay, ist sehr klein hinten. Und die Rückbank ist auch nicht der Hammer, aber dafür kann man den gut parken und er ist doch auch sooo süß.“ Ich fange schon an zu relativieren. Ich bin diesem Opel Adam schon voll auf den Leim gegangen. Wahrscheinlich, weil er nicht so nach Auto aussieht.

„Lass mal in den Corsa setzen“, sagt Frau Dienstag und ich setze mich Widerwillig in diesen langweiligen, weißen Wagen. Ich bin schon verliebt und jetzt können die anderen Autos nicht mehr mithalten. „Der andere ist schöner. Die Sitze sind nicht so bequem. Die Farbe ist doof.“

Wir gehen in den ersten Stock zu den Gebrauchtwagen. Auch hier sind wir die einzigen Kunden. ich frage mich wie man die Autos hier hoch- bzw. wie man die wieder runter auf die Straße bekommen soll. Frau Dienstag sitzt schon im nächsten Auto. Ich sage: „Mach mal dein Fenster auf“ und sie lacht los. „Hähhh, keine elektrischen Fensterheber? Das geht ja gar nicht. Ich mache immer das Beifahrerfenster auf, um meinen Apfel rauszuwerfen.“ Ich glaube das finde ich nicht gut. Aber Kurbelfenster finde ich auch nicht gut. Dieser Wagen kommt also auch nicht in Frage. Wir steigen wieder aus und laufen weiter.

Vorbei an einem Typen an einem Schreibtisch. „Ich dachte hier wäre niemand“ flüstert Frau Dienstag. Aber der Typ hat sie bestimmt gehört. Irgendwie kann Frau Dienstag nicht flüstern. Die Leute hören immer alles, was sie nicht hören sollen. Einfach, weil Frau Dienstags Flüstern kein Flüstern ist.
„Also Autos zu verkaufen scheint hier nicht gerade die wichtigste Aufgabe zu sein.“ stelle ich fest und irgendwie gefällt mir das. Nichts ist schlimmer, als ein überbordender Fachverkäufer, der sich einem an die Fernsen heftet und einen nicht in Ruhe gucken lässt.

Wir gehen wieder runter. Zu meinem Opel Adam. Ich habe schon mütterliche Gefühle entwickelt. Meiner!
Der Verkäufer stellt sich zu uns. Zu viert starren wir auf den roten und den silbernen Wagen. Der eine kostest 16 000 Euro der andere 14 000Euro.

„Warum ist der eine teurer als der andere?“ frage ich.
„Andere Ausstattung“ sagt der Verkäufer. Als hätte ich mir das nicht denken können.
„Und was hat der rote, was der silberne nicht hat?“ Dem Typen muss man wohl alles aus der Nase ziehen.
„Sportverkleidung, Lenkrad- und Sitzheizung und noch so einiges mehr.“
Es ist offensichtlich, dass er kein Interesse hat uns weiter zu bedienen.
„Danke“, sagt Frau Dienstag und mit einem „Komm wir setzen uns nochmal rein.“ geben sie ihm zu verstehen, dass wir ihn aus seinen Diensten entlassen. Er geht wieder zum Schreibtisch.

„Nimm dir mal einen Katalog mit“, sagt Frau Dienstag und ich traue mich nicht zu fragen. Frau Dienstag fragt. Wir werden an einen anderen Schreibtisch verwiesen. Ein junger Mann begrüßt uns freundlich und gibt mir viele Heftchen, seine Karte und sagt ich soll bald mit ihm eine Probefahrt machen. Auweia. Probefahrt. „Aber, aber ich habe erst seit einer Woche meinen Führerschein, ich, äh…“
„Na, das macht doch nichts.“, sagt der junge Mann und ich liebe ihn sofort genauso wie ich den Opel Adam liebe. Glücklich verlassen wir mein Auto und meinen Fachverkäufer.

„Du musst dir aber auch noch den Audi A1 angucken“, sagt Frau Dienstag. „Der ist auch schön.“
„Okay“, sage ich. Aber eigentlich will ich den Audi A1 gar nicht mehr sehen. Aber wenn Frau Dienstag sagt ich muss, dann muss ich.

Frau Dienstag fährt mich nach Hause. es fängt an zu regnen. Ich bin müde aber glücklich. Der Freund wird staunen, was für ein schönes Auto ich mir kaufen will. Ich werde ihm sofort die Kataloge zeigen und wir gucken, was das Auto alles haben soll und dann gucken wir nach einem Jahreswagen oder meinetwegen einem noch älteren Model. Das wird super.

Aber als ich zu Hause bin empfängt mich der Freund mit: „Die Waschmaschine ist eben kaputt gegangen. Ich hab schon im Internet geguckt, was es so gibt. Also die mit einem Trockner drin die sind praktisch, sollen aber schnell kaputt gehen. Komm ich zeig dir mal was es da alles so gibt.“


Allgemein

27 Gedanken zu “Opelhaus

    • na rot natürlich. rot ist immer die beste Farbe. früher musste ich gelb sagen, da rot schon die lieblingsfarbe meiner Schwester war.

  1. Ich habe mir schon gedacht, daß es so enden werde. Ähnlich, wie ich mir gedacht habe, wie »Der Besuch der alten Dame« enden würde, nur daß es diesmal spannender war. Vielleicht nicht so spannend wie »Die Physiker«, aber doch irgendwo zwischen ihnen und dem Besuch. Schließlich hat es sich bei dieser Geschichte ja auch um eine Art Besuch gehandelt, wenn auch unbekannterweise, aus dem sich dann, ganz unschuldig, eine Liebesgeschichte entwickelt hat, mit echten Bindungen und Exklusivität, bei der dann selbst der Daheimgebliebene nicht mehr mithalten konnte – womöglich, weil er sich selbst anderweitig verliebt hatte, wie am Ende angedeutet. In gewisser Hinsicht liegt folglich eine im Vergleich zum Besuch entgegengesetzte Entwicklung vor, in welchem man sich ja über die Jahre vollständig von allem entliebt.
    Schön!

    • noch nüscht. aber stimmt. die sollten mir mal so ein auto vor die Tür stellen. ich nehme ein rotes und wenn das gut ist, dann würde ich mich auch noch mal positiv äußern.

  2. LACH siehste, Auto kannste erstmal knicken. Neue Waschmaschine wird jetzt erstmal gekauft.
    Nimm als erstes Auto lieber nen Gebrauchten, wenn de den schrottest warum auch immer, isses nich son großer Verlust.

  3. Eine köstliche Geschichte! :o))
    Ich kam aus dem Schmunzeln nicht mehr raus.
    Gern schau ich weiter bei Dir vorbei …

  4. Schade, daß „Frau Freitag“ beim Googlen jetzt erst NACH „Frauke Petry“ vorgeschlagen wird (wenn man FRAU eingegeben hat)!!

  5. Hallo liebe Frau Freitag!
    Lange bin ich schon eine stille Leserin ihres Blogs.
    Nun mache ich mir aber Sorgen, da sie so lange nichts mehr von sich haben lesen lassen😦.
    Ich Bitte Sie, doch nur mal ein kurzes Lebenszeichen von sich zu geben.
    Alles Liebe – Veronika.

  6. Frau Freitaaag! Hab erst gestern erfahren, dass du ein neues Buch geschrieben hast.. hab mich sehr gefreut! Bist du auch auf der Frankfurter Buchmesse?

  7. Hallo, lieber Leser, Leserinnen und Frau Freitag.

    Ich hätte eine grundsätzliche Frage:
    Haben Sie eine rechtliche Möglichkeit gefunden, auf die sog. „Impressumspflicht“ verzichten zu können? (Was ich in Ihrem Fall absolut nachvollziehen könnte.)

    Und: Kann mir jemand sagen, ob / was Frau Freitag in ihren Büchern beim Impressum angegeben hat?

    Ich frage, da ich gern auch einfach anonym bleiben möchte.

    Über eine Mail würde ich mich sehr freuen:
    schneckedertzchen@gmail.com

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