Wie sehen eigentlich alle aus?

Gestern sagt Frau Dienstag: „Also wenn man deinen Blog liest, stellt man sich Frau Freitag total krumm und buklig, mit dem ganzen Gesicht voller eitriger Pickel vor.“ Und genau so sehe ich auch aus. Habe gerade wieder in den Spiegel geguckt und einen fetten Weißen auf der Nase ausgedrückt.

Dieses Internetzeitalter ist schon verrückt. Wenn dich früher jemand in einem Cafe oder auf einer Party angesprochen hat, dann hast du ja zuerst gesehen, wie der aussah und dann erst gehört, was der oder die zu sagen hat. Heute, in der schönen elektronischen Anonymität ist das ja ganz anders. Ich schreibe hier fröhlich vor mich hin, teile mich mit und niemand weiß, wie ich aussehe und ob ich wirklich Lehrerin bin. Vielleicht sitze ich jeden Tag bei Kaiser’s an der Kasse und stelle mir vor ich würde an einer Schule unterrichten. Vielleicht schreibe ich dass hier auf dem Knastcomputer, weil ich wegen Urkundenfälschung und schwerer Körperverletzung einsitze. Vielleicht bin ich vom Landesschulamt und will irgendwas raus finden. Alles möglich, aber ziemlich unwahrscheinlich.

Aber das mit dem Unsichtbarsein interessiert mich schon. Wie sehen denn eigentlich diese ganzen Kommentarschreiber aus, die sich hier ab und zu melden? Das wüsste ich gerne. Ich kenne ja nur frl. krise und Frau Dienstag und die sind schnell beschrieben. Ich sage nur: Bond-Girls! In sexy Bikinis entsteigen sie dem Meer an einem Traumstrand und gehen in Zeitlupe auf dich zu. Aber so habt ihr sie euch wahrscheinlich ohnehin schon vorgestellt. Und ich bin jeden Tag wieder froh, wenn sie sich mit mir pickligem schiefem Geschöpf abgeben. Danke!

Das Internet zeigt uns aber auch, dass es doch nicht nur auf das Äußere ankommt, denn sonst würde es nicht immer wieder Paare geben, die sich erstmal über den Computer kennen gelernt haben und sich erst später persönlich treffen. Einem Freak wie mir kommt diese Tatsache sehr entgegen, denn wer würde mir im richtigen Leben denn schon zuhören. Ich säße im Cafe und späche wildfremde Personen an: „Hallo, Sie können sich nicht vorstellen, was mir heute im Kunstunterricht passiert ist. Ich sage ihnen…die 8.c ist echt total neben der Spur gewesen…“ Nein, ich glaube, das würde, selbst mit meinem Sendungsdrang nicht jeden Tag funktionieren.

Tod eines Lehrers

Ich habe gerade ein Buch mit dem Titel „Tod eines Lehrers“ ausgelesen. Ein Krimi. Wie ich an den gekommen bin, tut hier nicht zur Sache, aber ich bin froh dafür kein Geld ausgegeben zu haben. Trotzdem gebe ich zu, dass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte, bis ich herausgefunden hatte, wer diesen Superlehrer am Supergymnasium gekillt und kastriert hat. Mord im Kollegium – also die haben sich da nicht gegenseitig ermordet, aber ein Kollege, DER SUPERLEHRER der Schule wurde abgemurkst.

In der Geschichte kommt irgendwann der Inspektor – Alleinerzieher von zwei halbwüchsigen Töchtern, die unbedingt Helly Hansen Jacken brauchen – und teilt dem jungen Schulleiter mit, dass der Kollege nicht mehr kommt. Als ich das las musste ich mir automatisch unser Lehrerzimmer vorstellen. Eine Durchsage fordert alle Kollegen auf, sich zu einer außerordentlichen Dienstversammlung ins Lehrerzimmer zu begeben und dort würde uns dann der Schulleiter diese grausige Mitteilung machen.  Verwirrt musste ich feststellen, dass das selbst an meiner Schule noch nicht passiert ist. Trotzdem ging ich im Geiste alle Kollegen durch und überlegte mir ihre Reaktionen. Die hängen natürlich von dem Freundschaftsgrad ab, in dem man mit dem Opfer stand. Alle wären entsetzt, einige würden weinen. Gäbe es nach dieser Mitteilung noch Unterricht? Würde man den Mord auf ihre oder seine schlechte Klassenführung oder unzureichende Methodenvielfalt zurückführen?

In dem Roman ging es natürlich – hätte man sich ja gleich denken können – um Erpressung. Sex gegen gute Noten und viel „unter Druckgesetze“. Gibt es das wirklich? Noch nie habe ich im richtigen Leben davon gehört. Aber schon oft war das ein Thema in Büchern oder in Filmen. Was sollen denn das für Lehrer sein, die sich die jungen Mädchen gefügig machen und ihnen dann die Noten hochsetzen? In meinem Kollegium sehe ich da auch nicht ansatzweise einen potenziellen Kandidaten. Ich war ja in meinem Berufsleben schon an vielen – ganz unterschiedlichen Schulen – aber noch nie traf ich an der Kaffeeamaschine einen, von ich mich mir auch nur eine Affaire mit Nastasia Kinski hätte vorstellen können. Nun unterrichtet bei uns auch kein George Clooney oder eine Kate Blanchet. Und unsere Schüler gehen ja auch nicht zur Schule, weil sie unbedingt so scharf auf gute Noten sind, sondern weil sie müssen und weil sie dort ihre Freunde treffen. Für unmoralische Tauschgeschäfte sind das nicht gerade gute Voraussetzungen.

Aber an der Schule in dem Buch war das wohl ganz anders. Interessant war, wie dieser Lehrer beschrieben wurde, bevor man seine dunkle Seite ans Tageslicht zog. „Er war der beste Lehrer, den ich je hatte.“ „Einer, wenn nicht der fähigste Kollege an unserer Schule…“ Das muss so ein Superpädagoge gewesen sein, unglaublich. Eigentlich hätte mich ein Roman, über seine Unterrichtsmethoden mehr interessiert. Was hat ihn zu so einem Überlehrer gemacht? Tricks und Tipps hätte ich mir gemerkt und vielleicht sogar rausgeschrieben. Ich hätte das Buch zu jedem Geburtstag eines Kollegen verschenkt. In jeden Fall wäre mein Leseerlebnis von mehr Nachhaltigkeit geprägt gewesen. Aber so…am Ende klärt sich alles auf, die Töchter bekommen die teuren Jacken, der Vater die Gerichtsmedizinerin und ich ein schlechtes Gewissen, dass ich meine Zeit mit so einem Schund verplempert habe.

Ich bin auch Madonna

Ich glaube es ja nicht, aber eben sehe ich im Fernsehen, dass Madonna jetzt auch ihre eigene Schule eröffnet. Eine Schule für arme Mädchen in Malawi. Wo werden denn dann die armen Jungen unterrichtet? Und welches Bildungskonzept verfolgt Madonna? Hooolliidayyy?! Oder eher „Time goes by – so quickly…“? Wird sie dort Schulleiterin? Kann sie die Schule steuerlich absetzen?

Aber die wichtigste Frage: Wo ist meine Schule? Ich will auch eine Schule haben! Die soll auch in so einem Exotenland sein. Weit weg – da wo die Kinder immer barfuss rumlaufen und ständig lächeln. Wenn ich mich ab und zu dort blicken lasse – zum ersten Spatenstich, zum Richtfest und dann zum feierlichen Banddurchschneiden, mit einem korrupten Staatsoberhaupt mit Leopardenmütze, dann grinse ich immer mit Sonnenbrille und süßem Eingeborenenbaby auf dem Arm in die Kameras. Und ihr könnt dann die Berichte über meine neue tolle Schule bei Leute Heute sehen.

In meiner Schule werden nur gut aussehende aber ärmlich gekleidete Kinder sein. Alle barfuss und anfangs unter freiem Himmel. Aber in den späteren Berichten – alle in schicken Schuluniformen und in jedem Raum ein Smartboard.

Ich sitze dann mit Nena und Madonna in der NDR Talkshow: „Frau Freitag, ihre Schule in Blahblahkistan ist innerhalb von nur zwei Jahren zur besten Schule der Welt gewählt worden. Was ist Ihr Geheimnis?“ Ich lehne mich zurück, lächle bescheiden, bekomme von Madonna ein anerkennendes Nicken, sehe aus dem Augenwinkel, wie Nena innerlich kocht und betone erst mal ausführlich, dass sich der Erfolg nicht nur mir sondern auch …Der Talkshowhost unterbricht mich freundlich:“…aber verraten Sie uns, was ist das Besondere an ihrer Schule? Wie haben Sie dieses Bildungswunder vollbracht?“ Ich nicke viel sagend während dieser Frage und sage dann ganz langsam: “Nun…das ist eigentlich ganz einfach. Liebe, Liebe, Liebe und ein Arsch voll Geld.“

Professionelle Unlogik

  • Ich mache lieber dreckig als sauber.
  • Man kann doch auch aus der Flasche trinken.
  • Warum den Teller schmutzig machen, aus dem Topf scheckt es doch genauso gut.
  • Muelltrennung-pah-wird doch nachher sowieso alles wieder zusammengekippt.

So inkonequent sieht es bei Frau Freitag zu Hause aus. Aber wewehe die lieben Schueler springen auf diesen Zug auf:

  • Warum sollen wir das abschreiben? Kopieren Sie uns doch einfach.
  • Sagen Sie uns doch schnell die Antwort. Sie wissen die doch.
  • Ist so heiss, lassen Sie uns doch einfach frueher gehen.
  • Koennen wir die Arbeit nicht nach den Ferien schreiben?
  • Heute wird sowieso gefegt, wozu gibt es denn Putzfrauen?
  • Koennen wir die Buecher nicht hier lassen?
  • Jetzt haben wir das Buch vier Stunden nicht gebraucht und da habe ich es heute erst gar nicht mitgebracht.
  • Wir haben doch heute nur drei Sunden, da brauche ich keine Schulsachen.

Und die schoenste Schuelerlogik:

  • Ich schwoere ich werde mich verbessern. Werden Sie sehen!

Den ganzen Nachhauseweg rege ich mich ueber die Schueler auf: Diese faulen kleinen Biester…

…aber dann wieder auf der Couch: Aschenbecherausleeren – total ueberbewertet

Sterben Purzelbaeume?

Die Frage dem perfektem Trageutensiel hat ja ueberraschend viele Kommentare gebracht. Trotzdem bin ich noch unentschlossen. Gestern dachte ich, dass meine Rueckenschmerzen vielleicht auch gar nicht nur von der schweren Tasche kommen, sondern vielleicht auch von dem falschen Stuhl, auf dem ich an meinem Arbeitstisch, in meinem nicht mehr, nun aber vielleicht doch absetzbarem Arbeitszimmer sitze. War da nicht sowas mit der Hoehe der Arbeitsplatte, dem Winkel, in dem man auf die Tastaur des Computers tippt?

Ach, das Lehrerleben ist schon gefaehrlich, da schwebt doch immer der Bandscheibenvorfall ueber einem…vom Hoersturz und Stimmbandknoetchen mal ganz abgesehen. Ich koennte noch stundenlang  weiterjammern…wenn man erstmal so drinne is’…macht irgendwie auch Spass. Mit den richtigen Leidensgeschichten kann ich auch im Lehrerzimmer neue Freunde finden. Warum sperre ich mich eigentlich immer so dagegen, mir die Krankheiten meiner Kollegen anzuhoeren? Vielleicht sollte ich ihnen auch mal die Chance geben, mich und meine Wirbelsaeulenverkruemmung besser kennenzulernen. Meine angeborene Leghastenie kann ich sowieso nur bedingt verstecken…(Lipgloss und neue Rechtschreibung = masslos ueberschaetzt, wenn man mich fragt.)

Ein sehr uebergewichtiger Freund von mir sagte mal auf die Frage, was fuer ihn denn der Sinn des Lebens sei: „Leeeeiiiiden!“ und machte dabei auf meiner Couch einen Purzelbaum rueckwaerts. Ach apropo – Frl. Krise fragte ihre Schueler mal, was ein Purzelbaum sei – wussten sie nicht – „Baum fuer Katzen?“ Ist vielleicht auch ein Wort, dass aussterben kann.

Man sagt doch auch, dass die Schueler heute nicht mehr rueckwaertslaufen koennen…aber das stimmt nicht, ich habe schon oft in einer neuen Lerngruppe erzaehlt, dass Wissenschaftler ihnen nicht zutrauen andersrum zu gehen. Wir probieren das dann immer gleich aus und bisher ist dabei noch keiner gestuerzt.

Ich moechte hier eine neue These aufstellen: Ich sage mal, dass es in den meisten Lehrerkollegien wenig, bis keinen mehr gibt, der einen vorwaerts und einen rueckwaerts Purzelbaum machen kann – und das obwohl viele am Leiden grossen Gefallen finden.

Da wo ich wohne gibt’s weniger Hormone

Sind Hormone eigentlich ansteckend? Das kann doch nicht gesund sein, wenn man täglich so vielen jugendlichen Hormonen ausgesetzt ist. Haben eigentlich alle Ethnien ähnlich starke Hormonausschüttungen in der Pubertät, oder pubertiert der Mitteleuropäer weniger hormonell als der Südeuropäer? Was passiert in Afrika, am Nordkap und in Asien? Ist uns der Nahe Osten auch in dem schwierigen Alter zwischen 10 und 18 wirklich so nah?

Uns was macht das mit unseren Lehrkörpern? Also ich bin längst nicht mehr in der Pubertät, habe aber trotzdem ganz jugendlich Pickel und Mitesser. Gegen den Arsch einer 16 Jährigen hätte ich ja nichts einzuwenden, aber warum bekomme ich nur deren Pickel? Halt, stimmt nicht, die Stimmungsschwankungen scheinen auch ansteckend zu sein. Super, den Müll, den dürfen wir haben, aber die guten Sachen….

Mein Freund sagt gerade, das sei eine gewagte These. Aber ich meine ja gar nicht, dass meine Schüler irgendwie stärker pubertieren, als andere, ich frage mich ja nur, ob mich das körperlich verändert? Und warum habe ich so viele Pickel? Sind das wirklich schon die Wechseljahre?

Wie auch immer, Lehrerin ist schon ein krasser Job. Da ist man sein ganzes Berufleben immer mit Personen zusammen, die sich in einem körperlichen und seelischen Ausnahmezustand befinden und denen soll man dann noch was Sinnvolles beibringen. Wenn sie dann endlich normal werden, sind sie schon längst raus aus dem Schulsystem, kommen uns als vernünftige junge Erwachsene in den Schulen besuchen und bedauern, dass sie damals nicht auf uns gehört und im Unterricht besser aufgepasst haben. Ich höre schon Frau Dienstag: „Das ist halt unser Job.“ Und Frl. Krise: “Frau Freitag, das habe ich Ihnen doch schon 1000 Mal gesagt.“

Kann alles sein, aber ich finde es immer wieder bemerkenswert und irgendwie auch ganz schön hart. Und dann frage ich mich schon die ganze Zeit: wann kommen eigentlich die Herbstferien?

Zeitumstellung

Gestern nacht wurde doch die Zeit umgestellt. Oh, hat das lange gedauert, bis ich das verstanden habe, ob die nun einen Stunde vor- oder zurueckgestellt wird. Den ganzen Tag habe ich mich damit beschaeftigt…und nachts lag ich dann wach und habe mich dann mal wieder aufs Sofa vor den Fernseher gelegt und das ZDF geguckt und im Halbschlaf hoere ich die Frau bei den Nachrichten sagen: “ Und vergessen Sie nicht, heute die Uhr um eine Stunde zurueckzustellen…“ Da wusste ich dann endlich Bescheid.

Aber morgen, die Schueler…die checken das doch wieder nicht, die werden alle zu frueh, zu spaet oder ueberhaupt nicht kommen. Die geht das ja alles wieder nichts an. Zeitumstellung…Winterzeit, Sommerzeit…hat doch nichts mit ihnen zu tun… Damit kennen sie sich nicht aus. Genausowenig, wie mit der Bundestagswahl, Streiks im oeffentlichem Dienst, der Frankfurter Buchmesse oder mit der Oekosteuer. Das ist alles nicht ihre Welt. Aber mit Schminken, da wissen sie was, was Haram ist und was nicht, ob man sich beim Fasten die Zaehne putzen darf oder nicht, darueber koennten sie stundenlang reden. Ob der Typ in der Cafeteria heimlich Schweinefleisch auf die Broetchen macht, ob Bushido echte Gansta ist oder nur Faker, ob Tupac noch lebt, weil er doch schliesslich auf dem einen Video Turnschuhe traegt, die erst nach seinem Tod rauskamen…das interessiert sie. Dieser ganze unnuetze Quatsch. Und dann aber nicht die Uhr umstellen. Welche Uhr ueberhaupt? Hat schon mal jemand einen Schueler mit einer Armbanduhr gesehen? Ich nicht. Stellen sich die Handys automatisch um? Interessiere ich mich denn fuer die Oekosteuer? Und waere ich nicht auch froh, wenn mir jemand sagen wuerde das darfst du und das ist volle Kanne Haram. Musst du weniger selber entscheiden…

Ach so viele Fragen und so wenig Antworten. Ich versuche es mal mit Rosemunde Pilcher. ZDF ist doch auch irgendwie beruhigend.

Nachtrag zur Skoliose

Ich weiss ja, dass es diese Lehrerrolltaschen gibt, aber ich bin doch kein Pilot. Und mit den Rucksaecken…ich bin doch kein Schueler. Ich kann doch nicht wie die ploetzlich mit einem schwarzen Eastpack-Teil ankommen. Und wenn, dann truege ich den doch auch nur wieder auf der Schulter.

Frueher war das alles leichter. Wir sind ja mit Plastiktueten zur Schule gegangen. Aber das musste schon eine coole Tuete sein. Nicht Aldi oder Bolle oder so was Nichtiges…Nein, mindestens ein angesagter Plattenladen oder eine Tuete aus einem Comic oder einem cooolen Klamottengeschaeft. Wenn die Tuete sich dann langsam aufloeste, wurde sie mit Tesa geklebt und nach einer neuen Ausschau gehalten. Neulich habe ich mir Christiane F. – die mit den Kindern vom Bahnhof Zoo ausgeliehen und da ist sie auch immer mit einer Plastiktuete rumgerannt. Vielleicht war das bei uns damals auch  so ein Junkystyle.

Oder ich mache das wie meine Schuelerinnen und Schueler…die Maedchen haben nur Handtaschen – die muessen ja auch nur ihr Schminkzeug und ihr Handy transportieren und die Jungen bringen gar nichts mit. Nur einen Kugelschreiber, in der Hosentasche.

Heule, heule Wirbelsäule

Ich habe seit ich denken kann einen total kaputten Rücken. Bucklig gekrümmt krepel ich durch mein Leben. Jeder Arzt stellt mit einer mir nicht nachzuvollziehenden Genugtuung immer wieder fest, dass sich meine Wirbelsäule wie ein schräges Fragezeichen verbogen hat und fragt, ob das nicht wehtun würde. Ja, verdammt, das tut weh. Und wie das weh tut!

Seit Jahren liege ich abends auf dem Boden und mache uncoole Wirbelsäulengymnastik. Aber das kratzt die Wirbelsäule überhaupt nicht. Biegt sie sich wieder zurück? Nein, sie denkt gar nicht dran. So geht das seit Jahrzehnten. Und dann werde ich plötzlich Lehrerin. Kaum vorstellbar, aber ich glaube ich bin gar nicht als Lehrerin geboren, sondern bin es irgendwie geworden. Wenn die Schüler mich fragen, warum ich diesen Beruf gewählt habe – für sie ist dieses Berufswahl ja überhaupt nicht nachzuvollziehen – dann sage ich immer, das war eine Aneinanderkettung von so unglaublichen Zufällen, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.

Jedenfalls wenn man Lehrerin ist, dann muss man ja jeden Tag von zu Hause in die Schule kommen und man muss Sachen dabeihaben. Diese Sachen transportiert man dann in einer Tasche. Und die ist manchmal ziemlich schwer. Warum eigentlich? Was schleppe ich denn da jeden Tag mit mir rum?

Das sind zum Beispiel so wichtige Dinge wie Notenheft, Kalender, Federtasche, die man eigentlich nicht braucht, da ein Kugelschreiber reicht, dann Hefter, in denen man die Kopiervorlagen und die von den Kindern angefertigten und von mir korrigierten Schrifterzeugnisse transportiert (dafür eignen sich Sammelmappen-mit Gummibändern an den Ecken) und dann evt. mal eine Fachzeitschrift, die man sich bestellt, nie liest, aber aus schlechtem Gewissen tagelang mit sich rum trägt und einen schrottigen Roman, für dessen Titelbild man sich im Bus schämt, der einem aber dabei helfen soll, sich geistig von der Arbeit zu entfernen. Klappt bei mir allerdings nur bedingt, denn ich lese zur Zeit gerne Geschichten, über missglückte Integration von muslimischen Einwandererkindern in der vierten Generation.

Und wenn ich mir meine Tasche mal genauer betrachte und mich auf ihren Grund zubewege, kommen da noch ganz unnütze Dinge zutage: Eine Schere und ein Klebestift, die Einladung zur Gesamtkonferenz im letzten Sommer, eine Tüte Gummibänder, die ich einem Schüler abgenommen habe, Sonnencreme und ein altes T-Shirt, Kaugummis, von denen bereits die Verpackung zerfetzt ist und die nun ganz dreckig und unessbar sind. Der Boden meiner Tasche ist überseht mit Radiergummistücken, TicTacs, Magneten und Büroklammern. Diese Sachen schleppe ich jeden Tag von meiner Wohnung in die Schule und dabei hängt der Riemen der Tasche immer über meiner linken Schulter. Komischerweise tut mir der Rücken auch immer auf der linken Seite weh. Ich werde den Gedanken nicht los, dass es zwischen meiner schweren Schultasche und meinem kaputten Rücken einen Zusammenhang gibt. Was soll ich denn jetzt machen? Mehrere Möglichkeiten hätte ich:

  1. Ich könnte die Tasche regelmäßig ausleeren und wirklich nur das Wichtigste mitnehmen. Scheitert wahrscheinlich daran, dass ich das einfach nicht machen werde.
  2. Ich könnte die Tasche mal eine Weile auf die andere Schulter hängen. Scheitert daran, dass ich das schon mal versucht habe und die da immer runterrutscht, weil ich schon so schief bin, dass die rechte Schulter eigentlich nicht mehr da ist.
  3. Einen Rucksack kaufen. Ohhhh Gott! Oh, nein! Scheitert auf jeden Fall an dem Wort RUCKSACK!
  4. Den Beruf wechseln. Es gibt ja viele Berufe, in denen man nichts mitnehmen muss. Busfahrer, Bäcker, Politiker (obwohl, die Akten und so?), Verkäuferin oder Supermodel (da braucht man sich noch nicht mal die Haare zu machen, das machen ja alles die Make-up- und Hair-Stylisten)
  5. Ich könnte auch in die Schule ziehen, da bräuchte ich meine Sachen nicht mehr von hier nach da zu transportieren. Scheitert wohl daran, dass „…wenn das alle machen würden…“
  6. Einen Rollkoffer in Miniformat kaufen. So tun als wäre ich Stewardess und das Teil lässig hinter mir herziehen. Wird daran scheitern, dass ich mich mit sowas nicht auskenne und es sowas vielleicht gar nicht gibt.
  7. So weiter machen wie bisher und in ein paar Jahren mit Bandscheibenvorfall in Frührente gehen.

Ich bin noch sehr unentschlossen. Hat jemand Erfahrung mit den oben erwähnten Möglichkeiten? Für rückenfreundlichen Rat bin ich immer zu haben.

Immer diese Lehrerinnen…

Gestern gab jemand in irgendeine Suchmaschine: „meine lehrerin hat mich in der pause gef “ ein und landete bei mir. Mit einer deratigen Dringlichkeit sollte/mußte diese Suchanfrage beantwortet werden, dass die Groß- und Kleinschreibung auf der Strecke blieb. Der Hinweis, dass der Suchende eine Lehrerin hat und man sich in der Pause begegenen kann, deutet darauf hin, dass es sich hier um einen Schüler oder eine Schülerin handeln muss.

Aber was hat die Lehrerin mit diesem Jemand so Unglaubliches gemachte, dass er sich den Sachverhalt durch das Internet erklären lassen will? Oder sucht er/sie Gleichgesinnte? Andere Personen, denen die Lehrerin in der Pause…ja was denn nun eigentlich? gef… klar, es liegt nahe das Wort mit i weiterzuführen und auf t zu beenden. Aber jetzt mal nicht so voreilig. Vielleicht wollte dieser arme Mensch uns auch nur mitteilen, dass ihn seine Lehrerin in der Pause etwas gef-ragt hat. Was könnte sie denn gefragt haben? „Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“ „Warum bist du nicht auf dem Hof?“ „Wie spät ist es, hat es schon geklingelt?“ Vielleicht hat sie aber nicht gef-ragt sondern gef-unden…“meine lehrerin hat mich in der pause gefunden – obwohl ich mich versteckt habe und nicht gefunden werden wollte.“ Aber würde sich ein Schüler nach solch einem eher alltäglichem Erlebnis hilfesuchend ans Internet wenden? Vielleicht wollte er den Satz aber auch so beenden: „meine lehrerin hat mich in der Pause gefoltert. Erst war sie wie immer und dann holt sie plötzlich Handschellen raus, kettet mich an die Heizung und schägt mir mehrmals mit dem Duden auf den Kopf.“ Wäre doch nur verständlich, wenn dieses Erlebnis einen jungen Menschen verwirren würde. Oder hat sie ihn gefressen? Unterrichten macht sehr hungrig und man hat als Lehrerin, die morgens zur Ersten muss nicht immer Zeit sich Schulbrote zu machen.

Wollen wir nicht alle wissen, was wirklich passiert ist? Lieber verwirrter Schüler, liebe verwirrte Schülerin, gib doch nochmal diesen Suchbegriff ein, lass die Worte in der pause weg und berichte uns dann mal ausführlich, was deine Lehrerin mit dir in der Pause angestellt hat.