Die Krise soll ins Bett gehen

Halb sieben und schon fast dunkel draußen, gib’s ja gar nicht… jetzt kommt der Herbst – ich find’s super. Noch drei Tage, dann fangen die Herbstferien an. Finde ich auch super. Und Frl. Krise darf sich gerade auf Klassenfahrt amüsieren. Ich bin neidisch. Ich will auch auf Klassenfahrt.

Ich wäre gerne eine Schülerin in der Klasse von Frl. Krise und Karl. Ich hätte dann gerne das Zimmer direkt neben Frl. Krise. Und wenn es dann heißt: „So, Abmarsch, ins Bett!“, dann müsste ich erstmal voll was gaaaanz Wichtiges meiner Freundin in dem anderen Zimmer sagen. Und dann muss ich noch mal raus, weil die andere Freundin noch meine Bürste hat und die brauche ich UNBEDINGT. Dann gebe ich ein paar Minuten Ruhe. Dann habe ich Durst. Frl. Krise und Karl haben sich auf den Gang gesetzt. Ah, die wollen aufpassen, dass wir nicht mehr aus den Zimmern gehen. Aber ich habe voll Durst, ich muss zum Automaten und mir eine Cola holen. Die blöde Krise hat mir ja vorhin die Cola, die ich von zu Hause mit hatte abgenommen. Kein Wunder, dass ich jetzt Durst habe.

Die Krise kann ich bestimmt bequatschen. Die hält das nie lange durch, mit den Verboten. Bei dem Karl ist das schon schwieriger. Der schreit auch immer gleich so laut los. Vor dem habe ich ein bisschen Angst, deshalb mache ich immer gleich, was der sagt. Aber bei der Krise, da kann man immer rumjammern und dann gibt die nach. Wie zu Hause. Das klappt bei meiner Mutter auch immer. „Aber Frl. Krise, die Chanel muss mitkommen dürfen, weil ich hab‘ voll Angst alleine in der Küche.“ Meistens rollt die Krise nur mit den Augen und sagt dann „Zisch ab!“

Ich hab mir heimlich eine Cola geholt und die habe ich aber in meinem Schlafanzug versteckt und zur Tarnung habe ich mir noch eine Zitronenbrause gekauft. Ich bin auch noch gar nicht müde. Ist doch auch erst 12 Uhr. Da schlafe ich zu Hause nie. Und falls ich müde werde, habe ich ja noch die Cola. Wir haben uns nämlich mit den anderen Mädchen für später in Zimmer 5 verabredet. Ein paar Jungs wollen auch noch vorbeikommen. Ich schlaf doch nicht. Is‘ doch Klassenfahrt. Wir mussten ja alle die Handys abgeben. Aber die meisten haben einfach zwei Handys mitgenommen.
Damit wir uns nachts verabreden können. Wenn die Krise da noch lange vor der Tür sitzt, dann gehen wir durchs Fenster. Is nicht hoch. Haben wir heute Nachmittag schon probiert. Klassenfahrt ist echt nur nachts schön.

Zeit haben oder nicht Zeit haben

Frl. Krise fährt auf Klassenfahrt. Was für eine vorbildliche Lehrerin. Und sie fährt noch nicht mal im Frühling oder Sommer, wenn das Wetter noch schön ist. Nein, sie fährt, wenn es kalt und regnerisch wird, damit sie sich an verregneten Drinnenbleibtagen besser mit den Kindern und ihren Problemen auseinandersetzen kann.

Ich dagegen will nicht auf Klassenfahrt fahren. Meine Klasse schon. Ich nicht. Aber wenn ich fahre, dann nur Ende Mai oder Juni, damit es wenigstens warm ist. In diesen kalten, zugigen Jugendherbergen hole ich mir doch sonst den Tod. Frl. Krise wird sich garantiert erkälten, weil sie immer zum Rauchen rausgeht vors Haus, ohne Jacke. Denkt an meine Worte. Krank wird sie sie in die Herbstferien gehen. Schönen Dank auch. Schal nicht vergessen Frl. Krise!

Noch zwei Wochen Schule…ach nee, zwei Tage und eine Woche und dann sind die ersten Ferien dieses Jahr. Dann zehn Wochen Schule, dann wieder Ferien und so weiter. Und irgendwann ist das Schuljahr dann vorbei und dann sind alle Klasse, die ich unterrichte in der neunten Klasse und alles wird gut und noch besser, wenn die dann alle in der zehnten sind und nett und ruhig und dann schwänzen sie alle und ich sitze nur noch mit den supernetten lieben Schülern da. Das wird herrlich.

Und dann will ich ein Jahr frei machen und gar nicht mehr in die Schule gehen und da bekomme ich dann bestimmt eine Depression. Und die muss ich dann behandeln lassen. Das kann dauern. Vielleicht wird die Depression auch ein Burnout. Obwohl, wenn ich nicht in der Schule bin, dann kann es ja kein Burnout sein, vielleicht dieses neue – Boreout, weil ich mich zu Tode langweile und nichts mit meiner freien Zeit anzufangen weiss. Frl. Krise ist dann schon Profirentnerin. Geht gar nicht mehr aus dem Haus und hat schon lange Dreadlocks. Die hat ihre Depression dann schon gut im Griff und kann mir Tipps geben. „Man muss sich jeden Tag was vornehmen: heute zur Post, morgen einkaufen, übermorgen atmen und am Freitag mal um den See laufen. Wochenende bedeutet nichts, denn man hat ja immer Wochenende. Die Wochenenden nerven nur, weil die Geschäfte zu haben.“ Das werden ihre Tipps sein. Ich werde vor meinem freien Jahr großspurig erzählen, dass ich voll die abgefahrenen Reisen mache und die schiebe ich so lange vor mir her, dass ich nachher keine Zeit mehr habe und sie also gar nicht mache und das verstärkt dann wieder die Depression und wenn ich dann wieder zur Schule muss, dann habe ich GAR nichts zu erzählen…ach, das wird schrecklich. Und ich habe auch Angst vor der Depression. Vielleicht doch kein Jahr frei und lieber Burnout? Burnout ist doch Depression, oder? Okay, jetzt erstmal fernsehen.

Buntes Allerlei aus mein Kopf

Hatte unterer Rücken
wollte mich erst vor der Arbeit drücken
konnte mich aber auch nicht bücken.

bin dann doch gegangen
mit schwänzen gar nicht angefangen
die schmerzen in die knie gezwangen

dann zum Osteophaten
da ist man immer gut beraten

Jajajaja, und dann zum Sport und der Rücken war wieder gut. Bis heute morgen. Da tat der wieder weh. Werde ich alt? Bin ich morgens einfach noch zu kalt? Ich könnte schwören, dem Haikun tut nie der Rücken weh. Und von wem habe ich diese Rückenscheiße? Dreimal könnt ihr raten, wer damit am Sonntag ankam und mich angesteckt hat – Frl. Krise. Logisch. Schönen Dank auch.

Und in der Schule vergisst man ja alle körperlichen Schmerzen. Da tut einem nur immer das Hirn weh. Ich müsste den Wandertag planen. Ich hatte schon überlegt, in den Mohammed Film zu gehen. Falls die den bis dahin schon zeigen. Hahahahahaha, Spaaaaaß, war ein Witz!!!!

Und was will dieses Wetter? Ist jetzt noch Sommer, oder was? Jeden Tag gehe ich mit der Jacke raus und schleppe die dann zehn Stunden durch die Gegend. Nervt auch. Und die Schule… ach, ist auch immer das Gleiche. Dann hat er gesagt und dann hab ich gesagt und dann hat er gesagt. Hamid hat sich neulich wohl mal gut benommen im Unterricht, weil mir das alle anderen Schüler gleich erzählt haben. Günther kommt jetzt auch immer pünktlich, weil er Schiss vor einer Schulversäumnisanzeige hat und Volkan fragte mich heute, ob in Cola Spinnen sind, oder, ob Cola nicht sogar aus Spinnen gemacht wird. Meine Antwort – man darf die Schüler ja nicht anlügen: „Ja, Cola wird aus Spinnenbeinen und Ochsenblut gemacht. Deshalb ist die doch auch so dunkel.“ Elena guckt angeekelt und wird wohl auf Fanta umsteigen, na wenigstens etwas erreicht heute. Meine Klasse nuckelt zur Zeit 45 Minuten lang an 1.5 l Flaschen Brause rum und zwar in jeder Stunde. Und dann müssen sie natürlich aufs Klo. Ich muss nie in der Stunde aufs Klo. Ist das schon mal einem Schüler aufgefallen? Nö.

Vorhin in der U-Bahn saß ein kleiner türkischer Junge mit seiner Mutter. „Mama, wusstest du, dass man aus Chinanudeln Suppe machen kann?“ Die Mutter nur so: „Hmmm.“ Wußte sie bestimmt nicht. Hat sie bestimmt auch noch nie gemacht. Und wie strange, dass der Junge dachte, dass diese Chinanudeln nur zum Rohverzehr hergestellt werden… Komische Welt. Okay, ich suche euch mal ein schönes Video raus. Mehr habe ich heute auch nicht zu berichten.

The Game is on

Der Computer geht wieder. Und die Heizung auch und der Strom und das warme Wasser und man könnte denken – läuft doch alles. In der Schule flutscht auch alles so dahin und überhaupt scheint alles im Lot.
ABER und hier kommt das große ABER. Wenn alles glatt läuft, bekomme ich den Drang mich zu kümmern. Und zwar um Dinge, um die man sich lieber nicht kümmert. Zum Beispiel den Telefonanbieter.

Hier die Vorgeschichte: Seit Monaten liegt mir mein Juristenfreund mit dem gleichen Thema in den Ohren: „Frau Freitag, du MUSST dieses 1&1 kündigen.“ Dann sage ich: „Ja, unbedingt! Mach ich!“ Dann beim nächsten Besuch – er wieder: „Hast du endlich dieses 1&1 gekündigt?“ Und ich dann: „Oh, nee, noch nicht, aber mache ich gleich… ich schwörs dir!“

Und denn… ich kündige gar nichts und dann verstreicht die Kündigungsfrist und ich bin immer noch bei 1&1 und zwar mit einem total überteuertem Uraltvertrag. Der Jurafreund meckert. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Dann kommt ein Anruf von 1&1 – die haben mittlerweile gecheckt, dass ich meinen Vertrag immer noch nicht gekündigt habe und wittern eine total bescheuerte Kundin in mir, der sie jeglichen teuren Blödsinn andrehen können. Und das können sie auch. Am TELEFON. Ich weiss auch nicht, was mich da geritten hat, als ich mir einen neuen Vertrag habe aufschwatzen lassen. Ich dachte irgendwie – ist billiger als der alte Vertrag und ich kann doch sowieso erst wieder in einem Jahr kündigen. Das erzähle ich dann stolz dem Jurafreund. Der guckt sich im Internet meinen neuen Vertrag an und stellt fest: „Schrott! Den widerrufst du jetzt.“ Er nimmt mein Macbook und tippt innerhalb von zwei Minuten eine so tolle Kündigung – oder einen Widerruf, dass ich vor Ehrfurcht verstumme. „So, druck das aus, unterschreib das und fax das morgen zu den Schweinen. Musst du aber MORGEN machen, dann bist du noch genau in dieser zwei Wochen Frist.“
Ich, ehrfürchtig und deshalb vollends ergeben: „Mach ich!“
Und mach ich auch. Ich faxe das sogar zweimal. Doppelt hält besser. Mit Sendebericht. Und dann denke ich: „Ha, könnt Ihr mal sehen, ihr Halsabschneider! Nicht mit Frau Freitag!“ Und dann höre ich erstmal gar nichts und dann kommt das:

Sehr geehrte Frau Freitag,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Sie wünschen die Stornierung Ihres Tarifwechsels? Diese Entscheidung bedauern wir sehr. Gerne geben wir Ihnen weitere Informationen.

Die Bearbeitung Ihres Tarifwechsels ist bereits zu weit fortgeschritten. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Ihr Wunsch nach einer Stornierung deshalb nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Ihr Kündigungswunsch wurde an die entsprechende Fachabteilung weitergeleitet. In Kürze erhalten Sie weitere Informationen.

Es tut uns leid, dass wir Ihnen dieses Mal keine Lösung anbieten können.

Mit freundlichen Grüßen
die Schweineband

Icke: Wat solln dit jetzt heißen? Spinnen die? Die Bearbeitung meines Tarifwechsels sei schon zu weit fortgeschritten… ich schreite jetzt auch mal weiter – ich habe gleich mit dem Anwalt gedroht und mir einen Schrieb vom Jurafreund machen lassen, so mit solchen Eumels hier: §§§. Voll eindrucksvoll. Jetzt heißt es abwarten. Die spinnen ja wohl… oh, ist schon leider alles zu weit fortgeschritten, dass wir uns nicht mehr an die Gesetze halten können? Jetzt bin ich gespannt wie die Damen und Herren reagieren.

Tipp von Frau Freitag: Verträge am Telefon? Nee, nee, lieber nicht.

Lass mal tauschen!

Wenn ich Jogi Löw wäre, dann würde ich die Nationalmannschaft trainieren. Wäre doch eigentlich ganz schön. Das ganze Trainingsgedöns, dafür hätte ich meine Typis, die das können. Ich würde Pressetermine wahrnehmen und schöne Schals tragen. Teure.

Ich würde sagen: „Philipp, komm du mal heute mit zum Pressetermin.“ Und dann sitze ich da mit Phillip L. und sage mehrfach: „Auf Augenhöhe.“ Und dann stehe ich am Spielfeldrand und gucke mir das Spiel an und wenn es kalt wäre, dann hätte ich – im Gegensatz zu meinen Spielern – warme Sachen an. Mein Leben wäre nur Fußball und überhaupt nicht Schule.

Jogi Löw könnte doch in der Zeit meine Klasse unterrichten. Er steht da vorne in meinem Raum und sagt immer: „Ein Gegner auf Augenhöhe.“ Und dann trainiert er die in Deutsch, Mathe, Englisch und die werden voll gut, die Schüler, weil ihr neuer Lehrer ist ja Jogi Löw. Wer würde sich da nicht bemühen. Sogar Günther kommt dann immer pünktlich, weil er ja nichts versäumen will. Nichts von Jogi versäumen.

Die Nationalmannschaft ist auch froh: „Frau Freitag, ist gut, dass Sie jetzt da sind. Der Löw hat auch oft gestresst. Das sagen meine Schüler natürlich auch: „Herr Löw, Sie sind viel besser wie Frau Freitag. Bei Sie macht viel mehr Spaß.“ Und meine Klasse mag es auch, dass die Kamerateams immer mit im Unterricht sind.

Ich finde gut, dass es von mir jetzt auch Hanutabilder gibt. Frl. Krise soll Herr Müller-Wohlfahrt sein. Die Haare hat sie schon. Sie sitzt immer bei mir auf der Bank am Spielfeldrand und wenn einer unserer Jungs liegen bleibt, dann rennt sie mit der Hartplastikdoktortasche auf den Rasen und sprüht dem Haarspray auf das Bein und dann springt der Spieler wieder auf und rennt weiter. Frl. Müller-Wohlfahrt rennt dann wieder zu mir und wir klatschen uns ab und ich sage: „Hast du gut gemacht.“ Und sie sagt: „Logo.“

Unser Arbeitsplatz ist Spielfeldrand und Kabine. Dort sagen wir: „So Jungs und jetzt geht raus und macht sie fertig!“ mehr müssen wir nicht machen. Wenn wir gewinnen,dann kriegen wir ein Bier übergekippt. Ist aber nicht so schlimm, weil ich habe ganz viele von den schönen Schals…

Ich glaube ich könnte ganz gut Jogi Löw sein.

Im Konfronta-tief

Konfrontative Pädagogik ist voll anstrengend, sag ich euch. Ich habe bei in der siebten Klasse heute mal so dermaßen konfrontiert, dass ich in der darauffolgenden Stunde nur noch Emphatische Pädagogik betreiben konnte – also: bitte Kinder seid emphatisch mit MIR, weil ich von den ganzen Konfrontationen gerade eben in der Siebten so fertig bin. Von Konfrontativer Padagogik tut dir nachher auch der Hals weh. Und der Körper wird voll müde.

Ich schleppe mich mit letzter Kraft, nach letzter Stunde aus dem Schulgebäude. Zum Glück Treppe runter. Draußen Zigarette und – kein Feuerzeug. Toll. Ohne Feierabendzigarette in die U-Bahn – JA, JETZT KANN ICH ES ENDLICH MAL SAGEN, ICH FAHRE U-BAHN und nur sehr selten Bus. Ich bin ein Profi-U-Bahnfahrer. Ich steige sogar da ein, wo ich später auch wieder aussteigen will. Ihr wisst schon. Mit den Wagons und so. Jedenfalls steiege ich ein – der Wagen ist voll – ich muss stehen. Ich scanne kurz die Lage und was sehe ich da??? Am anderen Ende des Wagons? Zwei Punks. Und der eine hat eine dicke, fette RATTE!!!!! Auf der Schulter. Voll fett, mit einem riesigen nackten Schwanz. Sofort bin ich wieder in dem rattenverseuchten Traum von neulich und in den Kommentaren dazu.
Blüht mir eine schreckliche Krankheit? Hat doch jemand geschrieben, dass die Ratten im Traum so was bedeuten. Was bedeutet dann eine Ratte in der REALITÄT???? TOD???

Ich bin schockiert und beobachte die Ratte ganz genau – nicht, dass die am Ende noch die Schulter verläßt und zu mir kommt… Tut sie nicht, aber ihr – oh Mist, jetzt wollte ich so schlau sein, wie heißen denn die Tiere, die andere Tier… ah ja, ihr WIRT verläßt die U-Bahn. Wenig später steige auch ich um. In der neuen Bahn setze ich mich neben zwei Schülerinnen. 10 oder 11 Klasse. Die liegen eigentlich auf dem Sitz und ich fletze mich dazu.
„Nee, Achte ist schlimmer als Siebte“, sagt die eine.
„Ja, stimmt, Achte ist schlimmer.“ antwortet ihre Freundin.
Ich: „Auf keinen Fall. SIEBTE sind die Schlimmsten. Ihr meint doch Klassen oder meint ihr siebte und achte Stunde?“
„Nee, nee, Klassen.“
Ich stöhne einen langen konfrontativbedingten Erschöpfungslaut aus mir raus: „Siebte ist krass! Achte auch, aber Siebte rockt dich.“
„Achte denken immer, sie sind so cool. Sind sie aber gar nicht.“, sagt die eine und die andere nickt.
„Wann wird es denn wieder besser?“, frage ich die beiden Expertinnen.
„Neunte oder eigentlich erst Zehnte.“
„Neeein, so lange kann ich nicht warten! Neunte! Okay, aber nicht noch bis zur Zehnten. Wart ihr auch so?“
„Ohhh, ich war schlimm. Meine arme Mutter.“
Ich: „Und deine Lehrer.“
Sie nicken beide.
„Entschuldigt euch ruhig mal bei euren Müttern“, sage ich und sie grinsen mich an. Ich muss raus. „Und bei euren Lehrern! Entschuldigt euch auf jeden Fall bei euren Lehrern.“

Als wir Ratten hatten

„EINEN BLUMENSTRAUß???? EINFACH SO????“ Ich bin fassungslos. Ich kann nicht glauben, was mir die Krise da erzählt. Sie hätte letzten Freitag von einer ihrer neuen Schülerinnen im Vorbeigehen Blumen bekommen.
„Was sind das denn für Schleimer?“, frage ich. Ich merke, wie ich wieder vor meiner letzten Klasse stehe, letztes Jahr, letzter Schultag – NICHTS bekommen. Und die Krise… sitzt mir gegenüber, nimmt genüßlich einen Schluck lauwarmen Kaffee zu sich und grinst mich unverschämt an. Na warte, Hochmut kommt vor dem Fall. Wie gemein die mir das reinreibt, dabei weiss sie doch wie ich gelitten habe. Habe ich nicht auch geheult? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, verdrängt! Traumatische Erinnerungen MUSS man vergessen, sonst wird man krank.

Ich wechsle das Thema, erzähle von meiner Stunde zum bedingungslosen Grundeinkommen… was macht sie denn in Ethik? Wahrscheinlich Steckbriefe malen lassen und Stammbäume, pfff. Ich unterrichte wichtige Themen, die Deutschland bewegen. Precht wäre stolz auf mich, ach nein, er würde auf mich runter gucken – oder zu mir rauf? (hihi) und sagen: „Papalapapp, unkreativ! Falscher Ort, falsches thema, Sie sind die falsche Person!!! Weil Sie UNKREATIV sind!“
„Aber Herr Precht, ich kann auch Haikuns! Das ist doch sehr kreativ.“ Will er nichts von hören. Auch nichts von meinem Rattentraum. Dabei war der so schön. Schaurig schön war der: ich war mit dem Freund in einem Hotel und wir hatten ein riesiges Zimmer. Schon mal gut. Voll so aus alten Zeiten. Sehr unrenoviert, aber mit hohen Decken und Kronleuchter – echt schön. Aber da waren überall Ratten. Erst liefen die nur an den Scheuerleisten schnell von links nach rechts. Dann legte sich ein ganzes Knäul von Ratten direkt vors Bett. Eine Ratte knabberte Löcher in meinen Schuh. Und als dann ein braun-weißer Nager direkt neben meinem Kopf über das Bett sprang, sagte ich zum Freund: „Du irgendwie finde ich das nicht so gut hier.“ Ich weiss nicht, ob er darauf was geantwortet hat oder nicht, jedenfalls sind wir in dem Zimmer geblieben. Wir hatten nur eine Nacht gebucht. Aber das Seltsamste war, also echt nicht so richtig nachvollziehbar – wir haben uns nicht bei der Rezeption beschwert.

Strange? Oder? Aber ganz ehrlich – dass Frl. Krise von einer Schülerin vier Wochen nach Schulbeginn einen Blumenstrauß bekommt – einfach so – das finde ich noch viel unglaublicher.