Wochenende

Es ist Sonntag. Wochenende. Und die Arbeit so weit weg, dass ich glatt vergessen könnte, welchen Beruf ich eigentlich ausübe. Neider schreien jetzt empört auf: Was? Hat die schon wieder Wochenende? Und ich sage: Ja! Und zu Recht, denn das habe ich mir verdient. Aber keine Angst, niemand genießt das Wochenende so schlecht wie ein Lehrer. Jedenfalls gehört Entspannung nicht gerade zu meinen Lieblingstätigkeiten. Ich bin mir sicher, dass es keine andere Berufsgruppe gibt, die so schlecht abschalten kann, wie wir. Oder wacht ein Bäcker nachts auf und denkt: Na die Mohnbrötchen habe ich aber gestern Nacht irgendwie nicht richtig hingekriegt. Denkt die Verkäuferin am Sonntag: Morgen kommt die neue Ware, dann werde ich mich mal jetzt schon hinsetzen und aufschreiben, was da so kommt und das alles dann alphabetisch sortieren. Kein Busfahrer muss sonnabends eine Sachanalyse über seine Route oder eine Bedingungsfeldanalyse über seine Fahrgäste verfassen. Ich dagegen sitze am Wochenende am Schreibtisch und denke mir Stunden aus, konzipiere und zensiere Arbeiten, gebe Statistiken und der Bürokratie ihre Daseinsberechtigung und liege sogar nachts oft wach und denke: Hat der das wirklich gesagt? Hab’ ich da richtig reagiert? Hätte ich nicht, lieber gleich und nicht oder vielleicht doch lieber erstmal usw. In der Woche passiert mir das nicht. Eigentlich geht es mir an allen Tagen besser als am Wochenende. Vielleicht sollte man das Wochenende abschaffen. Wer braucht das schon? Geschäfte sind nicht auf, sonntags ist man doch sowieso depressiv und verkatert und die U-Bahn fährt auch nur alle 20 Minuten.

Und immer wieder herrlich diese Fachliteratur

Ich lese gerade das Buch „Lob der Schule – sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern“ (Nur sieben! – Mehr gibt’s nicht! Ich bezweifle, dass irgendein Schüler dieses Buch liest, also bekommen die Lehrer und Eltern jeweils 3,5 Perspektiven.) Das Buch scheint irgendwie eine Antwort auf „Das Lob der Disziplin“ zu sein. Das Disziplinbuch habe ich nicht gelesen, aber ich werde hier trotzdem mal eine kurze Rezension liefern. Naja, was soll da schon drin stehen? Disziplin ist gut/besser als sein Ruf, und gerade heute und die  Eltern und keine Grenzen setzen und der Medienkonsum und Counterstrike, schlechte Ernährung und Erfurt und deshalb ruhig mal wieder eine scheuern.

Aber da wir das in der Schule ja nicht dürfen – also als Lehrer jedenfalls nicht – geht man den Umweg über Disziplin. Struktur und Ordnung, Regeln, Grenzen, ruhig mal einen ordentlichen Hefter einfordern, auch mal Stillsitzen usw. Ich frage mich allerdings, mit welchen Disziplinlosigkeiten sich Herr Bueb als Direktor des Internats Salem hat rumschlagen müssen, bis ihm der Kragen platzte und er deshalb sein Buch schrieb. Oder beschreibt er nur, warum in Salem alles so toll läuft? Hätte das Buch nicht auch „Lob der teuren Privatschule“ heißen können? Vielleicht  liege ich aber auch völlig falsch und der Titel „Lob der Disziplin“ ist pure Ironie und Herr Bueb beschreibt seinen verzweifelten Versuch, aus Salem ein zweites Summerhill zu machen.

Zurück zu „Lob der Schule“ hier beschreibt jemand, der selbst nicht Lehrer ist, mal wieder wie Schule und der perfekte Lehrer sein sollten. Ach, ich liebe dieses ‚Schule’ ohne Artikel. Ein wohliger Pädagogenschauer läuft mir den Rücken hinunter, wenn ich Titel lesen wie: Schule neu denken. In Schule klarkommen. In Schule arbeiten – ich bleiben. Den türkisch migrierten Schülern schlage ich ihre Aufsätze um die Ohren, wenn die mal wieder vergessen, dass es im Deutschen Artikel oder Präpositionen gibt oder sagen: „Ich war Cafeteria.“ Aber in Fachtexten verweißt ein freistehendes „in Schule“ auf den echten Insiderblick.

Jedenfalls die berühmte Lehrerpersönlichkeit: Gerecht, humorvoll, zugewandt, authentisch usw. Der Autor verrät sogar 12 Tipps zum Auftreten des Lehrers: z.B. Sei nett, aber nicht anbiedernd. Was soll das heißen? Freundlich grüßen, aber nicht am Joint ziehen? Oder: Prüfen Sie, ob sie Freude am Leben haben und das auch auf der Arbeit zeigen „dürfen“. Was soll das heißen? Wenn ich mal nicht gut drauf bin, darf ich nicht unterrichten? Wo stand denn in meiner Arbeitsplatzbeschreibung, dass ich nur eingestellt werden kann, wenn ich das Leben liebe? Klar, schön wäre es, wenn es in Schule nur glückliche Lehrende gäbe. Aber irgendwie sieht der Alltag doch anders aus. Und ehrlich gesagt kann selbst ich, die fast täglich auf der manischen Welle ihrer Depression reitet nicht immer nur lächeln. Und wenn man mal einen echt miesen Tag hatte, warum kann dann nicht das Gebot der Authentizität greifen? Kann ich mich dann nicht mal so richtig authentisch auskotzen, so voll zugewandt, den Schülern meine schlechte Laune, die ich durch ihr undiszipliniertes Verhalten bekommen habe so ganz gerecht über den Kopf gießen? Das wäre in jedem Fall schülerrelevant und adressatenbezogen. Und wenn ich später darüber lachen kann, dann kommt doch auch der Humor nicht zu kurz.

Mädchen, immer eine Nasenlänge voraus

Wochenende. Eigentlich schade – hat gerade angefangen Spaß zu machen und schon ist die Woche wieder rum. Eben hatte ich noch eine Vertretungsstunde in einer mir unbekannten 10ten Klasse. Vertretungsstunden sind doch die schönsten Stunden…man weiß nie was da so kommt. Und meistens kommt zunächst gar keiner. Dann trudeln so nach und nach doch noch einige Schüler ein. Die Mädchen setzten sich erstmal mittig hinten ans Fenster und polieren ihr Make-up auf. Da wird gepudert und geeyeliniert. Vorher gibt eine  ’ne Runde Hautcreme aus. Interessiert betrachte ich mit welcher Routine sie sich die Gesichter bemalen. Da stimmt die These, dass regelmäßiges Üben den Lernerfolg steigert. Würden die sich nur mit halb soviel Energie um die Schule kümmern – wir hätten nur noch Schnellläuferklassen.

Dann kommen die Jungen. Die wollen sich alle in die letzte Reihe setzen. Da das nicht geht, sitzen sie am Ende darwinistisch gestaffelt. Die Alphatiere ganz hinten und die Deppen ziemlich nah bei mir.

„So Leute, schön dass ihr da seid. Ich habe mir was überlegt für diese Stunde. Ihr habt doch nächste Woche alle eure mündliche Prüfung in Englisch und ich dachte mir, dass wir heute noch mal schnell dafür üben könnten.“

Die Begeisterung hält sich in Grenzen.

„Okay. Also ich mache euch jetzt drei Vorschläge: Ihr könntet für die Englischprüfung üben, Hausaufgaben machen oder was Ausmalen.“

„Jaaaaa, ausmalen!“

Ach süß, wie diese späteren Stützen der Gesellschaft da sitzen und Kreise ausmalen – so ordentlich und so konzentriert. Vielleicht  sollten sie aber trotzdem für die Englischprüfung lernen. Wenn die alle durchfallen, keinen Realschulabschluss bekommen, später keinen Ausbildungsplatz und keine Arbeit finden, dann bin ich Schuld, weil vielleicht hätten sie ja noch mit Englisch alles ausgleichen können. Wer zahlt dann meine Rente.

„Hat eigentlich schon jemand einen Ausbildungsplatz?“

Schweigen.

„Na was wollt ihr denn werden?“

„Medizinische Fachangestellte“, „Einzelhandelskauffrau“, „Autolakiererin“

„Und die Jungs? Was ist mit euch? Habt ihr schon was?“

„Kann man eigentlich eine Ausbildung zum Zuhälter machen?“

„Ich werd‘ Dealer, da verdient man gut.“

„Ich mach Frauenarzt oder Schönheitsoperation.“

„Du meinst Arzt für plastische Chirugie.“

„Ja geil, kann ich Titten operieren.“

Es klingelt. „Bitte stellt die Stühle ran und bringt die Stifte nach vorne.“ Sagt man nicht, dass die Mädchen den Jungen immer um zwei Jahre voraus sind? Und es werden doch statistisch mehr Mädchen geboren als Jungen, oder?

Fleisch

Oft komme ich aus der Schule und brauche was Rohes. Völlig unterfleischt stürze ich mich mit letzter Kraft zur Wursttheke: „200g Hackepeter bitte. Brauchen Sie nicht einzupacken, ich ess’ das gleich hier.“ Manchmal reicht Hackepeter nicht und ich kaufe Rinder- oder Gemischtgehacktes. Aber eigentlich würde ich mich am Liebsten über die Plastiktheke hängen, um direkt in ein blutiges Steak zu beißen oder noch besser mir ein Stück Fleisch aus einem Tier reißen. Aber das gibt es ja nicht. Nicht mal bei Kaiser’s. Mein Freund macht sich über mich lustig, ich wundere mich. Was passiert da mit mir am Feierabend, dass ich nach der Arbeit so ausgehungert bin? Geht es nur mir so? Ist das typisch für den Lehrberuf? Sind das die Vorboten des Burnouts? Frau Dienstag, meine sportliche Freundin stopft sich nach Unterrichtsschluss nicht selten mit Fast Food voll. Pommes rot-weiß und wahrscheinlich sogar Döner mit alles (aber das würde sie nie zugeben). Gibt es Untersuchungen zum Eiweißverbrauch während des Lehrens? Warum wird so was nicht erforscht? Die messen und testen uns doch ständig. Dauernd werden die Schüler überprüft und man stellt immer wieder fest, dass sie noch genauso ahnungslos sind wie im Vorjahr. Durch das ganze Testen werden die aber auch nur bedingt schlauer. Also wäre mein Vorschlag, statt der Schülerleistungen ruhig mal den Energieverbrauch der Lehrkräfte zu untersuchen.

Übrigens kam der Schulleiter heute noch nicht zu mir. Naja, morgen hat er ja auch noch Zeit.

Unglaublich, aber es wird immer besser!

Okay, die Montage rocken, mündliches Abitur fetzt, aber heute war noch besser: Gar kein Unterricht! Wie das? Realschulprüfung in Mathe und ich hätte den ganzen Tag in der 10ten Klasse Unterricht gehabt. Was sagt man dazu? Und wie soll sich diese Woche nun noch bis zum Wochenende steigern? Ich hätte da eine Idee. Morgen kommt der Schulleiter zu mir und sagt: „Frau Freitag, da sie nun schon seit Jahren so unglaublich tolle Arbeit an unserer Schule leisten und sich noch nie auch nur die kleinste Kleinigkeit zu Schulden haben kommen lassen, haben wir uns eine ganz besondere Gratifikation für Sie überlegt. Wir werden zum nächst möglichen Termin Ihr Gehalt aufstocken – ich finde Sie sollten genausoviel verdienen wie ich – und das Schulamt hat mich aufgefordert, Ihnen bis zu den Sommerferien Sonderurlaub zu verordnen. Nehmen Sie sich diese kleine Auszeit, genießen Sie das schöne Wetter und buchen Sie sich mal einen Flug außerhalb der Ferien. Die sind doch sonst immer so teuer…“ Ja, so könnte die Woche ausklingen.

Einge werden sich jetzt fragen: Wovon träumt die nachts? Kann ich sofort beantworten:  Nachts träume ich, dass ich zu spät zu meinem eigenen Abitur komme, dass ich unvorbereitet und besoffen vor einer fremden achten Klasse stehe, dass ein gelber Kleinwagen mit meinem Haupt- und Fachseminarleiter vor meiner Haustür steht und mir der Schulrat sagt: „Frau Freitag, wir haben eben in unseren Unterlagen gesehen, dass Sie gar keine Stunde in Kunst gezeigt haben, wir fahren jetzt in ein Jugendzentrum und dort zeigen Sie bitte eine Stunde zu „Arbeiten mit Ton“ und die mündliche Prüfung haben Sie auch noch nicht, steigen Sie bitte sofort ein, wir sind spät dran.“

Na, bei solchen Träumen kann man doch vom Alltag sanft gestreichelt werden, oder?

Heut‘ nur Abitur

Noch besser als Montage ist mündliches Abitur. Vor allem, wenn man weder Prüfer, noch Schüler ist. Nur rumsitzen, ein wenig protokollieren, interessiert gucken, doch nicht richtig zuhören, inhaltlich gar nichts verstehen und den Rest der Zeit an sein eigenes Abitur denken. Kann ich nur empfehlen. Wenn ich was zu sagen hätte, dann wäre jede Woche mündliches Abitur. Mit Erstaunen und Mitleid erfuhr ich vor kurzem, dass die Kinder heutzutage nicht mehr Mathe abwählen können. Neben dem Job als Protokollantin gibt es noch, Aufsicht im Vorbereitungsraum machen. Auch nett. Aufgeregte Schüler beruhigen: „Das wird schon, schaffst du äh das schaffen Sie schon…“ und die Geprüften zu befragen: „Na wie war’s? und wird heute abend gefeiert?“ Irgendwann kommt die Ablösung und man geht erholt und hungrig nach Hause. Ein super Tag. Ein herrlicher Beruf. Ich gratuliere allen Abiturienten zum Ende ihrer Schulzeit!

Immer wieder Montags…

Montag…das ist mein Lieblingstag in jeder Arbeitswoche.  Sonntagabend kann ich gar nicht abwarten ins Bett zu gehen (geh darum immer schon sehr früh auf die Couch – zur Lindenstraße), denn Montag darf ich wieder hin. Zur Schule!

Montags liebe ich, weil da die Schüler immer so gut drauf sind. Leider habe ich Montags immer nur vier Stunden und ich beneide meine Freundin, die Montags gleich sieben Stunden mit den ausgeruhten und wissbegierigen Kindern verbringen darf. Meine Montage sehen so aus:

Ich schlendere um zwanzig nach sieben durch den Verwaltungstrakt und schmettere jedem, den ich sehe ein fröhliches ‚Guten Morgen‘ entgegen. Vor den offenen Schulleitertüren immer besonders laut, damit man bemerkt, dass ich schon so früh auf Arbeit erscheine. Um viertel vor acht gehe ich in meinen Klassenraum und bereite den Unterricht vor. Tafel muss blitzen, Bücher aus dem Schrank – die Schüler sollen nicht so schwer schleppen – , Kursbuch auf den Tisch, meine Unterrichtsvorbereitung dazu, überfliege noch schnell die Verlaufsplanung, die Sach- und die Bedingungsfeldanalyse. Überprüfe noch mal die Lernziel und lüfte. 7.50 Uhr. Jetzt können sie kommen die kleinen Racker. Ich bin bereit. Kommt her und lernt. Auf dem Gang – Totenstille. Dann Schritte – ah, jetzt geht’s los…nein, ein Schüler der Parallelklasse. 7.55 Uhr. Fenster wieder zu – wegen Straßenlärm. 8.00Uhr – mit dem Klingeln kommt Ronnie durch die Tür und läßt sich erschöpft vor mir auf einen Stuhl fallen.

„Guten Morgen Ronnie. Na, hattest du ein schönes Wochenende?“

„Erggr“

„War nicht gut? Naja, hol erstmal dein Buch.“

8.07 Uhr die Tür geht auf und drei gackernde Teenagermädchen fallen gemeinsam durch die Tür. Kein „Sorry I’m late.“ Oder wenigstens ein dahingemurmeltes „tschudjung“. Bis 8.20 Uhr öffnet sich in rhymischen Abständen die Tür und nach und nach tauchen fast alle Teilnehmer meiner Stunde auf – der letzte um 8.40Uhr. Ich habe mit der Zeit gelernt (einer muss ja was lernen – warum nicht ich), meinen Unterricht in sich wiederholenden Zeitschleifen abzuhalten. Wie beim Tanzen – zwei vor und einen zurück. Klappt schon ganz gut. Während ich den neu Dazukommenden Seitenzahlen nenne, beschreibe was wir gerade machen und was wir nun schon seit mehreren Stunden machen, verwickle ich mich mit den zwei Leistungsträgern des Kurses (besonders viel haben die nicht zu tragen) in ein zähes Frage-Antwort-Spiel. Ins Klingeln hinein rufe ich die Haushaufgabe für die nächste Stunde. Keiner schreibt sie auf, aber das macht nichts, denn niemand wird diese Hausaufgabe machen. Auch das werde ich noch lernen. Wenn du keine Hausaufgaben aufgibst, kann auch keiner die Hausaufgabe nicht machen. Ich liebe diese Montage. Auch weil sie exakt immer gleich, nämlich wie oben beschrieben anfangen. Nein, das stimmt nicht, die Reihenfolge in der die Schüler zu spät kommen, kann sich jede Woche ändern. Nur Ronnie kommt immer als erster und hat auch jeden Montag schlechte Laune.

Der schönste Beruf der Welt

Jeden Dienstag und jeden Samstag treffe ich mich mit meiner besten Freundin und wir versuchen durch gezielte Torturen unsere alternden Körper vor dem Verfall zu bewahren. Diese Tage sind so derartig routiniert strukturiert, dass mich die kleinste Abweichung unserer Gewohnheiten aus der Fassung bringt. Wir duschen zusammen und ziehen uns an. Ich bin jedesmal früher fertig, gehe schon mal raus und warte.  Dann schleppen wir uns in ein Cafe und analysieren unseren Alltag. Der nicht spannender sein könnte, denn wir üben beide den schönsten Beruf aus, den es gibt. Wir sind beide Lehrerinnen und wir bedauern jeden der nicht Lehrerin sein kann. Früher, als ich noch studierte, bin ich abends Tanzen gegangen oder auf Partys, immer in der Hoffnung, dass etwas Großes, etwas Aufregendes passieren wird. Und obwohl eigentlich selten etwas Außergewöhnliches geschah stand ich jeden Freitagabend wieder im Badezimmer und bereitete mich auf das Wochenende vor. Das brauche ich jetzt nicht mehr. Die Wochenenden verbringe ich horizontal auf meiner Couch und bin froh, wenn die Filme im Fernsehen möglichst ereignislos und vorhersehbar sind. Discos und Wochenendtrips gibt es für mich nicht mehr. Partys sage ich regelmäßig ab, denn mein Bedarf an Action ist am Freitagnachmittag bereits gedeckt. Ich bin Lehrerin und ich kann nur jedem, der sich nach einem Action-Alltag sehnt raten,  auch in der Schule zu arbeiten. Dort tobt das Leben.  Dort passiert an einem Vormittag mehr als an allen meinen jugendlichen Wochenenden zusammen. Hätten wir Musik im Klassenraum käme jede Unterrichtsstunde einer Tanzveranstaltung in einer Großraumdisco zwischen 2 und 4 Uhr am Samstagmorgen nahe. Die Vormittage sind ein Extrakt des Lebens, in dem sich alles wiederfindet: Freund- und Feindschaft, Liebesdramen, Eifersucht, Hass, Ein- An- Aussichtslosigkeit, Gemeinschaft, Einschluss, Ausschluss, Mobbing, alle Arten geistiger Verwirrung, Sympa- , Empa- und Antipathien, hier entstehen Modetrends, seelisches und körperliches Leiden werden durchlebt, hier kann sich jeder jeden Tag neu erfinden,  und mittendrin ich und mein Versuch von Unterricht. Mehr Action kann ein einzelner Mensch gar nicht verarbeiten.

Und deshalb appeliere ich an dieser Stelle noch einmal: Ihr erlebnishungrigen Extremsportler, vergeßt den Nordpol und den Mount Everest, hört auf euch mit Rasierklingen zu ritzen, wenn ihr Action braucht und euch mal so richtig spüren wollt, dann kommt und arbeitet in der Schule.  Am Ende werdet ihr sagen: Na langweilig war’s nie und leben konnte man davon auch.