Bunte WG?

Die Schüler haben nicht ganz unrecht, wenn sie sich wundern, dass ich auch Musik höre. Schwer fällt es ihnen, sich den Lehrer als Privatperson vorzustellen. Und nicht nur ihnen fällt das schwer. Auch mir. Nachdem die anfängliche Freude darüber verflogen ist, dass das erste Halbjahr nun vorüber ist, dass ich es geschafft habe, die Zeugnisse ohne große Fehler zu übergeben – weder Fehler auf den Zeugnisssen, noch Fehler gemacht beim Aushändigen, sitze ich nun in meinem Zimmerlein und blättere in Schulbuchverlagskatalogen, ärgere mich, dass Klett nicht Sonntags geöffnet hat und spüre schon wieder diese Mischung aus anfliegender Langeweile und unsteuerbarem Aktionismus.

Obwohl ich aud die strikte Einhaltung meines Ferienstundenplans achte, denkt doch ein Teil von mir, was soll ich denn jetzt machen? Während ich mit Frl. Krise telefoniere versuche ich im Internet eine Möglichkeit zu finden den Film „Zivilcourage“ zu sehen. Ich will wissen, wie sich Götz George gegen eine muslemische Jugendbande durchsetzt.

Frl. Krise sagt: „Du musst dich von dem Klientel lösen, zumindest, wenn du frei hast.“ Und mein erster Gedanke am Freitagnachmittag war ja auch: Bin ich froh, dass ich jetzt keine gestreiften Kaputzenpullis mehr sehen muss. Aber irgendwie fehlen sie mir doch. Könnten nicht ein, zwei von denen bei mir wohnen? Ich könnte jeden Tag die Schultaschen kontrollieren und ihnen die Hölle heiß machen, wenn sich die Arbeitsblätter mal wieder im Block befinden und nicht in den Heftern. Wenn sie ihre Marker verloren haben und ihr Hausaufgabenheft nicht vorgetragen ist.

Na ja, auf die Dauer wäre so eine „bunte“ Wohngemeinschaft wohl nicht so schön. Vielleicht möchte Lady Gaga bei mir wohnen. „Frau Freitag, wie findest du meine Haare? Besser so? Oder lieber so?“ Das Badezimmer wäre ständig besetzt, aber ich könnte damit in der Schule voll angeben. „Also Lady Gaga hat sich eure Bilder angesehen und sie meint, ihr solltet noch an den Details arbeiten. Bei den meisten Bildern sind die Schatten entweder falsch oder noch zu undeutlich.“

Wie ich meine Schüler kenne wären sie sich schnell zu cool, um lange davon beeindruckt zu sein: „Frau Freitag, ihre Lady Gaga stresst. Und wir wollen diese Autogrammkarten gar nicht.“

„Gute Nachrichten Leute, Lady Gaga ist gestern ausgezogen, aber ratet mal, wer heute morgen bei mir geklingelt hat…. da kommt ihr nie drauf!“

„Frau Merkel?“

„Pah, Merkel-Zwerkel. Viel cooler! Jeder denkt er ist tot, aber ist er gar nicht. Der ist nur jahrelang untergetaucht, und heuten klingelt er bei mir und fragt, ob er ein paar Tage bleiben kann. Ich konnte ja schlecht nein sagen, bei den Temperaturen draußen. Ich gebe euch einen Tipp.“ Und dabei hole ich einen Turnschuh von Nike aus meiner Tasche. Ein altes und sehr seltenes Exemplar. Triumphierend sage ich: „Tupac Shakur! Und das hier ist der Schuh aus dem Video. Der Beweiß, dass er nicht gestorben ist. Ihr wisst schon… er war angeblich schon tot, als der Schuh rauskam.“  Die Schüler staunen. Einige sterben fast vor Neid.

„Und wie lange bleibt er?“ fragt Abdul zerknirscht.

„Keine Ahnung. Wenn er nett ist kann er ruhig ’ne Weile bei uns wohnen. So, jetzt müssen wir aber anfangen. Holt mal eure Bücher raus. Seite 67 unten.“

Im Lehrerzimmer will ich weiter angeben. Die Kollegen aber: „Tupac wer?“ „Shakur? Ich dachte die heißt Shakira.“

Wenn ich es mir recht überlege, will ich weder, dass Lady Gaga, noch 2Pac bei mir einziehen. Wahrscheinlich würden die mich in meiner Ferien- und Alltagsroutine eher stören. Starallüren haben die bestimmt auch und es gäbe wahrscheinlich dauernd Streit, weil die bestimmt immer nur MTV sehen wollen.

Der Herr Geheimrat und seine Freunde

Der Vollblutlehrer hat nur Lehrerfreunde, ist mit Lehrern verheiratet und meidet allgemein den Umgang mit Nichtlehrern. Gestern war ich mit meinem besten Lehrerfreund das Halbjahresende feiern. Dazu brauchten wir Kuchen und betraten die türkische Bakerei vor meinem Haus. Mein Lehrerkollege ist ein großer Freund des Kuchens und da er regelmäßig zu Besuch kommt kennt er die türkische Bäckerin lange und gut.

„Einen Bienenstich und eine Apfeltasche, bitte.“ sagt er.

„Bienenstich und Apfeltasche, gerne.“ antwortet die Bäckerin und beugt sich in das Gebäck. Mein Lehrerfreund, der mir zeigen möchte, wie dicke er mit der Bäckersfrau ist meldet sich wieder zu Wort: „Und… die Zeugnisse der Kinder? Waren die gut?“

„Ach, ach, nicht so gut, aber sie haben versprochen … nächstes Halbjahr wird alles besser.“

Ich denke: „Pfff… versprochen…“

Mein Lehrerfreund grinst breit und sagt sowas wie: muss ja, muss ja, wird schon…

Was denkt der eigentlich wo wir sind? Und in welchem Jahrhundert wir leben? „Sag mal, was war das denn?“ frage ich ihn draußen „Wie sehen die Zeugnisse der Kinder aus? Oh, der Herr Lehrer, einen Bienenstich, jawohl Herr Lehrer, und grüßen Sie die Frau Gemahlin, ach da kommt ja auch der Herr Geheimrat. Oh, wir haben ein Problem, laßt uns mal den Herrn Lehrer fragen und den Herrn Geheimrat, den Herrn Doktor und den Pfarrer… mensch, wir sind doch nicht in Das weiße Band.“

Ich bin völlig außer mir von diesem Aufritt in der Bäckerei. Mein Lehrerfreund grinst nur zufrieden: „Wieso, ist doch geil.“ Und langsam wird mir bewußt, dass er seine Rolle eben voll genossen hat. „Das hättest du wohl echt gern: „Ach der Herr Lehrer…noch ein Bienenstich, den Käsekuchen mit Sahne, Herr Lehrer?“

„Ja, genau, ist doch super!“

„Herr Lehrer, Herr Lehrer, gab es denn damals nie die Frau Lehrerin? Und hast du noch gar nicht gemerkt, dass es heute nicht mehr so ist? Wir Lehrer sind doch nur noch die faulen Säcke mit den langen Ferien, niemand will einen Rat von uns.“

Aber irgendwie hat er ja recht. Schön wäre es wenn wir ein wenig mehr Ansehen genössen. Dann bräuchten wir uns auch keinen Kuchen zu kaufen, denn zum Halbjahresende würde man uns mit selbstgemachtem Gebäck und halben Schweinen überschütten: Hier Frau Lehrerin, eine kleine Aufmerksamkeit für Sie und erholen Sie sich gut…

„Heute Kinder wird’s was geben…

… heute werdet ihr euch freu’n. Welch ein Toben, welche ein Beben wird in euren Häusern sein.

Achtzehn Wochen nichts gemacht – heißa heut‘ ist Zeugnistag!!!“

Hihi Zeugnistag… stoisch nahmen sie die Beweise für ihr dumpfe Faulheit in Empfang. Wortlos ließen sie die pädagogischen Worte über sich ergehen, während ich in der einen ihre Hand und in der anderen ihr Halbjahreszeugnis hielt.

„Nach oben alles offen.“ Wie oft habe ich das heute gesagt? „Bessert euch, tut was, ändert euch!!!“ „Und seht zu, wie ihr eure Eltern besämpftigen könnt. „Letzte Chance! Ich schwöre ich bessere mich. Ich werde ab jetzt immer lernen. Ich werde versetzt. Ich versprech’s. Ich schwör’s!“

Ihr lieben Eltern: Traut den Versprechungen nicht. Nehmt euch die Schultaschen oder das, womit sie täglich losziehen, wenn sie sich im Laufe des Vormittags aus dem Haus entfernen. Werft mal einen Blick hinein. Nur Schminkzeug und die vermisste Bürste. Keine Federtaschen. Kauftet ihr nicht alle ein Hausaufgabenheft. Und ja, die Bücher gehören der Schule und Frau Freitag wird sie so garantiert nicht wieder annehmen. Die waren noch vor 18 Wochen nagelneu und nun seht sie euch an. Die werdet ihr bezahlen müssen. Fangt schon mal an zu sparen. Und sollte hier in der Tasche nicht auch mal ein Hefter liegen oder so etwas wie ein Block? Habt ihr eurem Kind nicht Geld gegeben, damit er/sie/es sich Schulsachen kaufen kann? Gebt ihr ihm/ihr nicht jeden Monat Geld dafür?  Und nun das!

Seht euch die Zeugnisse genau an! Überall wimmelt es nur so von schlechten Noten. Nein, eine Vier ist keine gute Zensur, laßt euch das nicht erzählen. Lobt nicht die Drei in Kunst, die ist aus Mitleid vom warmherzigen Frl. Freitag sprendiert worden. Was ist mit Deutsch, Mathe, Englisch? Fragt nicht schon wieder was Arbeitslehre ist. Merkt euch doch einmal, was das E oder das G vor den Noten heißen soll, eure Kinder gehen doch nicht erst seit gestern auf diese Schule… wie hieß doch doch gleich? Nicht gleich fünf Euro geben und das Kind nach draußen schicken! Handy wegnehmen, Kabel einziehen vom Computer, Fernseher konfiszieren! Tasche entrümpeln, mit Kind gemeinsam! Vielleicht sogar Nachhilfe. Ja, sowas gibt es. Ja, nicht nur für Gymnasiumkinder! Ihr müsst nicht automatisch am Arsch der Gesellschaft hocken bleiben. Müßt ihr ganz und gar nicht und laßt euch von eurem Kind nicht erzählen, es hätte keine Chance. Die Klassenbeste ist keineswegs ein Bildungsbürgerkind! Und denkt mal daran, was für eine gute Partie eure Kinder auf dem Heiratsmarkt abgeben, wenn sie ihr Geld selbst und vielleicht nicht in der Gebrauchtemobiltelefonvertriebsbranche verdienen würden. Fördern und Fordern. Das gilt nicht nur für „in der Schule“, sondern auch für euch! Über ein wenig mehr Mitarbeit eurerseits wäre ich euch zutiefst dankbar und jetzt wünsche ich euch noch viel Spaß mit euren Gören zu Hause. Vormittags sind sie immer ganz besonders niedlich.

Wenn der Lehrer als Mensch entdeckt wird

Heute war mal wieder so ein Tag, da war alles dabei. Aber vor allem wurde heute viel gequatscht. Nebenbei wurde noch so ein wenig vor sich hingearbeitet, aber jetzt, so kurz vor den Zeugnissen will man sich ja auch nicht übernehmen.

Ich liebe diese Tage, wenn eigentlich alles getan ist, die Kopfschmerzen abgeklungen sind und die Schüler friedlich an ihren Arbeiten rumwurschteln. Dann habe ich Zeit zum Aufräumen. Heute habe ich mit einigen Schülerinnen die Tuschkästen sauber gemacht und neue Farben einsortiert. Sehr handlungsorientierte Tätigkeit und sogar die Poduktorientierung kommt nicht zu kurz, denn man sieht sofort, was man geschafft hat.

Und in solchen Stunden ist die Stimmung immer gut. Dann trauen die Schüler sich auch mal was Persönliches zu fragen. Aber Achtung! Nicht alle Fragen sollte man als Lehrer beantworten, auch wenn man sich noch so sehr darüber freut, dass man ansatzweise als Mensch wahrgenommen wird. Typische Schülerfragen, in netten Stunden:

„Sind sie verheiratet?“ Kann man ruhig beantworten. Verneint man, folgt: „Habe Sie einen Freund?“ „Wie lange sind Sie schon zusammen?“ „Sieht der gut aus?“ „Wo haben sie sich kennengelernt?“ – von diesen Fragen muss man nicht alle beantworten.

Heute bekam ich eine nette Frage: „Frau Freitag, hören Sie auch Musik?“

Ich: „Natürlich höre ich auch Musik, was denkst du denn was ich bin, ein Roboter?“ Und warum denken Schüler immer Lehrer hören grundsätzlich nur Klassik. Allerdings umschiffe ich die Frage nach meinen Musikpreferenzen immer geschickt, indem ich solage über irgendwas anderes quatsche, so dass sie gar nicht merken, dass ich ihre Frage unbeantwortet lasse.

Versteht man sich mit einer Gruppe besonders gut – kommt ja vor – dann fragen sie gerne mal: „Frau Freitag, habe Sie schon mal gekifft?“ Hier gibt es nur eine Reaktion: „Na was meint ihr denn?“ Und dann schnell das Thema wechseln. Bloß nicht ja oder nein sagen.

Dann der Klassiker: „Wollten Sie schon immer Lehrer werden?“ oder „Warum sind Sie eigentlich Lehrer geworden?“

Eben gerade, letzte Stunde kam diese Frage wieder und ich – gerade so gut gelaunt, die Tuschkästen sortierend lasse mich dazu hinreißen, ihnen meinen kompletten beruflichen Werdegang zu erzählen. Irgendwann sagt Meltem: „Frau Freitag, Sie haben es gut, sie haben ihren Beruf, verdienen genug Geld, können sich alles leisten…“

Endlich hat es mal jemand kapiert. „Ja, genau, ihr müßt hier sein und bekommt kein Geld und ich bin hier und verdiene die ganze Zeit Geld.“

„Ich will auch mal viel Geld verdienen.“ sagt Meltem.

Ich: „Wie viel ist denn für euch viel?“

Noah: „Mindestens 2500 Brutto.“

Zufällig habe ich meine Gehaltsabrechnung in der Tasche und hole sie raus: „Also ich verdiene mehr als das. Hier….“ Ich lese ihnen mein Brutto vor, sie staunen. Dann lese ich ihnen genau vor, was dann wieder abgezogen wird. Sie sind entsetzt. Wir sprechen über den Solidarbeitrag, die Pflege- und die Rentenversicherung. „Werden Sie da nicht sauer, dass Ihnen so viel abgezogen wird?“

„Na ja, ich werde sauer, wenn ein Schüler den Haarpinsel im Wasser stehen läßt und der kaputt geht und dann von den Steuern ein neuer Pinsel bezahlt werden muss. Dann werde ich sauer. Oder wenn Schüler ständig zum Arzt rennen, nur weil sie keine Lust haben zur Schule zu gehen und damit die Krankenkasse belasten.“ Plötzlich sagt eine Schülerin: „Oh, es klingelt gleich.“ „Echt? Schon?“ Sie räumen auf, stellen die Stühle hoch und gehen.

Und die Bilder, die sie gemalt haben sehen auch gar nicht schlecht aus.

Aua!

Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen,Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen,Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen,Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen,Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen, Kopfschmerzen!

Frau Freitag, immer schön bunt

„Frau Freitag, Ihren Raum mag ich am allerliebsten.“

„Echt?“

„Ja, hier ist es sooo schön. So freundlich, sonnig, so bunt, genau wie Sie.“

Ach die Welt kann so schön sein. Die Zeugnisse sind gedruckt. Abdul lag gestern 20 Minuten unterm Solarium und hat Verbrennungen zweiten Grades und wir was zu Lachen. Alle hatten ihre Bücher mit und eine Schülerin sagte: „Was, warum schon aufräumen? Ist schon gleich Schluss?“

Da geht man singend nach Hause und freut sich schon auf Morgen. Warum kann man sich nur, wenn es Übermorgen wieder blöd wird, nicht an Vorgestern erinnern?

Wenigstens sind sie ehrlich

Das Imperium schlägt zurück. Das Imperium bin ich!

Gestern abend als ich völlig lustlos an meiner Unterrichtsvorbereitung saß, überkam mich mal wieder plötzlich dieses: „So, jetzt reicht es!“ Gefühl. Wer morgen sein Arbeitsmaterial (Buch) wieder vergessen hat, bekommt von mir eine schriftliche Aufgabe, die sich gewaschen hat.

Sofort schob ich die Unterrichtsvorbereitung zur Seite und verfaßte ein Arbeitsblatt mit 20 Fragen. Überschrift: Schreibe diese Fragen ab und beantworte sie ausführlich!

Dann heute zweite Stunde: Showdown! Jeder Schüler, der in den Raum kam mußte mir sein Buch zeigen, wer kein Buch hatte mußte sich sofort mit den 20 Fragen in die hinterste Reihe setzten und wurde von mir nicht mehr beachtet. Mit der übrig gebliebenen Kleinstgruppe machte ich sehr indiviualisierten Unterricht.

Am Ende der Stunde sammelte ich die Antworten der Vergesslichen  ein. Eben habe ich sie gelesen und war ziemlich überrascht. Nicht vom schlechten Deutsch, aber von den ehrlichen Antworten. Hier ein paar Beispiele:

Welches Arbeitsmaterial hast du vergessen?

Alle: Buch

Warum hast du dein Arbeitsmaterial vergessen?

A: Zeitdruck und vergessen

B: Hab verschlafen und war spät dran.

C: weil ich morgens nicht auf den Stundenplan geguckt hab.

D: Keine Ahnung, weil alle ihr Buch hier haben und ich mein Buch zu hause ausgepackt habe.

Welches Arbeitsmaterial brauchst du für den Unterricht? (Zähle ALLES auf.)

Alle wissen was man dabei haben sollte.

Warum brauchst du  diese Dinge?

A: um zu schreiben und arbeiten.

B: um in Unterricht mit machen zu können

C: Damit ich im Unterricht mitmachen kann

D: um gründlich am Unterricht teil zu nehmen

Was sollte die Lehrerin tun, wenn du dein Arbeitsmaterial nicht mit hast?

A: keine Antwort

B: Sie sollte straf arbeiten aufgeben

C: chilln! Hallo ich hab ein nachbar wo ich mit rein gucken kann oder so?

D: Extra Aufgabe.

E: die Note 6 geben

Was möchtest du später werden?

A: Pysiotherapheut/Masseur (wenn das nicht klapt Maler und Lakierer)

B: Ich möchte Kinder erziherin werden.

C: Ich weiß nicht genau so in der Art in der Apotheke

D: Apothekenhelferin

E: Ich habe vor im Büro zu arbeiten aber kp (kein Plan) was genau.

Wie wird man das?

Alle: wissen ganz genau Bescheid, welche Schulabschlüsse sie brauchen.

Was tust du dafür?

A: Ich tuh was ich kann ok in Mathe werde ich mich bessern.

B: Ich bereite mich darauf vor wie mann mit Kindern um geht.

C: ein bisschen anstrengen

D: Naja im Moment hab ich nicht wirklich gut mit gemacht im Unterricht aber ich hatte mir vorgenommen mich zu ändern.

E: zur Schule gehen

Sind deine Eltern mit deinen Schulleistungen zufrieden?

A ist nicht so weit gekommen.

B: Mit einigen Unterrichtsverchen schon.

C: nicht ganz… erwarten ein bisschen mehr mühe.

D: ich denk ma nicht ne.

E: Nein gar nicht

Bist du mit deinen Schulleistungen zufrieden? Begründe warum ja / warum nicht.

B: Nein, weil ich damit kein Abi machen kann

C: Nein! Weil ich weiss ich kann mehr.

D: eigentlich nicht weil ich brauch das ja für mein späterin Beruf.

E: neeeee, weil es nicht gut für mich läuft.

Welchen Schulabschluss möchtest du machen?

Hier haben alle mindestens den Realschulabschluss oder das Abitur vor Augen.

Was musst du dafür tun?

B: gute noten schreiben nicht schwensen

C: genug Punkte bekommen!

D: mitmachen und lernen

E: lernen viel lernen

Von welchem Geld werden Schulen und Lehrer bezahlt?

B: Ich glaube vom stad

C: ich weiß nicht

D: vom Start

E: vom Start

Wer bezahlt deine Schulbücher?

B: Hartz 4

C: Sozialamt!

D: Job Center

E: Arbeitsamt

Was würdest du an der Schule ändern, wenn du etwas ändern könntest?

Alle wünschen sich längere Pausen und einen späteren Unterrichtsbeginn.

Wie viel Geld wird dir mit 30 Jahren im Monat zur Verfügung stehen? Was schätzt du?

B: 700-800 Euro

C: ich weiss nicht, mein Mann wird ja (auch) arbeiten

D: 50 – 1000 Euro /mein Mann

E ist nicht so weit gekommen

Wie viel Geld braucht man im Monat? Mache eine Liste (Miete, Essen, Kleidung, Handy, Krankenversicherung)

Hier entstanden herrliche Kalkulationen:

z. B.: Handy 200 Euro, warm Wasser 200 Euro, Kleidung 400 Euro, Essen 300 E, Auto 1000 E usw. (insgesamt 2900 Euro!!!)

Wofür wirst du später noch Geld brauchen? (Auto? Reisen? – wie viel Geld wird das kosten?)

Hier kamen noch etliche Euros dazu.

C: Das wird mies teuer aber ich glaub nicht, dass ich das alles bezahlen muss…mein Mann 🙂 (Zum Glück ist C bildhübsch und wird freie Ehemannwahl haben und die wird sie auch brauchen.)

Jetzt muss ich nur noch überlegen, was ich damit anfange. Ich glaube es wird mal wieder Zeit für paädagogisch sinnlose Einzelgespräche. Aber ich würde fast wetten, dass in der nächsten Stunde niemand mehr sein Buch vergessen wird.

Der Optimist lächelt und hofft, bis er den nächsten Reinfall erlebt.

Wenn jetzt Ruhestand wäre

Was wäre eigentlich, wenn ich nicht Lehrer wäre. Unvorstellbar. Vorstellbar wäre aber, dass ich irgendwann in Rente gehe. Mal angenommen, ich ginge nächste Woche in den Ruhestand. Wie sähe dann mein Alltag aus?

Also morgens gäbe es ja gar keinen Grund aufzustehen. Stünde ich dann gar nicht auf? Wer mich kennt wird sich das nicht vorstellen können und auch ich bin mir sicher, dass ich wie gewohnt um 6.10 Uhr aus dem Bett springe. Rein in den Bademantel, das automatische Frühstück machen mit simultanem Geschirrspüler ausräumen hätte ich immer noch im System. Dann wie immer auf das Sofa und mit dem Frühstücksfernsehen frühstücken. Draußen wird es langsam hell. Fertig gefrühstückt. Und dann? Da ich nicht in die Schule muss, brauche ich mich auch nicht anzuziehen, also bleibe ich im Bademantel. Auch das Waschen und Zähneputzen macht dann keinen Sinn. Den Fernseher ausschalten – warum?

So vergeht Stunde um Stunde. Draußen wird es langsam wieder dunkel. Ich habe mir sämtliche Gerichtsshows angesehehn und bin dann beim Zoo hängengeblieben. Ich bilde mir ein, viel über die Pflege von Wildschweinen gelernt zu haben und verspüre einen kleinen Hunger. In der Küche bereite ich mir einen Snack und breite mich damit wieder gemütlich vor dem Fernseher aus. Gleich kommt Explosiv und Exclusiv das Starmagazin – ich bilde mir ein, dass ich das sehen muss, um gut informiert zu sein. Das schlechte Gewissen läßt mich darauf hin gleich drei unterschiedliche Nachrichtensendungen hintereinander sehen. Und dann kommt auch schon der 20.15 Film. Um 22.30 Uhr döse ich vor Spiegel TV in die erste Leichtschlafphase hinüber.

Mein erster Tag im Ruhestand – war der Tag an dem ich meine Ruhe fand.

Der zweite und dritte Tag gleichen dem ersten.  Unterscheiden sich nur durch den 20.15 Film. Am dritten Tag ist der Kühlschrank leer und meine Haaare starten eine leichte Verfilzung. Ich muss einkaufen gehen. Waschen? Ach, ich ziehe mir schnell was über und setze eine Mütze auf, ich will doch bloss in den Supermarkt.

Soziale Kontakte meide ich, da sie mir meine Ruhestandsroutine durcheinander bringen und ich auch nicht genug erlebe, um mich mit anderen Menschen zu treffen. Ich fürchte die Konversation.

Da ich das Haus nicht mehr verlasse und mich nicht mehr bewege, vergrößere ich mich im Volumen. Meine Kleidung beginnt zu zwicken. Ich behalten nun ganztägig den Bademantel an. Der passt immer. Ich entdecke die Supermarkt-Internet-Bestellung und bin froh meine Wohnung nicht mehr verlassen zu müssen. Die Wohnung verkeimt. Die Bewohnerin auch. Tatsächliche Freude empfinde ich nur noch beim Verzehr von Fertiggerichten und gesättigten Fettsäuren. Ich beginne zu trinken.

Adipös vergetiere ich bis zu meinem plötzlichem Tod. Als man nach Wochen die Wohnungstür aufbricht bin ich so dick, dass man mich durch das Fenster aus der Wohnung schaffen muss.

Ja, und das alles nur, weil mir Struktur fehlte. Ruhestand, pah, das will ich gar nicht. Ich arbeite gerne bis 67. Ach, laßt mich ruhig bis 77 arbeiten. Die Schüler werden sich freuen: „Wir haben gleich wieder bei Oma, aber die sieht nicht mehr so gut, wenn wir uns hinten hinsetzen, können wir Karten spielen.“

Tage der offenen Türen

Wenn man wie ich seinen Beruf so sehr liebt, dass man ihn auch in der Freizeit nicht missen möchte, umarmt man den Erfinder des „Tags der offenen Tür“. Tage der offenen Tür an Schulen gibt Vollblutpädagogen wie mir die Möglichkeit, sich wenigstens einmal im Jahr auch abends oder am Wochenende in der Schule aufzuhalten. Wenn es nach mir ginge, oder nach Frau Dienstag, gäbe es in allen Ferien die Verpflichtung offene Sprechstunden in der Schule abzuhalten. Wahlweise auch freiwilligen Unterricht und Aufsichten, für ganz Hartgesottene. Die Aufsichten könnte man sogar in den öffentlichen Raum verlegen. Einkaufszentren oder Knotenpunkte des öffentlichen Personennahverkehrs böten sich an.

Soweit sind wir leider noch nicht und deshalb begnüge ich mich vorerst mit den Tagen der offenen Türen. Für Nichtlehrer und Nichteltern: ein Tag der offnen Tür, bietet interessierten Eltern die Gelegenheit, sich Schulen anzusehen.  Jede Schule bereitet sich auf diesen Schülerfang gut vor, da werden Kunstarbeiten gerahmt und Plastiken ausgestellt, da tanzen, singen und kickboxen Musterschüler (den anderen ist der Besuch der Schule an diesem Tag untersagt). Da wird im Chemiebereich geköchelt, im Physikraum wird sich herabbewegende Masse berechnet, interaktive Whiteboards können bestaunt werden, Mütter reichen Kaffee und hausgemachtes Allerlei. Die Schule wirkt wie eine Riesenspaßfabrik. Man würde sich nicht nicht wundern, wenn hier wöchentlich Schaumpartys angeboten würden. Die zu umwerbenden Schüler sollen begeistert rufen: „Hier will ich hin. Ich will mir auch so eine schöne Handytasche nähen. Ich will auch mit Ton arbeiten und so einen lustigen Trickfilm machen, ich will Breakdancetanzen und Feurerspucken lernen.“

Tja, dann melden sie sich an und dann heißt es: „Sorry, Feurerspucken nur für die Oberstufe. Mit Ton arbeiten, wo denkst du hin… das machen wir nur in der Ton-AG und in die kommst du nicht rein, weil die schon voll ist. Ach, die Bilder von der Klassenfahrt nach Italien, na ja, die sind schon älter, das war 1987, da konnte man mit den Schülern noch verreisen. Hat dir denn niemand gesagt, dass wir hier seit Jahrzehnten keine Fahrten mehr machen?“

Und dann sitzen die kleinen, sich aufgrund falscher Tatsachen angemeldeten, neuen Schülerchen in der Klasse und dann heißt es: „Jacke aus, Blatt raus, Stift in die Hand, ich diktiere…“

Aber für uns Lehrer ist sind die Tage der offenen Türen eine super Sache. Für ein paar Stunden sind wir alle glücklich. Enthusiastisch präsentieren wir unseren Arbeitsplatz. Wir denken: Ist doch gar nicht so schlecht, was wir hier machen. Wir besuchen die Kollegen der anderen Fachbereiche und stellen überrascht fest: Na, das zischt und spritzt hier in Chemie… ist doch ein Riesenspaß, warum hassen meine Schüler denn den Chemieunterricht so sehr? Beschwingt gehen wir dann nach Hause und denken, warum fühle ich mich denn so anders? So gar nicht niedergeschlagen und hoffnungslos und dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Es waren gar keine Schüler da. Die Arbeit könnte so schön und unkompliziert sein…

Frau Freitag’s Rede zum Halbjahresende

In der zweiten Stunde halte ich eine Predigt:

„Ich verstehe euch nicht. Warum ist euch eure Schulbildung so egal? Ihr seit jetzt in der neunten Klasse, da müsstet ihr doch endlich mal raffen, dass es um eure Zukunft geht. Wollt ihr euch denn nie etwas leisten können? (Hier inspiriert von Frl. Krise) Wollt ihr nie verreisen, euch teure Sachen kaufen? Ihr werdet nie viel Geld haben, wenn ihr keinen Schulabschluss macht. Einige von euch werden nach dieser Klasse die Schule verlassen, wenn sie sich nicht anstrengen. Dann habt ihr gar keinen Abschluss. Wollt ihr denn euer Leben lang Hartz 4 bekommen oder irgendwelche Hilfsjobs machen oder schwarz arbeiten? Jetzt ist eure Chance was für eure Zukunft zu tun. Es ist doch euer Leben. Abdul, willst du denn später mit 50 sagen: „Mein Deutschlehrer war doof und jetzt habe ich keinen Schulabschluss, keine Ausbildung und keinen Beruf, weil ich meinen Deutschlehrer nicht mochte?“ Ja denkt ihr denn, ich mochte meine Lehrer?“ Plötzlich spüre ich mehr Aufmerksamkeit als vorher.

„Warum sind Sie denn dann Lehrerin geworden?“ fragt Martina.

„Ich bin doch nicht Lehrerin geworden, weil ich meine Lehrer mochte!!!!“ schreie ich, völlig fassungslos, wie die Schüler auf so was kommen. „Die meisten meiner Lehrer mochte ich nicht. Eine habe ich gehaßt. Die hätte ich umbringen können. Die hat mir dann auch eine fünf im Abitur gegeben. Und ich habe trotzdem das Abitur bestanden. Ich habe mich halt in den anderen Fächern mehr angestrengt. Ich wollte mir doch nicht von Leuten, die ich sowieso nicht leiden konnte meine Zukunft versauen lassen. Ich wollte doch sagen: Hier guckt mal, hier ich hab‘ trotzdem das Abitur.“ Pause.

Die Schüler gucken betreten auf ihre Tische. Sie wissen, ich habe Recht und sie ärgern sich über ihre eigene Faulheit und merken, dass sie die erste Chance schon verspielt haben. Das erste Halbjahr ist gelaufen. Wenn sie sich jetzt nicht anstrengen, dann gibt es nicht mehr viele letzte Chancen.

Irgendwann klingelt es und ich sehe ihnen nach, wie sie aus dem Raum trotten. Ob das nun was gebracht hat? Eines werden sie sich merken, dass ich meine Lehrer nicht mochte. Aber ich glaube ja noch an Wunder, sonst wäre ich ja nicht Lehrer an unserer Schule. Vielleicht geht ja mal ein Ruck durch die Klasse, inshallah.