Gestern habe ich die Englischarbeiten meiner Klasse korrigiert. Ging schnell, da die meisten Schüler die beiden Schreibaufgaben gar nicht bearbeitet hatten. Langer roter Strich über die leeren Zeilen, eine kleine Null vor die /10P. Fertig. Mit jeder Arbeit, die ich zensiere werde ich wütender. „Warum lernen die nicht? Ich hatte alles, wirklich alles vorher angesagt. Zwei der Aufgaben haben wir sogar schon im Unterricht bearbeitet. Ich hatte ihnen immer wieder gesagt: „Diese Aufgabe kommt auf jeden Fall in der Arbeit vor.“
Und dann – am Tag der Arbeit – „Häääähhh? Arbeit? Heute? Ich dachte morgen.“ „Morgen haben wir gar kein Englisch.“ Bei einer Arbeit schreibe ich unter einen Schülertext: Du MUSST mehr lernen, das ist schon fast kein Englisch mehr. Ich erhalte viel direct oversetting: „It gives childrens she will become money.“ Dazu kann ich nur sagen: „I think I spider! Have she not anything learnt from me??? I become money and it gives childrens she learn not English. I know not what I must do?“
Morgen will ich die Arbeit zurück gegen. Die Arbeit ist das letzte Puzzelstück ihrer Halbjahresnote. Wir haben noch drei, vier Stunden, bevor ich die Zensuren für die Zeugnisse abgeben muss, aber eigentlich ist alles gelaufen in Sachen: Ich schwöre ich verbessere mich, Sie werden sehen. Jetzt gibt es nichts mehr zu verbessern. Die meisten Schüler werden eine vier oder sogar eine fünf auf dem Zeugnis haben.
Um den Realschulabschluss zu erhalten brauchen sie aber eine Drei. Und wenn sie im Halbjahr eine Fünf (4Punkte) haben, dann brauchen sie im zweiten Halbjahr eine Zwei (10 Punkte) und auf die Drei (7Punkte) zu kommen. Eigentlich eine sehr einfache Rechnung. Die Schüler, die jetzt eine Fünf bekommen werden, werden niemals eine Zwei im zweiten Halbjahr bekommen. Genauso wenig werden sie die erhalten, wie ich im Lotto gewinnen werde. Denn ich spiele gar nicht und sie lernen gar nicht.
Nun habe ich lange überlegt, was ich beim Zurückgeben der Arbeiten sage. In meiner ganzen Wut, die ich wegen ihrer Faulheit empfand hatte ich mir schon die wildesten Ansprachen überlegt. Dann ging es eher in so ein mitleidiges: Was soll ich nur machen… warum lernt ihr nicht? – Gejammer. Dann dachte ich, dass ich sie frage, wie ich denn den Unterricht gestalten soll, damit sie was tun. Was passieren muss, damit sie anfangen Hausaufgaben zu machen und sich regelmäßig im Unterricht zu beteiligen?
Und dann lese ich den Eintrag von Frl. Krise gestern und rege mich wieder auf. Über ihre Klasse, über meine Klasse, über das ganze Schulsystem. Wütend rufe ich Frl. Krise an und frage sie, was ich meinen Schülern zu ihren schlechten Arbeiten sagen soll. Und sie wäre ja nicht King-Teacher, wenn sie nicht den perfekten Tipp hätte. „Du gibst die Arbeiten völlig emotionslos wieder. Hier eure Arbeiten. Packt sie bitte weg, wir fangen mit dem Unterricht an.“ Klingt super. Die Frage ist nur, ob ich meine Wut und meinen Ärger unterdrücken kann. Aber Frl. Krise sagt: „Du gibst die Verantwortung an sie zurück. Wenn ihnen ihre Noten egal sind, dann sind sie dir eben auch egal.“
Klingt einleuchtend. Es kann ja wohl nicht angehen, dass ich mir tagelang den Kopf zermartere, wie ich denen den popligen Stoff der Arbeit darreiche und alles mit ihnen gemeinsam vor- und zurück kaue und die mir dann lapidar sagen: „Oh, die Arbeit, habe ich voll vergessen. Nö, gelernt habe ich nicht. Schreiben wir noch eine???“
NEIN WIR SCHREIBEN NICHT NOCH EINE! ES GIBT AUCH KEINE LETZTE CHANCE MEHR. DAS HIER WAR DIE LETZTE CHANCE. DIE IST JETZT WEG. UND HOFFT NICHT AUF DAS ZWEITE HALBJAHR. DA BRAUCHT IHR DANN EINE ZWEI. HALLLLLOOOO, EINE ZWEI!!! DIE MEISTEN VON EUCH HATTEN NOCH NIE IRGENDWO EINE ZWEI AUF DEM ZEUGNIS – AUßER VIELLEICHT IM GEBURTSDATUM!!!!!