Tiramisu und Heumilch

An der Kasse ist es dann doch voller, als ich dachte. Ich war einkaufen. Ich gehe nie einkaufen. Bei uns füllt der Freund den Kühlschrank und ich esse alles, was er anschleppt. Aber jetzt ist der Freund verreist und ich habe schon alles vertilgt, was in der Küche war. Kann man eigentlich sterben, wenn man nur Brot mit Frischkäse isst?
Ich war überrascht, was es bei Edeka alles gibt. Der Freund kauft ja eigentlich immer das Gleiche. Überrascht und überfordert war ich. Hunger hatte ich auch. Dabei soll man doch nicht einkaufen gehen, wenn man Hunger hat. Aber wenn man satt ist, dann geht man doch nicht einkaufen? Dann denkt man doch nicht ans Essen.
Jetzt stehe ich an der Kasse und lege meine Lebensmittel aufs Band. Drei Packungen Mascarpone, Eier, und Kakaopulver. Ich will mir Tiramisu machen. Vor mir steht eine Frau mit ihrer Tochter. Die Tochter ist wahrscheinlich 4 oder 5 oder 3? Die Frau hat sechs Kratons Milch aufs Band gelegt. Ich hasse Milch. Auf den grünen Packungen steht Bio. Und dadrunter: Heumilch. Heumilch? Was soll das sein? Milch aus Heu? Ist das überhaupt Milch? Dann liegen da noch Bio-Papikaschoten und Bio- Möhren und ein Gurke. Mein Löffelbiskuit platziere nur Millimeter hinter ihre von ihre Gurke. Soll ich da jetzt diesen Warenstopper zwischen uns stellen? Oder muss sie das machen? Sozusagen als Abschluss ihres Aufs-Band-lege-Vorgangs? Ich mache mal nichts. Vielleicht zahlt sie meine Sachen mit. Ich gucke mir ihren Bioeinkauf an und dann zu meinen Sachen. Jeder kann sehen, dass ich Tiramisu machen will. Die zwei tiefgefrorenen Salamipizzen und die Fünfminutenterrinen sprechen auch eine deutlich Sprache.
„Mama, kann ich zuckerfreie Kaugummi haben?“, fragt die Tochter. Sie hat sehr kurze Haare für ein Mädchen, aber einen Rock an. Vielleicht ist der Haarschnitt so ein Genderding. Aber die Kombination Megakurzhaarschnitt und Rock ist irgendwie seltsam. Ich denke: Minicrossdresser. Und überhaupt… Rock! Die Mutter trägt eine Wollmütze und ihre Tochter hat nackte Beine. Wenn ich eine Tochter hätte, die wäre jetzt schon im Wintermantel und kratzigen Strumpfhosen.
„Guck, die sind ohne Zucker!“, sagt die Tochter und hält ihrer Mutter die rosa Packung vor die Nase. Die Mutter liest sich die Zutaten durch. Das Mädchen wartet geduldig. Heißt das hier nicht die Quengelzone? Die Mutter liest noch, während die Tochter eine Packung bunte Bonbons entdeckt.
„Die sind mit Zucker, oder?“ fragt sie und weiss schon, dass sie die nicht mal nach oben reichen muss. Dann entdeckt sie die Kinderüberraschungsspardose. Liebevoll streicht sie über das Plastikei mit Basballmütze, dass ihr die Arme entgegenstreckt. Natürlich will sie am liebesten die Spardose. Hallo?! Ein Riesenei mit lauter Überraschungseiern im Bauch und dadrin noch mal lauter Überraschungen und dann noch die Spardose. Plastik und Zucker! Welches Kind würde dazu nein sagen?
Die Mutter hat mittlerweile die zuckerfreien Kaugummi für gut erklärt und die Packung hinter die Heumilch gelegt.
„Du Lilo, wir haben jetzt noch eine Stunde Zeit.“ Lilo? Das Mädchen heißt Lilo? Wie Lilo Pulver? Ist das die Kurzform von Liese-Lotte? Hat die Frau ihre Tocher Lieselotte genannt oder gleich Lilo?
Lilo! Lilo… und dann diese kurze Haare? „Wir haben noch eine Stunde. Sag mal, wollen wir nach Hause gehen oder noch auf den Spielplatz?“ Lilo antwortet nicht. Sie starrt immernoch auf die Kinderüberraschungsspardose.
Nach Hause oder auf den Spielplatz? Würde ich meine Tochter sowas fragen? Wenn ich keine Lust auf Spielplatz hätte, dann bestimmt nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich jemals Lust auf Spielplatz hätte. Aber irgendwie schon schön, dass die Mutter ihrer Tochter die Entscheidung überläßt. „Willst du das oder lieber das?“
Wenn ich die Kinder in der Schule etwas frage dann sind das so Sachen wie: Wo warst du in Mathe? Wie sind die drei Formen von go? Warum hast du keinen Bleistift dabei.
Dabei ist es doch wichtig, die Kinder Entscheidungen treffen zu lassen. Obwohl…, ich frage auch: Kannst du jetzt ruhig sein oder musst du kurz den Raum verlassen? Und gerade letzte Woche habe ich meine Klasse vor die Wahl gestellt beim Wandertag am Staffellauf teilzunehmen oder einmal um den Wannsee zu laufen. Jetzt nehmen wir am Staffellauf teil. Genau das wollte ich. In der Schule entscheiden sich die Schüler eigentlich immer für das was ich will. „Wollt ihr die drei Sätze jetzt von der Tafel abschreiben oder zu Hause drei Seiten über das Leben von Picasso anfertigen?“
Wenn die Mutter nicht auf den Spielplatz will, dann müsste sie eigentlich nur fragen: „Lilo, willst du nach Hause oder auf den doofen Spielplatz mit dem nassen Sand und dem Hundekot, wo immer die drei Brüder spielen, die dich das letzte Mal gehauen haben. Du Lilo, sag mal! Deine Entscheidung.“
„Achtundzwanzig, dreißig!“, sagt der Kassierer und die Frau gibt ihm einen Fünfzig Euroschein. Mein zuckerhaltiger Kram kostet nur 13 Euro. Lilos Mutter packt ihre Milch und ihr Gemüse in einen Rucksack. Ich hab nicht an eine Tasche gedacht und beuge mich zu den Tüten runter.
Lilo, Heumilchfrau, guckt, ich nehme die Papiertüte! Nur weil ich mich von Pizza und Tiramisu ernähre heißt das noch lange nicht, dass mir die Umwelt egal ist! Das hättet ihr nicht gedacht. Oder? Aber die drehen sich gar nicht um.

Allgemein

2 Gedanken zu “Tiramisu und Heumilch

  1. Wie alle ihre „Kolummnen“, von mir immer sehnsüchtig erwartet, aus dem Leben gegriffen und gut. Allerdings dermaßen schlampig und unredigiert online gestellt, dass ich dahinter einen ordentlichen Schampusabend vermute… Oder war das Absicht – kann ich mir bei auch gut vorstellen: „Ach Scheiße, nochma les ich da jetze nich mehr drüber, raus damit!“

    In Erwartung weiterer schöner Texte und als Fan der sechsten Stunde schwenke ich meinen Hut
    Christian

    • „kann ich mir bei auch gut vorstellen“ hahahahaa. nee, nee, dit hab ich mir tausend mal durchgelesen und keene Fehla jefundn. Ick sachte doch schon: der Freund war nicht da. der kauft nicht nur ein, der kann auch Rechtschreibung. ich NICHT!!!!

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