Sonne überall


Heute war es so schön in der Schule. Sonne in den Räumen. Ich glaube es wird Frühling. Leider bin ich viel zu müde, um darüber zu schreiben. Aber den schönsten Satz des Tages will ich doch noch mit euch teilen:

Onur: „Frau Freitag waren Sie die Hübscheste in Ihrer Klasse?“

Mensch, bin ich froh, dass ich die Zensuren noch nicht eingetragen habe.

Jedes Jahr der gleiche Stress

Julklapp. „Was ist jetzt mit Julklapp, Frau Freitag?“ Ayla interessiert sich schon seit Wochen für nichts anderes mehr. Bisher konnte ich sie immer vertrösten. Irgendwann muss ich mich allerdings dem Julklapp und seiner Vorbereitung stellen.

„Okay Ayla, frag‘ mal die Klasse, ob die das wollen und dann organisiere das mal.“

„Aber können wir dann auch ein Frühstück machen?“

„Ja. Machen wir dann in der dritten Stunde.“

„Aber auch in der Zweiten.“

„Nein, da habt ihr Deutsch. Wir machen das nur in der dritten Stunde.“

„Aber eine  Stunde reicht nicht!!!!!“

Langes hin und her. Jetzt macht Frau Hinrichs in ihrer Deutschstunde auch mit und zwangsläufig macht sie auch Julklapp mit.

Ist ja schon ein Jahr her mit diesem Julklapp, aber war nicht der Gag dabei, dass man nicht gleich weiß, wer wen gezogen hat? In meiner Klasse schreien sie es sofort raus. Jeder wird sofort informiert. Abdul öffnet seinen Zettel. Kurzes Entsetzen: „Ich hab‘ Frau Freitag.“ Dann ein Erleichtertes: „Ach, das macht meine Mutter.“ Und wie sie das machen wird! Ich freue mich jetzt schon auf ein schönes Geschenk von Mama Abdul. Und ich kann jetzt schon garantieren, dass das nicht nur 5 Euro kosten wird. Ich überlege schon, was ich kaufen könnte. Hoffentlich ziehe ich eins von den Disco-Mädchen, dann bekommt die billige Wimperntusche und Lipgloss oder so was. Ronnie sitzt direkt vor mir und grinst: „Hoffentlich ziehe ich nicht Frau Freitag.“ Jetzt denkt der sich wahrscheinlich wieder eine Gemeinheit aus. Scheinheilig frage ich: „Warum?“

„Frau Freitag will bestimmt eine WII.“ Süß.

„Ja, hätte ich wirklich gerne.“ sage ich ihm begeistert. Vor allem, wo doch der Deutschlehrer mir seit Wochen sagt: „Kauf dir mal eine Wii! Du hast doch Kohle“ (Sein Lieblingssatz, weil er nie Geld hat). Und es gäbe ein Programm, mit dem man Rappen lernen könne. Ich dachte immer auf dieser Wii kann man nur so kreplige Pseudo- Turnübungen machen. Aber Rappen lernen…

Alle ziehen, alle kreischen, sie ziehen für die fehlenden Schüler, für Mariella, die ich rausgeschmissen habe, weil sie nicht aufhörte zu essen und dann noch pampig wurde. Alles läuft wunderbar bis zum Schluss. Ich bin die letzte und da sind noch zwei Zettel drin. Ayla ist überrascht:“Häääh? Wieso sind da zwei drin? Muss doch nur noch Frau Freitag ziehen.“ Ich nehme die beiden Zettel. Bilal und Emre. Plötzlich nimmt mir Ayla die Zettel wieder aus der Hand, verschwindet, kommt kurze Zeit später wieder und hat immer noch die zwei Zettel.

„Na Ayla, dann gib her, dann muss ich eben zwei Geschenke besorgen.“ Ich nehme die Zettel und stecke sie mir in die Hosentasche.

Im Lehrerzimmer hole ich die Zettel aus der Tasche. Und da steht Bilal und,…Ronnie!

Schon wieder eine neue Unterrichtsmethode erfunden


Müde. Sehr Müde. Aber muss ja, muss ja, schreiben, Kaffee, Zigaretten, Sport… einer muss ja.

So. Wolltet ihr nicht schon immer mal wissen, wo der Spruch: „Wer zuerst kommt malt zuerst“ herkommt? Der kommt aus meinem Unterricht. Eine spontan erfundenen Unterrichtsmethode.

Heute morgen begebe ich mich widerwillig in meinen Raum. Früh genug, um noch die Zeichenvorlagen zu suchen, die ich meiner Klasse heute im Kunstunterricht vorsetzen will. Ich brauche noch ein paar kleine Noten von ihnen und für große künstlerische Würfe sind wir alle schon zu müde. Ich suche also diese Vorlagen in meinen Schränken, in den Regalen. Nichts. Ich finde viel, aber nicht das was ich suche.

Vor einigen Jahren wäre ich in dieser Situation in Panik ausgebrochen. Noch 10 Minuten bis zum Unterrichtsbeginn und noch keine Aufgabe in Sicht. Heute – abgebrüht berufserfahren – grabe ich mich durch die Berge von Material, die ich in meinem Raum angehäuft habe und werde fündig. Aquarellvorlagen. Das isses. Ein Kollege hatte mir mal lauter alte Kalender mit kitschigen Blumenmotiven geschenkt. Alles aquarelliert.

Ich finde ungefähr 20 verschiedene Motive. Die magnetisiere ich alle an der Tafel. Ich kann kaum hinsehen – sie sind so kitschig, geradezu romantisch. Dazu schreibe ich: Neues Thema: Aquarellieren. So. jetzt können sie kommen. Es kommt nur Esra. „Ohhhh, wie schöööön. Machen wir das heute?“ Dann kommt Peter und dann klingelt es.

Ich fange an die Nichtanwesenden aufzuschreiben. „Peter, hier ist ein Blatt, schreibe mal jeden der Reihe nach auf, der jetzt reinkommt.“ Nach zehn Minuten sind alle da. Ich erkläre die Aufgabe. Wir klären schnell, was Aquarellieren ist. Die Italienerin klärt uns auf – ach ich liebe meine kosmopolitische Klasse. „Ich will das mit den Rosen.“ schreit Ayla. „Nein, das will ich schon „kreischt Christine.

Ich bleibe ganz cool. Früher wäre die Stunde jetzt ins Chaos entglitten, denn die Alphatiere hätten sich die Vorlagen genommen, die sie sich ausgewählt hatten und die Opferschüler hätten schweigend geschmollt und jegliche Mitarbeit für den Rest der Stunde boykottiert, wegen Ungerechtigkeit.

„Sorry Ayla, aber es gibt schon eine Reihenfolge. Als erstes darf Esra sich ein Bild aussuchen. Dann Peter. Wer zuerst kommt malt zuerst.“

Peter liest die Namen vor, alle kommen gesittet nach vorne, suchen sich ein Motiv aus, ich händige das Aquarellpapier aus und alle beginnen zügig mit der Arbeit. Es gibt keinen Streit und keinen Stress. Ich bin begeistert, von meinem Unterrichtseinstieg.

Nach zehn Minuten herrlichster Ruhe kommt Bilal mit einem total vollen Rucksack zu mir. „Frau Freitag, darf ich was essen?“
„Nein, wir haben doch jetzt Unterricht.“
Er öffnet seinen Rucksack und der ist voll mit kleinen Tüten vom Bäcker, trocknen Chinanudeln und Süßigkeiten. Es sieht aus, als würde er das Wochenende in der Schule verbringen wollen.
„Frau Freitag, bitte, ich hab‘ so Hunger. Hier, hier, nehmen Sie auch was. Hier!“
Er zieht eine Tüte raus.
„Hier hmmmm lecker Vanillietasche, mit Schockolade, für Sie, hier, nehmen Sie.“ Ich nehme die Tüte. Sieht lecker aus, diese Tasche. Ich breche ein winizig kleines Stück ab und als ich es in den Mund stecke bemerke ich, wie ich von meiner gesamten Klasse beobachtet werde.

„Abbooooo, sie isst!“ Und ab da gab es kein Halten mehr. Alle holten ihr Frühstück raus, Bilal verteilte großzügig Süßigkeiten (geizig sind meine Schüler nicht) und dann wurde gegessen, bis zum Klingeln.

„Frau Freitag, wir machen einen Deal“, sagt Bilal beim Rausgehen „Ich bringe Ihnen immer Vanielletaschen mit und sie schreiben nicht mehr auf, wenn ich zu spät komme“. Ich schüttle nur den Kopf, weil ich mit der Gummischlange im Mund nicht sprechen kann. Abdul schiebt Bilal durch die Tür und sagt: „Abooo Frau Freitag wäre voll fett am Ende des Schuljahres.“

Wieder Schule


Mein Lieblingskollege und ich gehen zum Rauchen. Dazu müssen wir den Hof überqueren. Vor der Turnhalle stehen zwei Schüler. Nebeneinander, mit dem Gesicht direkt vor der Wand. „Was machen die?“ fragt mich der Kollege „Pissen die gegen die Wand?“ Ich bin mir nicht sicher, aber dafür stehen die irgendwie zu dicht an der Wand und zu nahe beieinander. Plötzlich gehen die auf die Knie und und legen ihren Kopf in den Schnee. Hääää? Yoga? Sonnengruß? Dann stehen sie wieder auf. „Die beten.“ stelle ich fest und muss mich zurückhalten nicht loszulachen. Ich ziehe den Kollegen am Ärmel weiter zum Ausgang. Er faselt immer noch was von „gegen die Wand pissen.“ Ich mag ihn echt gerne, aber manchmal rafft er echt nichts. „Die beeeeeten! Hallllooooo, Moslems!“ erkläre ich ihm draußen noch mal, was wir gerade gesehen haben.
Gleichzeitig frage ich mich: Dürfen die das? Dürfen die den Hof einfach so zum Gebetshof machen? Naja, die dürfen sich ja auch nicht schlagen und das machen sie ja trotzdem. Lieber beten, als schlagen, sag ich mal. Aber ein komischer Anblick war das schon. Irgendwie zu intim. Mir wäre fast lieber gewesen, sie hätten nur gegen die Wand uriniert. dann hätte ich ja einschreiten können/müssen. Aber so, so sind wir nur schnell vorbeigeschlichen. Mit so einem Gefühl, dass wir das eigentlich nicht sehen sollten. Der Kollege schon mit der Zigarette in der Hand. Wird das jetzt einreißen? Noch sind das ja nur zwei. Die sind schon älter. Diese ganze Gebetsraumdebatte haben unsere Schüler gar nicht richtig mitbekommen und sich dafür engagieren wäre ihnen nie in den Sinn gekommen. Schülerdemos oder Streikaufrufen gehen an denen unbeachtet vorüber. Und selbst, wenn sie so was mitbekommen, dann vergessen sie das Datum wieder. Auch die ganze Terrorgefahr kam bei ihnen erst an, als sie eigentlich schon wieder aus den Medien verschwunden war.
Abdul irgendwann: „Frau Freitag, haben Sie gehört, es soll Bomben geben auf Weihnachtsmärkten.“ „Hmmm, hab‘ ich gehört.“ antworte ich.
Elif entsetzt: „Echt? Frau Freitag, warum tut Frau Merkel nichts dagegen?“
Süß, wie die Schüler Frau Merkel immer als so eine Art Alleinherrscherin sehen. Wie eine Königin. Oft höre ich den Satz: „Warum macht Frau Merkel da nichts gegen?“ Ich berichtete ja schonmal, dass die Schüler auch denken, dass Frau Merkel alle Hartz4 -Ausgaben persönlich bezahlt.
Ach, wo wir gerade bei Hartz4 sind- schön war auch Elifs Zukunftsplanung neulich: „Naja, ich werde wahrscheinlich in meinem Job so 1200 Euro haben, dann verdient mein Mann vielleicht noch so 1500 Euro und dann noch das Geld vom Job-Center…“ Keine Angst, den Zahn habe ich ihr gleich gezogen.

Ach, die Lieben Kleinen… morgen sehe ich sie wieder. Ich will mit denen ja am Ende des Jahres so ein Heft machen, wo jeder über jeden was schreibt. Vielleicht mache ich morgen mal diese Rückenstärkenmethode…wo jeder einen Zettel auf den Rücken bekommt und dann müssen die anderen was Positives drauf schreiben. Sonst fällt denen doch zu Peter und Ronnie wieder nichts Nettes ein, außer: „Sie haben nur deutsche Freunde.“
Aber wir haben alle die gleich Königin.

Einsatz moderner Medien im Unterricht fetzt

Heute der Durchbruch!!!! Ich bin KING TEACHER!!!!! Ihr wollt wissen, wie das ist? SUUUUPER!!! Ach, ihr wollte wissen, wie das geht? Okay, dann mal aufgepasst:

Als ich heute morgen aus dem Fenster sah und alles in schönsten Schnee gehüllt vor mir lag, war mein erster Gedanke: Scheiße, die Siebte habe ich direkt nach der großen Pause, na toll. Die werden total durchweicht, mit Schneebällen und hochroten Köpfen in meinen Raum stürmen und alles nass machen.

Im Lehrerzimmer sehe ich auf dem Vertretungsplan auch noch, dass eine Englischkollegin fehlt und die Schüler (ein paar aus ihrem Kurs) zu mir in die Gruppe kommen sollen. Na, das kann ja heiter werden – wie Frl. Krise immer sagt. Ich wappne mich mit einem Vokabeltest und der halbgaren Vorbereitung und begeben mich gehe in Richtung Waterloo.

Die Schüler erscheinen, setzen sich, sie sind recht trocken, einige wissen sogar noch, dass ich einen Test angekündigt habe und lechzen jetzt nach den Blättern, weil sie mit jeder verstreichenden Sekunde die Vokabeln wieder vergessen könnten. Wie übervolle Wassergläser, die man durch den Raum trägt, aus denen das ganze Gelernte raus schwappen kann. Die meisten allerdings lassen das typische: „Ohaaaa, Test? Haben Sie nicht gesagt.“ hören.

Sie schreiben den Test, alles läuft in recht gesitteten Bahnen. Nur Mert nervt. Mert sitzt direkt vor meiner Nase. Mert nervt immer. Er macht Geräusche. Wenn ich an der Tafel schreibe, dann klatscht er unterm Tisch. Er öffnet das Buch nicht, wenn ich sage: „Öffnet das Buch.“ Er schreibt nicht, wenn ich sage: „Schreibt.“ Er ist nicht still, wenn ich sage: „Seid still.“ Er macht eigentlich nie das, was ich sage. Wenn alle im Buch lesen und er sich langweilt, dann fragt er mich zehnmal hintereinander: „Auf welcher Seite sind wir?“ Er müsste nur zu Deliah gucken, die direkt neben ihm sitzt. Macht er aber nicht. Nein, er fragt mich. Immer wieder. Ich reagiere nicht. Dann gibt er irgendwann auf: „Ich kann ja nicht mitmachen, Sie sagen mir ja nicht auf welcher Seite wir sind.“

So geht das nun schon seit einigen Wochen. Der Rest der Gruppe arbeitet im Großen und Ganzen gut mit. Na, sagen wir mal: einige arbeiten immer mit, einige nie, aber niemand stört so penetrant und permanent, wie Mert. Jede Stunde biete ich ihm einen Neustart an. Nie schaffen wir einen Neustart. Jede Stunde fängt er wieder an zu stören und ich werde sauer oder ignoriere ihn.

Heute sehe ich mitten im Unterricht, dass er die Backen voll hat. „Mert, was hast du da im Mund?“ „Haribo.“ „Sag mal geht’s noch? Jetzt ist Unterricht. Da wird nicht gegessen!“ Er grinst nur. Wenig später sehe ich ihn wieder kauen und nicht mitarbeiten. Und als er noch sein Trinken rausholt und genüsslich seinen Durst löscht, reicht es mir. Ich gehe hektisch an meinen Schreibtisch und setzte mich hin. Dann gucke ich in meine Schultasche – eine reine Übersprungshandlung, weil ich gar nicht weiß, was ich machen will und da sehe ich eine Klassenliste mit den Adressen und Telefonnummern der Schüler. In meiner Strickjackentasche ist mein Handy. Ich nehme es raus und sage ruhig: „Okay Mert, dann rufe ich jetzt einfach deine Mutter an und erzähle der mal, wie du dich hier benimmst.“ Die Klasse hält den Atem an. Ich wähle. „Lieber eins und eins Kunde, diese Nummer ist leider nicht vergeben.“ Mist. Vielleicht habe ich mich nur verwählt. Ich versuche es nochmal und siehe da:

„Efendim…“ Merts Mutter meldet sich am anderen Ende der Leitung. Ich stehe auf und gehe zur Tür: „Ja, guten Tag, hier ist Frau Freitag, die Englischlehrerin von Mert. Wir sind gerade im Unterricht und der Mert stört den Unterricht so sehr, dass die anderen Schüler gar nicht richtig lernen können.“

Dann gehe ich vor die Tür und sage ihr, dass sie doch mal am Abend mit ihrem Sohn sprechen soll und dass er sich morgen besser benehmen muss, da ich sie sonst zu einem Gespräch in die Schule bitten müsste. Als ich wieder in die Klasse komme: Totenstille. Streng und bestimmt sage ich: „Noch jemand Bedarf nach einem Elterngespräch heute Abend?“ Hat wohl niemand, denn der Rest der Stunde läuft ruhig und geordnet, bis zum Klingeln. Mert holt noch einmal kurz zu einem Störversuch aus. Ich hole mein Handy raus und flüstere: „Pass auf, ich drücke einmal die Wahlwiederholung und sage deiner Mutter, dass sie kommen soll, um dich abzuholen.“ Sofort ist er leise und arbeitet mit und findet sogar die richtigen Seiten im Buch.

Und mit dem Satz: „Boahhhh, sie ist strenger als Frau Hinrich!“ wird mir mir noch der Ritterschlag verliehen. Ich bin hin und weg. Endlich geschafft – so muss sich das Paradis anfühlen!!!!!

Lügen haben keine kranken Mütter

„Guten Tag, hier spricht Frau Freitag, ich bin die Klassenlehrerin von Bilal. Spreche ich mit Bilals Mutter?“
„Nein, ich bin die Schwester.“
„Könnte ich mal mit seiner Mutter sprechen?“
„Die kann nicht gut Deutsch, worum geht es denn?“
„Ich wollte mich nur mal erkundigen, warum der Bilal am Freitag zu spät in die Schule gekommen ist.“

Ich hatte morgens gesehen, dass er bis nachts um drei Uhr bei Facebook unterwegs war. In der zweiten Stunde kam er dann mit einer Trauermine an meine Tür und sagt, dass er mich mal ganz dringend unter vier Augen sprechen müßte. Seiner Mutter sei es sehr schlecht gegangen. Ihr Gesicht sei ganz schief gewesen und da wären sie die ganze Nacht wach geblieben und morgens ganz früh mit der Mutter ins Krankenhaus gefahren.
„Das klingt ja schrecklich Bilal, wie geht es deiner Mutter denn jetzt?“
„Ja naja, besser.“
„Ist sie denn noch im Krankenhaus?“
„Ja.“
„Na, das ist ja gleich hier um die Ecke, da kannst du sie ja heute nach der Schule besuchen.“
Erleichtert will er gehen, dreht sich aber nochmal um: „Soll ich noch eine Entschuldigung abgeben?“
„Nein, nein, brauchst du nicht. Gute Besserung an deine Mama.“

Ich gucke ihm hinterher und denke: Irgendwas stimmt an der Sache nicht. Ist nur so ein Gefühl, aber dieses Gefühl kam heute in meiner Freistunde wieder hoch und da habe ich eben mal schnell angerufen, um mich nach dem mütterlichen Befinden zu erkundigen.

„Jedenfalls war Bilal nicht in der ersten Stunde.“
„Ja, er ist zu spät losgegangen. Er hat verschlafen.“ Keine Wunder, wenn er bis in die Puppen bei Facebook rumhängt.
„Okay, verschlafen… und der Mutter? Geht es der gut? Die war nicht im Krankenhaus?“
„Nein, nein, der geht es gut.“
„Okay, dann weiss ich ja jetzt Bescheid. Erstmal vielen Dank. Tschüß.“

Die Mutter ins Krankenhaus gebracht… pahhh, mit schlimmen Schaganfallsymptomen… dieser Bilal kann was erleben. Spinnen die denn jetzt nur noch? Die lügen mich von vorne bis hinten zu. Von früh bis spät nur Lügen, Lügen, Lügen und gefälschte Entschuldigungszettel. Heute in der ersten Stunde kommen Marcella und Emre zu spät. 2Wir mussten noch was wegen einer Präsentation mit Frau schwalle besprechen.“
In der Pause treffe ich Kollegin Schwalle: „Nö, Frau Freitag, die waren den ganznen Tag noch nicht bei mir.“

Dann frage ich den Chef des Prüfungsausschusses, ob Mariella für die Realschulprüfung angenommen wurde, weil sie doch ihre Anmeldung zu spät abgeben hat. Er fragt, ob ich denn den Brief gelesen hätte, mit dem sie sich dafür entschuldigen wollte.

Und als ich das Gestammel lese, denke ich mich trifft der Schlag. Da steht so in etwa: „Ich weiss ich habe die Anmeldung zu spät abgegeben, weil meine Lehrerin hatte mir am 5.11. noch geschrieben, dass ich an die Gliederung denken soll und da hat sie mich aber nicht an die Anmeldung erinnert und dann habe ich nur an der Gliederung gearbeitet. Meine Lehrerin trifft keine Schuld.“
Die Lehrerin (also ich) wird in diesem Schrieb so oft bemüht, dass man das so liest, als sei eigentlich nur ich dafür verantwortlich, dass sie die Anmeldung nicht abgegeben hat. Frl. Krise sagt: „Wenn dich keine Schuld trifft, warum erwähnt sie dich dann überhaupt? Sie könnte doch auch schreiben meine Schwester trifft keine Schuld, meinen Bäcker trifft keine Schuld…“

Verdammt nochmal, übernehmt mal Verantwortung, hört auf zu lügen und werdet doch einfach mal erwachsen!!!!

Nur Spaaaaaß


„Fatma und Asmaa, bleibt mal noch kurz hier.“
„Warum denn?“ kurzes Nachdenken, dann ein verlegenes Grinsen „Ach so, wegen Facebook, Frau Freitag, das war doch nur Spaaaß.“

Wir sitzen alle um den hinteren Gruppentisch meines Raumes. Asma, Elif, Güstistan, Fatma und ich. Fatma koloriert immer noch ihr Bild. Eine Fantansiestadt auf DIN A2, die sie im letzten Schuljahr gezeichnet hat, aber damals nicht fertig geworden ist. In jeder freien Minute will sie an dem Bild arbeiten. Ich habe ihr meinen teuren Faber Castell Buntstiftkasten mit 36 unterschiedlichen Farben gegeben. Das Bild wird wirklich sehr schön.

„Frau Freitag, das war nicht ernst gemeint.“ sagt Asmaa. „Fatma hat mir das geschickt und dann habe ich darauf geantwortet.“
Fatma, ohne hochzugucken: „Wir sollten das für Geschichte lesen und dann habe ich es einfach Asmaa geschickt.“
„Ja, das habe ich mir schon gedacht, aber die Kommentare…“
Schuldbewußt kichern beide. „Ja, das war blöd.“ sagt Asmaa.

Güsltian erzählt, dass sie in Geschichte mit der Klasse einen Film über die KZs gesehen haben: „Das war voll schrecklich, wie die alle so total dünn waren und überall hat man die Knochen gesehen. Alle waren übertrieben geschockt, wir Mädchen hätten fast geheult, nur Fatma hat die ganze Zeit gelacht.“
Jetzt guckt Fatma mich das erste Mal an: „Ja, na und? Ich hasse die Juden. Was die in Palästina machen…“
Wir sprechen kurz über die Begriffe Juden, Israelis, Politiker, Privatleute, Täter und Opfer. Gülistan sagt: „Aber die Deutschen machen doch immer die Witze über die Juden.“
Fatma kichert: „Ja, hier warte, habe ich im Internet gelesen. Was sagt der Jude zum Taxifahrer? —Gib Gas.“ Fatma lacht sich schlapp.

Ich komme noch mal auf ihren Facebookspaß zurück. „Ihr könnt sowas aber nicht auf Facebook schreiben. Das ist alles öffentlich.“
„Einmal im Internet – immer im Internet.“ zitiert Gülistan wen auch immer und grinst dabei zufrieden. „Ganz genau“ bekräftige ich sie. „Ja ich weiß, darum haben wir es auch gelöscht.“ sagt Asmaa leise. „Ihr könnt da eine Menge Ärger bekommen. So zu reden ist nicht erlaubt.“

Plötzlich werden die Mädchen ganz aufgeregt und erzählen mir eine Geschichte aus ihrer Grundschulzeit. Da gab es wohl ein palästinensisches Mädchen, die in ein Freundschaftsbuch als Zukunftswunsch: Alle Juden sollen sterben! geschrieben hat. Als die Klassenlehrerin das Buch hatte, um etwas reinzuschreiben gab es richtig Ärger.

„Sie bekam Tadel und Brief an die Eltern und eine Klassenkonferenz und Schulverweis und sie war gut in der Schule – Gymnasium, und sie hätte sich fast ihre ganze Schule versaut damit.“ erzählt Elif ohne Luft zu holen. „Na die hat ihre Lektion gelernt.“ sage ich und die Mädchen nicken stumm.

Fatma räumt langsam auf, denn sie müssen zum nächsten Unterricht. „Fatma, ich verstehe, dass du auf die ganze Sache eine andere Sichtweise hast, wegen des Nah-Ost-Konflikts….“ „Frau Freitag,“ unterbricht sie mich „wissen Sie, was die da mit den Palästinensern machen?“ Sie erzählt von Land und heiligen Moscheen und kleinen Kindern und Tod und Elend. Ich höre zu und nicke und sage, ja, das ist schlimm.

Dann unterbricht Gülistan sie: „Aber Fatma, die Juden im KZ die konnten doch gar nichts dafür. Das war doch viel früher. Die haben doch gar nichts mit Palästina zu tun.“
„Ja stimmt.“ sagt Fatma. Wir gehen aus dem Raum Richtung Sporthalle. Ich laufe langsam mit Fatma hinterher, damit ich mit ihr alleine sprechen kann. Fatma sagt, dass die Juden/Israelis ja heute das Gleiche mit den Palästinensern machen würden. Und warum sie nichts von früher gelernt hätten.

„Fatma, das ist alles nicht einfach, dieser ganze Konflikt heute. Aber das eine ist Krieg und der Holocaust war was anderes. Sie weiß nicht was der Holocaust ist. Ich erkläre es ihr schnell. „Weißt du, das hat mich echt geschockt, wie und was ihr da über die KZs geschrieben habt. Das war richtig respektlos. Das war so schlimm damals und da macht man sich nicht drüber lustig.“

Fatma guckt auf den Boden: „Ich weiß. Ich respektiere die Toten auch.“ damit lasse ich es fürs Erste gut sein, lege ihr den Arm um die Schulter und verabschiede sie mit einem fröhlichen: „Tja Fatma, schade eigentlich das wir beide hier heute nicht den Nah-Ost-Koflikt lösen können. Ist eben nicht so einfach.“ „Nee, leider.“ sagt sie und schlurft zum Sportunterricht.

Showdown der Entschuldigungen

Elternsprechtag. Wie ich den liebe. Die Schüler, die wissen, dass ich am Abend ihren Eltern gegenüber sitze, sind heute ganz lieb und demütig gewesen.
Elda und Esra kamen sogar in der Mittagspause zum Lehrerzimmer. Ich saß gerade über einem Teller nicht ganz so leckerer Nudeln.
„Frau Freitag, können wir noch mal mit Ihnen reden? Wegen heute Abend und so?“
Jetzt werden noch mal alle Register gezogen. Esra bemüht sogar noch eine kranke Großmutter, wegen der ihre Eltern z.Z. große Sorgen hätten. Elda kommt wieder mit der türkischen Hochzeit. Ich denke an die Nudeln.
„Passt mal auf ihr Lieben, lasst uns einfach heute Abend darüber sprechen. Und jetzt geht mal nach Hause.“

Dann beginnt der Elternsprechtag. I love it! Ich stelle immer ein paar Stühle für die Wartenden vor die Tür und immer, wenn ich kurz rausgehe, um den nächsten reinzubitten, sitzen die lieben Kleinen dort mit leidendem Gesicht, neben ihren Erziehungsberechtigten. Wenn sie reinkommen, kann ich an den Gesichtern ablesen, bei wie vielen Kollegen sie schon waren.
„Na, bei wem wart ihr denn schon? Und was habt ihr denn dort zu hören bekommen?“

Als ich die Tür öffne und Marcella und ihre Mutter verabschiede, sitzt da Abdul und neben ihm die Übersetzer-Tanten-Cousine. Sie grinst mich breit an. Super. Auf die ist echt Verlass. Die kommt immer. Mama Abdul muss sich leider entschuldigen, sie ist mit der Schwester beim Arzt, aber Mama lässt schön grüßen. Schade, die hätte ich auch gerne gesehen, vor allem, weil es für Abdul eigentlich gar nicht so schlecht aussieht.
Noch nie hatte ich so viel Positives über ihn zu sagen. Die Cousine schreibt alles mit, lässt sich alles genau erklären, fragt nach und macht Vorschläge. Und das alles in dieser herrlichen leicht hektischen wachen Coolness die sie umgibt. Sie ist voll da. Totale Präsenz. Man könnte es present perfect nennen. Ich will sie heiraten. Sie soll bei mir wohnen. Ich will Schüler sein und sie soll sich um meine Leistungen kümmern. Ich beneide Abdul, dass er mit ihr so viel zu tun hat. Und dann hat er auch noch diese süße liebe Mutter, die immer anfängt zu weinen. Diese Cousine ist wie ein teuflischer Engel. Die ist echt super. Beim Verabschieden fragt Abdul: „Frau Freitag, wie lange ist noch bis zur Notenabgabe?“
„Ungefähr fünf Wochen.“
In Abduls Kopf rechnet es. Dann strahlt er: „Super, immer nach dem Elternsprechtag bin ich zwei Monate gut in der Schule. Das haut dann ja noch hin.“

Dann kommt Elda mit ihrer Mutter. Showdown. Wird Frau Freitag die gefälschten Entschuldigungen auf den Tisch legen oder nicht? Ist das das Ende von Eldas freiem Leben? Wird sie heute nacht noch in die Türkei verschickt und dort zu einer Heirat mit einem Bauerssohn gezwungen? Wird Elda ihr Leben ungeliebt im kargen Anatonlien zwischen einem brutalen Ehemann und vielen Schafen verbringen müssen?

Eldas Mutter ist eine bildhübsche moderne türkische Frau, die sich von ihrem Mann getrennt hat.
Wir reden über Eldas Leistungen, die eigentlich keinen Grund zur Klage geben. Ich erkläre die Schulabschlüsse und nenne die Fächer, in denen sich Elda noch verbessern muss.
Und dann greife ich in mein Regal und hole alle Entschuldigungen von Elda raus.
„So Mama Elda, gucken Sie mal, welche von denen hier tragen denn Ihre Unterschrift?“
„Die beiden schieben die Zettel hin und her. Wir unterhalten uns über die einzelnen Daten und es stellt sich raus, dass mindestens ein Zettel gefälscht ist. Ich nehme die Entschuldigungen wieder an mich.
„Passen Sie auf, mir machen das so: Wenn Elda krank ist, dann rufen Sie einfach kurz in der Schule an. Die Entschuldigungen erkenne ich, bis auf die eine hier alle an, okay?“
Dann erzählt Elda noch, dass Frau Hinrich gesagt hat, dass sie ihr Deutsch verbessern muss.
„Aber Frau Freitag, wie soll ich das denn machen?“
„Lesen!!! Du musst lesen!“ rate ich ihr, greife hinter mich ins Regal und gebe ihr „Arrabqueen“. „Hier, lies das mal. Geht um Zwangsheirat.“
An der Tür flüstere ich ihr zu: „Zwangsheirat, wegen gefälschter Entschuldigungszettel.“

Verpeiler Styler

Komisch, heute waren die Schüler alle wieder da. Begeistert erzählen sie mir was von irgend so einem islamischen Feiertag. Irgendwas, wo sie Opfer sind und so oder andere opfern. So richtig habe ich es nicht verstanden. Jedenfalls stürze ich mich auf sie und knutsche sie ab, weil ich so froh bin, dass sie nicht in den Libanon, in die Türkei oder in irgendein anderes ….istan-Land ausgewandert sind.

Aber dann heute nachmittag der Schock. Ich gucke mir meine Unterlagen an und stelle fest, dass die Schüler morgen eine halbe Stunde früher als sonst in der Schule sein müssen, weil wir da so ein Bewerbungstraining mit denen veranstalten. Dieser verfrühte Anfang ist total meinem Gehirn entschwunden. Mist. Und nun kommt Facebook mal richtig gut zum Einsatz. Ich poste in meinem Profil, dass sie früher kommen sollen. Dann bekommen sie alle noch eine extra Nachricht von mir geschickt. Mit voll dem peinlichen Rechtschreibfehler. Alle die die Nachricht gelesen haben kommentieren den Fehler: „hahahah Frau freitag litte bringt einen Stift mit hahahaha“. Erst dachte ich litte ist ein neuer facebook slang, bis ich merke, dass das mein Bitte war. Egal.

So, ca. zehn schüler aus meiner Klasse erreiche ich also übers Internet. Einigen von denen gebe ich den Auftrag andere anzurufen. Dann setze ich mich ans Telefon.
Jetzt beginnt das Unausweichliche: „Diese Nummer ist nicht vergeben.“ „Nein, ich bin nicht die Mutter von Peter. Nein, ich heiße wirklich nicht Müller.“
„Und sie haben wirklich die Nummer 497…“
„Ja, schon seit 6 Jahren.“
„Komisch, ich habe doch Peters Mutter schon unter dieser Nummer angerufen. Und Sie sind sicher, wenn sie sich zu Hause umgucken, dass Sie da keinen Sohn haben, der Peter heißt.“
„Vollkommen sicher.“
„Okay, tja, da kann man wohl nichts machen. einen schönen Abend wünsche ich Ihnen trotzdem.“

Ich spreche auf einige Anrufbeantworter und mit einigen Geschwistern. Wenn einem am Telefon jemand mit perfektem Deutsch begegnet, dann sind das die Geschwister. Mit einigen Eltern spreche ich auch, aber nur solange, bis ich ihnen verständlich gemacht habe, dass ich die Lehrerin bin, dann lasse ich mich mit ihren Kindern verbinden, um den komplizierten Sachverhalt der vorgezogenen Anfangszeit zu übermitteln.

Dann gehe ich wieder zu Facebook und drohe jedem an, gleich zu Hause anzurufen, wenn sie mir nicht bestätigen, dass sie meine Nachricht gelesen und verstanden haben. Jeder meiner Schüler, der online ist wird von mir angechattet. „Elif, was geht? alles klaro mit morgen? pünktlich, mit stift, guter laune und gehirn nicht vergessen.“
Bilal: Frau freitag, was geht?
ich: na du hoffentlich morgen – schule – halbe stunde früher.
er: ich finde meine bewerbungen nicht.
(die brauchen sie morgen UNBEDINGT)
er: und lebenslauf auch nich
ich: schreibst du neu. dein leben ist ja noch nicht so alt. geht also schnell 🙂
er: yaaanneeee frau freitag, bewerbung hat krass lang gedauert. 4 stunden
ich: na setz dich jetzt gleich ran.
er: uffff neeiiin ya frau freitag.
ich: ufff ya abo tschüch bilal, mach mal, bist doch ein mann oder was?
er: üfff
ich: mann oder memme.
Er erstmal längere Pause, wahrscheinlich muss er nachdenken.

Bilal wird pünktlich aber ohne Bewerbung kommen. Die, denen der verfrühte Beginn mitgeteilt werden sollte werden zu spät kommen und sagen, sie wussten von nichts. Die, die ich nicht erreicht habe werden zu spät sein, weil sie von nichts wussten und ich werde für ein Riesenchaos sorgen, weil ich alles verpeilt habe. Aber ich werde mir nicht sagen lassen, dass mich nicht bemüht hätte. Und den nächsten wichtigen Termin schreibe ich mir eine Woche früher mit schwarzem Edding auf die Stirn.

Schantalle nervt wieder

Im Bus ärgere ich mich noch über Schantalle. Kam sie mir doch heute wieder blöde. Oh Mann, die stresst mich echt. Alles was ich sage wird von ihr mit ablehnenden Stöhngeräuschen kommentiert. Immer in einer Lautstärke, dass ich es eigentlich nicht hören, aber irgendwie doch mitbekommen soll. Und wenn ich dann frage: „Schantalle, was ist denn?“ dann kommt von ihr ein scheinheiliges: „Waaaas denn???“

Was mich am meisten nervt ist, dass sie die Kunststunden demonstrativ zum Kaffeekränzchen macht, indem sie sich an ihrem Tisch lautstark über ihr blödes Privatleben unterhält. Alle anderen Schüler in dieser Gruppe arbeiten still und konzentriert vor sich hin und sie schnattert non-stop.

Heute stehe ich hinten im Raum und höre von ihr: „Und dann sagt er Hurensohn und ich sage nur Wichser…“
„Schantalle,“ rufe ich von hinten „könntest du das bitte lassen?“
„Waaaas denn?“ fragt sie in nasaler Arroganz.
„Ich möchte nicht, dass du hier im Unterricht so redest.“
„Wieso? Was denn?“
Okay, sie will es also so. Also sage ich sehr laut und äußerst bestimmt: „Ich möchte nicht, dass du hier Hurensohn und Wichser sagst. Diese Sprache gehört hier nicht in den Unterricht. So kannst du auf der Straße sprechen. NICHT HIER.“

Jetzt ist sie erstmal leise. Aber am Ende der Stunde erinnere ich die Schüler daran, sich das Handout noch mal durchzulesen: „Guckt euch das auf jeden Fall noch mal an! Ist wichtig.“
Sofort beugt sich Schantalle über den Tisch und flüstert: „Is‘ wichtig. Is voll wichtig!“

Das reicht! Als alle rausgehen sage ich: „Schantalle du bleibst bitte noch mal kurz hier.“
Sie guckt ein bisschen verunsichert, stellt sich dann aber in genervter Haltung neben meinen Schreibtisch. Dann lege ich los.
„Was soll das? Warum kommentierst du alles was ich sage?“
„Mach‘ ich doch gar nicht.“
„Natürlich machst du das. Du machst mich nach. Eben doch auch wieder. was soll das? Willst du mich provozieren? Willst du dich mit mir anlegen? Habe ich dir irgendwas getan?“

Beleidigt sagt sie: „Sie schreien mich ja an. Sie blamieren mich vor der ganzen Klasse.“
„Das tust du schon selbst. Vorhin, mit deiner Ausdrucksweise.“
„Das habe ich ja nicht zu Ihnen gesagt.“ nölt sie sich aus.
„Na, das wäre ja wohl noch die Höhe gewesen.“
„Kann ich jetzt geeeehen?“ Schantalle hat diese grauenhafte Art drauf, die manche Mädchen cool finden – einzelne Wörter besonders genervt gedehnt zu sprechen.
„Ja kannst du.“

Genervt wische ich die Tafel und lasse ihr noch ein paar Minuten Vorsprung. Ich will ihr auf keinen Fall noch auf der Straße begegnen. Das Gespräch war irgendwie total für’n Arsch. Besser habe ich mich jedenfalls nicht gefühlt. Aber dann treffe ich im Bus einen ehemaligen Schüler und wir quatschen herrlich miteinander und verabschieden uns überschwänglich. Und plötzlich ist das Leben wieder schön. So kann’s eben auch gehen.