The best things in life are free

Augen auf bei der Berufswahl, kann ich nur sagen und mir zu meiner exzellenten Entscheidung Lehrerin zu werden gratulieren. Kann es überhaupt etwas Schöneres geben, als heute Lehrerin zu sein? Heute und morgen und die nächsten sechs Wochen – oder vielleicht sind es sogar sieben…

Wer noch schwangt und hadert, wer noch nicht weiss, womit er sein Leben finanzieren soll – Lehrerin werden – Sommerferien gibt es original J E D E S Jahr. Und was ist das für ein herrliches Gefühl… ich war heute so happy, dass ich eigentlich noch gar keine Ferien brauche. Ich liebe es, wenn sich alle Kollegen im Lehrerzimmer versammeln, um irgendwelche Vertretungslehrer zu verabschieden. „Wer ist die Frau?“ fragt mich Herr Müller leise, als sich der Schulleiter mit einem Blumenstrauß nährt. (oder nähert der sich? Der Freund – und Korrekturleser- ist gerade nicht da – bitte die Rechtschreibung milde betrachten – schließlich habe ich Ferien…).

Und wie schön es ist, heute durchs Schulgebäude zu latschen und jedem Schüler „Schöne Sommerferien“ zu wünschen – fehlt eigentlich nur noch ein Sommer.

Und vor dem Lehrerzimmer steht plötzlich der Lieblingsschüler – der originale Lieblingsschüler von damals… Er hat das Abitur gemacht. Ich hatte ihm schon auf Facebook gratuliert. Jetzt strecke ich ihm meine Hand hin: „Mensch toll, Abitur hast du! Jetzt kann ich dir endlich auch nochmal persönlich gratulieren. Wie ist denn dein Durchschnitt?“
Und siehe da: Der Lieblingsschüler hat exakt den gleichen Abiturdurchschnitt wie ich.

„Ist nicht gut.“ sagt er
„Ochh, Lehrer kannst du damit schon werden. Was ist, willst du noch Lehrer werden? Mach‘ mal!“
„Ich will Maschinenbau studieren.“ sagt er „Da verdient man doch mehr.“
„Ja, vielleicht, aber als Lehrer verdient man doch auch nicht schlecht. Hier guck’…“ Ich hole mein Gehaltszettel vom letzten Monat raus, den ich seit Tagen mit mir rumschleppe. Ich zeige ihm den Bruttobetrag. Ihm muss ich Brutto-Netto nicht erklären.“

„Geht ja eigentlich.“ sagt er „Aber was kommt unten raus?“ Ich zeige mit dem Finger auf die Summe. „Und dann bedenke mal, die FERIEN!!!! So ein Gefühl wie heute…sowas hat man als Maschinenbauer nicht! Und bezahlte Ferien – immer und man muss bestimmt auch nicht jeden Tag so lange arbeiten, wie als Maschinenbauer.“
Er hört sich alles an und lächelt.

„Also pass auf“, sage ich, denn ich muss ins Lehrerzimmer „wenn das mit Maschinenbau total öde und langweilig ist, dann versuch’s bitte noch mal mit Lehrerwerden, versprochen?“
„Versprochen. Vielleicht sind Sie ja dann noch da, wenn ich fertig bin.“

„Vielleicht? Ganz sicher bin ich dann noch da. Ich muss noch über 20 Jahre hierbleiben.“

Und das mache ich soooooo gerne! Nothing beats the last day of school!

Noch dis und das und jenes und solches

Endspurt! Heute – der vorletzte Schultag – einer meiner Lieblingstage. Vorhin noch zweimal auf PLAY gedrückt, ein paar Reden angehört, dann nach Hause, dann zu Dr. Müller-Meier-Wohlfahrt, zum Schraubereindrehen, jetzt in der Küche mit Kaffee und Zigarette.

Dann noch schnell Duschen, in ein halbwegs feierliches Outfit und ab zur Abschiedsparty der 10.Klassen. Dann nach Hause und schlafen, morgen noch ein paar Zeugnisse verteilen und das war’s dann. Leider heute keine Zeit, für große literarische Ergüsse – Endspurtstress.

Wissenswertes Teil 2

„Wird man bei Anzeige abgeschoben?“ fragt jetzt Hamid, bereit, sich wieder konstruktiv in die Diskussion einzubringen.
„Wenn du keinen Deutschen Pass hast, dann kann das passieren.“ Ich frage, wer aus der Klasse einen solchen hat. Sind viele, aber nicht alle. Wir sprechen darüber, wie man den bekommt. Die Schüler, mit der deutschen Staatsangehörigkeit scheinen schon gute Erfahrungen gemacht zu haben.

„In Libanon sie haben voll Angst vor deutsche Pass.“ sagt Taifun und erzählt, dass man wohl respektvoller an Grenzkontrollen behandelt wird, als Einheimische. „Aber wenn sie auf dem Markt hören, dass man Deutsch spricht – ALLES wird teurer. Sie denken voll wir sind Millionär.“
„Vielleicht bist du im Verhältnis zu denen auch so was wie ein Millionär.“ sage ich und denke daran, dass Taifun mir auf der Klassenfahrt erzählt hat, dass sein T-Shirt, ein Geschenk seines Onkels, 120 Euro gekostet hat.

„Aber sie verdienen nicht wenig da.“ sagt Fatime. „Sie haben alle Häuser. Große Häuser. So Villen. Und große Autos.“
„Aber wenn man da so gut verdient, warum gehen die Leute nicht dorthin und leben da?“ frage ich und gucke abwechselnd sie und Taifun an. „In Libanon ist sooo schön.“ sagt Lia. Verträumt starrt sie mich an. Sie sitzt direkt vor meiner Nase. „Ich will da sterben.“ flüstert sie jetzt.
„Was willst du?“
„Ich will in der Heimat sterben.“
„Wieso willst du sterben?“ frage ich sie „Willst du dort auch leben?“
„Nein, also, äh..“ stottert sie rum und scheint langsam aus ihrer Verklärung zu erwachen.
„Nein, also leben kann ich da nicht.“
„Wieso nicht? Wenn es doch dort so schön ist?“
„Also leben, nein. Das geht nicht. Ich bin doch hier aufgewachsen.“ erklärt sie und ich füge für sie dazu: „..aber wenn du stirbst, dann möchtest du dort begraben sein, das meinst du, oder?“
„Ja, genau.“ sagt sie, nickt und grinst zufrieden.

Dankbar für Lias Gedankengang wende ich mich wieder Hamid zu: „Hamid, könntest du dir vorstellen, in der Türkei zu wohnen?“
„Ja, klar, ist voll schön bei uns im Dorf“ Er denkt kurz nach. „Nur die Klos, die haben da so Plumpsklos.“ Ich erinnnere mich, wie ich entsetzt bei dem Anblick meines ersten Plumsklos am Mittelmeer meine Mutter rief, um ihr zu sagen, dass jemand die Toilette geklaut hätte. Später, mit schwerem Durchfall in Marokko, lernte ich den hygienischen Aspekt dieser Art der Notdurftverrichtung erst richtig schätzen.
„Jaaaa, ihhhh, die gibt es in Libanon auch. Ich bin extra immer ein Kilometer gelaufen zu mein Onkel, damit ich da nicht rauf musste.“ schreit Taifun. Auch Lia hat Plumpsklo-Angst und es stellt sich heraus, dass meine Klasse kollektiv diese Art der Sanitäranlage missbilligt. Pluspunkt für Deutschland und die Erfindung des Porzellanklosetts.

„Aber sonst könnte ich da leben.“ informiert uns Hamid nun doch noch in die Klodebatte hinein.
„Aber was würdest du denn dort arbeiten?“ frage ich ihn, denn ich stelle mir natürlich vor, dass es in „unser Dorf“ nicht gerade viele Arbeitsplätze gibt. „Ich würde so auf Feld arbeiten oder Kirschen pflücken bei den Nachbarhof. Mache ich mit mein Kusengs im Sommer immer. Wir kriegen 35 Euro am Tag.

„Soso, 35 Euro.“ sage ich und schreibe eine 35 an die Tafel „Also, wieviel Geld würdest du denn dann im Monat verdienen?“ frage ich und Vincent holt sofort seinen Taschenrechner raus. „35 mal 31… ist gleich… 1085. Reicht doch.“ sagt er zufrieden.
„Mal 31? Willst du sieben tage die Woche arbeiten frage ich und schreibe x5 hinter die 35 an die Tafel.“ Es folgt eine lange Diskussion darüber, ob nun die Fünf-Tage-Woche oder die Sechs-Tage-Woche das Übliche sei. Meine Klasse entscheidet sich, dass man eigentlich sechs Tage die Woche arbeiten gehen kann. Irgendwann haben wir einen Eurobetrag an der Tafel stehen.

„Okay Hamid, guck mal, das verdienst du also im Monat. Was brauchst du denn jetzt zum Leben?“
„Miete!“ ruft Rosa. Wir überlegen gemeinsam, was wohl eine Durchschnittsmiete in „unser Dorf“ kostet, da wir alle keine Ahnung haben, verlagern wir unser Beispiel nach Deutschland. Okay, also Miete?“
„400 Euro“ sagt Orkun.
„Ja, okay, könnte hinhauen.“ sage ich und schreibe 400 unter den Ausgangsbetrag. Gucke zu Vincent „Von dem oben abziehen, oder?“ fragt er und ich nicke. Er nennt mir die Summe, die übrig bleibt und ich schreibe sie an die Tafel. Dann ziehen wir die weiteren Fixkosten für Hamids Singlehaushalt ab: Handy, Strom, Monatskarte, unter anderem erkläre ich Warm- und Kaltmiete, Haftpflicht- und Hausratsversicherung, dann ziehen wir 200 Euro fürs Essen ab. Nadja besteht darauf, dass man ja noch die Taps für die Spülmaschine mit aufschreiben müsse und Waschmittel und Putzzeug. Dafür veranschlagen wir 20 Euro. „Möchstest du rauchen?“ frage ich Hamid und er schüttelt den Kopf, da er wahrscheinlich selbst sieht, dass er sich das für die 70 Euro, die übrieg bleiben nicht mehr leisten können wird.

„Also, 70Euro bleiben übrig, davon musst du dir noch Klamotten kaufen und wenn du in die Disco oder ins Kino willst den Eintritt bezahlen, Geschenke für Geburtstage oder so bezahlen und Reisen sind da auch noch nicht drin.“ Alle starren an die Tafel und sind leicht entsetzt. „Okay, Vincent, jetzt zieh mal die ganzen Ausgaben zusammen, dann können wir sehen, wieviel man eigentlich braucht, um bequem zu leben. Vincent rechnet und wir kommen auf 1200 Euro.
„Geht doch.“ sagt Taifun.
„Ja, wenn das netto wäre. Aber wir sind ja Steuerzahler und da kommen erst mal noch die Abzüge.“ Ich erkläre Brutto und Netto – das dauert.

Wissenswertes

„Machst du noch Unterricht?“ fragt mich Frau Schwarz fassungslos, als sie mich am Kopierer sieht. Ich lege gerade den Text von Family Portrait ein.
„Na logo! Unterricht, bis zur letzten Minute. Heute, morgen und auch noch am Montag.“
Frau Schwarz guckt mich verwundert an, beißt in ihr Brötchen und sagt dann: „Also ich wollte mit meiner Gruppe heute frühstücken, aber es kam nur die, die die Brötchen mitbringen sollte. Sonst keiner.“
„Und kam die mit Brötchen?“
„Ja.“
„Mit wie vielen denn?“
„20.“
„10.Klasse?“ frage ich und loche dabei meine Arbeitsblätter.
Frau Schwarz nickt.
„Ja, na Zehnte ist anders. Die kommen nicht mehr. Aber mit den Kleinen musst du bis zum Schluss Unterricht machen. Das verkraften die sonst nicht.“

Wenig später stehe ich vor meiner Klasse. Die Arbeitsblätter liegen bereit, meine Stunde ist geplant. Ich will nur mal schnell die Fehlzeitenzettel besprechen. Während ich in meinen Unterlagen blättere bringen mir drei Schüler ihre Englischbücher nach vorne. „Ah super, danke.“ Wäre das auch erledigt. Dann befrage ich die Schüler zu ihren Fehlzeiten.

„Nein, wir haben nicht geschwänzt, wir waren mit Frau Frenssen auf einem Ausflug.“ Ah, gut, denke ich – die sollen sich hier gar nicht angewöhnen, in den letzten Tagen vor den Ferien zu schwänzen.

„So, jetzt habe ich hier noch einen Zettel vom Vertretungsunterricht gestern. Ich lese mal vor: Folgende Schüler haben gut mitgearbeitet: Rosa, Alina….“, ich lese fast die ganze Klasse vor. „Und jetzt steht hier noch: gestört haben Hamid und Volkan.“ Ich gucke die beiden an. Volkan zieht sich seinen Pullover bis zur Nase hoch. Trotzdem sehe ich, dass er sehr rot wird. Hamid grinst.
„Hamid, das geht nicht. Vorgestern gehst du nicht zum Musikunterricht, sondern spielst auf dem Hof Tischtennis und jetzt störst du auch noch den Unterricht. Wenn das nach den Ferien so weiter geht…“
„Dann gibt es eine Schulversäumnisanzeige!“ ruft Taifun von hinten.
„Nein“, sage ich „…dann gibt es eine Klassenkonferenz. Schulversäumnisanzeigen gibt es fürs Schwänzen. Und auch da wird es im nächsten Jahr welche geben. Orkun, Taifun und Günther werden auf jeden Fall eine bekommen, wenn sie weiter so machen wie bisher.“

„Was ist eigentlich eine Schulversäumnisanzeige?“ fragt Rosa.
Ich erkläre was das ist. Von der Androhung eines Bußgeldes bis hin zur Vorladung vors Familiengericht. „Und wenn der Schüler dann immer noch schwänzt, dann kann es dazu kommen, dass den Eltern das Sorgerecht entzogen wird und man in ein Heim oder eine betreute Wohngruppe kommt.“
Schweigen.
„Und wenn man dann immer noch schwänzt?“ fragt Halil.
„Da kannst du nicht schwänzen, da wirst du von den Betreuern aus dem Bett geworfen. Und dann gibt es ja auch noch die Möglichkeit jemanden mit der Polizei abholen zu lassen.“
Hamid meldet sich. Ich nehme ihn dran.

„Frau Freitag, kann man im Knast eigentlich eine Ausbildung machen?“
„Ja kannst du.“ sagt Taifun, der offensichtlich über Insiderinformationen verfügt.
„Hamid, hast du vor in den Knast zu gehen?“
„Kann man da nicht den ganzen Tag fernsehen?“ fragt er.
„Fernsehen? Ich glaube du hast etwas zu rosige Vorstellungen vom Alltag in einer Zelle. Da bist du den ganzen Tag eingeschlossen und kannst eigentlich gar nichts machen, was du willst. Und ja, vielleicht kannst du da eine Ausbildung machen, aber wenn du wieder raus kommst, dann sieht das in deinem Lebenslauf nicht gut aus. Einen Job bekommst du dann wahrscheinlich nicht.“

Hamid denkt nach und ich lasse das Knastthema wieder fallen. Mache mir aber eine mentale Notiz, mit unserem Kontaktpolizisten mal einen kleinen Besuch in der Gefangenensammelstelle für Hamid zu organisieren, damit er mal sieht, was ihn dort wirklich erwartet. Einfach mal 30 Minuten einschließen – ich bin mir sicher, das killt jegliche Knastromantik.

„Frau Freitag, kann man zur Bundeswehr gehen, wenn man eine Anzeige hatte?“ fragt jetzt Taifun. „Nein, ich glaube nicht. Also man kann zumindest keine Ausbildung bei der Polizei machen, wenn man schon mal von denen vorgeladen wurde, das weiss ich.“

„Wird man bei Anzeige abgeschoben?“ fragt jetzt Hamid, bereit, sich wieder konstruktiv in die Diskussion einzubringen.

Und so ging es die ganze Stunde weiter – das hier sind ja nur die ersten Minuten – ich kann aber schon mal verraten, dass ich Family Portrait nicht mehr durchgenommen habe – die Stunde endete damit, dass ich versuchte zu erklären, was Inflation ist. Gar nicht so einfach.

Vor dem Spiel ist auch nicht viel

Der Freund brutzelt in der Küche, ich liege auf der Couch und die Portugiesen führen 1:0. Habe immer noch Bauch und eigentlich gar keine Lust, mich noch mal aus der schlumpigen Jogginghose rauszupellen. Leider habe ich in einem Überschwang an ÜBERMUT 1000 Leute zum Fußballgucken eingeladen. Aber mein Bauch – auaaaaaa. Ich will nicht wieder in die Jeans. Die ist unbequem. Nun ja, wird schon werden. Ich trinke erst mal einen Kaffee. Ist ja immer nett, wenn zum Fußball welche vorbeikommen. Der Deutschlehrer darf der Fußballexperte sein. Wir anderen werden ihn für seine Fachkenntnis bewundern. Wir anderen werden das Chili essen, ihm zuhören und bei Toren jubeln. Auch bei denen, die dann doch nicht zählen, weil sie Abseits waren… ähhhh Abseits? Von was abseits… der Ball war doch im Tor… nein, nein, ich weiss schon, was das heißt. Keine Witze mehr, dass wir Frauen nicht wissen, was das ist.

Wir Frauen werden uns vor allem um das Aussehen unserer Mannschaft kümmern – nun kümmern können wir uns ja nicht mehr da drum – aber kommentieren werden wir es und ich werde sagen, dass Torres der Schönste ist. Man wird mir sagen, dass der nicht bei uns spielt. Ich werden sagen, dass ich das weiss. Dann wird der Deutschlehrer ab und zu sein Insiderwissen über die deutsche Mannschaft einstreuen, Insiderwissen, dass jeder Leser der 11 Freunde auch hat. Früher hieß es ja immer „Spiegelleser wissen mehr“ und da habe ich mich auch immer an der Uni beeindrucken lassen von so Schlauschnackertypen, bis ich mir dann auch mal einen Spiegel gekauft habe und merkte, dass die Schlauberger immer nur die neusten Artikel zitierten. Und so macht der Deutschlehrer das auch. Liest die 11 Freunde und versucht uns dann zu beeindrucken. Wenn ich Fußballhintergrundsgeschichten nicht so todöde fände, dann würde ich mir ja auch mal so eine Zeitschrift kaufen, aber geht irgendwie nicht.

So, noch zwei Stunden, dann geht es los. Das Chili köchelt schon. Der Freund weicht in der Badewanne auf. Bleibt noch mein Tipp für heute Abend… bei uns ist der Muschitipp 2:1 ja leider verboten. Also sage ich mal ganz forsch 3:0 für Deuschland. Oder doch lieber 3:1? Oder vielleicht 2:0 oder eigentlich doch 2:1, ach nein, geht ja nicht. Ist nicht diesmal voll oft 1:1? Okay, nein, also ich bleibe bei 3:0! Ein beherzter Tipp. Und Klose spielt, sage ich. Und Schweinsteiger wird sich an einem Holländer verletzen – nur leicht. Und Boateng wird vor dem Tor rumkrepeln und uns alle in Schockstarre versetzen. Der Musiklehrer und ich sind von seinen Leistungen noch nicht überzeugt. Das wird heute das Spiel von Hummels. So genug Vorhersagen. Hauptsache Deutschland gewinnt.

Geht auch wenig Worte

Kopf, Bauch, müde. Deutschlehrer Couch. Tipp kaputt, ha. Meiner nicht. Tag langweilig. Forbildung – stöhn. Zuviel Inhalt. Inhalt kompliziert. Voll schwer. Mittags Kartoffelsuppe. Kantine. Nicht lecker. Freund Kartoffelsuppe voll lecker. Wieder Fortbildung. Wieder Kopf, Bauch, müde. Plötzlich Augen zu. Gedanken weg. Kopf knickt ab. Plötzlich wieder wach. Wieder weg, wieder wach, wieder weg – dann Feedbackbogen – endlich. Dann Rückfahrt. Wieder Kopf, Bauch, müde. Dann Handy, dann Deutschlehrer. Deutschlehrer ohne müde. Ich mit müde. Deutschlehrer will Eis. Ich will liegen. Bioeis sucks. Voll überbewertet.

Hübschmann – schöner Name. Morgen Deutschland – Schland, Schland, Schland – mit Chili Con Carne. Wieder mit Deutschlehrer – als Experte. Und Frl. Krise – nicht als Expertin.

Dann Donnerstag. Da Englisch. Da Family Portrait von Pink. Dann Sport. Dann wieder Fußball – aber wer? Polen? Dann Freitag. Da Englisch – andere Siebte – wieder Familiy Portrait, dann Englischbücher einsammeln. Dann eigentlich doofe Acht. Doofe Acht nicht in Schule. Freude in mir! Dann Freibad mit Klasse. Mit Essen und Trinken und Erzieherin. Wetter wird wohl. Wenn Wetter nicht, dann Essen in der Schule. Dann Feierabend. Dann zu Hause. Dann endlich letzte Wochenende. Schuljahr fast vorbei. Wetter soll werden. Dann raus. Vielleicht See, vielleicht nur Park. Auf keinen Fall Vorbereitung. Dann Sonntag. Dann wieder Montag. Letzte normale Tag. Vielleicht aufräumen, vielleicht aufräumen sein lassen. Vielleicht Tische schrubben – lassen. Dann Siebe Kunst – wahrscheinlich Simpsons und doch aufräumen. Dann Freistunde. Lehrerzimmer – dort Schlauquatschen. Dort sehr gut gelaunt sein. In den Pausen singen: Feriiiieeeen. Dann meine Schüler. Mein Raum. Mein Macbook. Mein Kabel für Beamer zu Macbook. Morgen erstmal kaufen. Dann Diashow – alle Bilder von Kinder. Dauert viel Zeit

Was ist mit Torwart? Kein Bock? Verletzung? Tschechen sind für Torwart wie Achte sind für mich. Geht er raus.

Zurück Montag – viel Fotos von Schüler. Viel Musik von Frau Freitag. Viel alt. Viel mir doch egal. Hat voll viel lange gedauert. Kinder gucken. Frau Freitag gucken. Alle happy, dann klingeln, dann vorbei, dann Kinder weg, dann Verabschiedung Aula 10.Klassen. Dann Implantat freilegen. Dann Abschlussfeier 10.Klasse. Dann schlafen.

Dienstag. Rein in Schule, Zeugnisse verteilen, dann Lehrerzimmer, dann Freude, Freude, dann alles fertig, dann raus aus Schule, dann neues Leben beginnen.

Genau so sieht es aus.

Vorschriftsmäßigst!

Es ist vollbracht. Der letzte richtig volle lange nervige Montag wurde von mir soeben überlebt. Ab jetzt wird alles easy. Heute war noch mal richtig heavy. Aber ich muss mich echt loben. Ich habe so sauber abgeliefert. Ich bin so vorschriftsmäßig. Ich unterrichte in den siebten Klassen auch noch genau so, als wären wir mitten im Schuljahr. Noch um 16Uhr diskutierte ich eben die Probleme von Charlie Batson und seiner Familie. Keine Spielstunde, kein auf-den-Hof-Gegehe, kein Eisessen, keine Flimmerstunde. Knallharter, langweiliger Normaloenglischunterricht. Workbook, lesen, Fragen beantworten, Fakten rausarbeiten, aufschreiben, noch mal Verständisfragen, Transfer zum eigenen Familienleben usw. Ich bin so stolz auf mich. Und jetzt habe ich mir meinen Feierabend aber so was von verdient. Nächste Woche ist dann nur Unterricht bis Mittags und dann gibt es eine große Verabschiedungsfeier für die 10.Klassen. Und dann sind Ferien und den Stundenplan vom nächsten Jahr, den kenne ich ja noch nicht. Aber der wird bestimmt nicht wieder so einen harten Montag haben. Es war zwar immer schön, gleich am Anfang der Woche so viel weggeschafft zu haben, aber bis nach 16Uhr unwillige Siebtklässler zu unterrichten war nicht ganz so toll.

Ich muss mich an dieser Stelle mal kurz über die Englischbuchmacher beschweren. Die bringen ja alle paar Jahre eine neue Version ihres Buches raus, damit man die Arbeitsblätter, die man sich zu den einzelnen Kapiteln gemacht hat bloß nicht mehr benutzen kann. Aber die Geschichten in den neuen Büchern sind jetzt auch nicht alle unbedingt neu. Im alten Buch gab es immer die Seite: „Meet Charlie’s Family“, da war dann Charlie undf seine beiden Schwestern und seine Eltern und alle aus der Familie hatten irgendwelche Probleme. Konnte man gut mit den Schülern bearbeiten. Habe ich immer gerne gemacht. Im neuen Englischbuch fehlt diese Geschichte. Und plötzlich finde ich Charlie im Workbook. Die gleichen Bilder, der gleiche Ansatz – Charlie und seine Familie und alle haben Probleme. Ich denke am Sonntag noch: Super, da habe ich doch voll viel Zusatzmaterial zu erstellt, das muß ich doch nur raussuchen und kopieren und fertig ist der Lack. Und siehe da – ich finde sogar ganz süße Bilder, die ich mal von Charlie und den anderen gezeichnet habe. Heute morgen knalle ich sie an die Tafel und schreibe drüber: Meet Charlie’s Family. Dann gucke ich ins Workbook und dort steht über dem Text nur: Charlie’s Family. Ohhhh, welch Neuerung…
Egal, denke ich und zeige auf das erste Bild an der Tafel: „Look at Mr Macintosh. He has problems… guess what troubles him!“
Die Schüler gucken mich an. Verwirrt. Dann meldet sich Taifun: „Aber Charie heißt doch nicht Macintosh. Der heißt doch Batson.“
Ich gucke ins Workbook und tatsächlich – Charie heißt jetzt Batson und seine Mutter arbeitet auch nicht mehr im Supermarkt, sondern in einer Schulkantine. Oh Mann!!!! Diese Veränderungen waren ja auch sooooo was von notwendig! Vielen Dank lieber Schulbuchverlag. Danke, dass ich mein ganzes Zusatzmaterial überarbeiten muss, denn leider reicht euer Buch für den Unterricht überhaupt nicht aus. Und falls ihr mal jemanden braucht, der bei der Überarbeitung von Schulbüchern hilft – sagt Bescheid- das kriege ich auch noch hin.

Es geht lo-os

Jetzt haltet euch mal ran ihr Polen, mein Tipp war 3:1.
Der Deutschlehrer grinst neben mir. Er hatte 1:1 gesagt. Aber Lewandowski wird schon noch einen oder zwei Bälle reinhauen. Der eine Grieche sieht aus wie der von „Wir sind Helden“, ist der am Ende nicht nur Musiker, sondern auch Fußballprofi? „Man muss Optionen haben“, wie Ronnie immer sagte.

Jetzt ist also endlich Fußball-EM. Und es hätte heute niemand gemerkt, wenn ich es nicht dauernd in der Schule angesprochen hätte.
„Heute geht es lo-os.“ trällere ich den hereinströmenden Siebten entgegen.
„Was geht los, Frau Freitag?“ fragt Gül.
„Na die EM. Fußballeuropameisterschaft!“

„Portugal wird Deutschland soooo schlagen.“ schreit Burak.
Ich gucke ihn streng an.
„Jaaaaaa, Ronaldooooo, er ist soooo süüüßßß.“, teilt uns nun Selina von hinten mit. „Ich bin soooo für Portugal. Ich liebe Ronaldo! Lieben Sie ihn auch, Frau Freitag?“
„Lieben… nein.“

Oh, Elfmeter. Und rote Karte. Der Deutschlehrer sieht schon seinen Tipp schwinden: „Jetzt ist mein Tipp dahin.“ Hehehehe, auf zum 3:1. Los macht mal hinne jetzt mit dem Elfer. Hinlegen, gucken, antäuschen, schießen Tor und dann kann ich hier endlich meinen Text weiterschreiben. Uppps, jetzt schießen ja die Griechen. Hatte ich gar nicht mitbekommen. Bitte halten. Nicht, dass die Griechen jetzt hier noch einen reinhauen. Griechen haben doch immer Pech. Haaaa, gehalten!!!! Yeah!

Also weiter:
„Nein, lieben tue ich den nicht. Okay, der sieht gut aus und der spielt gut. Aber lieben…nee.“
„Aber sie haben sein Bild geküßt.“ gibt Selina zu bedenken. Dunkel erinnere ich mich daran, dass ich mal irgendwas mit Sportlern und eben auch mit Ronaldo im Unterricht gemacht habe.

Burak guckt wieder zu mir: „Frau Freitag, Deutschland hat keine Chance. Portugal wird gewinnen“
Neben Burak sitzt Mohamed. Er gibt Burak einen leichten Nackenklatscher, um zu betonen, dass er anderer Meinung ist: „Quatsch Portugal. Frankreich wird gewinnen. Die werden Meister.“
„Was Frankreich?“ schreit jetzt Emre „Spanien wird Europameister!“
Mohamed überlegt noch mal. Dann reißt er die Augen auf und ruft: „Ihr habt alle keine Ahnung! Brasilien wird gewinnen!“

Wir gucken alle zu Mohamed. BRASILIEN????
„Alles klar Momo, Brasilien wird gewinnen, aber jetzt lasst uns mal mit Englisch anfangen.“

Wie die Zeit verfliegt

Verhängnisvoller Schuljahresendstress macht sich breit. Gepaart mit einem erheblichen Abfall an zur Verfügung stehender Zeit, kann man da schon etwas ins Trudeln kommen. Heute bin ich extra eine Stunde früher in die Schule gefahren, um schon mal die Zeugnisse zu tippen. Und wie das immer so ist – hier fehlt noch eine Ag und dort ist ein Name falsch geschrieben und bei Taifun stimmt die Mathenote doch nicht usw.

Die Fehlzeiten konnte ich auch erst heute nachmittag zusammenzählen und überhaupt – wer ist denn schon in einem Tag mit dem Zeugnisschreiben fertig. Mein Ziel – Morgen fertig sein. Pünktlich zum EM-Start möchte ich mich eigentlich nur noch peripher mit der Schule beschäftigen. Deshalb plane ich für morgen auch keinen dollen Unterricht mehr. Die doofe Achte habe ich ja noch mal. Die bekommen einen Film. Wenn ich den morgen anfange, dann kann ich damit auch noch die Stunde am Montag füllen. Die haben jetzt ein Jahr lang kein Englisch von mir lernen wollen, dann werden sie jetzt nach der Notenabgaben wahrscheinlich auch nicht damit anfangen und ich habe wenigstens meine Ruhe. Die Siebte wird in Englisch morgen das machen, was ich heute mit meinen in Englisch gemacht habe – schnöden Englischbuchunterricht. Das versuche ich bis kurz vor die Zeugnisübergabe auszudehnen. Vielleicht in der letzten oder vorletzten Stunde mal einen Song bearbeiten. Bloss keine Spirenzien mit den Kleinen – „Spielen“ oder mal „Was Schönes machen“ verkraften die nicht gut.

Ich hätte auch gar keine Zeit etwas vorzubereiten, denn ich bin gerade erst rein und muss gleich wieder raus zum Sport und wenn ich wiederkomme ist es schon spät und dann muss ich mir was zum Essen machen und fernsehen und mich entspannen. Ich war heute schließlich – ohne Grund – schon um 5 Uhr wach.

Passiert ist heute auch nicht aufregendes. Frl. Krise hatte ja wenigstens Sportfest und die kann sich jetzt schön noch von ihrer Klasse verabschieden – an die Ostsee fahren, oder in den Heidepark oder Grillen. Das war ja letztes Jahr alles sehr aufregend bei mir – die letzten Tage mit meiner Klasse. Ich bin ja sehr gespannt, ob ihre Klasse es schafft ihr und Karl etwas zum Abschied zu schenken. Meine haben das ja damals nicht hingekriegt.

Okay, ich muss los. Morgen wie was mit vallah, vallah usw. Versprochen!

MEG – mit freundlichen Grüßen!

Gestern wollte ich unbedingt was schreiben, aber das Fräulein hat mich voll abgehalten. Neeeein, meint sie mir von Ecke – mach‘ nich‘! Lass mal hierhin gehen und dann dahin und dann noch Essen und ich immer nein, vallah, ich will Blog schreiben. muss ich Blog schreiben! Sie dann so – ihhh hau ab du Streberbraut!
Ich dann: „Was Streberbraut. Hab ich Verpflichtungen.“
Sie: „Was Verpflichtungen-Vermichtungen. Ich schreib‘ doch auch nicht.“
Ich dann so zu ihr: „Mir doch egal ob du auch nicht schreibst.“
Sie: „Gar nicht egal.“

Naja, und dann habe ich eben noch eine Folge True Blood geguckt, weil dis is ja jetzt auch wieder voll interessant mit den Hexen und so und wie Jason, der arme Jason bei der Panther-Assi-Famlie ist, die Ratten essen und Eric N. ist voll der Nette und sieht aus, als wäre er Basketballspieler. Und als dis dann fertig war, kam ja schon fast Mehmet Göker oder wie der heißt auf ARD und dann musste ich ja noch alle, die ich kenne anrufen, dass sie das auch gucken müssen, weil ich ja schon mal was über den gesehen habe und mich so sehr darüber bepfiffen hab‘ dass, ich finde, dass man das nicht versäumen tun darf.

MEG – die Welt liegt uns zu Füßen… das ist ja wohl die verrückteste Geschichte, seit Gaddafi. Mehmet – gelernter Versicherungsvertreter – verkauft nach der Ausbildung Krankenversicherungen am Telefon und ist nach kurzer Zeit Millionär und dann baut er sich da so ein Imperium auf: Mischung zwischen Stalin, Hitler, Goebbels, die Welle, Scientology und irgend so einer fundamentalistischen Christengruppe im Mittleren Westen der USA. Immer heiser und überdreht schwört er jeden Morgen seine Angestellten ein. Mit Mikro und Verkaufszahlen. Alles ist auf Gratifikation und Konkurrenz gebaut und viel „Yes we can“. Und alle stehen voll auf Statussymbole – teure Schlitten, die er am Ende gar nicht mehr bezahlen muss, teure Uhren, edle Klamotten, blonde Frauen (hat er natürlich auch eine von). Und immer Sushi und Koksen und Feiern.
Die ganze Belegschaft wie in Trance. Und bei einer Feier tätowieren die sich auch noch alle MEG auf das Handgelenk.

Und alles ist so billig und trashig. Große Plakate mit seinem Namen und Fotos von den besten Mitarbeitern und ständig diese Feiern mit den grauen Langweilern von den Versicherungen, die plötzlich auch voll viel verdienen. Und alle gehen sie ihm auf den Leim. Großartig. Wirklich. Lief gestern in der ARD. Wer das nicht gesehen hat – unbedingt in der Mediathek nachgucken. Natürlich kommt dann irgendwann die Steuerprüfung und Huch! – irgendwas stimmt mit den Steuerzahlungen nicht. Falls der überhaupt jemals welche gezahlt hat. Hat allerdings jetzt 24 Millionen Euro Schulden an der Backe.

Und dann verkauft er einfach seine Firma für einen Euro und setzt sich in die Türkei ab und macht da weiter. Als Angestellter in der neuen Firma – seiner MUTTER!!! Wirklich – sehr beeindruckend. Wenn das irgendwann mit meiner Lehrertätigkeit aufhört und auch keiner mehr mein Buch kaufen will, dann mache ich das auf jeden Fall so wie Mehmet. Von der MEG lernen heißt Siegen!