Heute hatte ich Besuch in meinem Unterricht. Von Erwachsenen. Von Erwachsenen aus einem fernen Land. Lehramtsstudenten. Paßte mir eigentlich gar nicht, denn ich wollte doch einen food-Vokabeltest schreiben und dann ein popliges Arbeitsblatt ausfüllen lassen. Habe ich also alles spontan umgestellt und es gab FOOD BINGO!!!! Yeahhhh!!!!
Bevor die Studenten kamen habe ich die Schüler geimpft: „Wir kriegen heute Besuch. Von Erwachenen.“
Ibrahim gleich darauf: „Ahhh, da sollen wir uns benehmen.“
„Ihr sollt euch immer benehmen, nicht nur wenn Besuch kommt.“
„Aber in der Grundschule hatten wir auch immer Besuch, bei der einen Lehrerin und die haben dann geguckt, wie die Unterricht gemacht hat und da mußten wir uns immer sehr gut benehmen.“
„Ahh, eine Referendarin. Und habt ihr euch da benommen?“
„Ja, und dann gab es Schockolade.“
„Na, hier gibt es nichts.“
Der Besuch kommt. Sie wollen sich nach hinten setzen. Nichts da. Sie werden an die Gruppentische verteilt und sollen sich vorstellen. Sie sprechen kein deutsch. Günstig, dass wir Englischunterricht haben. Sie stellen sich vor – Name, Alter und was für ein Fach sie studieren. Sie sind jung. Anfang 20. In dem Alter bin ich noch ahnungs- und orientierungslos durch die Welt geturnt. Niemals hätte ich mich mit 22 in eine Schule begeben. Na ja, jedem das Seine (oder seine? Frl Krise – du sagen!)
Wir fangen mit Hangman an – haben wir so oft mit angefangen, dass ich einen Schüler an der Tafel abstellen kann. Ich setze mich neben Murat, der schon anfängt seine Macken zu kriegen (wie Samira sagen würde). Es läuft wunderbar. Nur das mit dem Melden noch nicht. Aber egal, die Schüler sind voll dabei und ich bin stolz. Dann FOOD BINGO!!!! Yeah, ich liebe Bingo. Weniger liebe ich es das Spiel zu erklären. Die meisten Schüler kennen es und die die es nicht kennen, werden es schon irgendwie raffen.
Es gibt leichte Verwirrung, die Lehramtsstudenten schreiben und schreiben. Sollen wahrscheinlich das Lehrerverhalten dokumentieren. Mir doch egal. Dann wird gespielt. Murat darf vorne sitzen und Kärtchen ziehen (aus einem Beutel, den mir Frau Dienstag genäht hat – die kann ja wirklich alles). Schinken – ham, coffee – Kaffee, vegetables – Gemüse, meat – Fleisch – BINGO!!!!! So geht das ungefähr 20 Minuten. Die Studenten spielen mit, gewinnen aber nie.
Als die Luft raus ist, hole ich das furzeinfache Arbeitsblatt raus (eigentlich sind es drei – sicher ist sicher) und lasse es verteilen. Konzentrierte Ruhe. Niemand ist überfordert und man zeigen mir mal den Schüler, der sich ernsthaft über Unterforderung beschweren würde.
Kurz vorm Klingeln lasse ich die Schüler in Gruppen noch mal die Vokabeln abfragen. Zufrienden stolziere ich durch die Klasse. Lief doch super. Plötzlich traue ich meinen Ohren nicht. An einem Tisch läuft eine angeregte Unterhaltung zwischen den Schülern und einer Lehramtsstudentin: „And did you come with the plane?“
„No. With the train.“
„And how many hours with the train?“
„Eight.“
„You like Berlin? Frau Freitag, was heißt Sehenswürdigkeiten?“
„Ich verwirrt: „Sights.“
„You see sights in Berlin?“
„No, not yet.“
Jetzt mischt sich Elva ein. Ich hatte ihr gerade in die Zensurenliste eine fünf eingetragen, weil sie nie mitmacht.
„You like shopping?“
„Yes.“ antwortet die Studentin und Elva ruft begeistert: „Ohhh I love shopping,too.“
Dann klingelt es. Die Schüler stürmen fröhlich aus dem Raum und lassen mich total verwirrt zurück. Woher soll ich denn wissen, dass die Englisch können? Meine Verwirrung lässt allerdings schnell wieder nach, denn in der folgenden Stunde kann ich mich mal wieder davon überzeugen, dass meine Klasse, sich nach drei Jahren Englisch bei mir jegliche Fremdsprachenkenntnisse abgewöhnt hat. Vielleicht sollte ich diese Siebtklässler schnell zur Realschulprüfung anmelden, bevor die noch so schlecht werden, wie meine Schüler.