Was man nicht alles für Rente tut

Wochenende. Zeit zur Nachlese. Zeit, wieder milde gestimmt und nett zu werden. Frl. Krise macht ja Freitags gerne auch noch nachmittags Unterricht. Ich gehe am Freitag gerne möglichst früh. Neulich war ich mit meinen Schülern bei so einer Veranstaltung, wo sich mehrere Ausbildungsbetriebe vorgestellt haben. Das war sehr interessant. Draußen gab es so Spiel und Spaß Kram für Kinder. So mit Luftballons und Dosenschießen, Glücksräder drehen und so. und drinnen waren dann die Ausbilder und haben ganz konkrete Informationen zur Ausbildung gegeben. die waren alle total nett. Es gab die Meister, die Azubis und sehr viel Information. Es gab sogar konkrete Adressen, wo man sich bewerben kann. Und was es noch gab… ganz viele Lehrer wie mich, die rumrennen und alle Infos einsammeln und sich die Berufe erklären lassen, weil die lieben kleinen, die es eigentlich interessieren würde ja draußen mit Luftballons spielen und sich schlechte Tanzgruppen ansehen.

Aber was wäre ich denn für eine Lehrerin, die sich nicht bereitwillig alles anhört – ach ja, okay, erklären Sie mir doch bitte, wie man fachangestellte im Gastronomiebetrieb wird…Mir hat ganz schön der Kopf gebrummt, weil ich mir ja alles merken musste, ich muss ja meinen Schülern das dann später erzählen. jedem einzelnen. Ach, Erdal wollte doch zur Polizei, die sitzt dahinten… und Samira, ist zwar nicht mehr in meiner Klasse, aber die wollte doch Flugbegleiterin werden, ich Frage die Frau mal da drüben.

Kein einziger Schüler aus meiner Klasse hat sich blicken lassen. Und hat es mich gewundert? Überhaupt nicht. Hat es mich gestört? Irgendwie nicht. Wie ein fanatischer Sammler habe ich jedes Faltblatt an mich gerissen und in meinen Beutel gesteckt. An manchen Ständen gab es auch Kugelschreiber und Schlüsselanhänger, aber selbst nach dem ich mir stundenlang vom stotterndem Azubi den Beruf des Betongießers erklären lies, habe ich mich nicht getaut nach einem Gratisstift zu fragen. Auch den Kaffee und Kuchen der katholischen Altenpflege aber ich nur angestarrt, während ich nach der Möglichkeit fragte, ob man denn auch mit Kopftuch die Ausbildung bei ihnen machen könne und wo denn dabei das Problem sei. Sie waren nett, aber haben sie mir einen Kaffee angeboten? Nein. Und darf man ein Kopftuch tragen? Nein – doppel-nein!

Meine erbeuteten Infoschätze habe ich bei dem sehr netten Mann von einer großen Discounterfirma zwischengeparkt. Am Ende hatte ich zwei dicken fette schwere Taschen mit ALLES WAS ES GIBT DRINNE. Damit bin ich dann nach Hause gedackelt. Mein Kreuz tat weh, aber ich war glücklich.

Der Mann vom discounter fragte mich, als ich meine Beute abholte, ob das für meine Kinder sei. „Sie glauben doch nicht, dass meine Kinder nicht wüßten was sie mal machen sollen… das ist für meine faule Loserklasse, die alle noch nicht wissen, was sie werden sollen. Das schleppe ich in die Schule für die. Die sind ja draußen und spielen mit den Ballons. ich habe sogar 20 Hausaufgabenhefte für die ergattert.“

„Na hoffentlich lesen die das dann auch.“

„Dafür werde ich sorgen, dadrauf können Sie aber Gift nehmen, dass die das lesen. Die werden jeden einzelnen Flyer auswendig lernen müssen. Und sich bei mindestens 20 Unternehmen bewerben. Wer soll denn sonst später meine Rente zahlen???“

Und genau so werde ich das machen. „Keiner geht, bevor nicht die wöchentlichen drei Bewerbungen bei mir abgegeben wurden!“

Jetzt soll noch mal einer kommen.

Allgemein

6 Gedanken zu “Was man nicht alles für Rente tut

  1. Als wir damals im BIZ waren (Berufsinformationszentrum) mussten wir hinterher eine Arbeit (ich glaub war ein Aufsatz) über den TAG schreiben,- die wurde sogar benotet! Tja. Zeiten ändern sich. Aber das wär doch mal eine gute Idee, bin gespannt, was Ihre lieben Kinderchen dazu sagen….*pfeif*

  2. Ja, ich bliebe am liebsten auch noch samstags und sonntags in der Schule und Ferien hasse ich und Frau Freitag auch ….und ich suche mir bald eine NEUE ABF !!!!! Und dann komm ich NIE mehr zum Kommentieren auf diese olle Seite! Jawohl! !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  3. Sie könnten einen Test über den Inhalt sämtlicher Informationsbroschüren schreiben lassen, wäre das was? Ach ja, und wir mussten in der Neunten mal eine (fiktive) komplette Bewerbung abgeben, die benotet und als Klassenarbeit in Deutsch gewertet wurde.

  4. Wow, ich bin begeistert von der Mühe die Sie sich machen…und den Gedanken! Ich selbst war auch schon auf verschiedenen Messen, aber da habe ich keinen Augenblick daran verschwendet, über die Tatsache nachzudenken, dass die unsere Rente bezahlen. Hmm.
    Das einzige, was mich beschäftigt hatte, während die Schüler herumwuselten, war, wo ich mich verstecken und eine rauchen konnte. Und raten Sie, wen ich dort gefunden habe? Genau. Meine Schüler.

  5. Als wir auf solchen Messen waren, konnten wir den Lehrern beim Kaffeetrinken zugucken. Niemals wären die für uns rumgegangen und hätten auch noch gewusst, was wir werden wollen. Wie engagiert du bist! 🙂

  6. Ich hab mal mein Kind diesen Selbsttest von der Agentur für Arbeit online machen lassen. Wenn Ihr Computerräume habt, wäre das eine Idee. Mein Kind (dessen Berufswünsche sich in Rapper und Profifußballer erschöpften – frage nicht) war dann doch etwas von dem Zusammenhang zwischen Ausbildungsgrad und zu erwartetem Einsteigergehalt erschüttert und lernt seitdem mit etwas weniger Widerwillen. Und die diversen Tests (Leseverstehen, Logisches Denken etc. etc.) haben sein Selbstbewußtsein gestärkt. Kann ich sehr empfehlen.

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