„Frau Freitag, kennen Sie diesen Emre?“ fragt mich Gülistan aus der doofen Achten kurz vorm Klingeln. „Emre, aus meiner alten Klasse? Der der jetzt Rapper ist?“
„Ja.“
„Klar kenne ich den. Ach ja, der war doch gestern hier und hat gerappt mit diesen ganzen anderen Rappern, oder? Wie war das denn?“
Gestern fand eine große Musikveranstaltung mit unseren regionalen Gangsterrappern statt. Leider konnte ich daran nicht teilnehmen, denn ich hatte einen anderen Termin.
„Dieser Emre war der Beste.“ sagt Gülistan mit verträumten Blick.
„Ja vallah, bei sein eines Lied über seine Mutter, ich hab voll geheult.“ erzählt Dilara.
„Er hat nach Ihnen gefragt.“ sagt Yunus
„Wie er hat nach mir gefragt?“
„Bevor er angefangen hat zu rappen, hat er gefragt: Wo ist Frau Freitag?“
Schade, dass ich nicht dabei war, aber der Rest der Schule hat das gehört – das reicht. Und ich werde mir seinen Auftritt auf irgendeinem Schülerhandy ansehen können.
Es klingelt. Ich höre das unvermeindliche „Ich hab keine Englischsachen mit.“. Ich bin recht milde gestimmt. Mein Credo des Vormittags: Ich werde mich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
„Okay Leute – hier mein Angebot: Wir machen kurz die Höraufgabe von letzter Montag zuende und wenn das gut lief gucken wir noch die Simpsons.“ Da sich kein merklicher Widerstand regt, beginne ich mit dem Tafelanschrieb. Wir bearbeiten die Aufgabe, dann baue ich den Beamer auf.
Während die Schüler erfahren, was Barts erste Worte waren und wie Lisa und er sich kennenlernten, räume ich meinen Schreibtisch auf. Eine sehr angenehme Stunde, die auch zeitlich gut hinhaut, denn zehn Minuten vor Schluss baue ich den Beamer und den Laptop ab. Als ich gerade den Schrank aufschließe, geht die Tür auf und Fatma und Miriam aus meiner letzten Klasse stehen aufgeregt in meinem Raum. Die Achten glotzen sie schweigend an.
Fatma hält einen riesigen Strauß Rosen in der Hand, der aufwendig mit durchsichtiger Folie und bunten Bändern verziert ist und Miriam überreicht mir eine megagroße Merci-Packung. „Frau Freitag, wir wollten Sie besuchen kommen und Ihnen unsere Zeugnisse zeigen.“
Ich entlasse die achte Klasse.
„Na, zeigt mal her!“
Miriam und Fatma strahlen glücklich, als sie mir ihre Zeugnisse überreichen. Überall nur Zweien und Dreien.
„Wir sind die Besten aus der Klasse.“ sagt Miriam.
„Ich mach jetzt den Erweiterten, dann MSA und dann Fachabi.“
„Wir machen nach den Ferien Praktikum im Kindergarten.“
„Na Mädels, das klingt ja alles super. Habt ihr denn was von den anderen gehört? Da waren doch noch mehr aus der Klasse auf dem OSZ.“
„Elif macht sich nicht so gut und Marcella ist wegen Schwänzen von der Schule geflogen.“
„Und Asmaa?“
Fatma guckt mich ernst an: „Die ist schon seit einem Monat im Irak und verlobt mit ihrn Kuseng.“ Miriam verdreht die Augen und mir fällt dazu auch nichts mehr ein.
Wir gehen vor die Schule, weil ich vor der Zeugnisübergabe mit meiner Klasse noch ein Zigarette rauchen möchte. Die Mädchen erzählen von ihrer Schule und schwärmen davon, wie begeistert die Lehrer von ihnen sind. „Abooo Frau Freitag, die anderen Schüler bei uns sind sooo schlecht. Wenn wir Diktat schreiben, Sie wissen, wenn wir immer Diktat bei Frau Hinrich geschrieben haben, sie hat immer voll schnell diktiert und jetzt: ein Satz, dann eine halbe Stunde Pause. Ich dachte, was ist das?“
Als es klingelt umarmen und verabschieden wir uns und ich gehe zu meiner neuen Klasse, um die Zeugnisse zu überreichen.
Als ich den Raum aufschließe fragt Hamid:“Frau Freitag, kennen Sie diesen Emre?“