Leidenschaft immer Dienstags

„Ja, was wollen Sie denn nun?“
„Also noch mal: Ich habe letztes Jahr im Winter ein Implantat bekommen. Also eine Schraube…“ während ich spreche ziehe ich mit dem Mittelfinger meinen Mund zur Seite auf, um der Sprechstundenhilfe ein visuelles Verständnis meines Problems zu geben. „…un‘ da is‘ ja immanoch die Tzahnlücke…“ Ich nehme den Finger wieder raus. „…und jetzt wollte ich fragen, was ich jetzt mache? Wo soll ich jetzt hin? Zum Zahnarzt oder zum Implamatör?“

Oh Gott, ich hätte mich auf diesen Besuch gründlicher vorbereiten sollen. Falls ihr euch nicht mehr erinnert: Irgendwann im Winter war ich beim smarten Dr. Müller-Wohlfahrt, der eine Stunde in meinem Mund rumgebohrt hat und mir dann noch seine Privatnummer gab. Zum Abschied sagte er: „Wir sehen uns dann im April.“ Und ich sagte: „Ohhh Aprüül, dann isch ja schon Frühling.“

Das war letztes Jahr. Nun war gerade April, Frühling ist auch schon lange und ich habe eine Schraube oder einen Stift oder irgendwas im Oberkiefer, 1600Euro bezahlt und genau die gleiche Zahnlücke wie letzen Winter. Also dachte ich mir – das kann ja nicht sein, dass ich eine Woche aussehe wie der Elefantenmensch, 1600 Öcken zahle und dann noch nicht mal einen Zahn habe.
Deshalb bin ich vorhin zu meinem Zahnarzt, um zu fragen, wie das jetzt weitergehen soll. Ich habe keine Ahnung, was jetzt passieren wird. Irgendwie muss doch ein Zahn gemacht werden und der muss dann auf diese Schraube. Aber macht das der Zahnarzt oder Dr. M-W? Und wie heißt der – Implantatör wahrscheinlich eher nicht.

Der Zahnarzt ist nicht da und die Sprechstundenhilfe hat leider keine Ahnung. Sie kann mir nicht sagen, welche Arbeitsschritte bei einem Implantat nötig sind. Müsste sie eigentlich wissen. Ist doch irgendwie auch ihr Job – so was zu wissen. Ich weiss nicht mal was das Implantat ist – der fertige Zahn oder die Schraube und ist das überhaupt eine Schraube? Sie erzählt mir etwas von „Das Implantat muss noch freigelegt werden.“ Klingt nicht gut. Ich höre lieber nicht so genau hin.

Wir einigen uns darauf, dass ich bei Dr. Müller-Wohlfahrt anrufe und ihn nach dem Prozedere frage. In meinem Bekanntenkreis konnte ich mich auch nicht schlaumachen. Die meisten haben kein Geld für so luxuriösen Schnickschnack. Und Frl. Krise – die mir ja immer alles nachmachen musste hat ja gerade mal die erste OP überlebt und garantiert auch keine Ahnung wie das bei ihr dann weitergeht. Um mich auszustechen hat sie sich gleich mehrere Implantate machen lassen und dann auch noch mit Lachgas. Sie sollte gar nicht mehr Frl. Krise heißen – Madame Luxury wäre angebrachter. Egal.

Jedenfalls bin ich zu Hause wild entschlossen mich bei Dr. Müller-Wohlfahrt zu melden. Ich finde aber seine Telefonnummer nicht und gucke deshalb im Internet nach. Und ihr glaubt es nicht was da steht…
Dr. Müller- Wohlfahrt – Zahnarzt aus Leidenschaft
Super – Zahnarzt aus Leidenschaft – ich kann es gar nicht glauben. Ich möchte auch Visitenkarten: Frau Freitag – Lehrerin aus Leidenschaft.
Beim Dr. M-W bekommt das Wort LEIDEN-SCHAFT ja auch eine ganz neue Bedeutung…

Ich bin jedenfalls sofort wieder Fan vom Doc. und rufe ihn also gleich an.

„Hallo Praxis Dr. Müller-Wohlfahrt?“
Ich sage meinen Namen, ich buchstabiere meinen Namen – mehrfach – versuche dann mein Problem zu erklären und mache schließlich verzweifelt einen Termin für nächste Woche.
Irgendwie scheint niemand von den Beim-Arzt-arbeitenden-Frauen zu wissen, was der Doktor da eigentlich hinter der Milchglastür so macht. Ist doch kein Staatsgeheimnis, wie man ein Implantat setzt, oder?

„Sie müssten da schon zu einem Beratungsgespräch zum Herrn Doktor Müller-Wohlfahrt kommen. Er ist aber nur Dienstags in der Praxis.“

Ich mache einen Termin für nächsten Dienstag und denke: Zahnarzt aus Leidenschaft – aber bitte nur Dienstags.

PS: Die Zahnärztinnen unter euch Lesern können mir ruhig KURZ, KNAPP UND VERSTÄNDLICH erklären, was mich (und das Fräulein) erwartet. Wie viele Sessions, wie lange das ungefähr dauert und vielleicht sogar was so ein Zahn kostet.

Abooo, warum machen wir nicht richtige Klassenfahrt?

Ich bin soooo müde – die Wetterumstellung, die Klassenfahrt, die Feiertage, das Fernsehen, die Zeit vor den Sommerferien… alles macht mich fertig. Und jetzt soll ich auch noch gleich zum Sport gehen. Ich habe Frau Dienstag bald soweit, dass sie sich auch bei Power Plate anmeldet. Zu Zweit rütteln ist ja auch viel spaßiger, als alleine. Mein Hautbild hat sich ja schon dermaßen verfeinert… ich kann euch sagen… man sollte Power Plate für alle Menschen als Verpflichtung machen – so wie GEZ. Jeder muss drei mal in der Woche da drauf. Pickel und Cellutite würden aussterben, wie Pocken und Pest.
Aber jetzt noch mal zur Klassenfahrt.

Also vorher muss ich vielleicht sagen, dass wir gar nicht so eine normale Fahrt gemacht haben, sondern so eine Erlebnispädagogikfahrt. Vorteil: da gibt es ein festes Programm. Nachteil: da gibt es ein festes Programm.
Leider konnte ich meiner Klasse nicht richtig vermitteln, was das für ein Programm sein wird und wie das ablaufen wird.
„Die machen da so Sachen mit euch. So Übungen und Spiele. Das macht Spaß.“
Günther meldet sich: „Frau Freitag, sind das so Sachen, die Ihnen Spaß machen oder Sachen die UNS Spaß machen?“
„Gute Frage, Günther. Natürlich sind das so Sachen, die EUCH Spaß machen.“ sage ich und stelle mir vor, wie meine Klasse mit mir auf meiner Couch abhängt und von Goodbye Germany zu Die strengsten Eltern der Welt hin- und herschaltet und in den Werbepausen mit Fräulein Krise telefoniert. Das macht mir Spaß. Ich könnte mir kaum irgendetwas vorstellen, was mir mehr Spaß machen könnte, als das. Dabei rauchen und ein paar von den Chips essen, die wir noch vom Grandprix-Gucken über haben.

„Nun wartet mal ab, das wird euch da schon gefallen.“
Überzeugen konnte ich meine Klasse nicht. Als wir dann in dieser Einrichtung ankamen und die Betreuer die Schüler fragten: „Ihr wisst ja sicher, warum ihr hier seid.“ Kam auch prompt: „Klassenfahrt.“

Als ihnen dann mitgeteilt wurde, dass sie den ganzen Tag „was machen müssen“ und nicht 12 Stunden Freizeit haben werden, ging das Gemurre gleich los: „Abooo, warum machen wir nicht richtige Klassenfahrt? Jetzt müssen wir hier arbeiten… hätten wir ja gleich in der Schule bleiben können…“
Ich musste meine Klasse erstmal aufklären, dass richtige Klassenfahrten eigentlich erst in der Achten gemacht werden und sie ja nun das absolute Privileg hätten auch schon in der Siebten wegzufahren. Hauptsache erstmal meckern. Dass die Arbeit wirklich Spaß machen würde und wir sogar zweimal ins Freibad gehen würden, wussten sie ja auch noch nicht. Ich weiss gar nicht, was die Schüler sich eigentlich unter einer „richtigen Klassenfahrt“ vorstellen. Ich erinnere mich an endlose, qualvolle Wanderungen, Besuche in Glasbläsereien und allerlei todeslangweilige Führungen durch öde Altstädte. Aber bitte – können sie haben. Einmal Harz bitte – Bergwerksbesichtigung, Rauf auf den Brocken, runter von Brocken, Wellenbad mit lauter Omis und Opis und keinen richtigen Wellen, Glasbläserei – heiß, laut und langweilig und abends vor der Jugendherberge Tischtennis und verkochtes Gemüse zum Abendbrot.

Oh Mist, Power Plate wartet. Morgen mehr. Mehr zu Alinas Megapickel, wie die Cola zu Alkohol wurde, wie die Schüler endlich merkten, dass ich ein Werwolf bin und wie Hamid feststellte, dass der Nachtisch nicht Fair Trade war.

Zucker, Cola und Red Bull

So, jetzt bin ich wieder da. Die Reinkubationszeit nach so einer Klassenfahrt dauert echt lange. Ich sag‘ euch – so eine Klassenfahrt mit einer Siebten ist nur was für die ganz Harten. Und das liegt nicht mal so sehr an den Schülern, sondern an mir. Ich hätte mich ja auch mal ein wenig rausziehen können aus dem ganzen Trubel. Mal aufs Bett legen und eine halbe Stunde schlafen, oder mal abends meinen Blog schreiben… den Laptop hatte ich dabei, aber nie aufgemacht. Ich bin einfach zu neugierig. Ich wollte einfach nichts verpassen. Und nachts musste ich dann alles noch mal mit der Erzieherin durchquatschen und analysieren.
„Echt, das hat der gesagt?“
„Hast du gehört, was Rosa über Vincent erzählt hat?“
„Alinas Pickel wird ja megagroß.“ usw.

Kurz gesagt: Am Meisten gestresst war ich mal wieder von mir selbst. Die Schüler waren eigentlich recht gechillt. Noch bis Pfingstsonntag war das Mantra meines Freundes: „Komm‘ mal runter! Du musst dich mal entspannen!“

Eigentlich wollte ich ja jeden Tag berichten. Tja, was mache ich jetzt? Es sind ja so viele lustige Sachen passiert auf der Fahrt… vielleicht fange ich einfach mal mit Montag an.

Wer kommt als Letztes zum verabredeten Treffpunkt? Frau Freitag. Alle Schüler sind schon da und auch viele Eltern. Durch meine Verspätung habe ich leider auch versäumt, wie Alina mit Hamids Mutter gesprochen hat. Die Erzieherin hat die beiden vorgestellt und sie haben sich mal so von Frau zu Frau über Hamid unterhalten. Wäre das also auch erledigt. Dann ging es los. Anfahrt – unspektakulär. Dann der Bezug der Zimmer.

„Das Bett ist zu hoch. Ich schlafe immer auf dem Boden. Ich kann nicht auf so ein Bett schlafen.“ Orkan hat ja viele Geschwister und wahrscheinlich haben die tausend Matratzen übereinander gestapelt, die dann immer nachts auf dem Boden verteilt werden. Nachmittags dachte ich noch, dass er sich an so ein Bett gewöhnen würde. Nachts haben wir dann seine Matratze auf den Boden gelegt. Onur war das Bett zu niedrig und überhaupt sahen die Zimmer gar nicht aus, wie ihre Kinderzimmer.

Die erste Nacht – grauenhaft!
Die Schüler sollen um 9.30Uhr auf den Zimmern sein und um 10 Uhr sollte Ruhe herrschen. Aber wie soll Ruhe einkehren, wenn man sich den ganzen Tag ausschließlich von Süßigkeiten, Energydrinks und Cola ernährt hat? Meine Klasse – aufgeputscht wie die Loveparade. „Ich kann nicht schlafen.“ „Ich bin nicht müde!“ „Frau Freitag, kommen Sie schnell, hier ist eine Riesenspinne an meinem Bett.“ Ich rannte mit der Erzieherin von Zimmer zu Zimmer – Schnaken fangen und Spinnen finden. Meine Schüler sind keine Helden. Angst vor Schnaken haben die. Soviel Angst, dass sie fünf Tage nicht die Fenster öffneten. Meine Angst, sie könnten nachts nach draußen und in die anderen Zimmer steigen war völlig unbegründet.

In der ersten Nacht wurde so lange rumgehext, dass ich am nächsten Tag ein Cola-Trink-Verbot aussprach. Ab da wurde es dann richtig lustig. Zwölfjährige auf Zuckerentzug – fast so schlimm wie auf Red Bull.

Hamids 100%

heute leider keine zeit zu schreiben. nicht mal für großbuchstaben. aber hier schnell das ergebnis der geheimen abstimmung: die klasse will, dass hamid mit auf die klassenfahrt kommt – einstimmig dafür!

Günther ist müde

Günther. Günther fehlt. Günther fehlt oft. Gerne mal die ersten Stunden. Wenn er dann so gegen 10 Uhr in den Unterricht schleicht und ich ihn frage, warum er so spät kommt, dann guckt er mich verwirrt an: „Verschlafen!“. Als wäre das nicht total klar. Logisch – verschlafen. Herr Günther braucht seinen Schlaf. Manchmal wacht er wohl auch den ganzen Tag nicht mehr auf.

Mama Günther war schon zum Gespräch in der Schule.
„Wie läuft das denn morgens?“, frage ich sie.
„Na ich gehe ja schon sehr früh aus dem Haus.“ Mama Günther arbeitet als Reinigungskraft in einem Bürohochhaus. „Ich rufe ihn dann an, wenn er aufstehen soll.“
„Aber er steht dann nicht auf, oder wie?“
„Naja, manchmal steht er auf und legt sich dann wieder hin.“

Am Montag fehlt Günther wieder in der ersten Stunde. Ich denke, ach na ja, der wird dann wohl in 40 Minuten oder so eintrudeln. Später frage ich die Schüler auf dem Hof, ob Günther mittlerweile aufgetaucht ist. Keine Spur von ihm. Ich visualisiere Günther gemütlich im Bett und werde ein wenig neidisch. Ich kann nicht einfach drei Stunden zu spät kommen und mich mit einem lapidaren „Verschlafen“ an meine Arbeit machen. Ich war in meiner Laufbahn als Lehrerin vielleicht drei Mal zu spät. Einmal ist der Wecker nachts stehengeblieben. Ich wachte auf – Blick auf die Armbanduhr – VOLLSCHOCK – das schaffe ich NIE IM LEBEN. Der Freund schlummert gemütlich neben mir. In meiner Panik habe ich den erstmal auch aufgeweckt: „Scheiße, scheiße, wach auf!!! Ich bin zu spät! Ich schaffe das nicht mehr zur ersten Stunde! Was mache ich denn jetzt? soll ich anrufen und sagen, dass ich krank bin, oder soll ich anrufen und sagen, dass ich verschlafen habe und noch losfahre oder soll ich nicht anrufen und sagen, der Bus hatte eine Panne?“ Und was sagt der Freund?
„Ja.“
Frühmorgens ist der Freund echt keine Hilfe. Ich habe dann angerufen und die Wahrheit gesagt. War dann auch gar nicht so schlimm und ich war auch nur 10 Minuten zu spät. Die Schüler hat es jedenfalls gar nicht gestört: „Jetzt hätten Sie auch nicht mehr kommen müssen. Lohnt sich doch gar nicht mehr.“
„Sie sind voll der Streber Frau Freitag, nie sind Sie krank.“

Günther ist da ganz anders als ich. Der liebliche Ruf des Weckers oder die in mahnende Mama am Handy sind für ihn doch kein Grund aufzustehen. Da verläßt seine arme Mutter mitten in der Nacht das Haus und er pennt in Ruhe bis Mittags um 12. Aber das wird sich jetzt ändern, denke ich am Montag um 14 Uhr.

„Hallo Mama Günther, hier ist Frau Freitag. Ich wollte fragen, wo der Günther ist.“
„Ist der nicht in der Schule?“
„Also, wenn er sich bisher nicht erfolgreich versteckt hat, dann nein.“
„Oh. Ich bin noch unterwegs. Dann ist er bestimmt auf dem Sofa wieder eingeschlafen. Und schläft noch.“
„Wie er schläft noch? Es ist 14 Uhr.“
„Ja manchmal schläft er noch, wenn ich wieder nach Hause komme.“
„WAAAASS? Was macht der denn nachts? Arbeitet der Nachtschicht, oder was?“
„Nein, nein.“
„Na, das könnte er jedenfalls. Na, wenn sie nach Hause kommen, dann gucken Sie mal, ob er da ist. Und es wäre nett, wenn Sie mir eine SMS schreiben könnten, was mit ihm war. Telefonieren können wir dann nicht, denn ich bin noch bis um 16.30Uhr in der Schule.“ Von 7.30Uhr, denke ich mir still dazu. Den ganzen Tag auf Arbeit, während Herr Günther gemütlich auf der Couch pennt.

Als ich völlig erschöpft im Bus sitze, erhalte ich von Mama Günther folgende SMS:
Hallo Frau Freitag
wie gedacht ist Günther wieder auf dem Sofa eingeschlafen. Ich bitte sie es wieder einmal zu entschuldigen. Mit freundlichen Grüßen
Mama Günther.

Ich bin baff und diesmal nicht darüber, dass Güther bis 16 Uhr durchschläft, sondern darüber, dass ich es WIEDER EINMAL entschuldigen soll. Was heißt hier eigentlich wieder einmal? Ich habe von Mama Günther noch nie eine Entschuldigung erhalten. Und was stünde denn auch da drin? Günther musste 20 Stunden schlafen – sorry, aber der ist immer sehr müde…
Ich rufe die Mutter sofort an:
„Mama Günther, ich kann das nicht entschuldigen. Verschlafen ist nicht zu entschuldigen. Also, wenn das ein oder zwei Mal vorkommt. Aber Günther verschläft ja JEDEN Tag.“

Kurzes Schweigen, dann: „Ja, aber wenn ich ihm jetzt eine Entschuldigung mitgebe und schreibe, er hatte Bauchschmerzen, dann wäre das ja auch gelogen.“
Dazu fällt mir gar nichts mehr ein. Ich denke, da müssen Günther, seine Mama und ich noch mal ein etwas längeres Gespräch führen.

Krass – so viel Demokratie auf einmal

„Sollen wir einen Stuhlkreis machen?“
„Oh nöööö, Frau Freitag. Das dauert so lange.“
„Okay, aber dann sollen sich die, die in der Mitte sitzen, an den Rand setzten, damit sich alle sehen können.“, sage ich und bin mir nicht sicher, wie das jetzt werden wird.

Unser erster Klassenrat. Oder wenigstens eine abgespeckte Version davon. Hamid und sein Verhalten haben mich ja noch das gesamte Wochenende beschäftigt. Mit Mama Hamid habe ich dann sogar noch während des Showdowns beim Tatort telefoniert, so dass ich überhaupt nicht mehr mitbekommen habe, warum die Frau entführt wurde. Hamid hatte nicht die Mädchen wiederholt beleidigt, sondern auch andere Schüler der Klasse massiv unterdrückt. Jedenfalls waren die Erzieherin und ich auf 180. Freitag stand für uns schon fest, dass wir ihn nicht mit auf die Klassenfahrt nehmen werden. Dann 1000 Telefonate – mit Hamid, mit einer anderen Mutter, mit der Erzieherin und schließlich dann auch mit Hamids Mutter.
Nach jedem Gespräch wurde ich aufs Neue verunsichert: Haben wir uns richtig entschieden?
Waren wir zu hart? Ist die Sache wirklich so und nicht so gelaufen… Am Sonntag um 23Uhr war ich sehr viel unschlauer als am Freitagnachmittag.

Die Erzieherin und ich beschließen, alles mit der Klasse zu besprechen. Der Deutschlehrer – der alte Diplomat – gibt mir Tipps. Und heute ist es dann endlich soweit. Unser Plan war zunächst: Aufklärung.

Erste Stunde: Wir schrieben zwei Themen, die beide Hamid betrafen an die Tafel, inklusive ein paar Stichwörter. Jeder sollte aufschreiben, was ihm oder ihr dazu einfiel. Anonym. In absoluter Ruhe fassten die Schüler alles zusammen. Kurz vor dem Ende der Stunde sammelten wir die Blätter ein und lasen sie vor. Am Ende kam ein lückenloses Bild heraus. Sehr gut.

Ein paar Stunden später also unsere Demokratieübung:
Ich erkläre kurz einige grundsätzliche Gesprächsregeln, Rosa führt die Rednerliste und schon geht es los. Die Schüler melden sich, sagen sachlich ihre Meinung, gehen aufeinander ein, keine Unterbrechungen, keine Kommentare, keine Beleidigungen. Nur mir fällt es schwer nicht immer sofort meine pädagogischen Zusätze in den Raum zu werfen. Auch ich muss mich melden und warten, bis ich dran bin. Voll anstrengend für jemanden, der es gewohnt ist, IMMER zu sprechen, wenn er gerade Bock drauf hat.

Zunächst geht es um die Klasse allgemein. Ich frage, warum sich die Mädchen untereinander so gut verstehen und wie das bei den Jungs sei.
Die Mädchen haben das schnell erklärt und stellen dann fest, dass sich die Jungs gerne mal aus Spaß hauen und ärgern. Hamid sagt, dass er in den Pausen immer mit den Leuten aus seiner Grundschule zusammen ist und deshalb die aus der Klasse gar nicht so gut kennt. Überhaupt wird vermutet, dass man sich besser verstehen würde, wenn man mehr miteinander zu tun hätte.

Dann geht es darum, ob Hamid mit auf die Klassenfahrt kommen soll oder nicht. Die meisten Schüler sprechen sich dafür aus und begründen ihre Meinung auch sehr gut: „Ich sag mal, wenn er mitkommt, dann kann er doch alle viel besser kennenlernen und dann verändert sich sein Verhalten bestimmt.“
Hamid muss nach vorne kommen und zu sich selbst Stellung nehmen: „Meinst du denn, dass du dein Verhalten ändern kannst? Willst du das überhaupt?“
Er will und er meint er könne sich verbessern. Das ist ja auch nicht so schwer – schlechter geht es ja kaum.

Die Erzieherin und ich sind noch misstrauisch. Am Ende beschließen wir, dass es am Mittwoch in der Mittagspause eine geheime Abstimmung geben wird, ob er mit darf oder nicht. Bis dahin ist er auf Bewährung. Bis Mittwoch ist nicht mehr lange. Man darf gespannt sein.

Ich mache dir noch eine Schwester

Seit heute Nacht bin ich von Power Plate restlos überzeugt. Ich fühlte mich ja schon den ganzen Abend gerader, als vor dem Training. Als sei meine Wirbelsäule das erste Mal im Leben an der richtigen Stelle. Und dann liege ich heute morgen im Bett und als ich aufwache denke ich: Nanu? Was ist denn das? Ich bin ja viel größer als sonst! Meine Füße hängen aus dem Bett. Das tun sie sonst nie. Über Nacht gewachsen, nach einem Mal Power Plate Training… wenn das nichts ist…

In der Schule heute: schönste Frauenpower.

„Frau Freitag, wir müssen unbedingt mit Ihnen über Hamid sprechen!“
Meine Mädchen kommen immer in ihrer geballten Gesamtheit zum Treppenhaus, wenn ich aus dem Unterricht komme. Mit einer „So, jetzt reicht’s!“- Energie stehen sie dann alle empört vor mir und warten auf meine Reaktion. Ich bin jedes Mal aufs neue gerührt, dass sie sich mit ihrer Empörung an mich wenden.

„Okay Mädels, also, wir haben ja gleich zusammen und da besprechen wir das.“
Nach der Pause sitzen wir mit der Erzieherin im Freizeitbereich. Ich komme etwas später, weil ich mir gleich zu Beginn der Stunde Hamid geschnappt und ihn zu einer schriftlichen Stellungnahme verdonnert habe.

Alina ist schon mittendrin: „Und dann hat es mir gereicht. Frau Freitag, Sie kennen mich. Ich bin nicht so, dass ich gleich ausraste.“, sie guckt zu mir. Ich nicke. Alina ist wirklich die Ruhe selbst. Immer.

Zufrieden fährt sie fort: „Tut mir leid, aber Sie haben wirklich nicht genug gemacht mit Hamid.“ Und das stimmt leider. Wir haben immer pädagogisch auf ihn eingequatscht, dann Mutti einbestellt, dann Muttiheft, dann wieder Mutti. Anscheinend hat er sich mit unserem Eingelulle ganz gut arrangiert.

Alina berichtet weiter: „…und ich habe ihn dann neulich gesagt: Hamid. Du redest noch ein Mal so mit mir, dann passiert was. Er meinte: Wen holst du? Ich habe gesagt: ich hole niemand. Ich regel das selber. Und gestern hat er wieder so geredet und da bin ich ausgerastet. Okay, ich habe ihn auch Ausdrücke gesagt, das gebe ich zu, aber ich konnte einfach nicht mehr. Was denkt er, wer er ist? Haben seine Eltern ihn nicht erzogen? Er muss doch Respekt haben. Vor uns. Vor uns Mädchen, wir sind doch in einer Klasse. Wir sind doch die Mädchen der Klasse. Wir sind doch wie eine Familie. Ist doch, wie wenn wir hier wohnen.“

Sie guckt zu den anderen Mädchen. Die nicken ihr verständnisvoll zu.
Rosa guckt zu mir: „Wir sehen die Klasse doch mehr als unsere Eltern.“
Ich nicke auch. Da hat sie wahrscheinlich sogar recht.

„Also Alina, was sagt Hamid denn zu euch?“ frage ich und öffne damit den Gullideckel.
Jetzt reden sie alle durcheinander.
„Er fragt, ob mein Hintern und meine Brüste operiert sind.“
„Er sagt: Ich mach dir noch eine Schwester. Ich ficke morgen mit deine Mutter.“
„Oder er kommt morgens und sagt: Komm erzähl doch mal, wie gut es gestern mit uns beiden war. Voll eklig.“ Die Mädchen schütteln sich angewiedert, während sie mir von Hamids verbalen Entgleisungen berichten.

„Okay“, sage ich nachdem ich genug gehört habe. „Was machen wir jetzt?“
Alina hat die Idee: „Frau Freitag, holen Sie doch Hamid und wir sagen Ihm das alles.“ Ein hervorragender Vorschlag.
Einige Minuten später sitzt Hamid vor allen Mädchen der Klasse und muss sich so einiges anhören.

„Was haben dir denn deine Eltern beigebracht. Hamid, wie du mit uns redest, das geht nicht. Wir sind nicht solche Mädchen. Wenn du solche Mädchen brauchst. Dann hol‘ sie dir von der Straße. Aber rede nicht so mit uns.“ Alina macht das super. Also überlassen wir ihr auch den Rest der Ansprache. „Das muss sofort aufhören und ich will mit deinen Eltern sprechen und sie fragen, ob sie dich so erzogen haben. Die müssen das hören, wie du mit uns redest. So redet man nicht mit Mädchen.“

Hamid sackt in sich zusammen wie ein alter Luftballon. Am Besten gefällt mir der Part, wo Alina sagt, dass sie mit seinen Eltern sprechen will. Er guckt auf seine Schuhe, aber die scheinen ihm auch nicht zu helfen. Die Erzieherin auch nicht und ich auch nicht.

Irgendwann ist alles gesagt. Hamid schlurft nach draußen. Der hat seine Packung erhalten. Hoffentlich lernt er daraus etwas.

Vergnügt und zufrieden verabschieden sich die Mädchen von uns. „Danke, Frau Freitag.“
„Danke? Wofür? Ich habe zu danken! das habt ihr wirklich toll gemacht.“

Weltraumsport

Der Freund ernährt sich nur noch von Knäckebrot. Abends gibt es auch kein richtiges Essen mehr, sondern nur Obstsalat. Resultat: Er ist voll dünn geworden und ich esse dauernd draußen – und dort nicht gerade gesund. Heute war ich bei einer Forbildung und da gab es eine Kantine – na prost Mahlzeit – was ich mir da für Kalorien reingehauen habe, möchte ich gar nicht wissen. Jetzt löffelt er auch noch ein Yoghurt. Yoghurt nervt ja nun voll. Da gibt es ja nichts mehr zu kauen. Schlabber, schlabber.

Der wird immer dünner und ich immer dicker. Die Hosen werden auch enger und mein Sportzeug zickt und zwackt. Aber jetzt gibt es in meinem Sportstudio DIE neue Sache: POWER PLATE. Sieht aus wie ein Laufband ohne Band. Dieses Teil steht da nun schon seit ein paar Wochen und ich gucke es mir immer interessiert an, wenn ich mit Frau Dienstag zum Yoga gehe.
„Guck. Das steht da immer noch.“
„Was ist das?“ fragt sie.
„Power Plate. Das rüttelt dich so durch und du musst nur drauf stehen.“
„Pffff“, sie wirft nur einen kurzen verächtlichen Blick auf das Gerät. Freunde werden die beiden wahrscheinlich nicht. Aber mich lässt dieses Teil gar nicht mehr los. Zu Hause stöbere ich durch das Internet. Was will Power Plate? Was kann es? Was verspricht es mir?
Und siehe da – genau wie ich es mir schon dachte: Power Plate kann ALLES!!! Muskelstraffung, nie mehr Rückenschmerzen, Hautbildverfeinerung, natürlich nie mehr Cellulite usw. Eigentlich alles was man sich wünscht. Und das alles in nur 15 Minuten. Ach, und man fühlt sich natürlich nach dem Training SUPER. Das MUSS ich probieren.
Letzte Woche habe ich mich also gleich für ein Probetraining eingetragen und heute war es dann endlich so weit.

In meiner Vorstellung stelle ich mich jetzt mal für 20 Sekunden auf das Teil, es rüttelt ein wenig und schon habe ich glatte Oberschenkel. Dann setze ich mich noch drauf und mein Arsch sieht wieder aus wie mit 16.
Weit gefehlt. Die Beinübungen sind die Hölle. Man muss alles zweimal machen. Wenn man bei einer Übung ein Bein heben muss, dann muss man die Übung sogar vier Mal machen. Und ich wußte gar nicht, wie lang 30 Sekunden sein können. Nach einer halben Stunde sitze ich erschöpft auf dem Gerät und sehe, dass die Trainerin mit mir spricht. Jedenfalls bewegt sie ihre Lippen. Verstehen tue ich nichts mehr. Ich bin soooo kaputt.
„Hmmm, ja, danke… tschüß.“ Schnell weg hier und nach Hause auf die Couch. Was war das denn für ein Höllentraining? Entwickelt für den Weltraum. Spacetraining. In der Schwerelosigkeit sind die Übungen ja wahrscheinlich auch gar nicht so schwer. In der Down on earth Welt komme ich kaum die Treppen runter.

Und jetzt ende ich mal nicht wie üblich mit irgendeinem blöden Witz, sondern mit der Frage, ob es hier Leser gibt, die das schon mal probiert haben? Dieses Power Plate-Rüttle-Schüttel-Dings. Bringt das wirklich was? Oder ist das alles Humbug? Die von der Firma können mir ja viel erzählen. Wenn ich Werbung machen würde – ich würde bei jedem Produkt dazuschreiben, dass es das Hautbild verbessert und die Cellulite vernichtet.

Wie ein Kuseng

„Frau Freitag, Frau Freitag, kommen Sie schnell!!!“ Dilay, Elena, Katarina und Suzan fangen mich an der Treppe ab. Es hat gerade zur Pause geklingelt und ich will ins Lehrerzimmer, vorher aufs Klo, mir dann einen Kaffee holen und schließlich und endlich eine Zigarette rauchen.
Die Mädchen laufen aufgeregt vor mir. Suzan mit leicht aphatischem Blick.
„Jetzt mal langsam ihr Süßen, was ist denn los?“
Alle gucken zu Suzan, die anscheined am Besten weiss, worum es geht.
Suzan: „Frau Freitag, vor der Schule ist ein Mädchen von meine alte Schule und sie will mich schlagen.“
Schlagen???? JEMAND WILL EINS MEINER MÄDCHEN SCHLAGEN???? Eine Schulfremde??? Wo ist die Schlampe? Die greif ich mir!!! Niemand schlägt MEINE Mädchen!!!!
Mein Kamm schwölle an, wäre ich ein Hahn. So verschnellert sich wenigstens mein Schritt und mein System schaltet auf: ANGRIFF.
Ich haste über den Hof, die Mädchen stolpern hinter mir her und erklären mir die Hintergründe: „Sie hat mich schon in der Grundschule immer geärgert und gestern hat sie auf Facebook geschrieben: warte nur heute schlag ich dich. Und jetzt ist sie draußen vor dem Tor.“
„War sie hier in der Schule?“
„Ja, vorhin war sie auf dem Hof.“
Kurz vorm Tor drehe ich mich konspirativ zu den Mädchen: „Welche ist es?“
„Die mit dem roten T-Shirt und den langen Haaren, da hinten.“ Ich sehe sie und denke: Na warte!!!
„Paßt auf. Ich regele das. Ihr wartet hier.“ Zu Suzan: „Mach dir keine Sorgen, die tut dir nichts.“ Zu den anderen: „Kümmert euch mal um Suzan.“ Unnötig diese Aufforderung, denn das hätten sie sowieso getan.

Terminator-Teacher-Woman verläßt den Schulhof. Das Opfer fest fixiert. Sie steht an der Straße und gackert mit anderen Mädchen rum. Ich stelle mich genau neben sie und starre sie unfreundlich an.
Als sie mich bemerkt spreche ich sie direkt an: „Du warst eben in dieser Schule. Stimmt’s?“
Die grinst noch: „Ja.“
„Du gehst aber nicht auf diese Schule.“
Ihr Grinsen verschwindet langsam: „Nein, äh, ich wollte die eine Lehrerin besuchen.“
„Welche?“
„Ich weiss nicht wie die heißt.“
Ich warte kurz, dann zische ich leise: „Erzähl mir mal jetzt keinen Mist! Du warst in der Schule und du hast Suzan bedroht.“
„Hähhhhh???“ sie versucht die Unwissende zu mimen. Aber nicht mit mir Baby.
„Pass auf: Du wagst dich noch EINMAL in die NÄHE von Suzan oder guckst auch nur in ihre Richtung und ich erstatte eine Anzeige bei der Polizei wegen Bedrohung. Ich weiss wer du bist!“
Sie guckt irritiert.
„Du weisst was eine Anzeige ist?“
Sie nickt.
„Also haben wir uns verstanden? Du hälst dich von ihr fern, sonst bist du dran.“
Sie nickt wieder. Ihre Freundinnen gucken betreten zu Boden. Mission erfüllt. Ich lasse sie stehen und gehe zu meinen wartenden Mädchen.
„So ihr Süßen, alles erledigt. Jetzt geht mal zum Unterricht.“ Ich lege kurz den Arm um Suzan und beuge mich zu ihr runter: „Die macht nichts mehr, da brauchst du keine Angst zu haben. Und wenn die dir noch einmal schreibt oder dich anspricht, dann sagst du mir sofort bescheid. Okay?“
„Sie lächelt, nickt und rennt dann hinter den anderen her. Ich gehe ins Lehrerzimmer und fühle mich großartig. Lehrerin sein fetzt echt!

Last day of school

„Yoooooo – Frau Freitag!!!!“ Ich komme aus dem Treppenhaus und will in Raum 301. Die Prüflinge warten schon. „Yoooooo!!! Super, na, jetzt kann ja nichts mehr schiefgehen, wenn Sie jetzt da sind“, sagt der Lieblingsschüler, während ich den Raum aufschließe.

Mit mir betreten vier ziemlich unaufgeregte Oberstüfler das Wartezimmer. Von hier werden sie in 10 Minuten in den Vorbereitungsraum geholt, wo sie sich vorbereiten und dann gilt es die letzte Hürde vor der Freiheit zu nehmen – die letzte mündliche Prüfung.

„Abitur…. Mensch, Mensch, Mensch, wie die Zeit vergeht. Seid ihr aufgeregt?“
Ich kann sie einfach nicht sietzen. Ich habe die alle von der siebten bis zur zehnten und teilweise auch noch in der elften Klasse unterrichtet. Ich duze sie immer. Mich wundert, dass sie mich noch nicht duzen.

„Aufgeregt? Nö.“ Der Lieblingsschüler ist einfach cool. Nicht mal aufgeregt ist er.
„Abo Frau Freeeeiiitag, ich mach mir gleich in die Hose. Die Mädchen sind nicht so cool.

Ich erinnere mich an meine Pflichten: „Ihr müsst hier unterschreiben, kommt mal her. Fühlt ihr euch gesundheitlich in der Lage an der Prüfung teilzunehmen – also ich meine geprüft zu werden?“

„Was ist denn wenn ich mich jetzt gut fühle und später nicht mehr? Kann ich das nicht später unterschreiben?“ Mona ist ziemlich nervös. Ich schiebe ihr das Blatt rüber. „Mona, das schaffst du schon. Tief durchatmen. In den Bauch atmen.“

„Frau Freitag, haben Sie einen Stift?“ Der Lieblingschüler ist einfach cool. Hat noch nicht mal einen Stift dabei.
„Nimm‘ doch von mir!“, bietet Mona ihm an. Mona hat zwei Federtaschen dabei.

Ich überprüfe die Zettel. Gleich werden sie abgeholt. „Was ist den mit Ufuk? Der hat doch auch Prüfung, oder?“
„Der ist noch nicht da.“, sagt Mona, die mit ihren Aufzeichnungen hin und herläuft.

Noch drei Minuten. Plötzlich geht die Tür auf und Ufuk schlendert rein.
„Da bist du ja, Alter“, begrüßt ihn der Lieblingsschüler und umarmt ihn männlich. Mona nickt ihm kurz zu. Jetzt will sie nicht mehr beim Lernen gestört werden.

„Ufuk, du musst noch unterschreiben, ob du dich gesund fühlst.“
„Ach, ich habe gar keinen Stift mit. Brauche ich einen Stift? Ist doch mündliche Prüfung.“ Ich gebe ihm meinen. Als er ihn mir zurückgibt, geht die Tür auf und das Escortteam holt die Prüflinge ab.

„Viel Glück! Das schafft ihr schon!“
„Danke Frau Freitag.“
„Danke.“
„Danke Frau Freitag.“
Mona dreht sich kurz beim Rausgehen zu mir und lächelt nervös. Dann bin ich allein.

Abitur. Puh. Wie die Zeit vergeht. Mona habe ich schon in der siebten Klasse unterrichtet in Kunst und Englisch. Den Lieblingsschüler auch. Und jetzt machen sie Abitur. Crazy, echt crazy. Ob sie bestanden haben, werde ich erst morgen erfahren. Aufregend – heute Nachmittag fängt für die ein neues Leben an. Postschool-life. Für mich fängt heute Nachmittag nur der Nachmittag an.