Hallo Papa Volkan

„Nein wirklich, ich kann mich über Volkan gar nicht beklagen. Sie können sehr stolz auf ihn sein. Ganz toll.“
Mama Volkan lächelt glücklich, Volkans kleiner Bruder hängt über der Tischkannte und lächelt auch und Volkan – sowieso. Hatte er sich doch gerade bei allen Fachlehrern dicke fette Lobeshymnen auf seine gute Mitarbeit und sein tadelloses Verhalten abgeholt.
Aber irgendwas ist noch. Normalerweise beendet mein positiver Rundumschlag das Elterngespräch und alle stehen auf. Aber Familie Volkan bleibt sitzen. Die Mutter guckt zu mir, dann irgendwie auffordernd zu ihrem Sohn. Draußen wartet noch die Hälfte meiner Klasse mit Familienanhang. Ich befasse mich mal wieder mit jedem viel zu lange. Vor allem mit denen, bei denen ich nur Positives zu berichten habe. Bei den nicht so erfolgreichen Schülern bin ich immer schnell dabei, sie zu den Fachlehrern zu schicken, damit dort wenigstens noch was gerettet werden kann.

„Volkan? Ist noch was?“
„Also Frau Freitag, also mein Vater, der muss ja arbeiten. Sonst wäre er heute mitgekommen. Und der glaubt mir bestimmt nicht, dass ich gut bin.“ Volkan holt sein Handy raus. Ein schickes Smartphone – nicht, das ich mich auskennen würde, mit der modernen Telekommunikation, aber seins glänzt mehr, als meine alte Gurke.
„Ja, ich dachte… äh, vielleicht kann ich Sie filmen und sie sagen meinem Vater, dass alles gut ist und dann kann ich es ihm heute abend zeigen.“

Filmen??? Sofort steigt leichte Verunsicherung in mir auf. Nein – Panik! Wie sehe ich aus? Ist meine Nase noch so rot? Draußen war es so kalt. Vielleicht denkt der Vater dann, dass Volkans Klassenlehrerin Alkoholikerin ist.

„Filmen, Äh. Okay, aber Volkan, nicht, dass du das dann später auf Facebook stellst…“
„Ich bin gar nicht bei Facebook“, beruhigt er mich. Natürlich ist er nicht bei Facebook. Das würde auch gar nicht zu ihm passen.

„Okay, dann leg‘ mal los.“ Volkan und seine Mutter lächeln erleichtert. Wahrscheinlich haben sie schon den ganzen Nachmittag diesen ungewöhnlichen Plan gemeinsam ausgeheckt.

„Also, wenn ich „Jetzt“ sage, dann sprechen Sie, okay?“ Volkan hält das Handy in meine Richtung. Ich setze mich aufrecht hin. Wir warten alle gespannt. Sogar Volkans kleiner Bruder ist jetzt von der Tischplatte aufgetaucht.

„Jetzt!“

„Hallo Papa Volkan. Wir sind hier beim Elternsprechtag und ich habe gerade mit Ihrer Frau und Ihrem Sohn gesprochen. Volkan ist in allen Fächern gut! Er macht toll mit und bekommt gute Zensuren. Verhalten ist auch super. Alles ganz ganz toll!“ Und um meiner kleinen Rede Nachdruck zu verleihen hebe ich noch beide Daumen in die Luft und grinse mein breitestes Grinsen. "Top! Wirklich."

Volkan steckt das Handy wieder ein und wir verabschieden uns. Alles strahlt. Herrlich. Ich liebe meinen Job!

Der Lehrer

Was sind Lehrer eigentlich für Menschen? Jeder kennt Lehrer. Viele sind Lehrer. Aber wer nicht Lehrer ist, der sieht – oder sah den Lehrer ja nur handeln. Wie sieht es IM Lehrer aus? Dieses Mysterium möchte ich heute mal lüften.

Lehrer haben eine moralische Verpflichtung ihren Schülern und der Gesellschaft gegenüber. Nicht nur im Unterricht, sondern auch davor, danach und dazwischen. Eigentlich immer. Lehrer sind Vorbilder. Lehrer sind moralisch höherwertigere Menschen.

Der Lehrer lügt nicht. Ist immer pünktlich, beleidigt niemanden und hält sich selbstverständlich an alle Regeln und Gesetze, die es gibt. Das tun viele Leute, könnte man jetzt meinen, aber der Lehrer hält sich auch an die Gesetze, die es eigentlich nicht gibt: Der Lehrer schläft bei offenem Fenster. Der Lehrer zieht Obst dem Fleisch vor. Der Lehrer kauft Bio und Fair Trade – auch wenn es viel teurer ist und gar kein Bio oder Fair Trade ist. Der Lehrer fährt kein Auto, weil das die Umwelt belastet. Und wenn er Auto fährt, dann aber nicht Mercedes oder BMW, sondern Volvo. Er tankt auch Bio – E10 lieber nicht. Er tankt mit schlechtem Gewissen – wegen der Umwelt. Der Lehrer ist für multikulti und wohnt gerne in Bezirken mit hoher kultureller Vielfalt, aber nur so lange, bis die eigenen Kinder eingeschult werden. Der Lehrer ist für Frühförderung – bei den eigenen Kindern. Der Lehrer hat Biostrom und trennt seinen Müll. Selbstverständlich trennt er seinen Müll. Der Lehrer denkt: jeder trennt seinen Müll. Der Lehrer ist gegen Verpackungen – falls die Milchkanne wieder eingeführt werden würde – der Lehrer wäre sofort dabei. Der Lehrer ist bei der Post- nicht bei der Deutschen Bank. Der Lehrer hat keine Aktien – und wenn, dann grüne. Der Lehrer fährt Fahrrad. Mit Helm. Der Lehrer gibt sein Rad jährlich zur Inspektion. Der Lehrer benutzt die Plastikflaschen mehrfach. Bevor er neues Wasser – Leitungswasser – was sonst? – einfüllt, spült er die Flasche kurz aus – wegen Hygiene. Der Lehrer benutzt keinen Weichspüler. Der Lehrer macht Yoga. Der Lehrer würde gerne auf dem Land wohnen – aber irgendwie auch nicht. Der Lehrer kauft sich keine überteuerte Eigentumswohnung in einem Arbeiterbezirk und vertreibt deshalb niemanden aus dem billigen Wohnraum. Der Lehrer beteiligt sich überhaupt nicht an Gentrifizierungsversuchen. Der Lehrer findet die Piraten irgendwie gut – ist aber trotzdem skeptisch. Ihm ist die Naivität der Neulinge ganz sympatisch, aber trotzdem möchte er, dass die jetzt mal in die Puschen kommen.

Der Lehrer hat einen Aufkleber am Briefkasten: Keine Werbung – steht da drauf. Der Lehrer ist für Palästina, aber irgendwie auch für Israel, wegen der Juden und so. In Sachen Nah-Ost-Konflikt ist er zwiegespalten. Eigentlich ist er für beide. Der Lehrer kauft Obdachlosenmagazine – aber nur, wenn die Verkäufer nicht zu sehr stinken. Wenn der Lehrer nach Hause kommt wäscht er sich immer zuerst die Hände.

Der Lehrer ist gegen den Markenwahn der Schüler – kauft sich allerdings auch nur Markenware – aber andere Marken. Der Lehrer hat kein Smartphone – braucht er nicht. Der Lehrer behält seinen Röhrenfernseher, bis er kaputt ist. Eigentlich schaut der Lehrer nicht fern. Und wenn dann nur 3SAT, Arte und manchmal ARD.

Der Lehrer nimmt lieber die Treppen, auch wenn es einen Fahrstuhl gibt. Der Lehrer hat immer eine Meinung. Die ist immer richtig. Streit löst er gewaltfrei. Der Lehrer liebt Ich-Botschaften und Therapien. Der Lehrer atmet in den Bauchraum – immer. Der Lehrer nimmt Magnesium und Kieselsäure. Der Lehrer liest Tageszeitungen. Der Lehrer trinkt GUTEN Wein und liest GUTE Bücher. Der Lehrer geht in Off-Kinos, damit die nicht aussterben. Der Wa(h)l- und Robbenfang ist ihm ein Dorn im Auge, genauso wie der Autobahnausbau oder Stuttgart 21. Stuttgart ist ihm aber auch ein Dorn im Auge, weil seine Eltern dort wohnen. Der Lehrer guckt mit schlechtem Gewissen Fußball, aber er liebt die spanische Spielweise. Der Lehrer hat keine Freunde, die Kevin heißen.
Wenn der Lehrer auf’s Klo geht, dann riecht es nach Rosen.

Ihr seht also, der Lehrer ist einfach der bessere Mensch. Gut, dass man ihn Kinder unterrichten läßt.

Adam Yauch

„Adam Yauch ist gestorben.“, sagt mein Freund.
„Oh nein!!! Wie traurig. Der war so nett und ich glaube das war der Schlauste von den Beastie Boys. Der hatte Krebs, oder?“
„Ja. Ohrkrebs.“
„Ohrenkrebs?“, frage ich „Was soll denn das sein? Ach ist das traurig. Und der war doch erst Mitte Vierzig…“
„47.“
„Sag ich doch.“

Vor zwanzig Jahren – ich war noch weit entfernt so etwas Skurieles wie Lehrerin zu werden fragte mich ein Freund: „Du, sag mal, hast du morgen Zeit? Ich soll für unser Musikfanzine die Beastie Boys interviewen und kann morgen nicht. Du kannst doch Englisch, willst du das machen?“
Ich so: „Klar.“

Zwei Minuten später kamen mir leichte Zweifel: Ich kenne mich doch gar nicht aus mit Musik. Was fragt man denn so bei einem Interview? Vielleicht sollte man vorher schon irgendwas über die Band wissen. Wer sind diese Beastie Boys eigentlich? Ach, ich weiss, das sind diese total dicken schwarzen Typen, die immer so frauenfeindliche Sachen singen. Oh Gott, die werden mich bestimmt fertig machen oder nicht akzeptieren, weil sie doch Frauen nicht mögen – also die mögen bestimmt nicht von Frauen interviewt werden. Und wenn ich keine Ahnung von Musik habe, dann bestätige ich doch gleich wieder ihr Vorurteil, dass Frauen keine Ahnung haben… oh Gott, Oh Gott. Und wie die aussehen. Voll groß und so dick. Ich habe Angst vor denen…

Am nächsten Tag gehe ich mit meinem Walkman und ziemlich viel Schiss, dafür aber immer noch ohne jegliche Hintergrundinformation zu den Beastie Boys, zum Konzertort. Dort sollte ich hinkommen und dann würde das Interview in dem Café nebenan stattfinden.
Eine ziemlich verkabelte Frau zeigt auf drei dürre weiße Jungs: „Das sind die Beastie Boys.“ Und plözlich war meine Angst wie weggeflogen. Na, die drei zu interviewen, das wird doch kein Problem. Im Café sitzen noch ein paar Typen, die ebenfalls an dem Interview teilnehmen wollen. Musikspezialistentum tropft ihnen aus jeder Pore.
Ich hatte die Beastie Boys mit den Fat Boys verwechselt.

Wir setzen uns alle an einen großen Tisch. Die Typen fragen sofort ihre Fragen, die jedem zeigen sollen, wie gut sie sich in der Musikszene auskennen. Checkerfragen. „Warum habt ihr das Label gewechselt, bzw. warum habt ihr jetzt euer eigenes Lable aufgemacht? Was unterscheidet eurer neues Album von dem alten? Hat wieder blah blah blah das poduziert oder blah blah blah?“ Ich verstehe nur Bahnhof und langweile mich. Traumjob Musikjournalist beginnt zu verblassen

Die Beastie Boys rattern ihre Antworten runter. Auch sie scheinen sich ein wenig zu langweilen. Wahrscheinlich werden sie ständig das gleiche gefragt. Plötzlich dreht sich einer von ihnen zu mir. „Don’t you have a question?“
„Ich äh…äh…yes. What’s your names?“ stammel ich leise.
„This is Michael Diamond and that is Michael Horowitz and my name is Adam Yauch.“
Will der mich verarschen? „Diamond, Horowitz and Yauch? Are those your REAL names?“
frage ich nach, denn ich will ihm nicht auf den Leim gehen. Er grinst und nickt.
„Horowitz, Diamond…“ ich schüttele immer noch den Kopf. Dann fällt mir noch was ein, was ich wissen möchte: „Are you married?“
Ist doch gar nicht so schwer, dieses interviewen. Ich frage, ob sie sich schon die Stadt angeguckt haben, was sie von der Wiedervereinigung halten. Es wird eine angeregte Unterhaltung zwischen mir und Adam Yauch. Er ist echt nett. Fragt, ob ich zum Konzert abends käme, er würde mich auch die Gästeliste setzen. Ich bilde mir ein, dass er mit mir flirtet. Einer von den Beastie Boys flirtet mit mir. Der netteste und irgendwie ist er auch der, der am besten aussieht. Wir verabschieden uns und zu Hause will ich meinem Freund das Interview vorspielen. Ich drücke auf play – nichts. Mist, ich hatte während des Interviews vergesssen den Pause-Knopf wegzudrücken. Wie soll ich denn jetzt das Interview schreiben.
Na ja, das kann warten. Abends gehe ich auf das Konzert und tanze zwei Stunden durch. Auch die Beastie Boys hüpfen ganze zwei Stunden auf der Bühne rum. Super.
Später bitte ich den Freund, für dessen Musikmagazin ich schreiben sollte, mir eine Aufnahmen des Interviews von den Musikcheckern zu besorgen.

Nach ein paar Tagen ruft er mich an: „Ich habe die Aufnahme. Und weisst du was der Typ meinte? Der hat gefragt, wen wir denn da zum Interview geschickt hätten, du hättest die Jungs ja voll um den Finger gewickelt.“

Tja, so begann und endete eine vielversprechende Karriere als Musikjournalistin.

Adam Yauch…der Tod holt immer die Falschen.

Wie es Euch gefällt!

„Frau Freitag, wie weit ist das denn noch? Meine Füße! Ich kann nicht mehr!“
„Alina, nun hör mal auf zu jammern. Wir sind gleich da. HAAAAMIDDDD!!! Laß den Radfahrer durch!!!“
„Aber er fährt mich voll um, dieser Hurensohn!“
„Der darf da fahren, das ist ein RADWEG!“

Meine Klasse trottet müde hinter mir her. Endlich sind wir da.
Noch schnell ein paar Instruktionen: „Okay ihr Lieben, aufgepaßt! Wir gehen jetzt da rein. Ich möchte, dass ihr euch gut benehmt! Nichts anfassen, keine blöden Bemerkungen! Bitte! Das ist mir echt sehr wichtig.“

„Aber Frau Freitag, was sollen wir denn bei Drospa? Warum sind wir so weit gefahren? Bei Schule ist doch DM, da hätten wir doch auch hingehen können. Sagen sie doch endlich!“
Ich sage nichts, sondern betrete die Drogerie und gehe direkt an die Kasse.

„Entschuldigung, kann ich bitte mit dem Abteilungsleiter oder der Abteilungsleiterin sprechen?“
Die Verkäuferin mustert mich, dann die Schüler und spricht dann in ihr kleines Mirkophone neben der Kasse: „Herr Rossmann bitte zu an die 313.“
Dann dreht sie sich zu mir: „Momentchen noch, er kommt gleich.“

„Okay Kinder, jetzt geht es los! Stellt euch bitte alle so hin, dass ihr was sehen könnt. Und hört genau zu! Falls ihr Fragen habt, oder etwas nicht versteht, dann wartet, bis wir wieder draußen sind.“
„Frau Freitag, schreiben wir da einen Test drüber?“
„Gar keine schlechte Idee, Taifun.“
„Spast!“ pflaumt Hamid Taifun an und von Vincet fängt er sich noch einen leichten Nackenklatscher.
„Jungs!!! Schluss!!!“ Mehr kann ich nicht sagen, denn plötzlich steht ein kleiner rundlicher Mann in einem weißen Kittel vor mir.

„Rossmann, guten Tag. Ich bin hier der Abteilungsleiter. Was kann ich für Sie tun?“, fragt er und hält mir seine Hand hin. Die nehme und schüttele ich: „Freitag mein Name. Ich bin Lehrerin und das ist meine Klasse.“
„Hallo“, sagt Herr Rossmann etwas irritiert und guckt auf die Kinder.
„Guuuuten Tag, Herrrr Roooosss-maaaann.“ skandieren meine Schüler im Chor.

„Also Herr Rossmann, es geht um Folgendes: Ich war vor ein paar Wochen hier und hatte das erste mal in diesem Jahr meine Sandalen an. Ich wohne hier gleich um die Ecke. Aber die paar hundert Meter haben schon gereicht, dass ich zwei richtig dolle Blasen an den Füßen bekommen habe.“

Jetzt mischt sich die Verkäuferin, die die ganze Zeit aufmerksam zugehört und dabei meine Klasse nicht aus den Augen gelassen hat: „Achh, das kenne ich! Man vergißt das ja immer. Das ist sooooo gemein. Die gehen ja dann immer gleich auf und das…“ Ein kurzer Blick von Herrn Rossmann läßt sie schnell wieder verstummen.

„Ja… also, ich hatte also diese fetten Blasen, oben auf den Füßen. Auf beiden Füßen! Und plötzlich sehe ich Ihren Laden. Ich kaufe ja immer hier.“ Herr Rossmann lächelt zufrieden.
„Ja, dachte ich, Drospa – meine Rettung! Und dann war ich hinten in der Fußabteilung. Sie haben da ja diese Pflaster.“

„Die Gelpads sind viel besser!“ bemerkt die Verkäuferin.
„Ja, das dachte ich mir auch. Die Gelpads…aber ich finde die sind ziemlich teuer. Da sind ja nur sechs Stück drinn und die kosten trotzdem fünf Euro.“
„Ja, da haben Sie recht, preiswert sind die nicht“, sagt Herr Rossmann.
„Naja, lange Rede kurzer Sinn – ich habe mir diese zwei Gelpads hier genommen.“ Ich halte Herrn Rossman die beiden durchsichtigen Glibberteile unter die Nase. Sie sind etwas schmutzig.

„Und jetzt wollte ich fragen, ob Sie die zurückhaben wollen, oder ob ich die noch bezahlen kann, oder ob ich die ganzen Packung kaufen soll.“
Ich warte. Herr Rossmann denkt nach. Guckt mich an. Dann meine Klasse. Die Mädchen lächeln ihn an. Ich hole den fünf Euroschein aus meiner Hosentasche, den ich mir morgens schon bereitgelegt habe und halte ihn dem Abteilungsleiter hin.
„Jaaaa. Herr Rossmann nehmen Sie!“ sagt Rosa und grinst fast einen Kreis.

„Ja, nun Frau Freitag, also, okay, dann – äh, Frau Schlecker, gehen Sie doch mal nach hinten und gucken Sie, ob die Packung Gelpads noch dort ist.“ Herr Rossmann nimmt das Geld. Frau Schlecker kommt strahlend mit der Packung, reicht sie mir und flüstert: „Die sind echt gut!“

Wir verabschieden uns und verlassen den Laden. Draußen frage ich die Kinder:
„So. Was habt ihr gelernt?“
„Die Gelpads sind gut.“
„Aber teuer.“
„Ja ja, was noch?“
Rosa meldet sich.
„Ja, Rosa?“
„Mann sollte immer gleich bezahlen, nicht später.“
„Ganz genau“, sage ich zufrieden. Und gebe das Zeichen zum Aufbruch.

Girls, girls, girls

„Wollen Sie noch Kaffee dazu?“
„Ja gerne, danke.“
Herr Werner kommt mit seiner Tasse und seinem Stück Käsekuchen zu mir an den Tisch. „Sind das deine?“, fragt er und nickt dabei kurz mit dem Kopf in Richtung Tresen.
„Ja. das sind meine Mädchen.“ Stolz breitet sich in mir aus. Ja, diese freundlichen, hübschen, höflichen Mädchen, die das ganze Lehrerkollegium mit Kaffee und Kuchen ausstatten – ja, das sind meine. Das ist MEINE Klasse.

Seltsam, wenn mich früher jemand gefragt hat „Sind das deine Mädchen?“ dann in genervtem Ton, weil damals MEINE Mädchen immer nur durch Unfug und Quatsch auf sich aufmerksam gemacht haben.
„Sind das deine Mädchen, die da draußen vor dem Verwaltungstrakt kreischen?“ Ja.
„Sind das deine Mädchen, die seit mehreren Stunden draußen auf der Bank in der Sonne sitzen und nicht zum Unterricht gehen?“ Ja.
„Sind das deine Mädchen, die gerade bei Aldi beim Klauen erwischt wurden?“ Ja.
„Sind das deine Mädchen, die vorhin überall die Türen aufgerissen haben und dann kichernd weggliefen?“ Ja.
„Sind das deine Mädchen, die nur Blödsinn im Kopf haben und nie auf das hören, was man ihnen sagt?“ Ja.
Aber jetzt habe ich ja neue Mädchen. Frische Mädchen! New and improved. Irgendwie bessere Mädchen – also besser zu handhaben und besser für mein Ansehen in der Schule.

„Wir sind die Klasse von Frau Freitag.“ höre ich Rosa sagen und dabei den Schulleiter angrinsen. Anerkennung bekomme ich von allen Seiten für die – ohne, dass ich dafür irgendwas gemacht hätte. Diese ganze Kaffee und Kuchen-Aktion, die hat meine Erzieherin organisiert. Die hat mit denen gebacken und die sind alle bei ihr in der Koch-AG und daraus ist jetzt schon eine kleine Catering Firma geworden. Dankbar geben die Kollegen jetzt den Bewirtungsjob bei Geburtstagen an die Kochgruppe ab. Ist ja viel weniger Arbeit, wenn man nicht selbst backen und schleppen und abwaschen muss. Und Kohle haben wir Lehrer ja auch genug. (Übrigens auch genug Geld für Blasenpflaster.)

Die Mädels sind echt super. So umsichtig – ständig wischen sie den Tresen ab und stellen die schmutzigen Tassen in den Geschirrspüler. Vielleicht sollte ich mit denen noch eine Putzfirma eröffnen. Und dann nehme ich mir die regelmäßig mit nach Hause: „So ihr Lieben – ihr drei ihr kocht mir jetzt was Schönes zum Abendbrot und ihr drei putzt das Klo und morgen habt ihr schon einen neuen Job – Fensterputzen bei Frl. Krise.“

Frl. Krise – vielleicht bekommst du nächstes Jahr auch so tolle Mädchen. Dann kannst du dich echt vier Jahre zurücklehnen und dich für die bewundern lassen. Ist voll easy und macht voll Spaß. Thanx girls! 🙂

Wenn es scheuert wie bescheuert

Der Freund pfeift. Der hat gut Pfeifen – muss er doch nicht das Verschwinden der Brückentage bedauern – da er ja gar keine hatte. Weg sind sie. Diese schönen kleinen Miniferien. Erst sind sie da und nun sind sie auch schon wieder vorbei.
Schön war’n sie. So viel Zeit hatte man plötzlich. Ich fing schon kurz an mich zu langweilen. Und was wollte ich alles machen in und mit dieser Zeit und was habe ich alles nicht gemacht.

Was ich gemacht habe – ich bin zum ersten Mal ohne Strümpfe raus. Das ist ja immer so ein Einschnitt im Jahr. Die Zeit mit den Strümpfen und die Zeit ohne die Strümpfe. Was pfeift der Freund da in seinem Zimmer? Dem geht es wohl zu gut. Vielleicht sollte ich ihm mal ein paar Reparaturaufträge geben – „Baby, die Lampe im Flur… und die Brotbackmaschine und die Schublade vom Küchenschrank…“
Jetzt hat er aufgehört zu pfeifen. Gut. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, Einschnitte … ich also neulich ohne Socken raus. Mit den neuen Sandalen. Die habe ich von meiner Mutter bekommen, aber auch nur, weil sie ihr nicht passten. Softclox – die sich durch ihre überdurchschnittliche Bequemlichkeit und den hohen Tragekomfort auszeichnen. Ich also rein in die Puschen und runter. Zum Sport mit Frau Dienstag. Schon im Treppenhaus denke ich: Oh, da scheuert was! 50 Meter weiter habe ich schon zwei fette Blasen auf den Füßen. Wenn etwas an Sandalen scheuert, dann ja immer auf der selben Stelle. Und diese zarten vom Winter geschonten, gar nicht an der Luft gewesenen kleinen Frau Freitag Füße – ich habe wirklich MINI-Füße – die konnten sich nicht gegen das ungetragene harte Leder durchsetzen.

Die letzten Meter zum Sportstudio waren eine reine Tortur. Frau Dienstag kommt mir freudestrahlend entgegen. Kommt sie immer – ob die Sonne scheint oder der Regen regnet – sie strahlt immer. Ich leide. Ich habe Schmerzen. Ich habe Blasen. Ich ziehe die Schuhe aus. „Guck! Voll fett. Tut voll weh.“
Frau Dienstag bückt sich und zieht ihre Sandale am Hacken runter. Knallrot. Schon fast blutig. Aua!

Nach dem Sport gehen wir immer Kaffeetrinken und was Essen. Die verbrauchten Kalorien müssen ja sofort wieder zugeführt werden. Frau Dienstag will duschen. Ich habe mich nicht so richtig angestrengt, morgens geduscht und sowieso nicht viel geschwitzt. „Du, ich gehe mal rüber zu Drospa und hol‘ mir was für die Füße.“

Gesagt, getan. Vor dem Shampooregal zerfetzt die Reibung die Blasen und jetzt scheuert das fiese Leder direkt auf dem rohen Fleisch. Aua, aua. Ich bin die kleine Meerjungfrau. Wo gibt es Pflaster? Ich versuche die Sandalen beim Laufen so zu verschieben, dass die Blasen frei liegen. Klappt nicht.

Endlich finde ich das Fußregal in der „Intimabteilung“. Da wo es Binden und Tampons und Windeln für die reife Frau und Kondome und Hornhautzeugs und Schrundencreme gibt… all die Sachen, die man nicht gerne vor einem gutaussehenden Typen aufs Band legt.
Pflaster war gestern, heute hat man Gelpads. In allen Größen und Formen. Das dauert, bis ich da eine vernünftige Marktanalyse gemacht habe. Und was die Teile kosten – für sechs Stück wollen die fünf Euro haben. „Fast profit on other people´s misery“. Aber ohne mich – Kapitalismus – schön und gut, aber hier geht es ja wohl um ein Grundbedürfnis – Schmerzfreiheit. Ich zahle doch auch nicht für die Luft, die ich atme. Ich fummele mir also zwei solche Gelteile aus der Packung und klebe sie mir an die Füße. Linderung!!!
Und damit Dropsa nicht pleite geht und das neue Schlecker wird, kaufe ich noch ein Deo und ein Haarwaschmittel und eine Handykarte.
Gar nicht so leicht, mit dem Frühling klarzukommen. Die Tücke steckt im Detail.