Extremvorbereitet, na und?

Fröhlich vorbereitet stapfte ich also heute Morgen in die Schule. Eine Stunde vorm Unterricht. Kopierte noch was das Zeug hält, lochte, heftete und begab mich dann in den Raum und wartete auf die Schülerchen. Kommt doch, ich bin vorbereitet wie nie. Ha, was soll mir heute schon passieren. Ist doch alles geplant und jede Phase kleinstziseliert.

Und dann kamen sie,  gackerten sich in den Raum und ließen sich nieder. Noch vorm Klingeln waren alle, die an dieser Stunde teilnehmen wollten drin. Pünktlich konnte ich mit einer kleinen Einführung beginnen:

„Also ihr Lieben, letzte Woche hat mir der Unterricht nicht gefallen. Ich habe gemerkt, dass es hier doch ein sehr starkes Leistungsgefälle in der Lerngruppe gibt.“

Die Schüller: ????

Manchmal muss ich einfach über ihre Köpfe hinweg reden. Wenn sie jetzt noch nicht wissen, was ein Gefälle ist, dann macht das ja nichts. Irgendwann hören sie das Wort noch mal und denken: Ähhh, das kenne ich doch, das hat doch Frau Freitag in dieser total verkackten Endlosstunde gesagt, als wir in diesen Gruppen arbeiten sollten…  Sie wissen dann zwar immer noch nicht, was das Wort heißt, aber, was soll’s. Ich kann jetzt auch nicht nur und immer so sprechen, dass sie mich verstehen. Sonst hätte ich gesagt: „Letzte Woche, ja, war Unterricht voll mies scheiße, weil manche so null Checkung und andere erst voll Professor und voll mies abgestrebt und dann – gähn, weil zu leicht.“

„Jedenfalls habe ich mir was überlegt. Ich möchte euch in Gruppen setzen. Jeweils drei Leute in einer Gruppe. Jetzt gibt es ja verschiedene Möglichkeiten Gruppen zu bilden… blah blah blah“ Hier erläuterte ich ihnen die unterschiedlichsten Varianten. Und dann aber: „Ich will, dass der Zufall entscheidet. Wir losen die Gruppen aus.“

Und ab da ging es mit der Stunde bergab. Steil bergab! Ich weiß nicht wie, aber der Zufall dieser miese Hund, lost doch plötzlich Abdul, Bilal und Emre in eine Gruppe. Die anderen Schüler lachen. „Das wird eh nichts mit denen, Frau Freitag.“ Dann die drei Gackermädchen – alle in einer Gruppe. Für sie gleich wieder ein Grund loszugackern. Die anderen Gruppen gingen, aber die Schüler in den Gruppen waren eh unproblematisch.

So, die erste Aufgabe. In Folie mit Aufgabenbeschreibung hinten.

„Ähhhh, was sollen wir machen?“

Mustafa legt sich gleich auf den Tisch, ohne was zu lesen und macht die Augen zu. Die Aufgabe war, zunächst mündlich einen Text anhand von Fakten über Frau Freitag zu bilden. Späterer Transfer – Fakten über sich selbst aufschreiben. Noch späterer Transfer – einen Text aus diesen Fakten SCHREIBEN. 100 Wörter.

Die Schüler, die sich nicht gleich auf den Tisch legen, holen ein Blatt raus. „Ihr sollt jetzt noch gar nichts schreiben. Da steht: erst mündlich. Ich gehe von Tisch zu Tisch und erkläre die Aufgabe. Dann gehe ich von Tisch zu Tisch und zwinge jeden einen Satz zu formulieren. Dann gehe ich von Tisch zu Tisch und erkläre die zweite Aufgabe. Dann bin ich das von Tisch zu Tisch rennende Deutsch-Englisch Wörterbuch. Dann bin ich Zeitmahner und Ideengeber: „Dir fallen keine 100 Wörter ein zu deinem Leben mit 25? Was willst du denn später mal arbeiten?“ Dann bin ich Korrekturleser und Welterklärer. „Nein Emre, Bordell wird anders geschrieben. Da gibt es ein Englisches Wort. Meinst du hier du hast pupils gekillt oder people? Du meinst dafür bekommst du nur vier Jahre Haft?“

Kurz gesagt am Ende der Stunde hatten eine handvoll Schüler einen Text mit 100 Wörtern und die meisten nicht mehr als: I live in Germany. I have one brother and one sister. My hobby is football play and basketball play.

Beim Klingeln war ich fix und fertig. Aber wenigstens habe ich meinen Unterricht bis zu den Herbstferien vorbereitet, denn wir haben heute nur eine von den sechs Aufgaben geschafft, die ich mir gestern ausgedacht habe.

Extremvorbereiting

Kaum zu glauben, aber heute habe ich fast den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen und meinen Unterricht für morgen vorbereitet. Hat ewig gedauert und jetzt schmerzt der Rücken und ich habe Hunger.

Und wenn das morgen immer noch nicht klappt, dann weiss ich auch nicht. Kleinfitzeliger als ich heute kann man seine Phasen gar nicht sizieren. Alles schön in Gruppenarbeit und mit auslosen und Folien und Kärtchen und Pie und Pah und Po. Wenn alles klappt, kann ich mich morgen an den Schreibtisch setzen und mich ausruhen. Mal sehen. Wenn es nicht klappt, dann mache ich sowas nie wieder. Dann bereite ich nichts mehr vor. Dann wird alles a la Krise aus dem Ärmel geschüttelt. Oh nein, sie macht das immer „aus der la Meng“ was auch immer das ist.

So, da das heute nicht interessanter wird und ich in die Badewanne will, mache ich jetzt mal Schluss. Für interessante Inhalte hier, muss ich mich erstmal eingrooven in der Schule. Wird schon. Nächste Woche lerne ich auch die neuen Siebtklässler kennen… das wird bestimmt spaßig.

Ende der ersten Woche

Da jammer ich gestern noch rum und heute ist alles wieder gut. Herrlichen Unterricht in meiner Klasse absolviert und sogar noch eine spontane Vertretungsstunde mit ihnen gehabt. Alle haben ruhig vor sich hingearbeitet und ich konnte sogar rausgehen und Sachen klären. Ach, ich liebe meine Klasse. Sie wurden bei dieser netten Stimmung gleich wieder ganz zutraulich. Abdul war heute morgen nicht im Unterricht. Er musste was aussagen… ich hoffte noch Zeuge, Zeuge, bitte Allah, lass ihn nur Zeuge gewesen sein…

„Abdul, solltest du da zur Polizei, weil du Zeuge, oder weil du Täter warst.“

„Ich hab‘ nichts gemacht, aber die sagen ich hab….“ Und dann kommt Verworrenes. Jedenfalls steckt er recht tief in der Scheiße drin. Ich hoffe das Beste für ihn. Mehmet habe ich seit dem Heidepark überhaupt nicht mehr gesehen. Er ist sitzen geblieben – war klar gewesen… aber in welcher Klasse der jetzt ist, konnte ich noch nicht herausfinden, bzw. habe ich mich noch gar nicht darum bemüht. Sein Zeugnis trage ich seit einer Woche in meiner Schultasche herum. Wundern sich seine Eltern gar nicht, dass er die einzige Schüler ohne Zeugnis ist? Sitzt er schon im Jugendarrest? Ist er abgetaucht? Haben die Eltern vergessen, dass es ihn gibt? Wunderlich das Ganze. Montag werde ich der Sache auf den Grund gehen.

Samira, die leider die Klasse wechseln musste kommt dauernd zu mir un die d jammert, dass sie wieder zu uns will. „Die neue Klasse geht gaaaar nicht, Frau Freitag! Voll die Kinder! Ich will wieder zurück.“ Und sie erzählt überall rum,  dass ich die beste Lehrerin der schule sei. Da ich im Kollegium, als zu soft gelte werden sich meine Kollegen wahrscheinlich nur darin bestätigt sehen, dass ich ein wirklich schlimmer Schülerschleimer bin.

So, jetzt muss ich zum Sport, Frau Dienstag wartet schon.

Sport war mies anstrengend, deshalb habe ich gestern gar nicht mehr geschrieben. Bin ich voll nicht mehr der Streberblogger, der voll jeden Tag schreibt, oder was? Frl. Frise voll fleisisch und ich, voll ach was soll sein, schreib ich heut nicht, schreib ich morgen. Voll haram! Das muss sich ändern. Nächste Woche werde ich mich verbessern. Ich schwöre! Und ich habe mir auch fest vorgenommen jetzt am Wochenende meinen Unterricht vorzubereiten. Ich fange gleich mal damit an…

Jeder blamiert sich so gut er kann

sagt Frl. Krise immer. Und ich hab‘ mich nicht nur blamiert vor meinen neuen Schülern, sondern gleichzeitig total geschämt für meine verdorbene Klasse. Gleich am zweiten Tag kamen zwei von den netten neuen Schülerinnen zu mir: „Frau Freitag, das geht ja gaaaar nicht, in dieser Klasse, ich will einen guten Abschluss machen und hier sehe ich nicht, dass ich hier was lernen kann. Hier kann ich ja noch nicht mal in Ruhe meine Hausaufgaben machen.“

Ich: ?????? Schäääääämmmm! Peinlich berührt, sauer auf die Quasseltaschen in meiner Klasse, die immer noch nicht gerafft haben, dass es in der Schule um was geht.

Meine Schüler können nicht still sein. Nieeeee! Ständig unterbrechen sie mich, andere Schüler, sich selbst… Die gackern rum, weil in ihren Köpfen nur Hormone rumfliegen, die sich auf alle Synapsen gesetzt haben. Keine Möglichkeit, dass sich da Vernunft andockt, geschweige denn Wissenswertes.  Licht an aber keiner zu Hause.

Kann ich es den fleißigen Wiederholerinnen übel nehmen, dass sie die Klasse wechseln wollen? Auf keinen Fall. Ich habe gesagt: „Ich verstehe euch total. Mir ist es auch zu laut. Geht ruhig.“

Und dann gehe ich nach Hause und ärgere und schäme mich, gleichzeitig bin ich sauer. Noch keine Woche im Dienst und schon weiss ich wieder: Ich bin die schlechteste Klassenlehrerin der Welt. Da nützt es mir auch nichts, wenn die Schüler immer wieder sagen: „Frau Freitag, Sie sind gar nicht wie unsere Lehrerin, Sie sind eher wie eine Freundin.“ Soll ein Kompliment sein, aber genau da liegt ja das Problem. Heidepark reicht eben gar nicht, wenn ich es nicht schaffe die ruhig zu stellen. Wären da doch nur Lautstärkeregeler an den Schülern. Mit einer Universalfernsteuerung stünde ich vorne: So Marcella, du jetzt mal auf MUTE! Absolute Ruhe bitte und Hausaufgaben machen!

Aber liebe laute Klasse, glaubt mal nicht, dass ich mir das jetzt noch ein Jahr angucken werde. Nächste Woche seid ihr dran. Dann kommt Frau Gnadenlos. Nicht mit mir! So geht das nicht! Nicht am Anfang der Zehnten Klasse!

Aller Anfang ist schwer

Ja, zurück. Und gleich drei Stunden mit meiner Klasse. Verquatscht bis zum Gehtnichtmehr waren die. Unerträglich! Und neue Schüler gab’s auch auch noch. Die sind nett und ruhig. Geschämt habe ich mich, für meine laute Klasse und eben erstmal einen Sitzplan gemacht. Das lasse ich mir nicht jede Stunde bieten. Nach zwei Stunden war ich soooo fertig und vollkommen naß geschwitzt. Klitschnasse Kniekehlen hatte ich!

Und häusliche Dramen gab es in den Sommerferien. Da war keiner verreist und erholt. Ich weiss schon, warum ich nicht „Mein schönstes Ferienerlebnis“ aufschreiben lasse. Was soll da stehen? Tod eines Elternteils, Aufnahme bei mehreren Jugendnotdiensten, massiver Streit mit den Eltern und den Geschistern… da wäre „Sechs Wochen gelangweilt“ noch das heiterste Thema.

Trotzdem habe ich mich gefreut, die Blagen wiederzusehen. Mehmet ist leider nicht mehr bei uns. Schlecht für ihn und den Blog, gut für meine Nerven. Samira ist leider auch weg. Die sehe ich jetzt nur noch auf dem Hof und wir schreiben uns bei Facebook. Sie findet ihre neue Klasse doof. „Ich konnte mit niemandem quatschen. Ich war die ganze Zeit ruhig! Es war schrecklich!“ Ich denke: Super! „Ist doch klasse, dann kannst du dich auf den Unterricht konzentrieren!“ Sie sieht das irgendwie anders.

Abdul fastet: „Ist easy, Frau Freitag! Ich bin  einfach die ganze Nacht wach und schlafe tagsüber.“ Da bin ich gespannt, wie er das mit dem Schulbesuch macht.

Ronnie: „Frau Freitag, ich hatte die ganzen Ferien masssiven Kopffick! Das glauben Sie gar nicht.“ Und dann kommen verworrene Geschichten, die ich wirklich nicht glauben kann. Ich hoffe er kommt jetzt zur Ruhe. Und dann habe ich noch den Megaspaßvogel in die Klasse bekommen. Bilal.  Kommentar von Kollege Werner, als er auf meine Klasseliste guckt: „Bilal??? Wer hat dem denn erlaubt zu wiederholen? Und warum?“

Bilal ist drei Meter groß, total dünn und hibbelig. Er kommentiert alles, was ich oder jemand anders sagt und findet sich unheimlich lustig. Ich habe mich am Ende der Stunde zu ihm gebeugt und geflüstert: „Bilal, warum wiederholst du die Klasse? Möchtest du hier einen besseren Abschluss erreichen, oder möchtest du hier der Spaßvogel werden?“

„Abschluss.“

„Okay, dann verhalte dich ab jetzt ruhig!“

So, alles in allem war es eigentlich ein recht normaler Start. Wenn ich ehrlich bin habe ich noch nie einen ruhigen ersten Schultag mit meiner Klasse verbracht. Vielleicht den allerersten, als sie sich alle noch nicht kannten. Aber seitdem sie sich kennen, wird in der ersten Stunde erstmal gequatscht. Für meine Klasse war es wahrscheinlich ein schöner Einstieg ins neue Schuljahr. Nur Frau Freitag, die hat irgendwie mal wieder voll mies gestresst.

Allday!!!

Alltag, Alltag, Alltag…lalalalalalala…

I love it. Kaum setzt man einen Fuß in die Schule, schon sind sechs Wochen langweilige Sommerferien wie weg gepustet. Und das ist auch gut so. Ich finde es in der Schule ja so super, dass ich auch schon gestern da war, obwohl ich da gar nicht hin musste. Aber heute waren alle meine Kollegen auch da. Herrlich, die alle wiederzusehen. Manche waren erholt, manche nicht, manche sind jetzt schon krank, andere wieder gesund.

Und dann gibt es da noch ganz viele neue Kollegen. Die konnten wir erstmal mit heißen Diskussionen in der Gesamtkonferenz schockieren. Die sollen bloss nicht denken, dass das bei uns ein Zuckerschlecken wird. Einige von denen heulen sich bestimmt heute Nacht in den Schlaf. Ha! Ein, zwei Schülerchen sind mir auch schon über den Weg gelaufen. Die waren alle voll süß und höflich. Der Schulweg – problemlos habe ich den gemeistert. Ist einfach drin im System. Ich könnte den volltrunken oder auch im Tiefschlaf bewältigen.

Alltag… mein Leben! Ich weiss gar nicht, wie man zum Schulanfang so jammern kann. Lest mal bei Frl. Krise, die scheint den Wert eines geregelten Arbeitslebens gar nicht schätzen zu können.  Ich jedenfalls freue mich sehr auf Montag, auf die Schüler, die Arbeit und alles. Ohne Arbeit – kein Feierabend! In diesem Sinne wünsche ich allen, die es betrifft einen herrlichen Arbeitsalltagsanfang!

Here comes the rain

Leider hab‘ ich gar keine Zeit zum Schreiben. Ich bin der Regen. Einer muss es ja machen. Als Hecke war es doch ein wenig öde. Aber als Regen… ich kann euch sagen, busy, busy, busy. Okay, ich muss los, mein Tiefdruckgebiet wartet auf mich.