Teilen und herrschen


Ach ja, Queen Mum…mein Freund sagt: „Du bist die Beatles und Fräulein Krise ist die Rolling Stones.“ Und was sagt das Fräulein dazu? Erst sagt sie: „Ich will die Beatles sein.“ und dann sagt sie: „Ich bin Queen Mum.“

Das macht mich ja zur Königin von England. Die wäre heute aber bestimmt nicht so zerzaust und mit so vielen Pickeln am Kinn zur Arbeit gegangen, wie ich.

War echt recht unspektakulär heute. Aber am Ende des Tages kam ein neuer Kollege zu mir.
„Ich packe das nicht.“ Er ist erst seit einer Woche bei uns und er sieht nett aus. Wahrscheinlich zu nett. Das mit dem Nettsein ist so eine Sache. Ich bin super-duper-kingmäßig nett. Das würden auch alle Schüler bestätigen. Aber als neuer Lehrer – in neuen Klassen…da bekommt das Nettsein eine ganz andere Bedeutung. Da hat das Nettsein so etwas verletzliches, so was hilfloses mit Spurenelementen des Scheiterns.

„Ich packe das einfach nicht. Das ist echt zu heavy hier.“ Er hatte wahrscheinlich keinen unspektakulären Tag. Er sieht fertig aus, abgekämpft, verzweifelt und müde.

„Nun warte doch mal ab. Du musst jetzt zeigen, dass du der Chef bist. Das wollen die jetzt in den Klassen von dir sehen. wenn du nicht der Chef sein willst, dann übernehmen die.“

Er guckt mich verwundert an.

„Na, machen denn alle nicht mit, oder nur einige?“
„Die meisten stören, aber ein paar machen auch mit.“

„Dann kommt jetzt: Teilen und Herrschen. Du musst die Mitmacher unterstützen und loben und ihnen jede Stunde gute Mitarbeitsnoten geben und die die stören, die musst du aufschreiben und alles durchziehen: Klassenlehrer informieren, Eltern anrufen, Briefe schreiben, Tadel vergeben usw. Einige Schüler werden schon aufhören zu stören, wenn du den Klassenlehrer benachrichtigst und bei den anderen gehst du dann Schritt für Schritt weiter mit den Maßnahmen.“
Er guckt mich erschöpft an.
„Kennst du die Namen der Schüler?“
„Noch nicht alle.“
„Also, Namen lernen, Chef sein, teilen, herrschen und dann wird das schon. Und jetzt erst mal einen schönen Feierabend.“

Mit hängenden Schultern zieht er ab. Der Arme. Ich hatte ihn schon gewarnt, dass das erste Jahr schlimm wird. Aber das hat er mir wahrscheinlich nicht so ganz geglaubt. Naja, bevor er völlig verzweifelt rate ich ihm noch ein Blog anzufangen. Und jetzt bekommt er erst mal ein ganz schönes Lied von mir.

Frau Freitag interviewt Fräulein Krise


Macht dir dein beruf eigentlich noch Spaaaaß?
Fräulein Krise: Ja, eigentlich schon. Eigentlich, weil es natürlich auch manchmal Situationen giobt, wo ich den ganzen krempel hinschmeißen möchte. Aber ich gehe jeden tag wohlgemut in die Schule und denke: Das ist mein tag!

FRäulein Krise, bist du sicher, dass du deutschlehrerin bist? Guck dir mal die ganzen Fehler an! Egal. Sag mal, warst du schon mal in einen Kollegen verknallt?

Nein! Lehrer sind unsexy.

Hat nicht gerade ein schüler auf deinen pappteller beim Rücken-stärke-Spiel geschrieben, du seist eine SEXBOMBE?

Ja, aber der hat Warmehmungsstörungen. Der Arme.

Sind denn deine Kollegen nett? lesen die eigetlich deinen Blog – hahahahaha, ich weiss, dass die den nicht lesen. Wäre das eigentlich ein Problem?

Meine kollegen sind sehr nett, und das sollen die auch bleiben…nein, meine Kollegen könnten ruhig meinen Blog lesen.

Habt ihr auch referendare?

Natürlich.

Ich war ja mal deine Azubildende. Wie war ich???

Du warst unproblematisch. Du hast mir immer tiefe löcher in den bauch gefragt…..

Wo sind die Löcher jetzt? ich sehe keine.

Eine Wunderheilung…und du löcherst mich ja jetzt mit anderen Problemen, die geben mehr Schäden im hirn.

Warum willst du mich eigentlich nicht adoptieren?

Wegen der erbschaft!

Ich will doch gar nichts. Nur vielleicht die eine Couch.
Welche Couch?
Die weiße.
Die Kaputte? Die kannste haben….bring ich mal bei Gelegenheit mit…

Weisst du was ich gerne mal mit dir machen würde?

Ich höre:

Ich würde so gerne mal zu so einem Kunstdingens in die Toskana, so eine gruppenreise mit lauter Lehrern und dann bloggen wir darüber.

Das ist ein grauenhafter Gedanke, andererseits…bloggen…das wären sicher krasse Geschichten!

Diese Sommerferien? Oder Herbst?

Nächstes jahr! Ich muss mich erst an die Vorstellung gewühnen.

Na, dann gewühn dich erst mal daran. Hast du Bock auf schule morgen? BIO!!!

Stöhn!

Frag du doch auch mal was.

Frau Freitag, hast du dich schon mal in einen Schüler verliebt?

Was ist das denn für eine Frage?

Gut, lassen wir das. keine antwort ist auch eine Antwort.

FK, was hälst du denn eigentlich von deinen/unseren Kommentatoren?

Das müssen wahre Ausbünde an Liebreiz und Intelligenz sein, jedenfalls die meisten.

Wundert dich nicht, dass Shannon immer sofort antwortet, sobald man publiziert – die muss ständig online sein. Wahrscheinlich immer Schreibtisch – Korrekturen – Gymnasiumschule, halt.

Oder intravenöser Netzzugang per Braunsche kanüle.

Aber wenn sie mal nicht schreibt, weil sie verreist ist, dann fehlt sie mir schon. Für dich hat sie ja immer so nette aufmunternde Worte.

Sie ist in den top-ten die Nummer 1! Frau Freitag, ich wollte sie immer schon mal fragen, ob sie sich vorstellen könnten, einen anderen Beruf zu haben… Blumenverkäuferin oder Masseurin oder so?

Ja, ich würde gerne nachts die Briefe im Postamt stempeln und nach Postleitzahlen sortieren, aber ich fürchte, das macht mittlerweile eine Maschine. Aber irgendwas mit Stempeln und Ablage fände ich schön. Mit Büromaterial und so. und du, möchtest du noch zum Zirkus?

Ja! Hier ein Aufruf: Welcher zirkus sucht eine Lehrerin? Ich möchte einen kleinen Schulzirkuswagen und abend Popcorn verkaufen. und eine Nummer

mit dem Direktor…. (Frl. Krise reisst Frau FreitAG die Tastatur aus der Hand)

Bist du degoutant! Ich möchte eine Nummer in der manege: ich treibe ein kleines nilpferd im kreise herum, gewandet in ein hautenges langes silbernes Kleid.

das läßt sich bestimmt einrichten. Herr Krone… hätten Sie da nicht was frei? Und was machst du eigentlich, wenn du nicht mehr Arbeiten musst – so Rentemäßig?

Ich weiß nicht, aber nur zu Hause sitzen geht gar nicht. Ich mache ein Cafe auf, damit dein Freund auch mal raus kommt…

Kannst du nicht Wollladen machen? Und der Freund dürfte aber nur auf ’nen schnellen Kaffee, wenn er zu Kaiser’s geht.

Definitiv kein Wollladen. Soviel Wolle verwirrt mich…

Okay Fräulein Krise, noch eine Frage, wie lange glauben Sie machen Sie ihr Bolg noch? Und wissen Sie mittlerweile, was ein RSS Feadreader ist?

Wie lange? Mal sehen…so lange, wie es mir Spaaaaß macht! Und dies RSS….EGAL! Du weißt ja auch nicht was eine SIMLOCK-Karte ist, oder?

Nein, aber ich hab‘ eine, glaube ich. Ich weiss so vieles nicht, z.B. wo die Nieren sind und was die Milz macht.
Okay Frl. Krise, jetzt erst mal Schluss. Das war sehr nett mit Ihnen hier. Vielen Dank.

Bitte, gerne und tschöööö mit ö

Ahh Frl. Krise, du darfst dir das Video heute aussuchen! Was willste?

Die Flaggen der Vorfahren


Nach dem recht chaotischen Stundenverlauf von gestern habe ich mir vorgenommen, heute mal eine gute Stunde in der Siebten Klasse abzuliefern. Nicht, dass ich mich nun von gestern auf heute gut darauf vorbereitet hätte – nein, ich habe nur was richtig „Schönes“ geplant: COMPUTERRAUM!

Computerraumunterricht muss man zelebrieren. Computerraumunterricht möchte gut vorbereitet sein und darf – damit er seine Wirkung entfaltet – nur in kleinen Dosen verabreicht werden. Ich beginne meine homeopathische Stunde also folgendermaßen: „So ihr Lieben, heute habe ich was richtig Tolles mit euch vor. Zuerst will ich mit euch zwei popeleinfache Aufgaben im Workbook machen, dann den Test zurückgeben (der auch voll popelig war – weshalb sich da fast jeder über eine gute Note freuen kann) und dann, wenn ihr euch bis dahin gut benommen habt und alle gut mitgearbeitet haben – ja dann gehen wir in den Computerraum!!!!“

„Jaaaaaa, Computerraum!!!“
„Mann, halt die Fresse, sei leise, sonst gehen wir nicht PC!“
Ich höre die Wörter Facebook und Onlinepoker. Aber den Zahn werde ich ihnen noch ziehen. Wir gehen nämlich in den Computerraum, um dort ein paar spitzenmäßige Aufgaben zur Steigerung der Adjektive zu bearbeiten. Aber man muss ja nicht gleich alles verraten.

Die Workbookarbeit läuft wie geschmiert. Maren ist als Erste fertig und ich verbessere ihre Aufgabe. Dann muss sie die anderen verbessern. Marvin war schon vor dem Klingeln in meinem Raum und wir haben uns ein wenig unterhalten. Er erzählte begeistert, wie gut er mit Computern umgehen könne. Da er die Workbookaufgabe bereits gestern bearbeitet hatte, schickte ich ihn zu den PCs und sagte ihm er solle alle anmachen und auf die Übungsseite gehen.

Und dann kam der Moment, an dem ich die Regeln für den Computerraum verkündete: „So, jeder benimmt sich dort. Wenn ich sehe, dass jemand auf eine andere Seite geht als die, auf der ihr arbeiten sollt, dann wird der Computer sofort ausgemacht und ihr bekommt ein Arbeitsblatt.“ Ich überhöre ein gewimmertes: „aber, aber…Facebook, können wir nicht…“

Ich war schon oft mit meiner Klasse im Computerraum und es gab immer welche, die standig auf Youtube und Facebook oder den Onlinekatalog von H&M gingen. So schnell kann man gar nicht gucken, wie die sich hin- und herklicken. Ein besonderes Phänomen an unserer Schule ist übrigens auch, dass jeder Schüler, sobald er vor einem Bildschirm sitzt, erst mal ein neues Hintergrundsbild für den Monitor einrichtet. Es sind immer die Flaggen der Vorfahren. Wenn ich dann erkläre, was sie im Internet suchen sollen, sieht es aus als unterrichte ich im UN-Hauptgebäude bei einer sehr internationalen Sitzung.

Aber diese Siebte Klasse denkt wohl immer noch: Aboo, Frau Freitag – voll streng, mach ich lieber nicht Facebook.

Artig steigern sie Adjektive und werden sogar immer besser: „Super Maren, du bist ja schon bei Level 4.“ Lehrerstolz steigt bei mir auf, denn ich scheine ihnen wirklich was beigebracht zu haben. Maren erklärt aber nur müde: „Das hatten wir schon in der Grundschule.“

Jedenfalls lief die Stunde super und ich hatte ihnen noch nicht mal erlaubt, für die letzten drei Minuten zu Facebook zu gehen. Erlaube ich meiner Klasse immer. Aber hier ist ja meine Devise – nicht zu schnell nachgeben, ich habe die ja noch in der Achten, Neunten und Zehnten.

Und als ich nach Hause ging traf ich den Klassenlehrer der Siebten: „Du Deine haben heute super mitgearbeitet. Wir waren im Computerraum.“
„Ja, sie haben mir erzählt, dass es ihnen viel Spaß gemacht hat.“

Was will man mehr? So kann man doch beschwingt ins Wochenende tanzen.

Der „Fünf Minuten Unterricht“


Ach heute… ging so. War nicht gerade eine Glanzleistung. Siebte Klasse – wir steigern nun schon seit Wochen mehr oder weniger erfolgreich diverse Adjektive. Zur erfolgreichen Vermittlung des Superlativs habe ich mir Seiten aus dem Guinnessbuch der Rekorde kopiert – aus einer englischen Ausgabe, die ich in Amerika erworben hab‘.

Ich plane die Stunde so, wie ich es mal irgendwann gelernt habe. Hypothesen am Anfang. Folie mit drei Fragen:
1. Wer hat die längsten Ohrhaare und wie lang sind die?
2. Wer hat die meisten Finger und Zehen?
3. Wer hat den längsten Bart?
4. Wie lange dauerte die längste Schluckaufattacke?
(Natürlich alles auf Englisch.)

Unter jeder Frage standen drei mögliche Antworten.
Ich schmeiße den Polylux an und warte. Die Schüler melden sich und stellen ihre Vermutungen an. Ich erkläre Ohrhaare.

Dann verteile ich 11 Fragen. Leider stehen die nur in der Fremdsprache auf dem Blatt und wir machen uns an ein mühsames Übersetzen. Ich hatte diese Aufgabe vor Jahren für eine recht leistungsstarke Gruppe konzipiert und die hätten gar keine Hilfe bei den Fragen gebraucht.

Nachdem die Schüler nun wissen, wonach sie suchen sollen verteile ich drei kopierte Blätter aus dem Guinnesbuch. Leider ist die Schrift sehr klein – deshalb steigen Hamsa, Mert und Maren schon mal vorsorglich aus: „Ich kann diese Schrift nicht leeeeesen!“
Leider ist der Text auf Englisch – deswegen verliere ich auch Hamudi, Kevin und Max. Fuad macht grundsätzlich nicht mit und Angie will eigentlich immer nur aufs Klo, den Lidstrich nachziehen. Die anderen rackern sich an der Aufgabe ab. Manche sogar mit großem Interesse. Helfen kann ich ihnen nicht, denn ich renne durch den Raum und versuche die Nichtteilnehmer in Schach zu halten. Mist, denke ich – das hat man nun davon, wenn man die Binnendifferenzierung unterschätzt, indem man gar keine macht.

Aber ich bin erfahren genug, um wenigstens das Ende der Stunde in eine einigermaßen konzentriete Arbeitsatmosphäre zurückzusteuern. Ich lasse mir von den fleißigen Schülern die Antworten diktieren, schreibe sie an die Tafel und zwinge die Verweigerer alles von der Tafel ab zu schreiben. Als ich ranschreibe, dass ein mann 68 Jahre mit einem Schluckauf gelebt hat, werden alle hellhörig. Das interessiert sie nun wirklich, fast so sehr wie der Mann, der Jahrzehnte lang mit einer Patrone im Kopf lebte.

Ich versuche ihnen die Schluckaufgeschichte schön plastisch darzustellen. Wie der Mann beim Schlachten eines Schweines plötzlich einen Schluckauf bekam, wie er wahrscheinlich alles probierte, um ihn wieder los zu werden. Im Raum ist Totenstille. Die Schüler kleben mir an den Lippen, während ich ihnen vorspiele, wie der arme Mann mit seinem Schluckauf von Arzt zu Arzt wandert. Ich erzähle und erzähle und sie hören mir zu. So was habe Ich fast noch nie erlebt. Als ich fertig bin, stellen sie Fragen und ich versuche Antworten zu finden. Es macht voll Spaß. Ich glaube so muss Unterricht sein.

Noch besser als Facebook


Angenommen ich bin an einer ganz normalen Schule Lehrerin. Dort läuft alles in geordneten Bahnen. Ich mache meinen Unterricht, alles funktioniert. Die Schüler sind alle gut erzogen und nett zueinander. Ich unterrichte dort Jahr aus- Jahr ein (oh Gott, wie schreibt man das denn?). Ich unterrichte und unterrichte und nichts passiert. Nichts Schlimmes, nicht mal was Aufregendes. Gar nichts Außergewöhnliches passiert. Es gibt keine Action. Ich langweile mich. Erst nur ein bisschen, dann immer mehr.

Aus lauter Langeweile lege ich mir ein neues Hobby zu. Ich werde Web-Designer. Ich brauche Action. Ich will Action. Was kann ich tun?

Nachdenk, nachdenk, nachdenk – dann habe ich eine Idee. Ich entwickle eine Internetseite für Schüler. Dort kann man dann seine Schule reinstellen und was schreiben und andere können kommentieren. Ich bin begeistert.

„Du hast Facebook erfunden.“ sagt Frl. Krise. Und sie hat recht. Ich denke weiter nach. Meine Seite muss toller sein, als Facebook. Mehr Action. „Noch mehr Action als Facebook?“ fragt der Freund „Wie soll das denn gehen?“

Ich tüfftle und tüfftle in meinem Hobbykeller und dann habe ich es: Eine Internetseite, auf der man ANONYM schreiben und kommentieren kann. Ohne einloggen, ohne Mailadresse, einfach so. Du kannst auf die Seite gehen und schreiben was du willst, ohne, dass jemand weiss, wer du bist. Genial.

Meine neue Seite mache ich gleich an meiner langweiligen Schule bekannt und dann warte ich und siehe da – schon nach einer Woche habe ich die herrlichste ACTION!

And the Winner is…

Susisonnenschein!
Ich habe tatsächlich mir gestern „Die Mutter des Erfolgs“ von Amy Chua gekauft. Frl. Krise, du bist übrigens disqualifinziert, weil ich dir das schon erzählt hatte. Unverschämt hier dann auch noch Tipps zu geben und sich noch dazu ein Video zu wünschen…tzzzz.

Aber Susisonnenschein – sehr schön und vielen Dank für dieses herrliche Kevinlied. Könnte ich mich totlachen drüber.

Aber zurück zur Superchinesin. Ich habe das Buch nämlich eben zuende gelesen. Es soll mir ja nicht so gehen wie mit dem Sarrazinbuch – da habe ich die Debatte verfolgt, ohne je eine Zeile in dem Buch gelesen zu haben. Bei der jetzigen: „Sollen wir alle Chinesen werden?“- Diskussion kann ich voll mitreden.

Ich hatte ehrlich gesagt nicht viel erwartet, muss aber zumindest zugeben, dass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte und jetzt tierische Rückenschmerzen – vom Couchliegen habe.

Frl. Krise, du kriegst das Buch ja von mir gleich, ab hier brauchst du also nicht mehr mitzulesen, ich fange jetzt an über den Inhalt zu schwafeln.
Also, wie fand ich es denn jetzt? Kann ich gar nicht so genau sagen. Vielleicht mal ein paar Sätze, die mir spontan einfallen:
* Es war gaz anders als ich gedacht hätte.
* Die Passagen, die immer im TV zitiert werden sind recht marginal und kommen gleich auf den ersten Seiten vor, was mich zu dem Schluss führt, dass die Redakteure das Buch gar nicht zuende gelesen haben.
* Definitiv möchte ich Amy Chua nicht als Mutter haben.
* Wenn ich Kinder hätte, könnte es durchaus so sein, dass ich so wäre wie sie. Erschreckend!
* Wenn man den Plan verfolgt, seine Kinder zu Ausnahmetalenten im Musikerbereich zu machen, dann ist das Buch eine Super Gebrauchsanleitung.
* Als allgemeiner Erziehungsratgeber taugen ihre Methoden, meiner Meinung nach, weniger, denn dafür sind ihre Vorstellungen echt zu krass.
* Ich würde jetzt gerne die Bücher von ihren Töchtern und ihrem Mann lesen. Und von den Hunden.
* Von der Selbstironie war ich überrascht und tendenziell etwas irritiert, denn die passt nicht richtig zu ihrem beschriebenem Verhalten.
* Herrlich, wie sie die chinesischen Erziehungsmethoden ernsthaft mit der Erziehung von Hunden vergleicht.
* Die selbstherrliche Arroganz, die – ihrer Überzeugung nach – alle chinesischen Mütter besitzen, war mir neu. Wenn die wirklich alle so denken wie sie – na prost Neujahr.
* Was wäre eigentlich, wenn alle Menschen ihre Kinder so erziehen würden, und wir nur noch eine Generation mit Wunderkindern hätten? Wer backt dann das Brot und wer fährt den Bus?

Und schließlich die wichtigste Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe: Was ziehe ich für Schlüsse daraus für meine tägliche Arbeit?

So Leute: Die Debatte ist eröffnet!

Samstagsdepression und der Sonntag kommt auch noch


Ach du scheiße, eine fette Samastagsdepression! Da habe ich doch tatsächlich drei Jägermeister auf meinen gestrigen Plakaterfolg (lieber Plakaterfolg als Plagiat verfolgt) gekippt, bin euphorisch ins Bett getaumelt und völlig depri wieder aufgewacht.

Telefonat mit der manischen Frau Dienstag brachte nur bedingte Besserung. Ich muss mir was vornehmen! Ich muss was schaffen! Ich muss raus! In die Welt! Ich muss das Mammut erlegen! Vielleicht kommt jemand mit. „Deutschleher, komm mit raus! Sachen kaufen!“ Er: „Niiiiiemals.“

Vielleicht war das zu direkt. Ich versuche es etwas geschickter bei Frl. Krise: „…blah, blah, blah, glaubste nicht, weisste eigentlich, stell dir mal vor…blah, blah blah,… duuuuuuhuuuu Frl. Krise, willste jetzt nich mitkommen zu Media Markt ins Center und ein Firewirekabel kaufen?“
Krise reagiert erst mal nicht. Nur mit leicht verächtlichem Schnauben. Wir telefonieren weiter. Sie verabschiedet sich mit ihrem Standartspruch: „Du ich muss dich mal aus der Leitung schmeißen.“ Klingt immer voll brutal. Dann fügt sie noch herzlos hinzu: „Ich muss jetzt einkaufen gehen. Aber bestimmt nicht da, wo du hin willst. Ich gehe Lidel.“ Damit läßt sie mich unangezogen, im Bademantel, mit gewaschenen, leider aber getrockneten und damit verfilzten-weil noch nicht gekämmten Haaren auf der Couch zurück.

Bevor mich die Samstagsdepression nun völlig in Beschlag nimmt raffe ich mich auf und begebe mich in die Welt. Ich habe eine Mission. Ich brauche ein drei-sechspoliges Firewirekabel, eigentlich doppeltgemoppelt – wire heißt doch schon Kabel, oder?

Dieser Gedanke läßt mich auch im Bus nicht los. Sage ich dem Fachverkäufer ich will ein dreipoliges Firewirekabel oder soll ich sagen: ich will ein Firewire? Oh Lord. Vielleicht finde ich es auch selbst und kann die Verpackung lesen.

Die Beschaffung dieses so lebensnotwendigen Kabels war äußerst unbeeindruckend und unschwierig. Warum habe ich das eigentlich drei Jahre vor mir hergeschoben…keine Ahnung. Und jetzt wieder auf die Couch?

Ich habe aber noch nicht genug erlebt. Ich will konsumieren! Ahhhh, Buchhandlung! Super. Nix wie rein. Ich sehe mir jedes Buch an. Dann entdecke ich das Schild: Alle Kalender 50% reduziert! Also gucke ich mir auch noch alle Kalender an. Vielleicht ist da was Schönes für den Kunstunterricht dabei. Dann die billigen DVDs – wäre doch auch nett, wenn man eigene hätte, die man immer wieder in der Schule zeigen könnte. Ahhh der Film über Klimt. Nie gesehen. Immer wollte ich den sehen, habe ihn dann aber doch nicht gesehen. Und es gibt auch einen Klimt Kalender für 50% reduziert. Und der Film ist auch billig. Soll ich das gleich beides kaufen? Ich könnte eine UE Klimt machen. Ich habe zwar wenig Ahnung von dem – aber wenn ich den Film gucke – das wird als Vorbereitung schon reichen, dann noch ein bisschen Internet…

Ob den Schülern Kimt gefällt? Ist viel Gold. Das mögen die. Aber die Figuren…voll behindert irgendwie. Muss ich mich erst mal mit Frl. Krise besprechen. Wir könnten die Klimt-UE gemeinsam erarbeiten. Frl. Krise hat voll Ahnung von Kunstgeschichte. Sie ist voll Professor. Vielleicht sollte ich erst mit ihr sprechen und dann das Zeug kaufen. Aber ich will was kaufen. Verdammt, ich WILL konsumieren. Lasst mich doch KONSUMIEREN, bitte!

Aber es gibs nix was ich kaufen möchte. Vielleicht ein Buch? Ja, ich werde mir ein Buch kaufen. Nach einer Stunde in dem Laden verlasse ich das Center und habe mir ein Buch gekauft. Jetzt haltet euch mal fest! Ihr glaubt gar nicht, was ich gekauft habe…

Ach wisst ihr was? Ratet doch mal, welches Buch ich mir geholt habe. Ich gebe euch einen Tipp: Ist kein Roman und ich habe schon 54 Seiten gelesen. Wer es errät, der darf sich das Video für morgen wünschen. Also gebt euren Musikvideowunsch gleich mit an.

Hello Kitty findet Sauberkeit süüüüß!

Ein Erfolg, ein Erfolg, ein Erfolg!!!!!
Erste Stunde Kunst – meine Klasse. Wir stecken zwischen zwei Aufgaben – ein unangenehmer Zustand für den Kunstpädagogen: Die eine Hälfte der Klasse ist noch nicht fertig, die andere schon. Unangenehmer ist aber, dass ich mir zwar gestern eine neue Kunstaufgabe für meine Klasse ausgedacht habe, aber die verlangt leider eine kleine Vorbereitung und die konnte ich von gestern bis heute nicht leisten – farbkopieren, laminieren usw.

Jedenfalls versuche ich den Anfangsteil – Organisatorisches – zu strecken.
„Esra, vielleicht berichtest du mal von dem Klassensprechertreffen gestern. Ihr habt doch über die Cafeteria gesprochen. Was ist denn da jetzt rausgekommen?“ Die Cafeteria ist uns Lehrern ein Dorn im Auge. Sie wird gerne besucht und unheimlich verdreckt hinterlassen. Jeder schmeißt seinen Müll einfach auf den Boden und am Ende des Tages sieht es aus wie nach der Loveparade.
Esra kommt nach vorne. Alle verstummen. Komischerweise hört meine Klasse ihren Klassenkameraden immer voll aufmerksam zu. Bei mir unterhalten sie sich immer. Aber die Schüler schreien sich auch nicht gegenseitig an – so wie ich das oft mache. Esra sagt höflich: „Ronnie könntest du soviel Respekt haben, mir zu zu hören, wenn ich spreche?“ Daraufhin errötet und verstummt er sofort.

Esra berichtet, dass die Cafeteria geschlossen werden soll, wenn sich dort in Sachen Müll nichts tut. Fatma schlägt vor, dass wir Plakate malen, um die Schüler zur Sauberkeit anzuhalten. Ich denke: „Plakate malen – super, damit kriege ich die Stunde rum!“ Deshalb schreie ich sofort: „Ich hole welche – welche Farben wollt ihr“, und stürze nach unten in den Materialraum. Als ich wiederkomme stehen Esra und Abdul vor der Tafel und diskutieren mit den anderen, was sie schreiben könnten. Ich sage: „Laßt mal lustige Sprüche machen, damit die Schüler auch was zu lachen haben.“ Ich gebe ihnen ein Beispiel: „Stühle ranstellen ist KING, wallah!“ Die Schüler lachen und sofort fallen ihnen noch andere Sprüche ein. Nach fünf Minuten ist die Tafel vollgeschrieben und die Aufgaben sind verteilt. Jeder sitzt alleine oder zu zweit an einem Plakat und schreibt. Es entstehen herrliche Aufforderungen, die Cafeteria sauber zu halten:
„Machst du Dreck weg, sonst gehst du Plankton“ (Hat wohl irgendwas mit Spongebob zu tun.) Und Abdul besteht noch auf den Zusatz „…, du Rabauke!“

„Die Cafeteria ist das Gesicht der Schule und der Schüler.“ (Abdul besteht darauf, dass man Schüler/innen schreibt. Sieh an, sieh an, der Abdul, von wem er das wohl hat? Von mir jedenfalls nicht.)

„Die Schule ist dein zweites Zuhause, schmeißt du dort deinen Dreck auf den Boden?“

„Abdul und Bilal sagen dich: “ Die Entsorgung des selbstfabrizierten Abfalls wäre wünschenswert.“

Von mir: „Lan, stell die Stühle ran!“

Das schönste Plakat allerdings kam von Esra und hängt jetzt gleich am Eingang: „Hello Kitty findet Sauberkeit süüüüüß!“

Die Poster sahen super aus, waren im null-komma-nix fertig und wurden dann sofort von den schülern aufgehängt. Die Reaktionen in der nächsten Pause waren sehr positiv. Alle Schüler lasen, lachten und Mittags sah ich zwei Mädchen aus der Neunten fegen. Abdul erzählte mir, dass er sie gefragt hätte warum sie fegen würden: „Na, wir haben die Plakate gelesen.“

Bevor ich nach hause ging guckte ich noch mal in die Cafeteria. Alle Stühle standen ordentlich an den Tischen und NIX lag auf dem Boden.

Super! Schüler, ich liebe euch! Meine Klasse rockt, aber big time!!!

Aus anderen Galaxien


„Und wie läuft’s so?“ frage ich die neue Kollegin. Sie ist total klein und unheimlich jung. Meiner Meinung nach gehört die in die Oberstufe und nicht als Lehrerin ins Lehrerzimmer. Sie sieht sehr brav aus. Brav, harmlos, verletzlich, zart, unbedarft, weich, lieb, zu lieb, jung – sie sieht einfach zu jung aus. Wäre ich der Schulleiter meiner Schule und sie würde sich bei mir vorstellen, um eingestellt zu werden – dann würde ich sie väter- oder mütterlich nehmen – so mit Arm um die Schulter legen, sie aus dem Raum begleiten, zum Ausgang und ihr leise sagen: „Meine Liebe, das ist hier nichts für Sie. Jetzt gehen Sie mal schnell und suchen sich ein nettes Gymnasium.“

„Ach geht.“ sagt sie.
Ich will ihr entgegenkommen, denn es geht offensichtlich nicht. „Na, du warst doch vorher an einem Gymnasium. Da war es doch bestimmt ein bisschen anders, oder?“

„Ha, anders… gar kein Vergleich. Hier muss man ja so oft, also dauernd, also immer muss man die zur Ruhe rufen. Dauernd, immer. So was kenne ich gar nicht. Und das NIVEAU!!!!!!“

„Ja, was ist damit? Niedriger als am Gymnasium?“

„NIEDRIGER???? Also ich schaffe ja gaaar nichts in einer Stunde, wenn ich was vorbereite, dann…“

„Dann hält das für eine Woche. Oder?“

„Ja. Das gibt es doch gar nicht.“

„Na, hat doch auch was Gutes…musst du nicht so viel vorbereiten.“

„Aber man muss sich ständig um die Unterrichtsstörungen kümmern. Also ein halbes Jahr mache ich das vielleicht, aber dann…“

Ihr Vertrag geht nur bis zum Sommer. Längerfristig sieht sie sich wohl wo anders.

„Also man bekommt ja nicht so viel zurück. Immer muss man sich um die Störer kümmern. Das ist irgendwie nichts für mich. Da muss man wissen, was man will.“ sagt sie.

„Was meinst du damit?“ Ich bin verwirrt „Denkst du das ist das, was WIR wollen?“

Dann klingelt es und sie muss in den Unterricht. Was war das denn? Denkt sie, wir wollen immer mit diesen Unterrichtsstörungen zu tun haben, wir wollen nur mit Deppen arbeiten? HALLO????? Geht es noch? „Da muss man wissen was man will…. „, was ist das denn für eine Einstellung? Der Gymnasiallehrer will also keinen schlechten Unterricht und wir wollen das, oder was? Der Gymnasiallehrer will den Schülern störungsfrei Wissen vermitteln und wir WOLLEN das nicht????

Na, meine liebe neue unbedarfte Kollegin… noch ist kein Sommer und noch bist du bei uns und da lernst du mal besser ganz schnell, das alles hier zu WOLLEN.