So, heute ist es nun endlich soweit – Weihnachten!!!! Schade, dass ich nicht fünf bin. Also fünf Jahre alt – nicht fünf Personen. Fünf Personen sein wäre sicher sehr anstrengend. Heute fünf Jahre alt – ein Riesenspaß – Weihnachten macht ja als Kind irgendwie mehr Spaß.
Leider klappt das bei mir mit der Ferienumstellung noch nicht so gut und deshalb bin ich heute schon wieder um 7 Uhr aufgewacht – eigentlich im Vergleich zu sonst heißt das ausschlafen. Aber war noch dunkel. Und soll nicht eigentlich immer das Fernsehprogramm am 24. Dezember immer so gut sein – ist es nicht – jedenfalls nicht um 7Uhr morgens.
So ihr Lieben, dann wünsche ich euch allen ein schönes Fest und einen netten Abend. Seid nett zueinander. Und ich will mich auch bedanken, dass ihr immer so regelmäßig vorbeischneit und so viele nette Kommentare schreibt. Ich werde euch jetzt nicht – wie das Fräulein namentlich hier aufzählen und dann die Hälfte der Leute vergessen und die sind dann traurig… ihr könnt euch alle angesprochen fühlen.
Jetzt schmückt schön den Weihnachtsbaum, putzt die Wohnung, wickelt die Geschenke ein, Jungs- geht jetzt endlich mal los die Geschenke kaufen… und dann feiert schön. Bis demnächst.
Lalalalalalalala… Ferieeeeen.. lalalalalalala!!!! Ach wie schön, ach wie herrlich! Ferien, endlos Kaffee getrunken und leider immer noch leichte Kopfschmerzen, aber was soll sein…lalalalala, sind doch Ferien! Geschenke eingewickelt, Umsatzsteuer gemacht, Krankenkassenwirrwar entwirrt, Schreibtisch aufgeräumt, gebadet, wieder Kaffee und jetzt gleich raus Essen gehen und dann Tanzen, lalalalala, kann es den was schöneres geben, als den Tag, an dem die Ferien anfangen? Ich habe heute noch bis fast zum bitteren Ende normalen Unterricht gemacht. Dialoge vorspielen lassen und zensiert! Dann durfte meine Klasse noch die Tische und die Tafel putzen – man will ja in einen ordentlichen Raum kommen im nächsten Jahr – und dann gab es noch ein Kitkat – die vergessenen vom Nikolaus. Die Kleinen sollen sich erst gar nicht an diesen unmotivierten „wir machen nichts mehr im Unterricht, weil nächste Woche Ferien sind“ Modus gewöhnen. Und dann kam sogar noch ein Schüler und überreichte mir ganz schüchtern Pralinen. Hatte seine Mutter ihn zu genötigt – aber ICH NEHM’S!!!! Sofort wurden wieder Erinnerungen wach an das große Nichts – das ich von meiner alten Klasse bekam. Aber jetzt – ein Geschenk – zu den Weihnachtsferien… die Neuen kann ich mir noch ranziehen, damit ich in vier Jahren ein paar Tankstellenrosen bekomme.
Boahhh und im Lehrerzimmer wieder ein Geschenke-Wahnsinn in den Fächern. Kleine Sektflaschen, Cremes und viel Schokolade. Ich habe ja von meiner Erzieherin auch was bekommen – selbstgemachte Marmelade – habe ich mich auch sehr drüber gefreut. Ich habe gar nichts verschenkt – von den Kitkats mal abgesehen. Weder dem Hausmeister, noch der Sekretärin und auch keinem Kollegen. Muss doch nicht sein – die machen doch auch nur ihren Job. Wenn ich mal Kekse backe, dann bringe ich denen welche – aber nur weil Weihnachen ist… nö.
Mist, die Zeit rennt. Jetzt muss ich mich fertigmachen und los, sonst wird das heute nichts mehr. Treffe mich mit anderen Lehrerinnen – natürlich – kenne ja sonst niemanden. Und mit wem könnte man heute besser feiern?
So, wieder auf der Couch. Und jetzt fangen die Ferien an! Ich wünsche allen wunderschönne Ferrrrriiiiiiieeeeeennnnn!!!!!
„Wie sich bei dir auf dem Blog alle auskotzen.“ sagt Frau Dienstag. Wir kommen vom Yogi-oh-Yoga und ich fülle meine erweiterten Lungen und mein geöffnetes Herz mit Zigarette.
„Die können alle nicht mehr. Wie viele da geschrieben haben, dass sie ihre Klasse hassen…“
„Ja, wird einfach Zeit, dass jetzt die Ferien beginnen. War echt lang genug.“
Und sich gepflegt auszukotzen hat doch auch sein Gutes. Ist doch wie reinigendes Atmen – den Dreck rausatmen. Wie Fasten – innere Säuberung oder wie aufs Klo gehen – den unbrauchbaren Müll einfach mal abseilen. Ich finde das sollte man unbedingt vor dem Ferienbeginn machen, damit man den ganzen Scheiß nicht in seine Erholungstage mitnimmt und schon gar nicht sollte man das, was einen ankotzt mit ins nächste Jahr nehmen. Deshalb werde ich jetzt hier mal alles aufschreiben, was mich nervt und dann steht es hier und belastet mich nicht mehr. Also los:
Mich kotzt an, dass die achte Klasse soooo scheiße ist. Dabei ist alles so durchschaubar, jede Stunde sehe ich was ich falsch mache und mache es trotzdem immer wieder falsch. Mich nervt, dass ich da so unprofessionel und so emotional mit umgehe. Mich kotzen vor allem Kufa, Hamsa und die anderen Deppen an und die zwei Grazien vor meiner Nase, die sich entweder einschleimen oder mich blöde anmachen.
Mich nervt, dass Hamid aus meiner Klasse sich so als Chef aufspielt. Ständig versucht er die anderen zu unterdrücken. Und immer wenn ich was sage, hat er das letzte Wort. Immer. Ich könnte ihn würgen dafür. Das nervt mich echt wahnsinnig. Aber nach den Ferien kommt Mama Hamid und dann geht es ihm an den Kragen – verbales Würgen wird das dann.
Mich nervt, dass ich noch kein Geschenkpapier habe und im Fernsehen dauernd gesagt wird, dass es so stressig sei in den Geschäften und jetzt traue ich mich da nicht rein.
Ich will auch nicht, dass Guttenberg jetzt Generalsekretär von der FDP wird. Überhaupt nervt mich die FDP. Und Guttenberg nervt mich auch und Wulff auch.
So, jetzt fällt mir gar nicht mehr so viel ein. Komme ja auch gerade vom Yoga, da ist man einfach nicht mehr so genervt. Ich bin entspannt und eigentlich versöhnt mit der Welt.
Aber liebe Leser, schreibt ruhig mal, was euch so nervt. Schreibt es hier als Kommentar hin und dann ist es raus aus eurem System und nervt euch nicht mehr. Wir wollen doch alle ganz entlastet ins neue Jahr gehen. In diesem Sinne: Kotzt euch einfach mal aus!
Aaaaaaannnniiil! Anil raubt mir die letzte Kraft. Gestern in Kunst sitzt er vor seinem Blatt. Ich verteile die Buntstifte, alle fangen an zu zeichnen, nur er bewegt sich nicht.
„Anil, los, fang mal an.“
„Ich bin fertig.“
„Nein, das ist doch noch gar nicht fertig. Da ist noch gar kein Himmel und die Farben sind auch noch so dünn aufgetragen. Das ganze Blatt soll voll sein.“
„Ich bin fertig.“
Ich lasse von ihm ab, weil ich mich schon in der Stunde vorher an Kufa, Hamsa und Konsorten abgearbeitet habe und nun nur noch kraftlos an meinem Pult sitzen kann.
Aus den Augenwinkeln beobachte ich Anil. Er zeichnet nicht. Aber er kann leider auch nicht nur rumsitzen, so wie Grabkerzen-Berat, der wirklich schon fertig ist und nun stoisch die ganze Stunde schweigend vor sich hinstarrt. Ab und zu gehe ich näher an ihn ran, um zu gucken, ob er noch atmet.
„Berat, willst du die Simpsons zeichnen?“
Er schüttelt den Kopf. Anil hingegen kann nicht still sitzen und vor sich hinstarren. Er dreht sich dauernd zu Taylan um und quatscht ihn voll. Taylan ist auch schon mit seinem Bild fertig und widmet sich begeistert einer Op-Art Aufgabe, die ich eigentlich erst in den zehnten Klassen mache. Taylan wird auch super mit den Perspektivischen Unterrichtseinheiten klarkommen. Anil nicht. Anil kommt gut mit nerven klar.
„Anil, lass ihn mal in Ruhe und zeichne.“
„Ich bin fertig!“
Warum kann er dann nicht einfach still da sitzen? Und warum kann ich ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Offensichtlich hat Anil schlechte Laune. Die habe ich ja auch, aber das vereint uns irgendwie nicht. Ich stelle mich vor seinen Tisch und schiebe das Bild zu ihm: „Anil, los, fang jetzt an zu arbeiten.“ Er zerknüllt sein Bild und schmeißt es vor meine Füße. Ich hebe es auf und bin kurz vorm Explodieren. Nicht aufregen, nicht aufregen, Kräfte sparen, gleich klingelt es sowieso und dann kommt noch die Siebte in Englisch. Das halt ich nicht durch, wenn ich mich jetzt auf einen Nahkampf mit Anil einlasse…
Kurz vorm Klingeln gebe ich das Signal zum Aufräumen: „Aufräumen!“ Meine Klasse kann gut aufräumen. Es dauert nur ein paar Minuten, dann sitzen alle an ihren leeren Tischen. Ich lasse die Schüler, die gut und still gearbeitet haben, schon raus gehen. „Tayfun und Volkan, ihr wart heute leise und habt viel gezeichnet, stellt bitte eure Stühle ran und geht schon auf den Hof. Bella du auch und Mona, du auch…“
Anil springt auf. Hof! Er hört nur Hof und will sofort dahin. „Nein Anil, du noch nicht. Du wartest bis es klingelt.“
„Nein, ich gehe jetzt.“
Anil stellt sich vor mich. Ich versperre ihm den Weg zur Tür. Ein peinliches Bild gebe ich da ab, deshalb sage ich, dass die anderen Schüler schon gehen können. „Anil, du bleibst hier bis es klingelt, du hast nämlich gar nichts gearbeitet.“
Als alle weg sind lasse ich meiner Wut freien Lauf: „Anil, so geht das hier nicht. Du kannst dich hier nicht so benehmen.“
„Mir doch egal. Dann gehe ich eben an eine andere Schule.“
„Ja, dann such dir eine andere Schule, aber bitte noch heute.“
„Ja, mach‘ ich. Eine Schule, an der nicht GEKLAUT wird!“
Uppps, was hat er gesagt? „Hat man dir was geklaut?“ frage ich und meine Wut auf ihn ist plötzlich weg.
„Ja. Bei Sport. Ich wollte meine Jacke mitnehmen, aber durfte ich nicht.“
„Was wurde dir denn geklaut?“
„Meine Karten.“
„Welche Karten?“
„Meine Yogi-Ohh Karten.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Kann ich jetzt geeehn?“
„Ja.“
Kim Jong Il ist tot. Ich auch. An Überarbeitung gestorben – ich auch. Ich kann mir im Moment gar nicht vorstellen, dass es anstrengender ist, Nord-Korea zu regieren, als einen Montag in meiner Schule zu unterrichten. Die Nord-Koreaner können gar nicht so scheiße sein, wie die blöde achte Klasse.
Wir werden echt nicht warm miteinander. Eher immer kälter. Die Stunden mit denen laufen immer gleich ab:
Die lieben Schüler kommen rein, setzten sich alle auf die Fensterseite, packen ihre Arbeitsmaterialien aus und warten. Dann höre ich die Idiotenjungs über den Flur scheppern.
Hamsa, Enes, Kufa und Mustafa. Sie grölen, schupsen sich, poltern und pöbeln. Sie wollen mir und dem Rest der Klasse unbedingt klarmachen: „Wir sind jetzt hier und wir lassen jetzt keinen Unterricht zu. Wir sind bereit, alles zu stören, was Sie da vorne vorhaben.“ Jede Stunde geht das so. Ich möchte mit dem Unterricht beginnen und sie trampeln entweder unter dem Tisch mit den Füßen, hauen mit den Handflächen auf die Tischplatte, schieben ihre Tische so doll gegen die Wand, dass alles scheppert. Und weil sie so einfallslos sind, machen immer alle das nach, was einer gerade gemacht hat. Durch die Wiederholung von ihrem „witzigen“ Verhalten, wird die Lustigkeit aber nicht verstärkt. Und wenn man sie ermahnt ruhig zu sein, dann plärren sie beleidigt: „Waaaaas dennnn???? Ich habe doch gaaaar nichts gemacht!“ Und wenn ich sie dann wieder ermahne, dann mischen sich die zwei Grazien vor meiner Nase ein. Mit offenem Mund, kaugummikauend: „Frau Feiiiiitag, der Junge hat wirklich niiiichts gemaaaaacht.“ In diesem Tussisingsang – nervig, dass man nur noch zuschlagen möchte.
„Sie sind voll ungereeeeecht. Er hat gar nichts gemaaaaacht.“ Dann von hinten Hamsa: „Können Sie beweisen, dass Kufa eben mit den Füßen getrampelt hat?“ Wie soll ich das denn wohl beweisen? Es ist echt zum Verrückt werden und macht keinen Spaß. Erst, wenn ich zwei Kandidaten in das Auffanglager für die Schwererziehbaren im ersten Stock geschickt habe, kann ich mit dem Unterricht anfangen. Aber das ist immer ein sehr zähes Machtspiel.
Ich: „Kufa, du gehst jetzt.“
Kufa: „Nein, ich geh‘ nicht.“
Ich:“Doch du gehst!“
„Warum?“
„Weil du den Unterricht störst und weil ich es dir jetzt sage.“
Die anderen zu Kufa: „Geh‘ nicht, geh‘ nicht.“ Kufa, sich in der Märtyrerrolle gefallend: „Ich geh‘ nicht.“
Ich: „Der Klassensprecher geht bitte und holt die Schulleitung.“Klassensprecher schleicht raus. Kufa wird leicht nervös, guckt zu Hamsa und Enes, um rauszufinden, was er jetzt machen soll. Ich, leichtes Oberwasser genießend: „Wenn du nicht gehst, dann beantrage ich nach der Stunde eine Klassenkonferenz für dich.“ Stille. Hamsa, der schon mehrere Konferenzen hatte und demnächst aus der Klasse fliegen wird, schweigt jetzt. Kufa flüstert: „Is‘ die hässlich!“
Ich: „Du bist selber hässlich.“ Die Klasse grölt los. Ich weiss eigentlich nicht warum. Ich muss mir doch von so einem nicht sagen lassen dass ich hässlich bin…
Kufa braucht jetzt noch den großen Abgang und schleicht in Zeitlupe zur Tür. Als er endlich weg ist, kann ich mit dem Unterricht beginnen.
Die ganze Prozedur dauert so ungefähr 20 Minuten. Die restlichen 25 Minuten ist es leise und die Schüler arbeiten mit – auch Enes und Hamsa.
Und so ist es in jeder Stunde. Nicht zum Aushalten. Wenn ich diese Klasse öfter als zwei Stunden in der Woche unterrichten müsste – ich würde kündigen.
Als wir dann endlich essen wird es ganz still. Mampf, mampf. Zufrieden stopfen sich meine Schüler mit Nutellabrötchen voll und reden über die giftigsten Schlangen der Welt. Die Kerzen brennen und der OH-Projektor leuchtet die Wand an. Es ist weihnachtlich.
„Aber wenn wir aufgegessen haben, dann machen wir die Geschenke, oder?“
„Ja, klar.“
Wir essen und essen. Gepflegt und gesittet. Nur bei Hamid gibt es um den Teller herum eine kleine Eisteeüberschwemmung. Warum wundert mich das nicht?“
Anil saß auch mit am Tisch, obwohl er sich ja die ganze Woche geweigert hatte, etwas zum Frühstücken mitzubringen. Ich habe einfach schnell bei ihm zu Hause angerufen und der Mutter gesagt, dass sie ihm irgendwas mitgeben sollte.
„Anil, du wolltest doch dein eigenes Essen mitbringen hast du gesagt.“ Anil beißt gerade in ein Brötchen. „Ich hab was mit.“ sagt er, kramt in seinem Rucksack und zieht drei Paprikaschoten raus. „Super, leg die mal auf den Tisch.“ Ich grinse die Erzieherin: Siehst du, geht doch. Manchmal reicht ein Anruf.“
Dann wird aufgeräumt und der Julklapp beginnt. Die Geschenke stehen alle auf einem Tisch am Fenster. Die Mädchen haben sich große Mühe gegeben. Jedes Geschenk von ihnen ist aufwendig eingewickelt und liegt in einer schönen bunten Schachtel. Fast alle haben auch noch diese kitschigen Weihnachtstüten gekauft. Jeder hat sich Gedanken gemacht. Die Mädchen verschenken an die Jungen Parfum, Spardosen und Stifte. Die Mädchen bekommen Schmuck, Parfum und Volkan verschenkt sogar einen Blumenstrauß. Paul flüstert mir zu: „Das ist doch eigentlich das schönste Geschenk für Mädchen – Blumen, oder?“ Ich nicke und denke…ach, ich könnte mir was besseres vorstellen. Aber als ich Fanny sehe, die strahlend ihre Nase in die Blüten hält, denke ich Vokan und Paul, die werden es bei in der Damenwelt noch zu was bringen.
Volkan und Paul ja, aber Berat….
Berat ist ein Möbel. Er sitzt einfach nur da. Wenn du nicht ab und zu nach ihm guckst, kann es passieren, dass er im Unterricht bewegungslos auf seinem Stuhl sitzt und die ganze Stunde NICHTS macht, außer atmen. Wenn wir in den Tropen wären – an ihm würde schon Moos wachsen. Weil er sich nicht mit körperlichen Anstrengungen oder irgendetwas, was in Richtung Arbeit geht abgibt ist er auch nicht gerade der schlankste Junge in meiner Klasse. Er ist einfach nur da. Er stört nie und streitet sich mit niemanden. Man muss nur aufpassen, dass man ihn nicht irgendwo vergisst. Beim Wandertag im Bus und nach dem Klingen im Raum. Oft weiss ich allerdings nicht, ob Berat mitschneidet, was gerade im Unterricht besprochen wird. Kriegt der eigentlich mit, dass wir die Englischarbeit schreiben? Weiss der, dass wir Julklapp machen und frühstücken?
Entweder wußte er es nicht oder er hat es einfach vergessen, denn am Morgen hatte er kein Geschenk!!! Die anderen Jungen haben ihm wahrscheinlich die Hölle heiß gemacht, denn sie hatten ja alle ein Geschenk und da ist er schnell noch mal los in den Supermarkt. Und was hat er da im Supermarkt gekauft??? Für 5Euro??? Für ein Mädchen? Darauf kommt ihr nie! Er kauft 5 GRABKERZEN!
Als er die uneingepackten Kerzen wortlos der Erzieherin überreicht hat die ihm so einen Einlauf verabreicht, dass er auf den Hof flüchtete und das ganze Frühstück über dort blieb. Tja.
Vollbracht. Überlebt. Abgehakt. Der Julklapp ist vorbei. Ich liege wieder auf der Couch.
Nachdem ich zwei anstrengende Stunden mit der doofen Achten und der nervigen Siebten verbrachte freute ich mich sehr auf die große Pause. Rauchen, ein bisschen mit den Kollegen quatschen, dann ins Lehrerzimmer und noch ein bisschen mit den Nichtraucherkollegen labern, dann zu meinem Fach, dann Vertretungsplan und schwarzes Brett, dann vielleicht noch ein wenig ins Büro und mit der Sekretärin rum erzählen, dann noch mal eine rauchen. Das wäre eine normale große Pause für mich und eigentlich hätte ich sogar nach der Pause noch eine Freistunde. Die verbringe ich normalerweise bewegungslos auf dem Stuhl am hinteren Tisch im Lehrerzimmer. Gucken, quatschen, nicht bewegen. NORMALERWEISE läuft das alles so. Nicht HEUTE!
Ich will den Raum abschließen und zum Rauchen, da stürzen sich meine Mädchen auf mich: „Ohhhhh Frau Freitag, können wir schon anfangen alles aufzubauen?“
„Aber ist doch noch Pause.“
„Egal. Bitte!“
Ich schließe wieder auf. Nichts mit Rauchen. In drei Sekunden haben sie die Tische exakt so hingestellt, wie ich mir das vorgestellt habe. Drei Mädchen malen Weihnachtsmännner an die Tafel, andere sägen Tannenzweige klein, der Rest dekoriert den Tisch. Dann werden Gurken, Tomaten und Paprika geschnitten. Ich renne hin und her, hole noch Teller und ein paar Messer aus dem Lehrerzimmer, finde in meinem Schrank noch Becher und Pappteller und sogar Weihnachtsservietten vom letzten Julklappfrühstück. Mit den Mädchen kann man echt alles machen. Die würde ich auch mit nach Hause nehmen und meine Wohnung renovieren lassen. Oder, wie mein Kollege neulich sagte: „Der Hassan ist ein Netter. Den würde ich auf meine Katze aufpassen lassen.“ Ja, ich würde alle meine Schülerinnen auf meine Katzen aufpassen lassen, wenn ich welche hätte. Ein Frühstück bereiten die dir echt im Vorbeigehen vor – inclusive Deko und alles.
Die Jungs hingegen – die stehen nur im Weg rum. Der Sportlehrer kommt und bringt mir drei Verletzte. „Vielleicht können die was helfen.“ Wie die schon im Weg rumstehen… am Liebsten will man sagen: Fasst nichts an, macht keinen Lärm und setzt euch da hinten in die Ecke, bis wir hier fertig sind. Jungs sehen auch nicht, was noch gemacht werden soll. Oder sie sehen es, machen es dann aber nicht. Ach wie schön muss eine Mädchenschule sein. Ich würde jeden Tag mit denen den Raum Putzen und dekorieren und mindestes einmal in der Woche gäbe es ein Frühstück. Ach, wie schön wäre die Welt mit nur Frauen. Elif schrieb neulich bei Facebook: „Wenn Frauen die Welt regieren würden, gäbe es keine Kriege. Nur ein paar eifersüchtige Länder, die nicht miteinander reden würden. huuhuuhuu“
In diesem Sinne – ein schönes Wochenende und seid nett zu den Frauen!
Dieser scheiß Julklapp, immer wieder nervt der. Jedes Jahr. Wieso habe ich eigentlich so großspurig erklärt, dass ich Kekse backen werde? Warum bringe ich nicht einfach eine Packung Gouda mit? Hätte vollkommen gereicht. Wen will ich denn mit meinen Keksen beeindrucken? Und als ich das so tollkühn versprach und an die Tafel schrieb, da war mir nicht klar, dass ich das auch wirklich machen muss und genau zu dem Zeitpunkt, an dem ich anfangen sollte, wahrscheinlich keine Lust dazu habe. Nämlich jetzt.
Die Butter ist auch noch zu hart und in der Küche kommt es mir irgendwie kalt vor und mein Hals kratzt immer noch und ich will lieber auf die Couch und fernsehen. Und ein Julklappgeschenk habe ich auch noch nicht. Eben habe ich meinen Schreibtisch abgesucht und da fiel mir die Federtasche, die ich letztes Jahr verschenken wollte in die Hände. Jeans mit gelben Stern (diesen Thriller kann man nachlesen bei 2010). Und mir war so, als hätte ich damals noch voll viele Stifte gekauft und die würden jetzt noch in meinem Schreibtisch irgendwo rumliegen. Tun sie aber gar nicht. Und jetzt noch rausgehen, wo ich doch schon in Jogginghose bin – das kommt doch Waterboarding nahe. Okay, okay, ist zu hart. Aber das wäre so, wie freiwillig zum Zahnarzt oder eine Mathearbeit schreiben.
Heute bin ich nur noch durch die Schule geschlichen. In der Pause treffe ich auf Herrn Werner. Wir gehen rauchen.
„Du langsam reicht’s, oder?“ frage ich.
„Langsam? Ich kann schon seit zwei Wochen nicht mehr.“
Anderen Kollegen, die sich in Zeitlupe über die Gänge, Richtung Lehrerzimmer schleppen flüstere ich zu: „Das halten wir jetzt noch durch, oder?“ Sie gucken mich an und lächeln gequält. Frl. Krise chillt zu Hause. Die macht das richtig.
Herr Werner rechnet mir aus, wie kurz die Ferien eigentlich nur sind und, dass sie auf gar keinen Fall Erholungswert haben werden. „Meinste echt? Ich brauche aber Erholung.“
Er zieht nur die Schultern hoch: „Tja…“
Wenigstens habe ich schon die Englischarbeit meiner Klasse korrigiert. Wenn mir jetzt noch jemand die Kekse backen würde… ich habe den Deutschlehrer angerufen, ob er mitmachen will – Kekse backen und Kekse essen. Widererwartend meint er, er kommt mal rum. Aber erst in einer halben Stunde. Der denkt auch, dass die Kekse dann gerade aus dem Ofen kommen. Nix da. Dann warte ich eben noch 30 Minuten.
Scheiß Julklapp, scheiß Kekse, scheiß kein Geschenk haben, scheiß Schule, Scheiß Arbeiten gehen müssen—ich hab kein Bock mehr!!!
Endjahresmüdigkeit. Es ist einfach zu dunkel. Es reicht jetzt langsam. Ich will mich gar nicht über das Wetter beschweren, das kann ja nichts dafür, aber ich habe einfach keinen Bock mehr. Die Schule fängt langsam an zu nerven. Hätte ich was zu sagen – morgen wäre der erste Weihnachtsferientag.
Mein Hals kratzt. Jetzt noch krank werden würde ja so dermaßen sowas von nicht fetzen. Meine Klasse bestand heute nur noch aus 16 Schülern. Alle anderen sind krank. Groß in Mode gekommen scheint bei denen momentan zu sein, sich während des Unterrichtstages nach Hause schicken zu lassen. Sie müssen sich zwar von ihren Eltern abholen lassen, aber das scheint weder die Eltern, noch die Kinder zu stören. Wie soll das denn mit dem Julklapp am Freitag werden, wenn die Hälfte der Klasse fehlt? Vielleicht klappt das ja trotzdem, die Schüler haben ja nur Zahlen und keine Namen gezogen. Sie wissen lediglich, ob sie ein Mädchen oder einen Jungen beschenken müssen. Ich habe Bella gezogen. Beim Ziehen habe ich genau hingeguckt, dass ich einen Zettle mit roter Zahl erwische. Einen Jungen zu beschenken…das fehlt noch…was weiss ich, was die haben möchten.
Da ich die Einzige bin, die weiss wer am Ende wen beschenkt, liegt auf mir mal wieder die Hauptverantwortung. Ich darf am Freitag nicht krank sein. Aber ein Geschenk habe ich noch nicht. Meine Erzieherin Heike hat mich gezogen, aber sie weiss es noch nicht.
„Du Heike, weisst du schon, was du für Julklapp kaufst?“
„Wie? Ich hab doch schon alles zusammen.“
„Echt? Was denn?“ frage ich ganz scheinheilig, denn jetzt kann ich mich ja entscheiden, ob ich die Geschenke dann behalten will.
„Also, so Aufkleber fürs Handy, dann ein Armband aus so ganz bunten Glasperlen, Filzstifte und ganz flauschige Handschuhe in pink.“
„Hmmmm, klingt ja super.“ sage ich. Wohl etwas zu nachdenklich, denn jetzt guckt sie mich skeptisch an.
„Ich hab‘ doch nicht dich gezogen, oder?“
„Doch.“
„Na, Filzstifte… die kannst du doch gebrauchen. Und die Handschuhe sind echt schön. Zeig mal deine Hände. Süüüüß, voll klein, die passen dir bestimmt.“
„Na, ich dachte, dass du vielleicht Bella beschenkst und ich dann nichts hole und eben auch nichts bekomme. Ich brauche nichts, aber mir fällt auch nichts ein, was ich kaufen könnte.“
„Aber die Handschuhe würden dir bestimmt gefallen.“
„Na gut, ich überleg es mir noch mal.“
Was wohl die anderen kaufen? Die Mädchen haben zum größten Teil ihre Geschenke schon zusammen. Und die Jungs?
„Volkan, hast du einen Jungen oder ein Mädchen gezogen?“
„Jungen.“
„Und was schenkst du? Weisst du das schon?“
„Cola.“
Cola???? Vielleicht hätte ich doch einen Jungen ziehen sollen. Ein paar Flaschen Limo einkaufen und schön verpacken, das würde ich noch hinkriegen.
„So, jetzt holt mal ein leeres Blatt raus und schreibt euren Namen und das Datum drauf.“ sage ich am Freitag zu der doofen Achten.
„Wieeeee????“
„Na, wir schreiben jetzt den Vokabeltest – hatte ich doch letzte Stunde angekündigt.“ Oh, Mann, die können mir auf den Geist gehen.
„Wie Vokabeltest? Wir dachten, Sie wären heute nicht da.“
„Wieso dachtet ihr das? Ich bin doch hier.“
„Aber sie standen gestern auf dem Vertretungsplan. Da stand, dass Sie heute nicht da sind.“ Wir befinden uns in der ersten Stunde des Tages. Alle Schüler des Kurses sind anwesend.
„So so, ich stand also auf dem Vertretungsplan. Und weshalb seid ihr dann jetzt hier? Warum seid ihr dann nicht zu Hause geblieben?“
„Na, da stand, dass wir in den Freizeitbereich gehen sollen.“ Jetzt wird es interessant. Weshalb sollte auf dem Vertretungsplan am Donnerstag stehen, dass die erste Stunde am Freitag ausfällt und die Schüler aber trotzdem um acht Uhr in die Schule kommen sollen, um dann mit ihrer Anwesenheit den Freizeitbereich zu verstopfen. Wunderliche und nicht ganz nachzuvollziehende Idee.
„Sagt mal, warum seid ihr denn dann heute nicht zu Hause geblieben? Da stand doch, wie ihr sagt, drauf, dass Englisch heute ausfällt. Warum seid ihr dann heute alle hier?“
„Na, da stand zwar Ausfall, aber da stand ja auch, dass wir in den Freizeit…“
„Okay, Schluss jetzt, ich mache jetzt erst mal die Anwesenheit und die Materialkontrolle. Ali, zeig mal dein Buch und dein Workbook, okay, Gamze, okay…“
Alle haben ihre Englischsachen mit. Diese Unlogik – ich bringe doch keine Englischsachen mit, wenn ich schon weiss, dass die Stunde ausfällt – können sie mir nicht erklären.
Die Schüler sind jetzt zu einem leisen Murren übergegangen. Ich will mit dem Vokabeltest anfangen.
„Okay, ich mache euch einen Vorschlag. Wir schreiben jetzt den Test und ich überprüfe das mit dem Vertretungsplan. Wenn ich da fälschlicherweise doch drauf stand, dann schreiben wir den Test am Dienstag noch mal.“
Damit sind die Schüler einverstanden. Ich teste und stelle bei der Korrektur fest, dass mal wieder nur ein Schüler gelernt und die obligatorische Eins bekommen hat. Alle anderen eine Fünf oder eine Sechs.
Nach der Stunde bin ich sofort ins Büro gegangen und habe mir den Vertretungsplan vom Vortag ausdrucken lassen.
„Und kann das sein, dass ich gestern da drauf stand?“ frage ich die Sekretärin. „Nein, das hier ist genau der Plan, der draußen hing und wie du siehst, stehst du ja nicht drauf.
Oh Mann, diese kleinen Schlawiner, die können was erleben. Denken die, ich wäre so leicht zu verarschen? Heute dann wieder Englisch mit denen. Ich komme den Gang entlang.
„Schreiben wir jetzt den Vokabeltest nach?“
„Wie?“
„Na, Sie haben doch gesagt, dass wir den Test noch mal schreiben.“
„Ja stimmt, ich sagte, wenn ich wirklich auf dem Vertretungsplan stand, dann wiederholen wir den.“
„Na sag ich doch, also schreiben wir den jetzt.“
In der Klasse lege ich meine Sachen auf mein Pult und hole den Vertretungsplan aus meinem Hefter.
„So, wenn ihr mir hier drauf meinen Namen zeigen könnt, dann schreiben wir den Test jetzt.“
Können sie nicht. Deshalb will ich mit dem Unterricht anfangen, da fangen sie wieder an zu plärren: „Aber Sie standen drauf! Wirklich!“
„Nein, hier guck! Ich stehe da nicht drauf.“
„Doch, das war bei Facebook.“
„Facebook?“
„Ali hat das fotografiert und auf Facebook gestellt.“
Ali holt sein Handy raus, hält es mir entgegen und schreit: „Ja, das stimmt. Hier, soll ich Ihnen zeigen?“
„Ja, zeig mir das.“
Ali kramt minutenlang in seinem Handy und findet nichts.
Ich fange mit dem Unterricht an und denke: Ha! Eins zu Null für mich.