Jetzt habe ich den Salat. Während sich hier alle noch aufregen – über die Jacke – schwillt die Backe. Heute morgen wache ich auf und sehe noch genauso scheiße aus wie gestern. Einseitige Elefantitis, als hätte ich das gesamte Abendessen von gestern und vorgestern in meiner Backe gebunkert. Also war ich heute auch nicht auf Arbeit. Dafür war ich bei der Bank. Mal kurz raus, dachte ich – draußen wird die Backe ja von selbst gekühlt.
„Hallo, ich bin Lehrerin und ich bräuchte so ein kostenloses Konto, wo ich Geld hin überweisen und es dann abheben kann. Früher hießen die Klassenfahrtskonten. Haben Sie so was?“
Der Bankangestellt lehnt sich zurück. Er trägt einen Anzug – nicht ungewöhnlich für einen, der in einer Bank arbeitet. Ich trage eine Mütze, die ich jetzt auch nicht absetzen will, weil ich mir die Haare nicht gewaschen habe. Ich habe auch noch das T-Shirt an, in dem ich geschlafen hab‘ – eigentlich bin ich ja krank und liege den ganzen Tag auf der Couch. Ich wollte ja nur mal kurz raus.
„Also, so ein Konto… da soll Geld hin überwiesen werden? Aber nicht Ihr Geld.“
„Nein, also, das Geld kommt von der Schule.“
„Von der Schule?“
„Ja, also, vielleicht haben Sie davon gehört, es gibt doch jetzt so ein Bildungs- und Teilhabepaket – da bekommen Kinder von Hartz 4 Empfängern die Ausflüge bezahlt und die Klassenfahren und so. Und da wird dann das Geld vom Jobcenter zur Schule überwiesen und dann auf das Konto der Lehrer und ich hebe es dann ab und gebe es den Kindern zurück. Ich will da aber nicht mein Girokonto für nehmen.“
„Aber haben Sie das schon mit dem Finanzamt besprochen?“
„Finanzamt? Wieso Finanzamt?“
„Na, da fallen doch Zinsen an und die Bank muss das doch dann an das Finanzamt melden. Und dann müssen Sie erklären, wo sie das Geld herhaben.“
„Wieso Zinsen, das Geld kommt da rauf und ich hebe es doch sofort wieder ab.“
„Ja aber da fallen ja Zinsen an. Vielleicht nur 10 Cent. Aber immerhin. Das müssen wir dann dem Finanzamt melden.“
Hä? Was erzählt der denn da. Der hat vielleicht auch falsche Vorstellungen darüber, wie viel Geld bei so einem Wandertag zusammenkommt. Oder hat er nur keinen Bock, mir ein Konto einzurichten. Er lehnt sich in seinem Drehstuhl nach hinten. Ist so ein Stuhl, wo die Lehne flexibel ist. Er hat seinen silbernen Kugelschreiber in der Hand und spielt mit dem rum. Ich denke nach. Er starrt mich an.
Plötzlich beugt er sich vor: „Hatten Sie einen Zahneingriff?“
Ich fass sofort an meine geschwollene Backe. Die ist total heiß. „Äh ja, ein Implantat. Vorgestern.“
„Oh ja, das kann schlimm sein. Das dauert. Damit hat meine Schwägerin Wochen zugebracht.“
„Wochen????“
„Ja, aber da war auch alles vereitert.“
Vereitert denke ich. Ich will nur noch raus. Der Kiefer puckert.
Er erhebt sich und kommt auf mich zu: „Fragen Sie erst mal bei Ihrem Finanzamt nach. Dann machen wir so ein Konto. Aber Sie sollten sich wirklich vorher erkundigen.“
„Hmmm, mach ich – danke.“
Ich gebe ihm die Hand und gehe.
Später denke ich: Eigentlich unverschämt, was der da gesagt hat – was wäre denn gewesen, wenn ich immer so schräg aussehen würde. „Nein, keine OP. Ich habe so ein einseitig aufgedunsenes Gesicht. Haben Sie was dagegen?“
Momentan sieht es nicht so aus, als wenn die Backe wieder abschwellen will. Ich wollte eigentlich morgen wieder zur Schule gehen, aber eine Freundin, die mich gerade kurz besucht hat meint, dass meinen Schülern wahrscheinlich die geistige Reife fehlt, um angemessen mit meinem Anblick umgehen zu können. Vielleicht hat sie recht – wenn schon der Banker nicht an sich halten konnte, würden das dann Ibo, Kufa und Anil schaffen?