Einfach mal so oder auch anders


Jetzt mal wieder etwas positiver in die Zukunft schauen. Morgen komme ich bestimmt in die Schule und alle meine Schüler erzählen mir freudig, dass sie sich am Wochenende auf mehrere Ausbildungsplätze beworben haben. Und wenn nicht, dann ist das ja auch nicht so schlimm, denn irgendwo müssen diese ganzen Millionen von Arbeitslosen ja herkommen.

Stellen wir uns mal vor, wir hätten gerade Vollbeschäftigung und meine Schüler würden sich nicht bewerben… Die Ausbilder würden zu uns auf den Hof kommen und mit Geschenken um unsere Schüler buhlen. Keiner müsste eine Bewerbung schreiben, man bekäme den Ausbildungsvertrag gleich dort auf dem Hof in der großen Pause. Wie stünde ich denn dann da?

„Sehen Sie Frau Freitag, das stimmt alles nicht, was Sie immer sagen. Gucken Sie, ich habe gleich zwei Plätze als Mechatroniker bekommen und sogar Mehmet hat ein Angebot von Lufthansa, er kann da Pilot werden oder Stewardess.“ Schlimm wäre das. Unglaubwürdig würde ich wirken. Die Schüler würden mir gar nichts mehr glauben. „Pah, think soll ein unregelmäßiges Verb sein? Wahrscheinlich lügt sie wieder.“ Nein, nein, also Vollbeschäftigung – ohne mich.

Ich freue mich sehr auf diese Woche. Denn meine Klasse hat mal wieder die Chance mich zu verblüffen. Am Freitag sollen sie ihre Anmeldungen für ihre Realschulprüfung abgeben. Wenn sie das bis Freitag nicht machen, können sie nicht an den Prüfungen teilnehmen und vor allem können sie dann nicht das zehnte Schuljahr wiederholen. Bis Freitag heißt bis Freitag! Ich werde nur den eigenen Tod als Entschuldigung gelten lassen, obwohl, da könnten ja auch die Eltern die Anmeldung vorbeibringen.

Das Wiederholen der letzten Klasse ist bei uns schwer in Mode gekommen, da es so bequem ist. Man muss sich um nichts kümmern und darf noch ein Jahr kuschelig in der Schule sitzen und Kindergeld gibt es auch noch weitere 12 Monate. Okay, wenn die Lehrer zustimmen darf auch jemand, der nicht durch die Prüfung gefallen, oder an ihr gar nicht teilgenommen hat, das Jahr wiederholen. Aber das muss abgestimmt werden und ich werde bei keinem meiner Schüler dafür stimmen.

Am Freitag werde ich sehen, ob meiner Klasse ein qualifizierter Schulabschluss genauso wichtig ist, wie der Besuch des Heideparks. Eigentlich sollte man doch meinen, dass bessere Berufschancen einen Dreifachlooping und eine Holzachterbahn schlagen würden, aber ich bin mir da leider gar nicht so sicher.

Ende des letzten Schuljahres – ich erinnere mich, als sei das gestern gewesen, haben meine Schüler mich ja echt überrascht, als sie von einem Tag auf den anderen 40 Euro für unseren Heideparkausflug und einen unterschriebenen Elternbrief mitbrachten.

Ich hab’s, wir machen die Realschulprüfung im Heidepark! Zwischen den schriftlichen Arbeiten ist jeweils eine Stunde Zeit, mit der Achterbahn zu fahren und vor der Mündlichen entspannen sich die lieben Kleinen bei einer Runde Scream. Wenn das nicht schülerrelevanter Lebensweltbezug ist, dann weiss ich auch nicht mehr.

15 Gedanken zu “Einfach mal so oder auch anders

  1. Oh ja, Prüfung im Heidepark! Ich bin sofort dabei, aber ach, was wollen Sie die Prüfungen denn zwischen dem Achterbahnfahren machen? Lassen Sie uns die Schüler währenddessen prüfen, auf dem Colossos oder so. Kommen Sie schon, zumindest die mündlichen. Ich könnte den Beisitz machen, mir macht das gar nichts aus. Bitte…

  2. *Ironiemodus on*
    Realschulprüfung im Heidepark? Aber Frau Freitag! So bekommt der Begriff „Spaßgeselleschaft“ ja eine ganz neue Bedeutung!!!
    Was machen die Kinderlein denn bloß, wenn der rauhe – ach-nee, das heißt ja refomiert jetzt RAUE Alltag sie einholt? Schwer traumatisierte Azubis? Depressive Arbeiter/innen und Angestellte?? Ist ja kein Wunder, daß unseren Krankenkassen bei so viel Krankschreib-Potential die Gelder ausgehen.
    *Ironiemodus off*

  3. Auja. Ich bin dabei. Für diese Prüfungen muss ich nämlich sonst immer in so eine uncharmante Realschule in der Nachbarstadt, wo alle halbe Stunde der ICE am Fenster vorbeidonnert. Da wäre der Heidepark echt mal ne Alternative 🙂

  4. Frau Freitag, Prüfung in der Achterbahn, würde ich sagen….die Frage ist dann, wer steht das besser durch: der Schüler oder der Lehrkörper….? Falls Sie noch pädagigisches Personal brauchen – ich bin dabei!!

  5. „Wenn ich groß bin, will ich Fußballer werden“, sagt ein 17jähriger in dem Video. Das fasst eigentlich auch alles zusammen…
    Wie groß wird man denn mit 17 noch?

  6. Was soll das eigentlich, dass sie einem Schüler den Beruf „Stewardesse“ andichten? Finden Sie das witzig, oder kennen sie die männliche Berufsbezeichnung einfach nicht?

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