Wir sind halt Ausländer

„Und was bekommt Peter auf sein Bild?“ Peter: „Bestimmt doch wenigstens eine Vier, oder?“

Ich: “Nee, ist sogar eine Drei.“ Raifat: „Klar, weil er Deutscher ist…“

„Raifat, willst du damit sagen, dass ich rassistisch bin?“ Ich spiele die Entrüstete – kann ich auf Knopfdruck-, dazu muss man nur etwas lauter und deutlicher als sonst sprechen und man darf auf keinen Fall lachen, sondern muss nach dem Satz eine kurze Kunstpause machen. Das gibt der Aussage noch mehr Kraft und der Vorwurf der Voreingenommenheit und ungerechten Bewertung erscheint noch unverschämter.

„Ihr wollt doch nicht im Ernst sagen, dass ich rassistisch bin, oder?!? Ich gebe doch dem Peter nicht eine Drei, nur weil er Deutscher ist! Hauptsache ein Schüler sieht gut aus, da ist mir doch die Nationalität egal!“

Immer wieder dieses Ausländerding. Wer ist denn eigentlich Ausländer? Die wohnen doch alle hier und die sind doch auch alle hier geboren. Am ersten Tag mit meiner Klasse habe ich – Lions Quest- fortgebildet wie ich war- erstmal ein Kennlernspiel gemacht. Alle sitzen im Stuhlkreis, ich sage etwas und auf wen das zutrifft, der soll aufstehen: „Alle die gerne spät ins Bett gehen, sollen aufstehen! Alle die Ferien mögen, sollen aufstehen! Alle die die Simpsons gucken, sollen aufstehen!“ Dann übergebe ich die Fragerrolle an einen Schüler: “Alle die MSN sind, sollen aufstehen usw.“ Irgendwann:“ Alle die Ausländer sind, sollen aufstehen.“ Fast alle springen auf. Ich übernehme wieder und sage: „Alle die hier geboren sind, sollen aufstehen.“ Die gleichen Schüler springen auf und als ich frage, wessen Eltern hier geboren sind, setzt sich auch niemand wieder hin.

Also was denn nun? Hier zur Welt kommen und trotzdem Ausländer sein wollen? Zweidrittel der selbsternannten Ausländer besitzen einen deutschen Pass und kennen ihr „Heimatland“ nur aus dem Fernsehen oder von Kitschpostkarten im Wohnzimmer. „Warst du denn schon mal im Irak oder in Syrien oder in Palästina (hihi)?“  Nö! War natürlich kaum einer.

Aber im Kunstunterricht finde ich noch bei jeder Aufgabe die kurdische Flagge oder den weißen Halbmond mit Stern. In jedem dritten Namensschild prangt diese libanesische Tanne und Koransuren lassen sich auch in jedes Thema einarbeiten.

Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde – ich gönne ihnen ihre seltsame Sehnsucht, nach der perfekten Heimat, aber sich hier als Ausländer zu bezeichnen und vor allem jeden Grammatikfehler damit zu entschuldigen, dass man halt Ausländer sei, das kann ich nicht tolerieren. Sagte doch neulich der Referendar, der meine Klasse unterrichtet: „Na ja, die Südländer, die hinten sitzen, haben sehr gestört.“  „Südländer? Die wohnen alle in … und das ist eher im Norden.“

„Frau Freitag, Bleistift?“ Ich: „Bleistift?“ Aygül: “Frau Freitag, kann ich Bleistift?“ Ich: “Klar, wenn du den Satz korrekt sagst, mit Artikel und allem drum und dran.“ „Aber wir sind Ausländer, wie sprechen halt so.“  „Also erstens hast du ja wohl einen deutsch Pass und bist deshalb Deutsche, vielleicht türkische Deutsche oder deutsche Türkin, und zweitens ist das doch wohl keine Entschuldigung, so bekloppt zu sprechen. Wenn du so in der Öffentlichkeit redest, denken die Leute nämlich die ist ein bisschen dumm. Und wenn du dann in einer Arztpraxis arbeitest denken die Patienten, na, wenn die Arzthelferin dumm ist, dann ist der Arzt bestimmt auch schlecht und gehen wieder. Und alles nur, weil du keine Artikel benutzt. Wenn du mit einem französischen Akzent die falschen Artikel säuseln würdest, wie die eine bei Harald Schmidt, dann fänden das alle Leute süß und charmant, aber mit deinem türkischem Aussehen falsch zu sprechen, das mögen die Leute irgendwie nicht.“ Aygül: „Ach…so habe ich das noch nie gesehen. Könnten Sie mir  jetzt bitte trotzdem einen Bleistift ausleihen, ich habe meinen nämlich leider vergessen.“

„Klar. Hier. Bitte.“

Deine Klasse…

Meine Klasse wurde gelobt! Meine Klasse wurde gelobt! Meine Klasse wurde gelobt!

Ich sitze in meiner Freistunde im Lehrerzimmer, mit einer Schulfremden „kann ich mir auch den Deutschunterricht mal ansehen“ und einer anderen Kollegin. Beide kommen gerade aus einer Doppelstunde in meiner Klasse. Ich will lieber erst gar nicht fragen, wie es war und rede deshalb übers Wetter.

Aber dann die Schulfremde: „Das ist aber eine nette Gruppe, Ihre Klasse.“

Ich: „??????? Hääähhhh, meint die mich? Meint die meine Klasse? „Ja, die sind aber nett miteinander und die haben so schön gearbeitet.“ „Naja, die können auch anders und der Andreas…der…ist ja immer, und der blah blah und die soundso die macht ja nie…“ mischt sich die Kollegin ein. Ich: “Jetzt hör’ mal auf, die wurden doch gerade gelobt, nun lass doch mal!“ Ich will dieses Lob (fast das erste in diesem Jahr) noch genießen, bevor die Sportlehrerin gleich reinkommt und mir aufzählt wird, wer wieder nicht am Sport teilgenommen hat. Deshalb wiederhole ich: „Ja, die sind echt nett.“ Ich will noch mehr hören, ich will noch mehr Lob, aber da kommt nichts mehr. Das Thema wird gewechselt.

Ich lehne mich zurück und lasse den Satz durch mein Gehirn wabern „Das ist aber eine nette Gruppe.“ Schön klingt das. Selten, aber sehr schön. Ich finde auch, dass die eine nette Gruppe sind. Ich mag meine Klasse sehr gerne. Alle. Irgendwie sind die alle toll. Sie gehen mir zwar sehr auf die Nerven, aber sie sind trotzdem alle toll. Nur schade, dass nur ich das sehe.  Bei den Kollegen scheinen sie ihre Tollheit geschickt zu verbergen, denn ich höre sonst nur: „Deine wieder.“ „Oh Gott, du gehst in die Freitagklasse, na viel Spaß.“ „Ach die arme Neue, bei denen Ethik…na, das kann ja was werden.“

Deine. Wie ich das hasse. Ich habe die doch nicht geboren. Und trotzdem heißt das immer – deine. Die Kollegen kommen mit ihren Fehlzetteln auf mich zu gerannt und zur Begrüßung bekomme ich regelmäßig ein vorwurfsvolles „Wieder sechs Leute zu spät…“

Nie heißt  es 10 Leute waren pünktlich. Ich muss mich immer um die Nichtssoangepassten kümmern, die guten Allesrichtigmacher, über die werde ich nicht informiert. „Nicht gemeckert ist genug gelobt.“ Und im Vorbeigehen höre ich dann so Kommentare wie „Wie der Herr so das Gescherr“ (oder so ähnlich) was ja nichts anderes heißt, dass ich Schuld daran bin, dass Andreas, Peter und Sabine wieder zu spät gekommen sind. „Die haben nicht bei mir geschlafen!!!!! Wenn sie das gemacht hätten, dann hätte ich sie pünktlich geweckt und dann wären sie auch nicht zu spät gekommen!!!!“

Mir wird seit zwei Jahren suggeriert, dass meine gesamte Klasse nicht in die Pubertät gekommen wäre, wenn sie einen fähigeren Klassenleiter gehabt hätten. Nun ist es aber zu spät. Alle sind hormonell überdosiert (von mir!) und drehen frei. Sie benehmen sich total daneben, sie kommen zu spät, sie machen keine Hausaufgaben. Und wenn sie welche machen, dann schreiben sie sie nur von dem Deppen ab, der sie gemacht hat. Sie vergessen jeden Zettel, den man ihnen zur Unterschrift nach Hause mitgibt. Sie haben selten ihr Arbeitsmaterial dabei. Sie passen nicht gut auf im Unterricht. Sie arbeiten nicht besonders viel mit. Ihnen fehlt der Ehrgeiz und die Konzentration. Dafür werden sie frech, anmaßend und unverschämt, wenn man sie ermahnt.

Und trotzdem finde ich sie toll. Sie sind witzig und fröhlich. Sie kommen zu spät, weil sie sich so gut verstehen und soviel auf dem Hof zu tun haben. Sie müssen auch oft noch aufs Klo oder in die Cafeteria. Sie arbeiten nicht mit, weil sie sich momentan für andere Dinge interessieren. Sie bringen die Zettel mit den Unterschriften nicht mit, weil sie es einfach vergessen, wenn sie zu Hause sind.

Sie sind ganz normale Teenager in der schlimmsten Zeit der Pubertät. Sie haben Babyspeck und Pickel und ziehen sich komische Klamotten an. Sie haben alle Handys und wissen genau, wie man sie bedient. Sie schminken sich seltsam, oft sind sie orange. Die Jungen verkleistern ihre Haare mit Gel und die Mädchen finden das süß. Sie bequatschen dauernd ihre Probleme. Sie sind ständig verliebt und dann wieder doch nicht. „Schon laaange nicht mehr mit dem, Frau Freitag.“ Sie machen gute Witze und lachen, wenn ich über Kabel stolpere. Sie bringen mir die übelsten Ausdrücke in Arabisch oder Türkisch bei und versichern mir, das hieße ‚Guten Tag’ und ‚Auf Wiedersehen’. Sie sind ständig wie auf  Koks, völlig überdreht und zu laut.

Ich finde sie wirklich super.

Wenn man nicht schlafen kann

Das ist schrecklich, morgens um vier Uhr aufwachen und sich im Bett wälzen. Was hat das mit der Schule zu tun? Wahrscheinlich sind das mal wieder Vorboten des Burnouts, die mich in diesen viel zu frühen Morgenstunden wachrütteln. Warum wäre sonst mein erster Gedanke: „Habe ich die Buchbefreiungszettel alle bekommen (Nachweise, dass die Familien meiner Schüler Geld vom Job-Center erhalten)? Wird sich Manuela wieder mit Katrin vertragen, oder startet da jetzt der erste richtige Zickenkrieg in meiner Klasse. Warum kommt Justin immer zu spät? Sollte ich die Eltern anrufen? Wo habe ich die Zeichnungen der Zehnten Klasse, die muss ich noch zensieren.“

Mit solchen Gedanken aufzuwachen nervt. Und je länger ich über jedes einzelne Problem nachgrüble, umso unlösbarer scheinen sie. Werde ich langsam irre? Habe ich eine Kontrollzwang oder bin ich einfach zu früh ins Bett gegangen? Geht es anderen auch so und kann  ich diese Stunden als Mehrarbeit irgendwo geltend machen?

Das Verrückte ist, dass mich diese Gedanken direkt in eine schöne depressive Verstimmung steuern. Ich habe noch nie auch nur ein Problem dadurch gelöst, dass ich von vier bis sechs darüber nachgedacht habe. Frl. Krise sagt, dass sich mein Gehirn, in diesen frühen Stunden, in dem gleichen Stadium befindet, wie in einer echten Depression. Das sei allerdings ganz normal und ich habe auch schon gemerkt, dass alles wieder gut ist, sobald ich mich in die Küche schleppe, um Kaffee zu machen. Aber Kaffee um vier? Kaffee darf man erst um sechs machen!

Das einzige wirksame Mittel um vier ist Ablenkung. Deshalb: Aus dem Bett auf die Couch umziehen und den Fernseher anmachen. Sich von Serienschwachsinn in den Schlaf labern lassen und um sechs wieder aufwachen.

Aber heute…was läuft da? Die Wiederholung von „Hart aber fair“ – Thema: Frühförderung im Kindergarten. „Sollten Dreijährige Englisch lernen? Wie teuer darf ein Kitaplatz sein und mal wieder das dreigliedrige Schulsystem…“ So richtig ablenken lassen kann mich davon nun auch nicht.

Liebe Programmmacher vom Fernsehen, bitte sendet so früh am Morgen bitte mehr leichte Kost, denkt bitte daran, wer sich da vor dem Bildschirm befindet. Lehrerinnen, die nicht mehr loslassen können oder Mütter, die über die richtige Kitawahl nachdenken. Nehmt doch mal mehr Rücksicht, oder bringt mal einen Beitrag über Schlaflosigkeit oder eine Sendung, die mir hilft, die Kunstarbeiten zu finden.

Zensuren

Wann sind eigentlich Ferien? Ich blicke gar nicht mehr durch. Sollte jetzt nicht bald die Zeit der Filme und Hof beginnen? Eisessen, Schränke ausmisten, Hitzefrei, Kurzstunden, Tische schrubben und mit drei immer noch artig kommenden Zehntklässlerinnen Kunstarbeiten aufhängen…

Ach, aber vorher kommt ja noch die schöne Zeit der Zensurenmacherei und der Zeugniskonferenzen. „Bitte, ich brauch’ nur noch den einen Punkt. Sonst fehlt mir nichts mehr nur der eine Punkt bei Ihnen.“ „Wie jetzt ist es zu spät für ein Referat? Kann ich nicht noch einen Vortrag oder ein Plakat oder so…aber ich brauche doch unbedingt eine Vier…“

„Ach Frau Freitag kannste der Rebecca nicht noch zwei Punkte geben, die ist doch immer da gewesen und die braucht doch den Abschluss.“ „Kann ich dir die Noten nächsten Montag geben? Ich muss heute noch einen Arbeit schreiben…“ „Wie die Zensuren werden zusammen gerechnet? Das erste und das zweite Halbjahr? Echt? Seit wann denn das?“

Kurz vor den Ferien kommen komischerweise auch immer die Dauerschwänzer, Schüler, die man nur von der Kursliste kennt und noch nie gesehen hat. Scheint irgendwie, dass sie sich erst nach den Konferenzen in die Schule wagen, wenn der Druck weg ist. Wenigstens fragen die nicht nach besseren Noten.

Ich sehe mich schon stundenlang am Schreibtisch sitzen und rechnen. Ich habe die Angewohnheit, jede einzelne Zensur aus tausend Kleinstnoten, die ich für alles Mögliche gegeben habe zusammenzurechnen. Ganz am Anfang meiner Karriere  kam es vor, dass ich am Ende eines Schuljahres zu wenige Zensuren hatte und jetzt gibt es bei mir pro Stunde mindestens eine, meistens aber wesentlich mehr Noten zu ergattern. Die mache ich im Bus.

„War super, unglaublich, noch nie gesehen.“ = 1; „War auch super und toll, aber du hast Pech, dass der soundso in deinem Kurs ist und der ist besser.“ = 2; „Ach was soll sein, du bemühst dich, bist immer pünktlich und nett und manchmal sagst du auch was Richtiges“ = 3; „Tut mir leid, aber von dem Fach hast du ja so gar keine Peilung, aber wenn ich dir jetzt ne Fünf gebe, muss ich am Ende noch Förderpläne schreiben, oder noch schlimmer – du bleibst sitzen und kommst dann in meine Klasse, das muss verhindert werden.“ = 4; „Keine Ahnung haben und dann auch noch frech werden. Ständig zu spät, ohne Arbeitsmaterial und immer störende Bemerkungen, alles Schriftliche ein Griff ins Klo und auch noch eine total schlechte Handschrift und die Blätter grundsätzlich zerknittert.“ = 5; „Stand zwar auf meiner Kursliste, kam aber nie, oder kam ab und zu und hat es dann gewagt sich richtig doll mit mir anzulegen.“= 6.

Ich bin ja Schülerschleimer, ich gebe eigentlich keine Sechsen, nur den Karteileichen. Wer nett lächelt bekommt bei mir schon eine Vier. Wer dazu noch gut aussieht und mir Komplimente macht, der kann sich schon über eine Drei freuen. So einfach ist das.

Das sind also die Superlehrer

Okay, nun lief also gestern die, von mir heiß erwartete erste Sendung der Superlehrer auf Sat.1. Noch bin ich recht unschlüssig. In den Telefonkonferenzen, während der Werbepausen (danke Sat.1, dass du Analysezeit eingeplant hast) mit Frl. Krise, auch allgemeine Ratlosigkeit. Frl. Krise: “Es kommt mir so vor, als hätte ich diese Dilara schon mal unterrichtet.“ Mir kommt es so vor, als hätte ich alle diese Schüler schon im Unterricht sitzen gehabt und als kenne ich die Lehrer aus sämtlichen Lehrerzimmern meiner Berufszeit.

Also erstmal der Deutschlehrer – mein Favorit bisher – Typ Sakko mit Ellenbogenverstärkung. Er wird als der Strenge, der Sichdurchsetzende (der Nichtsduldende) vorgestellt und wie das aussieht erfahren wir gleich in der ersten Stunde: „Nicole, Sie weigern sich an die Tafel zu kommen…das dulde ich nicht. Sie werden mit der Sozialpädagogin ein Gespräch führen.“ Schön, wenn man delegieren kann. Die Sozialpädagogin war nicht begeistert. Meine Vermutung: Sie mag den Deutschlehrer nicht. Man merkt auch, dass der Herr Deutschlehrer lange nicht mehr unterrichtet hat (war er nicht durch einen Sportunfall in die Frühpensionierung gezwungen), denn Wörter wie Chemotherapie und Emanzipation sind meiner Meinung nach schon lange kein Stoff mehr der Fünften Klasse. Und hat ihm denn niemand gesagt, dass es ungünstig und auch unnötig ist, die Schüler mit ihrer – man kann schon mal davon ausgehen – schlechten Rechtschreibung an der Tafel vorzuführen. Und die Quittung erhielt er ja auch gleich von Nicole „ich muss irgendwie weiblicher werden“.

Dann der liebe Mathelehrer: Typ knuffiger Althippie mit Herz. Nett und geduldig, der wird die Schüler immer respektvoll behandeln und versuchen sie zu motivieren, „nein, 4 plus 2 ist nicht 7. Rechne noch mal, du schaffst das!“ Aber er wird ja schon in der kommenden Woche an seine Grenzen getrieben und bricht weinend im Lehrzimmer zusammen, oder weint er, weil er die Teilnahme an der Sendung bereut?

Dann der Englischlehrer: Typ „Ich mach hier mal einen auf Kumpel und merke dabei gar nicht, wie ich damit total baden gehe.“. Was sollte denn das mit dem Händeschütteln in Zeiten der Schweinegrippe. Und warum essen die Schüler in seiner Stunde Bonbons „Wir werden hier nur mündlich arbeiten, denn es geht nachher um eine mündliche Prüfung“ – denkt der denn, da hilft es sich den Mund mit Süßigkeiten voll zu stopfen? Und dass er die Schüler gleich am Anfang aufs Klo gehen lässt wird sich nicht mehr rückgängig machen lassen. Er wird wenig Ärger mit den Schülern haben, denn er wird jeder Konfrontation aus dem Weg gehen. Der ist irgendwie zu dünn.

Und die Schüler…naja, die erscheinen mir recht normal. Also was soll diese Anmoderation “Die schlimmste Klasse Deutschlands…“ das ist höchstens die kleinste Klasse, mit den ältesten Schülern. Wahrscheinlich bekommen die auch noch Geld dafür und ihnen wurde der Hauptschulabschluss ja schmackhaft gemacht, als wäre der ein Hauptgewinn im Lotto oder ein Exclusivvertrag mit C&A. Und wenn die Spielregeln wirklich so sind, wie ich das am Ende der Sendung verstanden habe – dass jede Woche der renitenteste und schlechteste Schüler raus gewählt wird, dann haben die Lehrer doch gar kein Problem mehr. Dann sage ich doch: Her mit dieser Regel! Verankert die mal sofort im Schulgesetz: Ab dem kommenden Schuljahr hat die Gesamtkonferenz die Möglichkeit jede Woche einen Schüler aus jeder Klasse zu schmeißen. Herrlich wäre der Schulalltag…

Liebe Superlehrer, jetzt kommt mal nächste Woche in die Puschen. Ich will mehr sehen als das! Regeln aufstellen und alle unterschreiben lassen – gähhhn, Das Schwänzen nicht dulden und dann doch nur mit der Hälfte der Klasse den Unterricht anfangen – schnarch. Schlechte Testergebnisse in Mathe – Überraschung! Von Schülerinnen beleidigt werden und sich dann mit halbgaren Entschuldigungen zufrieden geben – schlaf ein. Macht mal ein bisschen Action. Macht eurem Sendungsnamen mal alle Ehre. Wenn das alles ist, was ihr könnt, dann brauche ich doch nicht abends vor dem Fernseher zu sitzen, das habe ich doch jeden Tag.

Liebe Schüler, ihr langweilt mich. Habt ihr nicht mehr drauf als eurer übliches Zuspätkommen, im Unterricht essen und nix wissen… Überrascht uns doch mal mit perfekter Rechtschreibung und zieht verdammt noch mal die Jacken aus, schon schlimm genug, dass sich da noch kein Superlehrer dran gestört hat.

Sie sollen jubeln…

Ich treffe immer mehr junge Referendare. Auch die lustige Spezies ‚Männer für die Grundschule’. Da entfährt mir unweigerlich immer ein: „Süüüß, toll, dass du in die Grundschule willst. Die werden dich lieben.“

In den Grundschulen kann man ja schon par Geschlecht punkten.

In den Oberschulen musst du noch ein wenig mehr drauf haben, als nur Mann sein. Allerdings hilft Mann sein dort auch. Meine These ist – Männer haben es an den Schulen sowieso leichter als Frauen.  Okay, wir Lehrerinnen haben jetzt nicht so das Problem mit „Herr Blahblahblah guckt uns irgendwie immer so komisch an…“  Ich kann gucken soviel ich will, ohne, dass jemand was sagt. Und auch für uns gibt’s in den Schulen jede Menge zu sehen.

Gut haben es allerdings die Lehrer, die richtig was können. Unterrichten ist ja nun nicht so eine Fähigkeit, mit der man bei den Schülern besonders viel Eindruck hinterlässt. Selten höre ich „Boah, Frau Freitag, kennst du die? Die unterrichtet echt geil!“ „Ja, vallah, ich schwör´ das macht die echt Hammer.“ Und dass ein Schüler bei einem Kollegen neulich im Unterricht onanierte, lag wohl auch nicht an dessen toller Geschichtsstunde.

Ja, ich gebe es offen zu, ich würde die Schüler gerne mal so richtig beeindrucken. Sie sollen sprachlos, mit offenem Mund dasitzen – „Hast du das gesehen?“. Ich will Applaus und Zugaberufe. „Mach noch mal Frau Freitag, noch mal, noch mal, noch mal!!“

Frl. Krise träumt seit Jahren davon, mit einem Flick Flack in die Klasse zu kommen und direkt auf ihrem Stuhl zu landen. Ich antizipiere den Salto rückwärts – unvermutet aus dem Stand. Zaubern können wäre auch schon gut. Unvermittelt die Kreide aus ungewaschenen Schülerohren ziehen, oder freestylen – die ganze Stunde, den Lehrervortrag, die Aufgabenstellung, jeder Impuls wird gerappt. Ich kann nicht mal Gitarre spielen oder realistisch zeichnen (könnte ich zeichnen, wäre ich doch nicht Kunstlehrerin geworden). Der Klassiker zum Schülerbeeindrucken ist natürlich Karate. Mit der Harley vorfahren wäre auch okay. Ich wittere jedes Mal, wenn mir auf dem Hof der Fußball vor die Füße rollt meine große Chance und ernte dann doch immer nur Gelächter, bei dem Versuch möglichst brasilianisch zurück zu schießen. Ich habe es mit Breakdance versucht – auch da bin ich kläglich

gescheitert und erntete auf dem Schulfest nur Mitleid.

Ah, da fällt mir ein, eine Sache kann ich ganz gut. Durch jahrelanges Trainieren bestimmter Brustmuskeln (Gastronomiejobs) und einer besonderen Hebeltechnik, bin ich ganz gut im Armdrücken. Geht mir ein Schüler im Unterricht sehr auf den Geist, sage ich ihm, er solle nach der Stunde noch mal kurz bleiben. Er erwartet das berühmte pädagogische Gespräch, und ist dann durch mein „Okay, jetzt zeig’ mal was du drauf hast“, entsprechend  überrascht. Meistens endet es unentschieden, aber ein paar schwächliche Großmaul-Schüler habe ich auch schon besiegt. Das spricht sich natürlich rum. Kleiner Tipp: Man schafft kräftemäßig immer nur einen Schüler, also das „ich auch, ich auch“ souverän an dir abprallen lassen.

Frl. Krise kann mit der linken Hand vom Lehrerpult Sachen in den Papierkorb werfen und treffen. „Musste mal üben, macht auch Spaß.“ Ich sehe es ein, man muss klein anfangen, aber heimlich träume ich immer noch vom Salto.

Die Schüler haben es gut, ich wäre schon beeindruckt, wenn sie einen eigenen Bleistift dabeihätten oder für die Vokabeltests üben würden.

Aber das ist so illusorisch, wie der Flick-Flack von Frl. Krise.

(Nicht vergessen, heute 20.15 die Superlehrer – Sat1…ich bin sehr gespannt…)

Achtung, jetzt wird’s unpädagogisch

Was an der Schule echt nervt, ist, dass man da immer so pädagogisch sein muss. Immer, immer, immer. Die Schüler benehmen sich wie sie wollen, meistens total daneben und unsereins…immer schön pädagogisch. Das heißt, immer das Richtige sagen. „Nicht mit dem Stock spielen, das kann ins Auge gehen, bitte die Stühle anheben, schlag die Tür nicht so doll zu, die geht sonst kaputt und die war ganz schön teuer, nimm bitte den Kaugummi raus, sonst verstehe ich dich nicht und wenn du so laut und mit offenem Mund kaust sieht das auch nicht schön aus, du sollst das von der Tafel abschreiben, weil sich das dann besser einprägt, wenn du es einmal selbst geschrieben hast., wenn ich dich jetzt aufs Klo gehen lasse, dann muss ich ja alle gehen lassen, sonst wäre das ja ungerecht,  erinnerst du bitte deinen Vater daran, dass ich ihn sprechen möchte…, ich darf euch aus versicherungstechnischen Gründen nicht vor dem Klingeln gehen lassen. Wenn ihr hier eure Böreks esst, dann werden die Tische fettig und du willst doch wohl auch nicht deinen Hefter in einen Fettfleck legen, lass ihn bitte los, du möchtest das doch auch nicht, jaja Spaß, für ihn sieht das aber gar nicht nach Spaß aus, bitte sag nicht so was, du kennst seine Mutter doch gar nicht usw.“

Manchmal komme ich mir vor wie eine Schallplatte – für die Jüngeren: manchmal komme ich mir vor wie eine CD – ständig muss ich Vorbild sein und diesen pädagogisch wertvollen Salmon von mir geben. Das richtige Lehrerblahblah gibt es für jede erdenkliche Situation. Und meistens sind es Verbote, mit erklärendem Zusatz, den niemand hören will. Es interessiert sowieso keinen Schüler, was ich da ständig sage. Anderenfalls würden sie ja nicht immer wieder die gleiche Scheiße machen. Sie wissen, dass ich nicht möchte, dass sie sich Nackenklatscher geben und sie machen es trotzdem.

Träumen wir nicht alle davon mal anders als normal zu reagieren? Einfach mal spontan raus mit dem was wir wirklich gerade denken. Dem pädagogisch wertlosestem Impuls folgen gemeinen Eingebungen nachgeben…wäre das nicht toll? Die Lehrerpersönlichkeit wäre plötzlich eine ganz andere:

„Schade, dass du nur zu spät kommst, schöner wäre, wenn du gleich ganz zu Hause bleiben würdest. Nein, ich glaube nicht, dass du dich in Englisch noch verbessern kannst, du bist doch viel zu bescheuert, um in der nächsten Arbeit noch eine Vier zu schreiben. Ist das Solarium oder Make-up – na, ist ja auch egal, sieht jedenfalls total scheiße aus, billig und gibt dir das Image als hättest du gar nichts im Kopf. Warum läufst du so bekloppt, denkst du irgendein Mädchen steht auf dich, nur weil du hier in Zeitlupe über den Hof stolzierst, breitbeinig, als hättest du eingepullert. Warum schlägst du ihn nur in den Nacken? Hau doch mal richtig auf seine Nase, das tut ihm doch viel mehr weh und vielleicht blutet er dann sogar. Kleiner Tipp, er hat nicht nur eine Mutter, der hat auch noch drei Schwestern, das sind bestimmt auch alles Schlampen.“

Mein Traum von einem perfekten Hausbesuch sieht folgendermaßen aus: Ich latsche erstmal bei strömendem Regen durch den  Park – schön auf der Wiese und durch den Matsch, dann rein in die gute Stube, Schuhe natürlich anlassend. Zur Begrüßung rotze ich erstmal ordentlich auf den Wohnzimmerteppich, setze mich dann auf die Couch, zieh den anderen Sessel näher ran, um meine Füße abzulegen. Dann esse ich Kürbiskerne und versuche die Hülsen über den Tisch auf den Flachbildschirm zu  spucken. „Herr und Frau X. ich bin hier, um ihnen zu sagen, dass mir ihr Sohn Y. gehörig auf die Ketten geht. Ich kann ihn nicht leiden und ich bin mir sicher, sie auch nicht. Zum Glück haben sie ja noch weitere Kinder, weil aus dem wird bestimmt nichts. Und ich habe auch keinen Bock mehr, den jeden Tag zu sehen. Bitte lassen Sie ihn ab jetzt zu Hause.“

So lustig könnte der Lehreralltag sein. Wäre bestimmt auch sehr abwechslungsreich. „Spuck da ruhig noch mal hin. Was raus muss, muss raus. Ich freue mich über den Müll, den ihr hier im Klassenraum auf den Boden schmeißt. Habt ihr nicht noch mehr davon in den Taschen?“  Und ich bin sicher dann würden die Schüler zum ersten Mal auf mich hören und machen was ich sage. „Klar, geht doch ruhig alle jetzt aufs Klo.“ Und wenn ich sie soweit habe, dann streue ich wieder die pädagogische Mantren ein „Vergesst die Hausaufgaben nicht, lernt für den Vokabeltest, vertragt euch…“

Ja, ich glaube das könnte klappen.

Ab zur Analyse

Ohne Frau Dienstag und Frl. Krise wäre ich schon längst in einer Burnout-Klinik.

Seit dem Beginn des Referendariats laufe ich hochtourig, im oberen Bereich meiner persönlichen Leistungsgrenze. Wenn dann irgendetwas passiert, was nicht geplant oder bedacht wurde, dann kommt mein gesamtes System ins Schleudern. Der Motor hakt, es entstehen komische Geräusche und in diesen Momenten wende ich mich dann immer an Frau Dienstag und Frl. Krise – zur Analyse.

Frl. Krise schwört auf paradoxe Intervention und Frau Dienstag liebäugelt mit „Hart bleiben, da sag’ ich einfach nein, die Zügel erstmal anziehen…“ Ich glaube Frau Dienstag teilt meinen Traum, den Unterricht als ein zwei Quadratmeter großer Mann mit tiefer Stimme abzuhalten, der die Schüler durch sein bloßes Ein- und Ausatmen in Schach hält. Leider gehören wir beide eher zur leptosomen Fraktion, die sich mit anderen Tricks durchsetzen muss.

Frau Dienstag entwickelt momentan eine Persönlichkeitsstruktur, mit der sie eine prima Schulleiterin werden könnte. Sie empfindet Gefallen daran die Kollegen auflaufen zu lassen: “…ich hab’ die dann nur so angeguckt und ganz ernst gesagt: Bitte nicht in dem Ton.“ Sie durchschaut die Strukturen im Lehrerkollegium „Herr X ist der Taschenträger und Herr Y die rechte Hand von Frau Z.“ Sie bewundert die konsequenten Kollegen „…die entschuldigt das Fehlen nur mit Attest, und zwar VOM ERSTEN TAG an.“ Sie geht souverän mit den neuen Anforderungen um: „…klar kann ich Chemie unterrichten, dass lese ich mir im Bus an.“ Und sie hat auch keine falsche Ehrfurcht vor Autoritäten „…bei dieser Fortbildung…die war ja eigentlich nur für Schulleiter…alles Idioten und auch noch schlecht angezogen.“ Und sie wüsste auch genau was sie mit ihrer Gehaltserhöhung anfangen würde. „Guck, guck, das ist genau der Wagen, den Frau Fischer fährt. Ein Jaguar, is’ der nicht geil?“

Leider passieren ihr im Alltag dann doch immer wieder kleine Fauxpax(s), die ihre Führungsqualitäten in Frage stellen. Sie lässt sich vom stellvertretendem Schulleiter dabei erwischen, wie sie Leitz-Ordner aus dem Materialschrank „ausleiht“, sie macht ihre Pausenaufsichten etwas zu leger „Frau Dienstag, der Sven hatte ein Feuerzeug und sie stehen direkt daneben.“ Und letztendlich liebt sie den Schülerkontakt und das Unterrichten doch noch zu sehr „Dieses Energieprojekt war gaaaaanz toll. Die haben alle soooo schön gemalt und die Sachen ausgeschnitten, war super gewesen.“ Aber irgendwann wird sie noch Schulleiterin. Einer sehr kleinen Schule. Frau Dienstag schwört auf niedrige Klassenfrequenzen. „..in dem Kurs sind ja nur sechs Leute und wenn die krank sind, dann schließe ich mich ein und räume auf. Muss ja auch mal sein.“ An ihrer Schule gibt es mehr Lehrer als Schüler „…na ja, wir waren zum Glück zu zweit. Waren ja auch acht Schüler da.“

Bei Frau Dienstag kann ich immer jammern und mich bedauern lassen „Du Arme, 28 Siebtklässler, ganz alleine und dann auch noch Linolschnitt…“

Frau Dienstag kennt alle meine Schüler und mein gesamtes Lehrerkollegium, dass erleichtert die Analyse sehr „Also Frau B. war die mit dem Teddypulli, die mit dem Mann, der nach England abgehauen ist und die nicht weiß, wo sie im Sommer ihre vier Katzen unterbringen soll…“, „Vergiss’ doch Herrn P. der hat doch sowieso nichts drauf.“

Obwohl wir an verschiedenen Schulen arbeiten denke ich vormittags oft an Frau Dienstag oder Frl Krise. „Hätte ich eben nicht lieber das und das sagen sollen? Was kann ich eigentlich machen, wenn der Schüler immer so und so ist? Wie kann ich denn denen das und das beibringen? Ach, ich rufe einfach Frau Dienstag an oder frag’ Frl. Krise. „Frau Dienstag, du glaubst nicht was heute bei uns passiert ist…Frl. Krise, sag’ doch mal was ich machen soll, die sind immer so…“

Und das Verrückte ist, die beiden wissen immer eine Lösung. Unglaublich! Ohne sie würde ich nicht nur im Lehrerzimmer vor mich hinmurmeln, extrem zu- oder abnehmen, mich in den Schlaf weinen oder gar nicht mehr schlafen, ich bin mir sicher, ich säße schon im Allgäu in eine Decke gewickelt auf der Terrasse einer teuren Burnout-Klinik.

Also, vielen Dank an euch! Ich hoffe ihr bleibt mir bis zur Rente.

Schulfremde

Heute waren wieder Schulfremde in der Schule. Also Leute, die keine Lehrer sind, aber trotzdem irgendwie in der Schule arbeiten wollen. Gerne sind das nicht so ganz erfolgreiche Künstler, besonders engagierte Eltern, oder Schulflüchtige – Menschen, die mal Lehrer werden wollten und dann doch nicht Lehrer geworden sind. Jedenfalls tummeln diese Leute sich gerne in unseren Schulen und bringen mitunter unseren gewohnten Trott durcheinander. Man nennt sie auch die Dritten.

Die Schüler sind die Ersten – die Milchzähne – erst schön und weiß, dann Karies und Ausfall, dann kommen neue. Lehrer, sind die Zweiten. Fest, robust, meist langlebig, müssen viel aushalten, mal bricht ’ne Ecke ab, manche werden gelb, bekommen Löcher, müssen gefüllt oder operiert werden, andere fallen einfach aus. Und dann kommen die Dritten. Strahlend, perfekte Imitationen der Zweiten, aber eben doch keine echten Zweiten, sondern nur künstliche Staffage. Man benutzt sie zwar, aber abends nimmt man sie raus, säubert sie und steckt sie über Nacht in ein Wasserglas. Die Zweiten werden nie raus genommen und gepflegt, die bleiben immer drin und die müssen immer ran.

Diese Dritten erkennt man sofort. Sie sind irgendwie ganz anders als wir Lehrer. Der größte Unterschied: Sie sind immer voll positiv drauf. Sie habe immer viel zu erzählen, meistens haben sie wahnsinnige Projekte, die sie mit unseren Schülern machen wollen. „Und meinst du das wäre möglich, wegen Gender und so, diese Doku über lesbischen Sex zu sehen?“ Ich: “Klar, …vielleicht nicht mit der Siebten, aber mit der Achten…sicher…“ Sie sind sehr interessiert; geradezu neugierig und voll offen. „Ach, und du würdest dich also als Gangsta bezeichnen.“ „Ach und du rappst, spannend, kann ich das mal hören? Und dieses Gangbang…erzähl mal…“ Sie lieben es, einfach mal mit in den Unterricht zu kommen „ach, kann ich einfach mal mitkommen? Geht das?“ und dort kann man sie dann – je nach Lust und Laune – mit ein paar Sprüchen und ein wenig Unterricht voll begeistern oder extrem schockieren.

Eines haben sie allerdings nicht. Sie haben kein Timing. Sie bewegen sich sehr langsam. Das mit den Pausen kapieren sie nie und versuch’ mal einem Dritten die Anfangszeiten der Schulstunden bei zu bringen. Einen ganzen Schultag einen Dritten an der Backe zu haben schlaucht total. „Ach, hat es schon geklingelt? Geht es jetzt gleich weiter? Ich wollt’ noch mal aufs Klo…“ Sie schleichen dir hinterher und wollen alles sofort erklärt bekommen: „Und wie läuft das hier mit dem blah blah blah und der blah blah blah…“

Aber vor allem sind sie heiß auf Schülerkontakt: „Ihr könnt du sagen, so alt bin ich ja noch nicht…“ (By the way, wenn du über 19 bist, bist du für die Schüler schon mit einem Bein im Grab.) Und die Schüler…die lieben diese Dritten, denn endlich hört ihnen mal jemand zu. Plötzlich sind sie voll wichtig. Sie werden beobachtet, befragt und was sie sagen wird sogar notiert. Manche Schüler, spielen sich auf, als wären sie Superstars, wenn Schulfremde da sind. „Wir können das Interview ja auch in der nächsten Stunde weiterführen, da hab’ ich bloss Mathe, is’ nicht so wichtig.“

Aber wehe die Schulfremden wollen mit den Schülern arbeiten. Wenn die Dritten von ihnen auch nur das kleinste bisschen Einsatz verlangen, dann hört man schnell: „Kommt heute die Frau wieder? Is’ scheiße mit der Frau. Die Frau soll nicht mehr kommen.“ Und plötzlich ist der stinknormale Unterricht bei Frau Freitag doch nicht so schlimm.

Liebe Dritten, für diesen Stimmungswechsel, den ihr bei den Schülern auslöst, bin ich euch sehr dankbar. Aber um eines bitte ich euch trotzdem: Mir ist schon klar, dass ihr uns Lehrer zum größten Teil doof findet. Zu autoritär, unkreativ und ungerecht. Aber bitte, bitte, urteilt nicht so schnell! Denkt nicht immer beim Hintensitzen sofort: „Na, das könnte ich alles besser.“ Stellt euch erstmal vorne hin und macht was. Hinten sitzen ist leicht. Aber wir stehen jeden Tag, Stunde um Stunde, Jahr für Jahr da vorne und zwar nicht nur für ein schönes, tolles Superprojekt, für das wir zigtausend Euro in den Arsch geblasen bekommen und mit dem wir uns dann selbstverliebt in der Öffentlichkeit präsentieren, bevor man uns dann wieder ins Wasserglas legt.

Lieber nicht hingehen, wenn man krank ist!

Krank in die Schule ist scheiße. Aber manchmal geht es nicht anders. Manchmal fängt das Krankwerden ja auch erst in der Schule an. Heute war ich krank und ich sagte den Schülern schon vorher: “So Leute, bevor ihr mich fragt – Ja. Ich habe heute schlechte Laune – sehr schlechte Laune. Hat nichts mit euch zu tun …noch nicht, aber ich habe heute überhaupt keinen Nerv auf euren Firlefanz. Ich habe Kopfschmerzen, Halschmerzen und wahrscheinlich auch Fieber.“ „

„Warum bleiben Sie dann nicht zu Hause?“

Ja. Warum bleibe ich eigentlich nicht zu Hause? In dieser zehnten Klasse bin ich ja wahrscheinlich die einzige, die sich schon mal irgendwo beworben hat und da meine Fehlzeiten auf keinem meinen Zeugnissen erscheinen, falls ich mich noch mal irgendwo bewerben würde, könnte ich, wenn ich krank bin auch ruhig mal zu Hause bleiben. Der Protestant in mir erlaubt es nicht. Ich gehe pflichtdurchdrungen hin und dann läuft das so wie heute.

„Ich bin nicht zu Hause geblieben, weil ihr heute die Arbeit schreiben müsst.“ Für die Schüler nicht nachvollziehbar.

„Jedenfalls -Ruhe jetzt und Taschen vom Tisch!“

Robert: „Warum kann ich denn meine Tasche nicht….ist doch egal ob und es macht doch gar keinen….blah blah blah.“

„Roooobert, ich sagte bereits, dass ich heute schlechte Laune habe. Sehr schlechte Laune. Also halt jetzt die Backen.“

„Aber ich sag ja nur…“

„Haaaaalt die Backen oder gehhhhh raus!!!!“

Ich auf 180, Robert, immer noch die Ruhe selbst: „Aber dann bekomme ich null Punkte…und“

„Und das ist mir dann scheiß egal. Und wenn du hier überhaupt keinen Schulabschluss machst, dann ist mir das auch scheiß egal. Es ist mir überhaupt völlig egal, was aus dir wird!“

Jetzt ist es richtig ruhig im Raum. Auch Robert schweigt. Nimmt die Tasche vom Tisch. Aber ich bin so in Fahrt und in dem Moment, in dem er den nur Mund öffnet, schreie ich los: „Reicht dir dass noch nicht? Willst du noch mehr von meiner schlechten Laune abkriegen? Kannst du haben. Ich hab’ da noch gaaaaanz viel von!“

Dann schwitzen sie über ihrer Arbeit und ich mit meinem Fieber am Pult. Schleppe mich nach Hause und dröhne mich mit Grippostad voll. War ein scheiß Tag. Einer, den man sich nicht merken muss. Und morgen kommt noch einer, da hab’ ich 7 Stunden, da kann ich mich dann richtig tief in den Sumpf reiten. Und wenn ich wieder gesund bin, dann entschuldige ich mich bei jedem höchstpersönlich. Versprochen.