„Und was bekommt Peter auf sein Bild?“ Peter: „Bestimmt doch wenigstens eine Vier, oder?“
Ich: “Nee, ist sogar eine Drei.“ Raifat: „Klar, weil er Deutscher ist…“
„Raifat, willst du damit sagen, dass ich rassistisch bin?“ Ich spiele die Entrüstete – kann ich auf Knopfdruck-, dazu muss man nur etwas lauter und deutlicher als sonst sprechen und man darf auf keinen Fall lachen, sondern muss nach dem Satz eine kurze Kunstpause machen. Das gibt der Aussage noch mehr Kraft und der Vorwurf der Voreingenommenheit und ungerechten Bewertung erscheint noch unverschämter.
„Ihr wollt doch nicht im Ernst sagen, dass ich rassistisch bin, oder?!? Ich gebe doch dem Peter nicht eine Drei, nur weil er Deutscher ist! Hauptsache ein Schüler sieht gut aus, da ist mir doch die Nationalität egal!“
Immer wieder dieses Ausländerding. Wer ist denn eigentlich Ausländer? Die wohnen doch alle hier und die sind doch auch alle hier geboren. Am ersten Tag mit meiner Klasse habe ich – Lions Quest- fortgebildet wie ich war- erstmal ein Kennlernspiel gemacht. Alle sitzen im Stuhlkreis, ich sage etwas und auf wen das zutrifft, der soll aufstehen: „Alle die gerne spät ins Bett gehen, sollen aufstehen! Alle die Ferien mögen, sollen aufstehen! Alle die die Simpsons gucken, sollen aufstehen!“ Dann übergebe ich die Fragerrolle an einen Schüler: “Alle die MSN sind, sollen aufstehen usw.“ Irgendwann:“ Alle die Ausländer sind, sollen aufstehen.“ Fast alle springen auf. Ich übernehme wieder und sage: „Alle die hier geboren sind, sollen aufstehen.“ Die gleichen Schüler springen auf und als ich frage, wessen Eltern hier geboren sind, setzt sich auch niemand wieder hin.
Also was denn nun? Hier zur Welt kommen und trotzdem Ausländer sein wollen? Zweidrittel der selbsternannten Ausländer besitzen einen deutschen Pass und kennen ihr „Heimatland“ nur aus dem Fernsehen oder von Kitschpostkarten im Wohnzimmer. „Warst du denn schon mal im Irak oder in Syrien oder in Palästina (hihi)?“ Nö! War natürlich kaum einer.
Aber im Kunstunterricht finde ich noch bei jeder Aufgabe die kurdische Flagge oder den weißen Halbmond mit Stern. In jedem dritten Namensschild prangt diese libanesische Tanne und Koransuren lassen sich auch in jedes Thema einarbeiten.
Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde – ich gönne ihnen ihre seltsame Sehnsucht, nach der perfekten Heimat, aber sich hier als Ausländer zu bezeichnen und vor allem jeden Grammatikfehler damit zu entschuldigen, dass man halt Ausländer sei, das kann ich nicht tolerieren. Sagte doch neulich der Referendar, der meine Klasse unterrichtet: „Na ja, die Südländer, die hinten sitzen, haben sehr gestört.“ „Südländer? Die wohnen alle in … und das ist eher im Norden.“
„Frau Freitag, Bleistift?“ Ich: „Bleistift?“ Aygül: “Frau Freitag, kann ich Bleistift?“ Ich: “Klar, wenn du den Satz korrekt sagst, mit Artikel und allem drum und dran.“ „Aber wir sind Ausländer, wie sprechen halt so.“ „Also erstens hast du ja wohl einen deutsch Pass und bist deshalb Deutsche, vielleicht türkische Deutsche oder deutsche Türkin, und zweitens ist das doch wohl keine Entschuldigung, so bekloppt zu sprechen. Wenn du so in der Öffentlichkeit redest, denken die Leute nämlich die ist ein bisschen dumm. Und wenn du dann in einer Arztpraxis arbeitest denken die Patienten, na, wenn die Arzthelferin dumm ist, dann ist der Arzt bestimmt auch schlecht und gehen wieder. Und alles nur, weil du keine Artikel benutzt. Wenn du mit einem französischen Akzent die falschen Artikel säuseln würdest, wie die eine bei Harald Schmidt, dann fänden das alle Leute süß und charmant, aber mit deinem türkischem Aussehen falsch zu sprechen, das mögen die Leute irgendwie nicht.“ Aygül: „Ach…so habe ich das noch nie gesehen. Könnten Sie mir jetzt bitte trotzdem einen Bleistift ausleihen, ich habe meinen nämlich leider vergessen.“
„Klar. Hier. Bitte.“