Hallo Papa Volkan

„Nein wirklich, ich kann mich über Volkan gar nicht beklagen. Sie können sehr stolz auf ihn sein. Ganz toll.“
Mama Volkan lächelt glücklich, Volkans kleiner Bruder hängt über der Tischkannte und lächelt auch und Volkan – sowieso. Hatte er sich doch gerade bei allen Fachlehrern dicke fette Lobeshymnen auf seine gute Mitarbeit und sein tadelloses Verhalten abgeholt.
Aber irgendwas ist noch. Normalerweise beendet mein positiver Rundumschlag das Elterngespräch und alle stehen auf. Aber Familie Volkan bleibt sitzen. Die Mutter guckt zu mir, dann irgendwie auffordernd zu ihrem Sohn. Draußen wartet noch die Hälfte meiner Klasse mit Familienanhang. Ich befasse mich mal wieder mit jedem viel zu lange. Vor allem mit denen, bei denen ich nur Positives zu berichten habe. Bei den nicht so erfolgreichen Schülern bin ich immer schnell dabei, sie zu den Fachlehrern zu schicken, damit dort wenigstens noch was gerettet werden kann.

„Volkan? Ist noch was?“
„Also Frau Freitag, also mein Vater, der muss ja arbeiten. Sonst wäre er heute mitgekommen. Und der glaubt mir bestimmt nicht, dass ich gut bin.“ Volkan holt sein Handy raus. Ein schickes Smartphone – nicht, das ich mich auskennen würde, mit der modernen Telekommunikation, aber seins glänzt mehr, als meine alte Gurke.
„Ja, ich dachte… äh, vielleicht kann ich Sie filmen und sie sagen meinem Vater, dass alles gut ist und dann kann ich es ihm heute abend zeigen.“

Filmen??? Sofort steigt leichte Verunsicherung in mir auf. Nein – Panik! Wie sehe ich aus? Ist meine Nase noch so rot? Draußen war es so kalt. Vielleicht denkt der Vater dann, dass Volkans Klassenlehrerin Alkoholikerin ist.

„Filmen, Äh. Okay, aber Volkan, nicht, dass du das dann später auf Facebook stellst…“
„Ich bin gar nicht bei Facebook“, beruhigt er mich. Natürlich ist er nicht bei Facebook. Das würde auch gar nicht zu ihm passen.

„Okay, dann leg‘ mal los.“ Volkan und seine Mutter lächeln erleichtert. Wahrscheinlich haben sie schon den ganzen Nachmittag diesen ungewöhnlichen Plan gemeinsam ausgeheckt.

„Also, wenn ich „Jetzt“ sage, dann sprechen Sie, okay?“ Volkan hält das Handy in meine Richtung. Ich setze mich aufrecht hin. Wir warten alle gespannt. Sogar Volkans kleiner Bruder ist jetzt von der Tischplatte aufgetaucht.

„Jetzt!“

„Hallo Papa Volkan. Wir sind hier beim Elternsprechtag und ich habe gerade mit Ihrer Frau und Ihrem Sohn gesprochen. Volkan ist in allen Fächern gut! Er macht toll mit und bekommt gute Zensuren. Verhalten ist auch super. Alles ganz ganz toll!“ Und um meiner kleinen Rede Nachdruck zu verleihen hebe ich noch beide Daumen in die Luft und grinse mein breitestes Grinsen. "Top! Wirklich."

Volkan steckt das Handy wieder ein und wir verabschieden uns. Alles strahlt. Herrlich. Ich liebe meinen Job!

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17 Gedanken zu “Hallo Papa Volkan

  1. Ach du meine Güte, ist das niedlich! Macht aber bestimmt nur Spaß, wenn man Gutes zu berichten hat … glaubt Papa Volkan denn nicht einfach seiner Frau, wenn sie ihm berichtet, die Lehrerin sei sehr zufrieden?

    Klasse, Volkan – weiter so!

  2. Köstlich, Frau Kollegin!
    Auf meiner Suche nach aktuellen Schulblogs kam ich hier vorbei gestolpert und freue mich nun auf die erste Stunde morgen…. naja, fast. Also ein bißchen….

  3. Ich bekomme immer mehr das Gefühl, ich hatte seeeeehr langweilige Lehrer. Selbst wenn die Geschichte nur ausgedacht sein sollte… selbst das würde ich meinen alten Lehrern nicht zutrauen.

    • nein, darum geht es gar nicht – volkan war in der grundschule nicht gut. darum will er seinen erfolg jetzt immer maximal verwerten – schlau der junge.

  4. Witzige Geschichte… 🙂

    Nur: „[…] nicht, das ich mich auskennen würde,“ <– da ist ein s heruntergefallen, glaube ich

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