Moderne Medien

Wenn der Lehrer das Internet entdeckt, dann hat es die Jugend schon fast wieder verlassen. Da ich zu den modernen jungen Menschen unserer Zeit gehöre, bin ich total für soziale Netzwerke.

Seit Jahren bin ich bei Facebook und besuche fast täglich meine Seite, auf der so gut wie gar nichts passiert. Vorbei sind die schönen Anfangszeiten, als ich noch Nachrichten bekam. Eigentlich bräuchte ich gar nicht täglich zu checken – es schreibt mir sowieso niiiiemand. Und neue Freundschaftsanfragen erhalte ich auch recht selten. Allerdings versuchen sich seit Jahren auch immer wieder Schüler mit mir auf Facebook anzukumpeln. „Hiiiie, Frau Freitag, ich bin’s Erdal, aus ihrer Englischklasse.“ Gerührt klinge ich immer auf – ablehnen.

In der Schule dann: „Frau Freitag, warum adden Sie mich nicht auf Facebook.“ „Erdal, ich kann nicht mit Schülern befreundet sein. Ich habe da meine Urlaubsfotos und das ist dann doch etwas zu privat.“

Erdal: „Ahhhh, Frau Freitag kifft.“

„Nein, darum geht es gar nicht. Aber Lehrer dürfen nicht mit Schülern befreundet sein.“

Aber eines langweiligen Abends habe ich mir dann eine Frau Freitag Facebookseite eingerichtet und meine Schüler gesucht. Stundenlang habe ich Freundschaftsanfragen verschickt und wurde herzlichst im Schülernetzwerk aufgenommen. Im Gegensatz zu den Schülern von Frl. Krise, trauen mir meine Schüler doch den Grad an Modernität, der zum Einrichten einer Seite dazugehört, zu.

Und als ich endlich drin war – Abooooohh, ich muss schon sagen – mein Leben hat sich verändert. Im Gegensatz zu meinem erwachsenen Facebookleben ist ja auf der Schülerseite geradezu die Hölle los. Da wird gechattet, und geaddet, dass es einem nie langweilig wird. Da gibt es Kommunikation non-stop. Und alle sind voll freundlich zu mir: „Frau Freitag, darf ich sie hier in Facebook duzen?“ Meine Standartantwort: „Geduzt wird erst mit Schulabschluss.“ Das allerschönste allerdings ist, dass sich niemand über meine schlechte Rechtschreibung aufregt. Die gehört geradezu dazu.

Ab und zu erinnere ich meine Schüler persönlich daran, dass sie die Englischarbeit nachschreiben müssen, erkundige mich aufopfernd und mitfühlend nach ihrer Genesung, wenn sie mal wieder nicht im Unterricht erschienen sind oder ich vertrödele einfach Zeit indem ich mit ihnen über sinnlosen Quatsch chatte.

Konflikte mit anderen Lehrern werden mir in ausführlichsten Berichten geschickt: „Und dann hat sie gesagt und dann hab ich gesagt und dann hat sie gesagt…“ Ich habe immer aufmunternde Worte und bin mir auch nicht zu schade, die Schüler für alles Mögliche im Nachhinein zu loben. „Ayla, heute hast du super mitgemacht in Englisch…so muss das immer sein.“

Ich kann nur sagen, die Einrichtung dieser Überwachungsseite hat sich voll gelohnt. Man sieht was die untereinander erzählen. Ich muss mich jetzt nicht mehr in der Pause an meine Schüler ranschleichen, um sie zu belauschen, sie liefern mir alles frei Haus – inklusive Urlaubsfotos aus Palästina und Kurdistan. Ich bin begeistert!!!!

12 Gedanken zu “Moderne Medien

  1. Und Ihre Schüler sind warscheinlich fasziniert das eine (gute) Lehrerin es tatsächlich zu Facebook geschafft hat.

    Wenn ich da an meine ehemalien Lehrer denke….*seufz*
    „Wo schaltet man denn den Heim Computer an?“
    „Wie funktioniert der VHS Recoder? XY kannst du nicht mal?“
    „Also wenn ihr ZWEIMAL auf das SÜmbol mit dem blauen „e“ klickt, dann kommt ihr ins Internet…allerdings ist bis auf die Seite YX alles gesperrt.“
    „Dann einmal „makieren“ und dann auf den farbigen Kasten da…wunderbar…ihr habt die Schriftfarbe geändert!!!!!!!!“

  2. xD Das höre ich ja zum ersten Mal =D Ich kenne keinen einzigen meiner ehemaligen Lehrer, die so eine extra Seite haben.
    Zu dem “Abgehen auf diesen Seiten“… also ich weiß nicht. Ich bin dann denke ich mal so mittel-modern? Denn bei uns geht auch nicht viel ab….obwohl es schon einige gibt, die wirklich jeden Tag! auf diverse Pinnwände schreiben und sich tausend Mal überall verlinken….aber mein Ding ist das nicht so…ich benutze immer nur ab und an diese Update-Funktion “Gerade….gleich zur Uni und dann kochen“. Das finde ich noch ganz spannend. Aber sonst fand ich diese Netzwerke früher irgendwie noch viel spannender….

  3. Klasse:-))
    So weiß man immer , wer mit wem geht. Und wessen Krankschreibung auf Arztbestechung beruht, weil das Kind gerade in Singapur weilt. Und von dort freundlich grüßt.

  4. ich find die Idee gut, bin aber eigentlich doch meist froh, wenn ich diesem Gebäude mit den vielen ungezogenen Kindern drinnen endlich den Rücken kehren kann. Mit ihren Klassenarbeiten verfolgen sie mich schon auch so viel zu oft und viel zu lange mit nach Hause.
    Ich bleib ich, auch virtuell :-))

  5. Ich bin ja schon ne Weile aus der Schule raus und es gab zu meiner Zeit dort auch noch kein Facebook oder so. Das wäre aber auch egal gewesen denn ich würde keinen meiner ehemaligen Lehrer zutrauen dort aktiv zu sein. Ich finde die Idee auch klasse. Warum nicht das Internet nutzen um das Vertrauen der Schüler zu gewinnen. So kommen die Kids auch viel lieber in ihren Unterricht und passen dort auch hoffentlich viel besser auf. 😉

  6. Frau Freitag, so wie Sie es beschreiben, ist Facbook wirklich ein Gewinnfür Ihre Schüler und für Sie…ich kann das gut nachvollziehen, sicher versteht man einige verhaltensweisen besser, wenn man mit FB ein wenig hinter die Schülerfassaden schaut.

  7. 2004 – Schüler (Kl.12) erklärt <50 jähriger Deutschlehrerin die Funktionsweise eines Plattenspielers, und warum eine Schallplatte es einem übelnimmt, wenn man sie mit Gewalt auf herausstehende Schrauben presst.

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