Unverschämtheit!

Okay, ich gebe es zu – lange nichts mehr in den Blog geschrieben. Warum? Keine Ahnung. Da schreibt man dann einen Tag nicht und dann den nächsten auch nicht und zack sind Monate vergangen. Sorry.

Vorgestern ist mir allerdings etwas passiert, was mich nachhaltig verwirrt hat und was ich hier gerne mit euch teilen möchte. Also, ich muss mich outen – ich haben keinen Führerschein. Schon immer. Also noch nie einen gehabt. Schon immer ohne. Aber jetzt haben ich mich entschieden einen zu machen. Ich bin also am Dienstag ganz zielstrebig in die Fahrschule um die Ecke rein. An dieser Fahrschule laufe ich nun schon seit 20 Jahren vorbei. Nie habe ich mir über diese Fahrschule Gedanken gemacht. Genauso wie ich zu den Dealern am U-Bahnhof Görlitzerstraße immer: „Nein, danke“ sage. Fahrschulen und Drogen – kamen in meinem Leben einfach nicht vor. Das soll sich nun ändern. Ich also rein. Der Freund begleitet mich. Wir setzen uns an einen kleinen Schreibtisch. Ein junger Mann sitzt uns gegenüber. Ein sehr junger, sehr dünner Mann. Er sieht aus, als sei er gerade mal vor ein paar Monaten volljährig geworden. Ich bekomme sofort mütterliche Gefühle.

„Ich will einen Führerschein machen.“
„Na, da sind Sie hier ja richtig.“, sagt er und ich nehme mir einen Zitronenbonbon aus dem Glas neben seinem Computer. Ich kann nicht anders. Ich muss alles nehmen, was umsonst ist. Er fragt mich, ob ich mich mit dem ganzen Prozedere schon auskenne. Ich sage: „Nö.“ Ich hatte extra versucht möglichst wenig über die ganzen Verordnungen und Anmeldevoraussetzungen zu erfahren, denn ich hasse es mich über Sachen zu informieren, die ich schon weiß. Nichts ist schlimmer, als wenn dir jemand etwas erklärt, was du schon gründlich im Internet gelesen hast. Natürlich wußte ich doch schon ein paar Eckpunkte. Ich komme um diesen furchtbaren Erste-Hilfe-Kurs nicht rum. Hier die große Frage – kann ich diesen Erste-Hilfe-Schein dann auch für die Arbeit in der Schule verwenden? Weiß das jemand? Oder geht es da nur um Unfälle mit Autos? Die passieren in der Schule ja nicht ganz so häufig. Egal. Ich höre mir also an, was ich alles brauche. Er sagt was von „Dann holen Sie sich einen Termin beim Bürgeramt.“ Ich denke: Oh, das wird schwierig, sind die nicht zur Zeit total ausgebucht und überlastet?

Er erzählt vom Theorieunterricht und von den Fahrstunden.
„Wie? Sie meinen ich werde Fahrstunden haben, ohne vorher irgendwelche Verkehrsregeln gelernt zu haben?“
„Ja.“
„Aber…“ Ich verstehe nicht mal die Vorfahrtsregeln. Ich kenne mich aus mit Ampeln, aber das ist es dann auch schon. Ich fahre ja nicht mal Fahrrad. Und dieses rechts vor links… ich weiß doch nicht wo rechts ist. Na, das ist ja am Ende das Problem vom Fahrlehrer und den anderen Verkehrsteilnehmern.

„Und wie lange wird das Ganze ungefähr dauern?“, frage ich.
„Sie meinen, wieviel es kosten wird?“
„Nein, ich meine wie lange es dauern wird.“

Der junge Mann, dreht sich auf seinem Bürostuhl zu uns. Guckt zu dem Freund an und grinst: „Autofahren ist ja auch gar nicht so leicht.“ Der Freund nickt. Ich frage mich woher er das wissen will, denn er hat auch keinen Führerschein.

Dann sieht der junge Mann wieder zu mir, lächelt und sagt: „Wir unterteilen die Fahrschüler in zwei Gruppen. Unter 30 und über 30.“ Er macht eine kurze Pause und fragt: „Sie sind doch über 30, oder?“ Ich freue mich kurz über sein „oder“ und denke dann aber sofort: Natürlich bin ich über 30, du kleiner Schleimer. Ich bin bald über 50 und das ist dann auch nicht mehr weit weg von über 60.

Okay, ich gehöre also zu der Gruppe über 30. Die mit dem festen Job, die mit der Rentenversicherung, die mit der großen Wohnung und der billigen Miete. Wir die vernünftigen über 30jährigen. Die alles schaffen und die Welt am Laufen halten. Wir machen doch den Führerschein mit links. Klar, bei diesen Jungspunden mit Anfang 20, ach, was sag ich … diese 17jährigen, die noch zur Schule gehen… ja, bei denen dauert das ganze natürlich länger. Wir wissen doch, wie schwer sich junge Leute mit neuem Lernstoff tun. Wie oft habe ich meinen 17jährigen versucht das simple past beizubringen… sie raffen es einfach nicht.

Und dann erzählt mir dieser Typ doch, dass es erwiesener Maßen sehr viel schwieriger sei irgendetwas zu lernen, wenn man über 30 ist. Ich denke: Häääää? Spinnt der? Ich bin doch nicht blöder als so ein 17jähriger! Der kennt mich doch gar nicht. Ich habe Aquagymnastik gelernt und Snowboardfahren, Unterrichten, Lehrerinsein, mich in den Ferien erholen und was weiß ich noch. Ich werde doch wohl auch Autofahren lernen können, auch wenn ich schon halb tot bin.

Ich hatte mich noch gar nicht von dem Schock erholt, da beschreibt er die drei Fahrlehrer die sie hätten.
„… und dann haben wir noch einen älteren, der sehr geduldig, ruhig und einfühlsam ist….“ Ich denke: Pfff, mit dem Langweiler will ich aber nicht im Auto sitzen. Ich will den jungen. „… genau. Also der ist wirklich sehr sehr geduldig und der wird sehr gerne von den ältern Fahrschülern genommen.“

Ich habe nichts mehr gesagt, alles unterschrieben, innerlich gekocht und mir fest vorgenommen es ihnen zu zeigen. Und ich werde auf keinen Fall sagen, dass ich Lehrerin bin. Eine Lehrerin über 30. Oh Gott. Ich kann mir schon vorstellen, was die dann denken. Nee, ich werde sagen, dass ich Rodeos reite und ein Hip-Hop Label habe, bei dem ich selbst der große Star bin.

Allgemein

16 Gedanken zu “Unverschämtheit!

  1. Hallo,
    also ich wäre froh über einen geduldigen Fahrlehrer, die haben auch kein Problem, wenn man rechts und links verwechselt. Besser als so ein junger Typ der nur am Handy spielt und auf cool macht. Ich spreche aus Erfahrung.
    Wegen dem Erste-Hilfe-Kurs: In Thüringen geht das nicht, ich vermute in Berlin auch nicht. Denn für den Führerschein macht man nur einen Sofortmaßnahmen-Kurs (Wie ist die Notrufnummer, Was muss ich denen sagen, Herz-Lungen-Wiederbelebung, stabile Seitenlage). Macht man aber einen richtigen Erste-Hilfe-Kurs kann man den Schein anerkennen lassen.

  2. Schön, mal wieder etwas zu lesen hier. Wenn ich mich recht entsinne, ist da wenig Autounfallspezifisches dabei beim Erste-Hilfe-Kurs.

    Mund-zu-Mund und stabile Seitenlage und so ist ja schon etwas universeller. Ich erinnere mich allerdings an konkrete Hinweise zu Motoradunfällen.

    Ist aber nun alles auch schon 15 Jahre her…

  3. Nimm mich mit, ich bin auch eine Lehrerin über 30 und aus Berlin. Außerdem bin ich ziemlich witzig und habe auch keinen Bock auf den Erste Hilfe Kurs, den ich dann gefühlt zum 100. Mal mache! Lass uns einen Battle machen, wer schneller im Auto ist, haha 🙂

  4. Ich habe auch keinen Führerschein (und auch noch nie gehabt). Mein Mann hat deswegen immer genervt, à la „Was machst du, wenn ich mal zu alt bin zum Fahren und du unsere Großeinkäufe etc. erledigen musst?“ Woraufhin ich schon vor gut zehn Jahren sagte: „Bis dahin fahren die Autos selbst.“

    Er hatte mich deswegen immer ausgelacht, aber als seine Mutter mich vor ein paar Monaten fragte, ob ich mich über Fahrstunden zum Geburtstag freuen würde, antwortete er prompt: „Warum sollte sie denn jetzt noch diese auslaufende Fähigkeit lernen? Das wäre doch pure Zeitverschwendung. Jetzt lohnt sich das auch nicht mehr.“

    In diesem Sinne: Schießen Sie alle drei Fahrlehrer samt unverschämtem Jünglein zum Mond und lernen Sie lieber was, was Spaß macht. Ich kann Tauchen wärmstens empfehlen. Und Russisch.

  5. Wie lustig!
    Rechts-links-Probleme hatte ich schon zu Fahrschulzeiten und passiert mir auch heute noch. Der Kommentar meines Fahrlehrers, im übriegen auch ein sehr geduldiger älterer Herr der immer in der 3.Person mit mir gesprochen hat: „Sitzeinstellung, Spiegel – hat sie schon gemacht. Dann fährt sie langsam an. Jetzt biegt sie mal rechts ab … Was tut sie da???“ 🙂 O.k. er meinte wohl das andere rechts :-)´)´)
    Den Erste Hilfe Schein kann man tatsächlich auch für die Schule nutzen, der muss dann nur alle 2 Jahre aktualisiert werden. Also ich gratuliere dir zu deiner Entscheidung und freue mich schon sehr auf die Fahrschullehrergeschichten. Wird sicher noch lustiger….

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