Lesen in Mitteldeutschland


So. Ich habe es hinter mir. Die erste Lesung. Sollte ja eigentlich für einen Lehrer kein Problem sein. Denkt man. Aber leider kann ich ja so dermaßen gaaaar nicht gut Lesen. Rechtschreibung kann ich nicht , Kommaregeln kann ich nicht und Mathe auch nicht. Erdkunde geht und Englisch ist ganz gut. Aber Vorlesen – konnte ich nie, hab ich nie geübt und deshalb kann ich das gar nicht.

Und trotzdem sage ich am Telefon: „Ach so. 50-60 Minuten Vorlesen und dann Fragen beantworten – kein Problem.“ und dann bekomme ich die guten Ratschläge in meiner Umgebung: „Übe doch einfach mal zu lesen.“ Üben??????

Irgendwie war dafür keine Zeit. Ich hatte es gerade noch geschafft, mir die Texte rauszusuchen, die ich vorlesen wollte. Üben ging echt nicht mehr. Ich kenne die Texte jetzt auch schon so gut, dass ich da wahrscheinlich die Lust dran verliere, wenn ich da zu viel draufgucke. Also unvorbereitet, wie in den Unterricht zur ersten Lesung meines Lebens. Auf nach Mitteldeutschland. Frl. Krise natürlich mit dabei. „Ich frage mal ob du mitmachen kannst. Dann lesen wir abwechselnd“ sage ich im Auto. „Hmmm.“ Frl. Krise sagt gar nichts dazu. Das ist für sie kein Problem. Ach, da ein paar Texte vorlesen – das gehört doch zu ihren leichtesten Übungen. Die ist echt cool. Oder eiskalt – wie man es nimmt. „Bist du aufgeregt?“ fragt sie, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Irgendwie nicht.“ Wir sind zeitig losgefahren und haben Stunden Zeit bis zum Veranstaltungsbeginn.

Frl. Krise ist echt Action-Woman. Da wurmt sie das so sehr, dass ich kein Stück nervös bin, dass sie mit mir einen Riesenumweg fährt. Als ich es merke und sie frage, was sie da macht, versucht sie sich rauszureden: „Das blöde Navi…“ Ich traue ihr nicht. Sie wollte nur mal mit 180 Sachen über Autobahnstrecken heizen, auf denen leider lauter Baustellen sind. Und immer mit nur einer Hand am Steuer. Mit quitschenden Reifen kommen wir am Hotel an. 20 Minuten, bevor wir abgeholt werden sollen. Ahhh, denke ich – noch mal gutgegangen. Der Adrenalinnachlass scheint aber der Krise nicht gut zu tun. Also macht sie Stress mit dem Auto: „Wo sollen wir das parken?“ Sie fährt in die Tiefgarage des Hotels – die ist voll. Als ich zu ihr komme steht sie mit dem Auto vor der Schranke und kommt nicht raus. So ging das noch etliche Minuten. Dann wollte sie noch ein eigenes Zimmer, weil sie meint sie röchelt nachts so doll. Ich hätte das gar nicht gehört, denn ich schnarche so laut, dass ich nichts mitkriege. Jedenfalls sagt die Frau am Empfang, dass es nur noch ein Raucherzimmer gibt. Z.Z befindet sich das Fräulein ja wieder in der Phase, in der sie denkt sie sei Nichtraucherin. Eigentlich ist sie nur Nicht-Kauferin und hält sich mit „Gib mal eine!“ über Wasser. Sie also: „Na, das Raucherzimmer kannst du ja haben.“

Ich sage „Ja, okay“ und dackel in mein kleines verqualmt-müffelndes Kämmerlein. Viel Zeit zum berühmten Frischmachen bleibt nicht. Ich kann mich gerade mal hektisch umziehen, die Zähne putzen und mich notdürftig schminken.

Dann hole ich Frl. Krise aus ihrem – eigentlich MEINEM Zimmer ab. Und was das für ein Zimmer war. Eine richtig Suite. Riesengroß, mit allem drum und dran. Sesseln, Kaffeekocher, Badewanne, Kosmetikpröbchen usw.
Frl. Krises Kommentar: „Ich mag keine großen Zimmer.“ Aber für Neid war keine Zeit, denn es blieben nur noch 15 Minuten bis zu Lesung.
(Fortsetzung morgen)

Allgemein

19 Gedanken zu “Lesen in Mitteldeutschland

  1. Na, wenn das Frl. Werbinichdennheutemal schon mitkommt, dann will es natürlich auch n bisschen Action und die Suite, ist doch klar!

  2. Super Sache Frau Freitag,

    wie sind denn die weiteren Tourdaten der
    „Frau Freitag Teaches the World“-Tour 2011?

    Ich will unbedingt auch zu ner Lesung kommen. Vielleicht mal was in Köln oder Aachen?

  3. Frau Freitag geht Dugenhubel und es war keine Karte mehr zu kriegen, ausverkauft, seit Tagen, nix zu machen.
    Frau Freitag, wer kennt Sie denn in Mitteldeutschland? Die haben hier kein Integrationsthema mit türkisch…-stämmigen MitbürgerInnen.
    Können Sie das erklären? Oder haben Sie vielleicht doch Frl. Krise den Vortritt gelassen?

  4. Auch an dieser Stelle ein Lob für die tolle – und vor allem lustige – Veranstaltung am Freitag. Zu wenig Zeit zum Frischmachen ist nicht aufgefallen und die Nervosität war doch schnell verflogen. Auch die „Profivorleser“ beim Bücherfrühling verhaspeln sich einmal.
    Lassen Sie auch andere Regionen in den Genuss einer Lesung kommen und schreiben Sie weiter! Vielleicht färbt Ihre Mentalität auf ein paar Lehrer ab.
    Noch mal vielen Dank für den schönen Abend – und die vielen Schimpfwörter!

  5. > Eigentlich ist sie nur Nicht-Kauferin und hält sich mit „Gib mal eine!“ über Wasser.

    Lieblingsmarke Schnorellis ? Ist ja eine seit langer Zeit bekannte Zigarettenmarke.

  6. Das ist jetzt vielleicht eine dumme Frage, aber welche Fächer darf man an deutschen Schulen denn so mit den angedeuteten Qualifikationen unterrichten?

  7. Schon heute habe ich mein Geburtstagsgeschenk erhalten: Ihr fabelhaftes Buch 🙂
    Ich freu mich schon darauf es zu lesen 🙂

    Liebe Grüße.

  8. Jetzt mal eine ganz blöde Frage: Was haben Sie da gelesen? Ihre Frau Freitag-Bücher? Ich dachte, Sie seien anonym… schreibt auch Wikipedia. Ist das falsch? Soll ich das editieren, hehe?

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