Schon wieder das Trümmerwegräumen

Ich bin verwirrt. Gestern klicke ich mich so durch das Schüler-Facebook und finde bei Emre einen Kommentar, der sich irgendwie gegen Rassismus richtet: „ist doch egal, welche Hautfarbe man hat.“ Stimmt, denke ich. „Die sollen mal alle die Klappe halten.“ Okay, denke ich, wenn DIE (wer auch immer die sein mögen) was gegen irgendwelche Hautfarben sagen, dann sollen die mal die Klappe halten. „Vor allem dieser ver..ickte Sarrazin soll mal die Fresse halten“ – findet Emre und ich kann ihm nur zustimmen, dass der jetzt ja schon genug gesagt hat und genug Geld hat er auch verdient. Allerdings habe ich in letzter Zeit auch nicht mehr viel von ihm gehört. Aber dann schreibt Emre:

„ja wallah muss doch sein,kack ma auf alle die uns hassen wegen hautfarbe oda was weiss ich was,aber WER hat deutschland geholfen als alles wegen krieg in trümmern lag? türken,“kanacken“,ausländer“

HÄÄÄÄÄÄÄÄhhhhhh????? Denke ich. Was ist das denn jetzt schon wieder????? Das habe ich doch schon mals von einem Schüler gehört, dass die Türken angeblich Deutschland wieder aufgebaut haben. Wie kommen denn die Schüler darauf? Sind die Türken nicht erst 1960 nach Deutschland zu kommen? Und die kamen doch nicht, um hier die Kriegstrümmer weg zu räumen. Oder doch? Habe ich da irgendwas nicht verstanden? Ich geben gleich mal GASTARBEITER bei Wikipedia ein und lese: Anwerberverträge, 1960, Fabrikarbeit… da steht gar nichts vom Schutt wegräumen.

Wie kommt denn Emre da drauf? Ich schreibe ihm erstmal, dass ich mit Sarrazin auch nicht konform gehe und teile ihm dann mit, dass er leider falsch liegt, wenn er sagt, dass die Türken und so… dann hefte ich da noch den Gastarbeiter link dran und warte. Kurze Zeit später schreibt Emre: Siehst du Bilal, zwei Lehrer und jeder sagt was anderes. In der Grundschule haben sie mir das anders beigebracht. Ich schreibe einen weiteren Kommentar und frage, was die in der Grundschule genau zu diesem Thema gesagt haben.

Ich bin sehr gespannt. Gerne fülle ich meine Wissenslücken. Aber ich habe die Vermutung, dass Emre und der Junge, der mir letztes Jahr die gleiche Geschichtsinterpretation geliefert hat, einfach an der selben Grundschule waren. Vielleicht unterrichtet dort ein subversiver Kollege, dessen Plan es ist eine ganze Schülergeneration mit falschen Geschichtsfakten ins Leben zu schicken. Am Montag werde ich das nach- prüfen, ob die beiden Jungs an der gleichen Schule waren und sollte das der Fall sein, dann gehe ich gleich Dienstag dort hin und spreche mit dem Kollegen oder der Kollegin. Das geht doch nicht, dass die denen so einen Schwachsinn beibringen.

Aber vielleicht ist da ja doch was Wahres dran. Ich erinnere mich noch an den Aufstand, den ich veranstaltet habe, als mir der erste Schüler erzählte, der Nikolaus käme aus der Türkei. Laut losgelacht habe ich „Waaaaaas???? Wie kommst du denn auf so einen Quatsch????“ Und wie kleinlaut ich dann wurde, als ich mich nachher bei dem Schüler entschuldigen musste, weil der wirklich aus der Türkei kam. Der Nikolaus. Aber nicht der Weihnachtsmann!

Vielleicht stimmt das ja doch, dass die Türken mit aufgeräumt haben nach dem Krieg. Bitte liebe Leser, helft mir mal. Handelt es sich hier nur um einen Wunsch der vierten Generation, die sich ihre Geschichte umdeuten will, weil es nicht so cool klingt, wenn man sagt, dass der Opa oder der Uropa nach Deutschland kam, um in einer Fabrik oder bei der Müllabfuhr zu arbeiten, oder gab es wirklich irgendwelche Türken, die die Kriegsschäden beseitigt haben?

Und an euch mitlesende Lehrer auch noch eine Frage: Habt ihr so was auch schon von euren Schülern gehört?
Ich bin gespannt, denn im Gegensatz zu meinen Schülern lerne ich gerne was dazu.

33 Gedanken zu “Schon wieder das Trümmerwegräumen

  1. Ich vermute hier wird aneinander vorbei geredet.

    Die Gastarbeiter haben durchaus ihren Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland „wieder aufgebaut“ wurde. Denn ohne die Gastarbeiter, hätten wir uns diesen Wohlstand, von dem wir heute noch profitieren nicht aufbauen können.

    Hätte der Opa von Emre damals vielleicht nicht in irgendeiner Fabrik das Fließband besetzt, hätte man nicht so viele Güter produzieren können, die man anschließend ins Ausland verkauft (Stichwort Exportweltmeister).

    In gewisser Weise haben die Schüler also durchaus Recht. Auch wenn deren Vorfahren erst nach den Trümmerfrauen kamen. Aber ohne die Gastarbeiter wäre das Wirtschaftswunder schnell zum erliegen gekommen und Deutschland wäre wirtschaftlich nicht so gut aufgestellt gewesen…

    • Ja genau, so habe ich mir das auch schon erklärt. Dass die wiederaufbau mit wiederaufbauen verwechseln und das alles ganz wörtlich nehemen. abgesehen davon ist emres mutter und ihre eltern aus deutschland und sein vater aus pakistan.

  2. Nein. Zweimal nein, nämlich vom Historikergatten und mir. Das waren Trümmerfrauen, die die Trümmer weggeräumt haben, und die Türken oder andere Gastarbeiter (zuerst Spanier und Italiener) sind ab 1960 nach Deutschland gekommen. Das entsprechende Abkommen wurde 1955 geschlossen.

    Meine Schule hat definitiv eine andere Klientel als die Ihre. Hier kommt aber häufig vor, dass abstruseste Deutungen von Wasauchimmer mit „Da können Sie gar nichts gegen sagen, das ist nämlich meine Meinung“ verteidigt werden. Auch schön.

    • Wer weiß wann was in der Geschichte stattgefunden hat?
      Wikinger, Römer, Ritter, Piraten, Cowboys – welches Kind, kann das zuordnen? Für viele war das alles zu „Großmutters Zeiten“. Wie sollen die Kinder dann zuordnen können was nach dem 2. Weltkrieg alles kam? Erst die Trümmerfrauen, dann der Wiederaufbau, dann das Wirtschaftswunder.

  3. Mir kommt diese Aussage bekannt vor…Kann es sein, dass ich Sie hier schon mal gelesen habe?
    Meine Schüler haben sich so noch nie geäußert, aber ich glaube auch, dass ich den Teil der Schüler an einer Hand abzählen kann, die keinen komplett deutschen Hintergrund haben oder sich nicht als Deutsche sehen. Keine Ahnung, ob das anders wäre, wenn sie einen Migrationshintergrund hätten. Aber selbst die eine türkische Schülerin, die ich kennengelernt habe, hatte ein sehr fundiertes geschichtliches Wissen.

    • Ja, kommt mir ja auch so bekannt vor. ich hatte diese konversation ja schon mit einem anderen schüler letztes jahr. deshalb bin ich ja so verwirrt, vielleicht habe ich da ja geschichtlich was übersehen.

  4. Liebe Frau Freitag,

    aber natürlich ist das Unsinn – in einer Studie von 2001 wird die Gesamtzahl aller in Deutschland lebenden Türken nach Kriegsende auf einen mittleren zweistelligen Betrag beziffert. Das strenge Anwerbeverfahren türkischer Gastarbeiter begann 1961; Wikipedia liefert eine ganz gute Zusammenfassung. http://de.wikipedia.org/wiki/Einwanderung_aus_der_Türkei_in_die_Bundesrepublik_Deutschland#cite_note-2

    Die von ihnen beschriebene Legende habe ich auch schon öfter gehört. Allerdings oft im Zusammanhang mit weiterem geschichtlichem Halb- und Viertelwissen. Vielleicht hören die Kids prinzipiell nicht zu? Und wahrscheinlich hat sich der Kollege redlich bemüht – Sie schreiben ja selbst, wie viel (oder wie wenig) von dem hängenbleibt, was Sie Ihren Schülern zu vermitteln suchen.

  5. Sehr gerne lese ich ab und an mal Ihr Blog (vielen Dank dafür) und versuche jetzt mal etwas zurück zu geben.

    Händeringend wurden in den 60igern (Gast-)Arbeiter gesucht, weil es einfach nicht genügend arbeitsfähige Deutsche gab -Kriegnachwirkungen (15 J sind ja noch nicht einmal eine Generation) + erhöhte Arbeiternachfrage durch das „Wirtschaftswunder“.

    Deshalb kann m.E.

    1. der 2. Weltkrieg als wichtiger (indirekter) Grund für die Gastarbeiterimmigration in den 60igern herangezogen werden

    und

    2. auch die Aussage, dass das „Wirtschaftswunder“ ohne sie nicht möglich gewesen wäre, würde m.E. zutreffen.

    Jedoch zu sagen, dass sie Deutschland wieder aufgebaut hätten wäre mir dann doch zu ungenau -weil sie m.E. es Deutschland „lediglich“ ermöglicht haben wieder zu einer sehr bedeutenden Wirtschaftsmacht aufzusteigen.

    Übrigens, wenn Sie bei wikipedia ein wenig weitergelesen hätten, dann hätten sie dazu auch noch 1-2 Anregungen gefunden 😉

    http://de.wikipedia.org/wiki/Gastarbeiter#Entwicklung_der_Gastarbeiterimmigration

  6. Habe das heute auch gehört: Heute beklagte sich ein Ditib-Sprecher, dass Türken als Fremdkörper in Deutschland wahrgenommen würden, obwohl sie dieses Land mit aufgebaut hätten. Eben das sollte auch in Schulbüchern stehen. Ob das nun richtig oder falsch ist, ist mir gerade relativ egal: Nur höre und lese ich dieses Argument in letzter Zeit recht oft. Vielleicht formiert sich da nach Sarrazin eine Art Gegen-PR.

  7. Hallo Frau Freitag,

    erstmal ganz dickes Lob für ihr schönes Blog, ich lese schon eine Weile begeistert mit 😉

    Zu den Trümmern:
    Ich vermute ebenfalls eine falsche Schlussfolgerung ihrer Kinder. Es ist ja durchaus richtig, dass die Gastarbeiter geholfen haben, Deutschland voranzubringen und das Wirtschaftswunder sonst evtl nicht möglich gewesen wäre. Da Fließbandarbeit als Hilfe aber eher unspektakulär ist, sind die Kinder evtl selbst auf Trümmer wegräumen gekommen, klingt ja auch spannender. Und diese Zeitspanne wird meist ja eh auf „kurz nachm Krieg“ zusammengekürzt, von daher finde ich das gar nicht so verwunderlich.
    Vielleicht hat der Lehrer einfach eine vereinfachte Version erzählt und die Kinder haben sich an einer eigenen Interpretation versucht 😀

  8. Das nach 1945 die Trümmer überwiegend von Frauen weggeräumt wurden, ist übrigens auch ein Mythos. Die meisten Trümmer wurden von Baufirmen mit schwerem Gerät weggeräumt, die überwiegend Männer beschäftigten.

  9. Ich muss hier mal die Riege der Geschichtslehrer verteidigen: 🙂

    Es ist hahnebüchen, was die Herren und Damen sich merken (merkt man wunderbar in Lernkontrollen, da frage ich mich häufig, wo sie das wohl gelernt haben wollen – bei mir definitiv nicht).

    Allerdings darf man häufig mal seine geschätzten Vertreter aus Medien, Politik (ich sage nur: Sarazin – mit Halbwissen kennt der sich ja aus!!!), Wirtschaft und „Gesellschaft“ anhören, da weiß man, wo die lieben Kleinen diesen Müll her haben.

    „Urban legends“ sind da nur die harmloseste Variante.

    Leider, leider, leider sind solche Geschichten „umfassender“ zu widerlegen als die Aussage „3-2=5“ und deswegen haben wenig „Erwachsene“ Lust dazu, sich mit diesem Blödsinn auseinander zu setzen.

    Wenn man im Wahlkampf mal die Parolen und Aussagen auf „historische“ Richtigkeit prüft, merken auch Schüler schnell, wo der Hase läuft.
    Aber da häufig ausser in der Schule niemand sowas mit ihnen macht: woher sollen sie wissen, dass sie einem „falschen Hasen“ hinterherlaufen?

    Also: nicht ärgern sondern immer wieder im Berufsleben wie im Bekanntenkreis für Aufklärung sorgen?

    Neee, danke! Dann steht man nämlich da wie das Fleisch gewordene Lehrerklischee: BESSERWISSER…..

    😉

  10. Nich so streng sein wegen zwanzig oder dreißig Jahren – die „Trümmerfrauen“ sind in den einschlägigen Geschichtsbüchern fast immer mit Kopftuch abgebildet -klar bei so einer staubigen Arbeit trägt frau natürlich Kopftuch- die Bilder sind alle schwarz weiß. so wie die aus den 60ern – klar kann man diese Frauen mit der Uroma verwechseln, die auf Arbeit und z.T. auch damals schon aus religiösen Gründen auch Kopftuch getragen hat. Und dass die „Gastarbeiter“ maßgeblich am WI-Wunder beteiligt waren, bzw. deshalb geheuert wurden, haben die Kinder eben auch schon oft gehört. Diese historische Verwechslung von heute 15-Jährigen finde ich überhaupt nicht schlimm…kann man doch ganz schnell klären. Ist doch gut, dass die Kinder Inhalte aus´m Geschichtsunterricht kommunizieren. Supi – weiter so!

  11. Och, Frau Freitag, warum so kleinlich? Meine Schüler erzählen mir das auch immer, dassihre Opas die Trümmer weggeräumt haben. Und guck mal alte Fotos: Die Trümmerfrauen trugen alle Kopftuch, vallah!

  12. dazu muss ich mich auch kurz einmischen:

    ein guter Freund von mir hat regelmäßig sehr viel Zeit in einem Online-Rollenspiel verbracht und dort ein Mädchen aus einer türkischstämmigen Familie kennen gelernt, welche sich selbst eigentlich gern integriert hätte (jedoch vom Vater daran gehindert wurde).
    Die Familie war vllt. etwas radikal, ihrer (Eltern/Großeltern des Mädchens) Ansicht nach besteht folgender Plan:

    „Da die Türken Deutschland nach WWII wieder aufgebaut haben gehört ihnen das Land und sie werden hier einen türkischen Gottestaat errichten.“

    Der 2. Teil sei hier mal (hoffentlich nur) ein Hirngespinst einer alten Generation. Der erste Teil zeigt aber, dass auch die eingewanderte Generation und deren direkte Nachkommen den Sachverhalt mit dem wieder aufbauen so sehen und nicht (nur) die jetzige Generation, die die Erzählung falsch deutet.

  13. und noch eines zum Nikolaus:

    der kam zwar aus der Region der heutigen Türkei, war aber kein Türke;
    sondern Christ und Grieche (beides wohl im Ansehen der betreffender Schüler ganz schlecht)

  14. Na, wenn die Lehrer das mit dem Halbwissen und Hörensagen vorleben… oder haben Sie inzwischen das Buch von Sarrazin gelesen, Frau Freitag?

    Nix, für ungut. Ich finde Ihren Blog und ihre Stories voll schööööööööön.

    • nee, bin noch in der warteschlange. werde es aber lesen. bisher habe ich mich auch nur auf seine öffentlichen äußerungen bezogen, oder nicht? hat er denn was zu den trümmerfrauen geschrieben? Ist er am ende selbst eine Trümmerfrau?

  15. Ich glaube ja, das die einfachste Erklärung wiedereinmal die beste ist. Die beiden Jungs werden das einfach fehlgedeutet haben (wortwörtlicher Aufbau mit wirtschaftlichem Aufbau). Generell neigen die Kids ja dazu das zu verstehen, was in Ihren Ohren irgendwie besser klingt. Und der Sound ist halt besser, wenn die Türken Deutschland Stein-für-Stein aufgebaut haben. Alles andere ist ja intellektueller Hokus-Pokus. 😉

    Tolles Weblog, im Übrigen.

  16. Mit Sicherheit haben die Gastarbeiter den Westen aufgebaut. Das wurde bereits so oft in einschlägigen Foren behauptet, das muß einfach stimmen. In den Osten durften sie aber nicht, dafür hat Stalin dankenswerterweise gesorgt. Also, wenn demnächst wieder jemand sagt, Türken hätten Deutschland 45 von den Trümmern befreit, dann ruhig nachfragen. „Ganz Deutschland?“

  17. Immer öfter liest man, dass Gastarbeiter bzw. Ausländer am Wiederaufbau Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg oder am Wirtschaftswunder der Bundesrepublik beteiligt gewesen seien. Durch derartige Behauptungen soll zum einen eine Verantwortung der Deutschen für die freiwillig nach Deutschland gekommenen Immigranten begründet werden, zum anderen aber auch ein Anspruch auf Leistungen des deutschen Staates und der deutschen Sozialsysteme hergeleitet werden. Darüber hinaus sollen derartige Behauptungen dazu dienen, die Forderungen nach der Verpflichtung von Immigranten zur aktiven Mitwirkung beim Gelingen der Integration abzuwehren. Integration kann aber nur gelingen, wenn die Fakten bekannt und auch deutlich geworden ist, wer welchen Nutzen gezogen und welche Verantwortung trägt im Prozess der Immigration nach Deutschland.

    8. Mai 1945 – Stunde 0: Bedingungslose Kapitulation Deutschlands, 2/3 Deutschlands sind zerstört, 11 Millionen Deutsche in Kriegsgefangenschaft, 25 Millionen Deutsche auf der Flucht aus Preußen, Pommern, Schlesien, dem Sudentenland und anderen deutschen Gebieten vorwiegend im Osten des deutschen Reiches.

    3. April 1948 – Die Westmächte rücken von der Deindustrialisierung Deutschlands ab, das „European Recovery Programme“ (Marschallplan) tritt in Kraft.

    21. Juni 1948 – Währungsreform in den Westzonen. Die D-Mark wird eingeführt. Der deutsche Außenhandel beginnt wieder.

    1950 – Deutschland erreicht – trotz der fehlenden Ostgebiete – in den vier Zonen wieder die Wirtschaftsleistung von 1936. Die Arbeitslosenquote in Deutschland beträgt 12,2%

    1952 – Im Westen Deutschlands ist das Wirtschaftswunder in Gang gekommen. Hohe Wachstumsraten, deutsche Innovationen und der Marschallplan führen zu hohem Wirtschaftswachstum und dem Aufstieg Deutschlands zu einer führenden Industrienation.
    1952 – Bis 1952 fließen 13,1 Milliarden US Dollar aus dem ERP/Marschallplan in die Staaten der OEEC. Deutschland zählt seit 1952 nicht mehr zu den „bedürftigen Staaten“.

    1953 – Die italienische Regierung bittet in Deutschland um die Erlaubnis, Arbeitskräfte nach Deutschland schicken zu dürfen. Dadurch soll das Außenhandelsdefizit mit Deutschland abgebaut werden und durch die Heimatüberweisungen der Italiener in Deutschland die Devisenkassen gefüllt werden.

    1955 – Das Wirtschaftswunder und die deutsche Industrie läuft auf vollen Touren.

    1955 – 0,4% der Arbeitskräfte in Deutschland sind Ausländer.

    1955 – Trotz der Ablehnung aus dem Wirtschaftsministerium schließt das Außenministerium nach zwei Jahren Druck aus Italien ein Abkommen über den „Austausch“ von Arbeitskräften mit Italien. Dieses Abkommen soll „Pilotcharakter“ haben.

    1959 – Deutschland ist die zweitgrößte Industrienation der Welt nach den USA. Das Wirtschaftswunder ist vollendet.

    1960 – In Deutschland wird die Vollbeschäftigung erreicht. Das Abkommen mit Italien hat bis dahin kaum eine Wirkung gezeigt, die Anwerbung von Arbeitskräften aus Italien ist im wesentlichen nicht in Gang gekommen.

    1960 – Weitere Staaten, die im Handel mit Deutschland hohe Defizite aufweisen, dringen auf Abkommen, die es Arbeitskräften ermöglichen sollen, in Deutschland zu arbeiten. Besonders Portugal, das in diesen Jahren fast von Hungersnöten gebeutelt wird und das Entwicklungsland Türkei, das von einer Wirtschafts- und politischen Krise in die nächste schlittert, machen Druck auf das deutsche Außenministerium, derartige Abkommen zuzulassen.

    1961 – Das von der Türkei gewünschte Anwerbeabkommen wird unterzeichnet. Es wird vertraglich festgeschrieben, dass jeder türkische Arbeitnehmer maximal 2 Jahre in Deutschland arbeiten kann und dann zurückkehren muss (Rotation). Es wird vereinbart, nur Menschen aus dem europäischen Teil der Türkei aufzunehmen, ferner wird – in Abweichung zu den Anwerbeabkommen mit europäischen Ländern der Familiennachzug bzw. die Familienzusammenführung in Deutschland vertraglich ausgeschlossen.

    1967 – Die Nettoanwerbung von ausländischen Arbeitskräften sinkt auf 0. Es werden nur noch „rotierende“ Gastarbeiter ersetzt. Führende Vertreter der deutschen Wirtschaft proklamieren: es gibt keinen wirtschaftichen Nutzen durch Gastarbeiter.

    In „50 Jahre Bundesrepublik – 50 Jahre Einwanderung“ schreibt Mathilde Jamin 1999, S. 146: „Johannes Dieter Steinert stellte aufgrund der Akten im Bundesarchiv und im Archiv des Auswärtigen Amtes für den Zeitraum bis 1961 fest, dass die Initiative zu diesen Entsendeabkommen von den „Entsendeländern“ ausging. Hissahi Yano (1998) kam für den Forschungszeitraum bis 1964 zu demselben Ergebnis.“ und weiter „Noch stärker war aber offenbar der Druck in den „Entsendeländern“ durch „Export“ von Arbeitskräften ihren Arbeitsmarkt zu entlasten. (…) Die zuständigen deutschen Behörden standen den türkischen Wünschen zurückhaltend gegenüber; (…) Noch im September 1960 urteilte Anton Sabel, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, aus arbeitsmarktpolitischen Gründen sei die Bundesrepublik nicht auf ein Abkommen mit der Türkei angewiesen, möglicherweise wohl aber aus politischen Rücksichten auf die Türkei als NATO-Land“.

    1973 – Nach 12 Jahren verhängt der deutsche Bundestag den „totalen Anwerbestopp“. Zu diesem Zeitpunkt sind zwischen 2,4 und 3 Millionen Gastarbeiter

    Der komplette Text von Tobias Heinz
    „Wiederaufbau durch Ausländer – Türken und türkische Gastarbeiter in Deutschland“ ist hier zu lesen:
    http://tinyurl.com/23osfct
    Es lohnt sich ihn vollständig durchzulesen. Vieles ist unbekannt oder vergessen… z.B. auch, was Deutschland für die Türkei getan hat (Aufbau von Infrastrucktur und Zahlung von Entwicklungshilfe etc.)

    Zusätzlich kann man auf Wiki alles über die Abwerbeabkommen der Länder mit Deutschland nachlesen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Anwerbeabkommen

    Eines haben sie alle gemeinsam: Niemals gingen Abwerbeabkommen von Deutschland aus, sondern stets von den zum Teil sehr armen sogenannten Endsendeländern.

    Das Gerücht, dass Türken am Wiederaufbau beteiligt gewesen sein sollen, wird in einigen Moscheen verkündet bzw. wird von türkischen Vätern verbreitet. Warum? Es gibt immer mehr türkische Arbeitslose in Deutschland. Zusätzlich werden durch Zwangsheirat, im Rahmen der Familienzusammenführungen, auch immer mehr völlig ungebildete Frauen (Analphabeten) ins Land geholt, die noch nie irgendwas in die Sozialsysteme eingezahlt haben und sofort HartzIV bekommen. Damit dies ohne entsprechenden Würdeverlust eingefordert werden kann, heißt es immer öfter, dass Türken einen Anspruch darauf hätten, wegen der angeblichen Beteiligung am Wiederaufbau. Ich persönlich finde das erbärmlich…

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