Wenn Fakten überfordern

„Frau Freitag, wissen Sie eigentlich, dass dieser Obama Moslem ist?“

„Ja, vallah, er heißt Hüssein mit zweite Name. Er ist voll einer von uns, aber auch schwarz und auch Präsident.“ Emre und Abdul picken sich aus dem Weltgeschehen mal wieder nur die Details heraus, die sie interessieren. Machen wir ja alle. Wir sitzen zusammen an einem riesigen Gruppentisch.  Das Gute, wenn man die Klassenlehrerin einer professionellen Schwänzertruppe sein darf ist, dass manchmal nur so wenige Schüler erscheinen, dass man bequem um einen Tisch herum sitzen kann.

Es ist ein normaler Schultag, an den ich mich dunkel erinnere, aus einer fernen Zeit, in der es noch täglich Schule und einen geregelten Alltag gab. Total ohne Ferien.

Keiner von uns hat Bock auf Unterricht. Also pflegen wir mal wieder die Beziehungsebene.

„Frau Freitag, haben Sie gehört, dass es jetzt so einen Facebookfilm gibt?“ fragt Esra

„Ja, is über so einen Mann, der voll viel Geld mit Facebook verdient hat.“ ergänzt Funda

„Ja, habe ich von gehört. Der Mann hat nicht damit Geld verdient, also schon, aber der Film ist über den e/na/dfbddMann, der sich Facebook ausgedacht hat.“ Ich verstehe manchmal nicht, wie meine Schüler immer nur die Hälfte von den Nachrichten mitbekommen können und diese Hälfte dann auch noch falsch wiedergeben. Aber um ihre Wissenslücken zu schließen bin ich ja Lehrerin geworden. Also berichte von weiteren unbekannten Details: „Mark Zuckerberg. So heißt der Erfinder von Facebook. Zuckerberg. Ein Jude.“ Stille. Verwunderung. Ein Jude?!

„Ein Jude???“ fragt Abdul stellvertretend für seine verwirrten Mitschüler.

Ich: „Na, sagen wir eine Amerikaner. Aber ja, ich glaube der ist jüdisch. Zuckerberg…“

In Abduls Gesicht erkenne ich, dass sein Hirn auf Hochtouren läuft. Vernetzungen und Verknüpfungen werden hergestellt, die vorher noch nicht da waren. Facebook. Amerika. Jude. Facebook. Plötzlich trifft ihn ein Geistesblitz: „Ahhh, darum ist Facebook auch blau weiß. Wie Judenfahne.“

„Du meinst die israelische Fahne. Und, naja, ich weiss nicht, ob das nicht Zufall ist. Das Blau ist ja auch viel dunkler.“

Elif scheint mit ihren Verknüpfungen noch nicht klarzukommen: „Frau Freitag, is der echt Jude?“ Auch Abdul ist wieder in Überlegungen versunken. „Na Abdul, was denkst du jetzt?“ Abdul ist nicht gerade der größte semitophile Schüler meiner Klasse. Seine Familie kommt aus dem Libanon und alle sind stolze Palästinenser. „Meldest du dich jetzt ab bei Facebook? Geh doch zum palästinensischem Facebook.“ Abdul hört mir gar nicht richtig zu. Alle sind von dieser Neuigkeit geschockt. Jeder wiegt für sich im Kopf ab: „Facebook – super. Jude – nicht super. Kein Facebook – auch nicht super…“

Irgendwann entscheide ich mich in die entsetzte Stille doch noch mit dem Unterricht zu beginnen. Ich bin mir sicher, dass meine Schüler auch dieses Dilemma ganz pragmatisch lösen werden. Ihr Ansatz ist ja: „Darf ich nicht, will ich aber, mach ich also trotzdem, nur heimlich und dann geht das schon.“ So handhaben sie alles, was ihnen ihre Religion, Kultur oder die soziale Kontrolle verbietet: Alkohol, Schminken, Fluchen während Ramadan, Rauchen, Respektlosigkeit gegenüber Älteren usw. Es funktioniert ganz gut und ich denke mal spätestens, wenn sie in Mekka waren, verzeiht man ihnen, dass sie soviel Spaß im jüdischen sozialen Netzwerk hatten.

Immer muss ich alles alleine machen…

Gestern war auf ARTE (so ein Trashsender, nicht zu verwechseln mit dem Bildungssender SAT1) ein Themenabend über Integration von Migranten. Schule und so, weisssu. Die waren in ganz Europa und so richtig Top läuft das mit dem Integrieren eigentlich nirgends. Nur 3 von 100 Migris machen das Abitur. Aber warum tun sich die Länder so schwer damit ihre Zuwanderer und deren Sippschaft hier in unsere Gesellschaft  rein zu integrieren (mein neues Lieblingswort – reinintegrieren)? Das kann doch nicht so schwer sein. Also ich hätte da ein paar dufte Vorschläge.

  1. Das Schulsystem ändern!

Erstmal muss natürlich sofort die Dreigliedrigkeit abgeschafft werden. Die gibt es auch nicht im Tierreich und wer braucht schon das Gymnasium. Ein Haufen reicher Streber, die behütet ohne Kevins, Justins  und Alis ihre Allgemeinbildung pimpen, ohne, dass sie lernen, wie sie von Jungs zu richtigen Männern werden. Von denen hat sich bestimmt noch keiner mit 30 Kusengs vorm Schultor geprügelt. Die Mädchen verlassen die Schule und wissen nachher gar nicht, wie man French Nails macht, sich richtig schminkt und was zu Pink passt. Also her mit den Gemeinsamschulen. Gymnasiasten, nichts für ungut, aber essentielle Bereiche des Lebens lernt ihr wirklich nicht auf euren Gymnasien. Und den Gymnasiallehrern fehlt doch auch die schöne Erfahrung, wie es ist einem Haufen 18 jähriger Intensivtäter in der achten Klasse das große Einmaleins beizubringen.

2. Elternarbeit

Ganz wichtig ist natürlich, die Eltern in den Bildungsprozess mit einzubeziehen. Wir fangen mal mit den Müttern an. In meiner perfekten Brennpunktschule gäbe es für die Mütter jeder einzelnen Klasse vormittags Deutschunterricht. Die Schüler kämen morgens, mit ihren Müttern gemeinsam, zur Schule und ganz nebenbei hätte man das Problem des Zuspätkommens gelöst. Kommen Mutter und Kind zu spät, verpetzt man sie sofort beim Vater. Die Mütter lernen, nachdem sie genug Deutsch gelernt haben, parallel zu ihren Kindern den jeweiligen Unterrichtstoff. Das erweitert die Gesprächsthemen am Abendbrottisch. Endlich können sich die Familien über Integralrechnung und unregelmäßige Verbformen unterhalten. „Sohn, was hältst du eigentlich vom Natodoppelbeschluss? War das damals korrekte Entscheidung?“

Die Aufsichten in den Pausen übernehmen selbstverständlich die Mütter. Ich garantiere, dass die das viel besser machen als die Lehrer und die wiederum legen sich in der Zeit ein bisschen hin, damit sie nicht immer so fertig aussehen.

Und die Väter? Die machen derweil den Haushalt. Räumen auf, waschen und wenn Mama und Kind nach Hause kommen, dann gibt es ein warmes Mittagessen..

In jedem Klassenzimmer sind Kameras und von dort wird 24 Stunden (halt, 8 oder 9 reichen) live gesendet. Jeder Vater kann dann auf Premiere die Schulzeit seines Kindes abonnieren. Abends können die beiden dann den Tag gemeinsam auswerten – auch hier liefert die Schule wieder Anlässe zur intensiven Kontaktaufnahme zwischen den Familienmitgliedern. Entstehen Konflikte während des Unterrichts gibt es eine Live-Schalte nach Hause und man klärt das Problem gleich mit dem Vater.

Ich hätte noch sehr viele Ideen, vom Bussing, über das Motiviering, das Einbeziehing von erfolgreichen Migris, bis hin zu einem gesetzlichen Zwang Bushido nicht solche Scheißtexte singen zu lassen.

Aber fangen wir doch erstmal an, die oben genannten Sachen umzusetzen. Ich bin sicher, die Welt wird sich schlagartig verbessern. Bild titelt: „Integration endlich geglückt! Ausländer rein! Danke Frau Freitag!“