Süßes Zuckerfest komm doch öfter

Zuckerfest, die süßeste Versuchung… seit ich es mit der Schule versuche. Herrlich war es heute. Meine Klasse dezimiert auf vier Kinder, die sich an mich rankuschelten – im übertragenen Sinne – sie saßen einfach mal in der ersten und zweiten Reihe und plauderten über ihr Leben. Handzahm fraßen sie alles, was ich ihnen vorlegte und die Stunde verflog wie im Nu. (Wo ist das Nu eigentlich sonst? Morgen, Doppelstunde Siebte Klasse, da bräuchte ich das Nu, das wird sich wieder zäh hinziehen.)

„Frau Freitag, Erol und Karim haben es gut. Die tanzen sooo geil und die verdienen ein Schweinegeld damit.“ sagt Marcella voller Bewunderung. Und Recht hat sie. Erol und Karim sind Hip Hop Götter.

„Wie verdienen die denn damit Geld? Geben die Unterricht? Oder haben die Auftritte?“

„Die haben Auftritte mit ihrer Gruppe, aber die gehen einfach immer vors Center und tanzen da, da kriegen die übertrieben viel Kohle.“

„Na Marcella, die haben ja auch richtig viel geübt dafür.“

„Ja, ich weiß. Die haben es gut. Die machen was, was ihnen Spaß macht, das können sie auch noch voll gut und dann bekommen sie dafür noch Geld.“

„Na, das kannst du ja auch machen.“, versuche ich Marcella zu motivieren.

„Ja, da müsste ich schon fürs Schlafen bezahlt werden. Das ist das einzige, was ich gut kann.“ Marcella sieht super aus, aber mir fällt auch keine weitere Fähigkeit ein, die sie auszeichnen würde. Und für ständiges Zuspätkommen wird sie wahrscheinlich auch niemand entlohnen.

„Die haben wahrscheinlich die ganze Zeit Tanzen geübt, während du schliefst.“

„Frau Freitag, haben Sie gehört, dass da welche den Koran verbrennen wollen?“ fragt Melike.

„Ja, hab ich gehört. Was haltet ihr denn davon?“

„Ist mir egal, aber haben Sie auf Youtube das Video gesehen, von dem Mädchen, die überfahren wurde, weil sie zwei Jungs erschreckt haben?“

Okay, das mit der Koranverbrennung scheint jetzt sogar bei den Nichtmoslems angekommen zu sein. Also werden die islamen Schüler morgen bestimmt ausrasten.

„Habt ihr auch von der Sarrazin-Debatte gehört?“ frage ich.

„Ist das der, der soviel Scheiße labert?“ fragt Marcella „Der dieses Buch geschrieben hat?“

„Ja, genau der.“

„Ach, der Typ ist doch krank.“ Ah, denke ich, sie haben sich mit dem Thema also schon auseinandergesetzt.

„Warum ist der krank?“

„Keine Ahnung. Was steht denn in dem Buch?“

Tja, wenn ich das wüsste, ich habe es doch auch noch nicht gelesen. Trotzdem gebe ich kurz ein paar erklärende Worte von mir.

„Findet ihr denn, dass die so genannten Ausländer sich hier gut integriert haben?“ – mal abgesehen davon, dass die Hälfte meiner vier Schüler auch einen Migrationshintergrund hat, aber halt keinen moslemischen.

„Frau Freitag, wissen Sie, was mich an den Deutschen nervt? Wenn man in den Bus geht, oder auf der Straße, die gucken immer so ernst. Nie lacht mal einer und nie lächeln die sich mal an. Das ist bei den „Ausländern“ nicht so.“

Und da musste ich ihr zustimmen. Gerade heute war die Stimmung in den öffentlichen Verkehrsmitteln irgendwie anders, auffallend ruhig, alles wirkte „national befreit“. Es war seltsam friedlich und irgendwann fiel mir auf warum – Zuckerfest!!! Weit und breit kein Moslem unterwegs.

Crazy times

Was für aufregende Zeiten. Erst die ganze Sarrazin Debatte, dann wird einem hinterrücks noch die am Netzbleibung der maroden Atomkraftwerke bis an mein Lebensende untergeschoben, ab und zu faselt einer im Fernsehen was von Rente mit 70 und jetzt steuern wir auch noch auf einen neuen Karrikaturenstreit zu. Dieser Christenverein da aus Florida, die wollen doch am Samstag Korans verbrennen. Und ich habe auch schon wieder Bilder von wütenden Bauern aus Pakistan gesehen. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass die auch das Frühstücksfernsehen gucken. Würden die Medien diese Christenfreaks mit ihrem Verbrennungsquatsch nicht so doll featuren, dann würden sich die gläubigen Indonesier auch nicht darüber aufregen können. Ich sehe noch die aufgebrachten Nahostler vor mir, die so wütend waren über diese Cartoons. Da gab es einen Typen, der einen weißen Plastikstuhl zertrümmern wollte. Den haute der immer wieder mit voller Wucht auf den Boden. Völlig wahnsinnig war der. Mal sehen, ob ich den auf Youtube finde. Eigentlich gäbe es genug Diskussionsstoff für eine ganze Woche. Wäre in jedem Fall interessanter als der von mir antizipierte Unterricht.

Leider sind morgen ja die Moslems bei ihrem Zuckerfest und wir haben nur die „Kartoffeln“ in der Schule. Mit denen werde ich mal die Sarrazin Thesen bequatschen. Nur irgendwie doof, dass ich das Buch noch nicht gelesen habe. Vielleicht kaufe ich es mir mit Frl. Krise zusammen. Ich könnte ihr vorschlagen, wir zahlen jeder die Hälfte und dann, reißt sich jeder die Seiten raus, die ihm am Besten gefallen. Ist das Buch eigentlich dick und hat es jemand hier schon gelesen? Ihr seid doch alles integrationsinteressierte Blogleser, oder? Ich habe auch Angst in der Buchhandlung als Nazi dazustehen. Ist man ein Nazi, wenn man das Sarrazin Buch kauft? Und dann die Koranverbrennung… da hört auch bei meinen Schülern der Spaß auf. Ich könnte wetten, dass sie das mitbekommen werden. Die werden ja auf Facebook von so fundamentalistischen Rattenfängern mit Werbung zugeschüttet. Ich muss die unbedingt am Freitag fragen, ob die was von Sarrazin mitbekommen habe und ob das ein Thema bei ihnen zu Hause ist.

Hoffentlich können die zwischen den Crazy-Christen in Florida und uns Evangelen hier in Deutschland differenzieren und denken nicht, dass ich auch für Koranverbrennung bin. Na ja, Sarrazin differenziert ja auch nicht gerade üppig. Der schmeißt die Moslems ja auch alle in einen Topf. Dabei sind die ja noch nicht mal in meiner Klasse alle gleich. Was hat denn Mehmets verkorkste Weltsicht mit den Zukunftsvorstellungen von Elif oder Samira zu tun?

Also noch mal Herr Sarrazin, reden Sie nicht nur mit Samira, fragen Sie auch mal Elif, meinetwegen vermittele ich ihnen auch noch Termine mit Mehmet, Emre und Abdul. Die würde das mit dem Personenschutz auch sicher interessieren. Einen schönen Kommentar fand ich übrigens gestern bei Youtube. Sagt ein türkischer Jugendlicher: „Wer ist dieser Sarrazin? Kann ich den abwählen? Ich hab’ deutsche Pass!“

Herr Sarrazin, fragen Sie Samira

Heute war nett. Auch mit meiner verpeilten Loserklasse. Kunstunterricht mit den älteren Schülern hat richtig Spaß gemacht. Die sind total selbständig, holen sich ihr Material, beraten sich gegenseitig und ich habe Zeit die Fehlzeiten meiner Klasse in diverse Listen zu übertragen. Die ersten 10 Schwänzerbriefe sind heute raus. Die Kinder ahnen noch nichts, ha. Und dann pendelt der Unterricht zwischen himmlischer Ruhe und interessanten Gesprächen hin und her.

„Ist Frau Hinrich verheiratet? Wer würde sie heiraten? Was ist mit dem Mann?“

„Rauchen bei Fasten ist nicht Haram!“

„Können wir mal dis eine machen?“

Ich: „Was meinst du?“

„Mit diese graue Masse, man knetet die.“

Ich: „Ah, du meinst Ton. Graue Masse… die ist in deinem Hirn drin.“

Dann als ich meine Klasse hatte gab es den ersten Generaleinlauf. Einen knackigen Vortrag über die Vorzüge ein Hausaufgabenheft zu führen.

„Was Hausaufgabenheft. Brauch’ ich nicht!“

„Na, was hast du denn auf?“

„Keine Ahnung.“

Letztendlich bin ich rum gelaufen und habe mir von jedem die Tasche zeigen lassen. „Ist nicht wegen Geld, Frau Freitag, ich will das nicht schleppen.“ Oh ja, ein Hausaufgabenheft wiegt ja auch Zentner… da brechen gleich die Bandscheiben…

„Karierter Block reicht doch. Kann man doch beides drauf machen. Rechnen und Schreiben.“

Meine Klasse – ein Haufen Minimalisten.

In der Pause stürzt sich immer Samira in meine Arme und verspricht mir in ihrer neuen Klasse gut mitzuarbeiten. Ich habe ihr das Buch „Arabboy“ geliehen. Vorher hatte es Elif. Disco-Islam Elif, die immer alles „voll schön findet.“ „Heidepark war vooool schön!“ „Frühstücken, Frau Freitag, war voll schön.“ „Wir waren in den Ferien Türkei, voll schön.“ Gestern gab sie mir das Buch über diesen idiotischen, brutalen, kriminellen, vergewaltigenden Typen zurück mit den Worten: „Frau Freitag, das Buch… voll schön.“ „Aber Elif, der Typ ist doch schrecklich.“ Also gab ich es jetzt Samira: „Samira, bitte lies das mal und dann sag’ mir, dass nicht alle arabischen Jungs so bescheuert sind wie der und dass nicht alle Araber so schlecht von uns Deutschen denken!“

Heute ihr Kommentar zu den ersten Seiten: „Na ja, stimmt so halb. Aber nicht alle dürfen nicht raus. Ich darf nach der Schule immer raus.“

„Wahrscheinlich weil du so stressig bist. Die lieben Mädchen, die immer ruhig sind und mithelfen, die müssen drin bleiben. Aber so Nervtöter wie du, da ist man froh, wenn die raus gehen.“ Sie grinst und nickt. Wieder mit einem Vorurteil aufgeräumt. Sehr schön. Herr Sarrazin, reden Sie mal mit Samira!

Ich will nur noch schlafen!

Oh bin ich müde. Sooo müde. Dabei habe ich noch nicht mal ein WM-Vorrundenspiel bestritten, sondern war nur Grillen. Aber dann bis um 2 Uhr morgens in Debatten verstrickt. Am Thema war ich wahrscheinlich nicht ganz unschuldig. Irgendwie ging es am Rande um die Schule und Bildung. Erst habe ich so vom Unterrichten geschwärmt – keine Ahnung, was mich da getrieben hat, dass sich zwei junge Herren gleich am Montag für ein Lehramtsstudium anmelden wollen. Ich sollte Rekrutierter werden.

Dann ging es in einer kleineren Runde um den Bildungswillen meiner Schüler. Leider konnte mir niemand eine Antwort darauf geben, warum meine Klasse in diesem Jahr so schlechte Zeugnisse bekommen wird. Vielleicht ist die Realität schwer zu ertragen, denn ich höre immer wieder, dass „man da doch was machen muss.“ Vielleicht komme ich auch manchmal zynisch und hoffnungslos rüber – bin ich gar nicht, sonst hätte ich schon längst die Schule oder den Beruf gewechselt. Und vielleicht kann ich meine dann doch auch daseiende Zuneigung zu unserem Klientel nicht immer und überall in Worte packen. Aber sie ist da. Das garantiere ich: Ich arbeite sehr gerne mit denen.

Und auch wenn sie ohne Schulabschluss entlassen werden, dann ist das noch lange kein Todesurteil. Weder für sie, noch für mich, und schon gar nicht für die Gesellschaft. Keine Angst, ich habe denen soviel Selbstbewusstsein eingetrichtert, dass die es schon irgendwie packen werden. Bei manchen wird es eben ein wenig länger dauern, aber aus meiner Klasse wird niemand so bescheuert sein, bei einem Pokerraub aus falschem stolz die gelben Gummihandschuhe nicht anzuziehen. Das haben wir ausführlich bearbeitet und sie wissen alle, dass man nicht mit dem eigenen PKW zum Raub vorfährt.

Was hallo???

Viele Lehrer auf einem Haufen bedeuten selten etwas Gutes. Erster Gedanke: Lehrerzimmer. Aber Lehrer treffen sich auch privat. Gestern wimmelte es nur so vor Lehrern in meiner Wohnung. Alle haben schlechte Augen. Niemand hört dem anderen zu. Jeder ist es gewöhnt Chef zu sein. Alle wissen immer alles besser und alle sind viel zu laut. Ich liebe es. Ich finde die Welt könnte nur aus Lehrern bestehen.

Wir sitzen und reden und reden und essen und reden und reden und reden. Ich erzähle, dass ich mir die Telefonnummer von Frl. Krise nicht merken kann. Ich denke immer die ist 809905444, aber eigentlich ist die 80905444. Ich kann mir das einfach nicht merken, aber ich habe die richtige Nummer irgendwo aufgeschrieben.

„Jedenfalls immer wenn ich sie anrufen, mit der falschen Nummer, dann ist am anderen Ende erstmal Stille und ich sage dann vorsichtig Hallo und dann schreit so ein total unfreundlicher Typ WAS HAAALOOO??? In den Hörer.“ Frl. Krise kichert. Sie kennt dieses Phänomen schon.

„Der ist so krass. So gemein und ich hab’ voll Angst vor dem. Wenn ich dann frage: Ist da bei Krise? Dann sagt er nichts, wartet einfach nur ab und brüllt irgendwann: WAS JETZT???“ Frl. Krise grinst über das ganze Gesicht. Ich erzähle, dass ich mir auch schon vorgestellt habe, dass sie dort in ihrer Wohnung einen völlig gemeinen Typen hält, den sie ab und zu ans Telefon gehen lässt.

„Ich bin immer völlig geschockt, wenn ich mit dem Typen gesprochen habe und wenn ich dann die richtige Nummer raussuche, dann ertönt dieses typisch süße, niedliche „Kriiise“, aber dann hat sie so einen ominösen Unterton in der Stimme und ich bin mir gar nicht sicher, dass dieser Typ nicht direkt neben ihr steht.

Der Physiklehrer holt sofort sein Handy: „Also, wie ist die Nummer? Komm wir rufen da mal an.“ „Nein, lass mal.“ Leichte Panik steigt in mir auf „Wenn der jetzt raus findet welche Nummer…“ „Unterdrücke ich. Also, sag mal die Nummer.“ Er wählt und stellt auf Lautstärke. Wir beugen uns alle über sein Telefon und warten gebannt. Ich habe Angst und flüstere: „Aber sag nicht, dass ich auch hier bin.“

Tut, tut, tut…niemand nimmt ab. Ich bin erleichtert. „Schaaaade.“ sagt Frau Dienstag. Aber ich bin mir sicher, sie würde sich alleine nie trauen die Nummer anzurufen. Leicht ratlos sitzen wir in der Küche. Der Pysiklehrer hält immer noch sein Handy in der Hand. Plötzlich habe ich eine super Idee: „Lass mal Schüler anrufen. „Jaaaaa!!!“ Alle sind total begeistert. Es ist zwei Uhr nachts. Der Deutschlehrer fragt:“ Aber wen? Wessen Schüler.“

Außer mir hat ja niemand die Nummern seiner Schüler dabei (ich trage die nicht dauernd mit mir rum, aber wir sind ja in meiner Wohnung.)

Plötzlich triumphiert Frl. Krise: „Wir rufen Serkan an. Die Nummer kenne ich auswendig!!! Ich telefoniere täglich mit seiner Mutter. Gesagt getan. 10 Lehrerköpfe beugen sich über das Handy. Es tutet. Nach 20 Sekunden nimmt jemand ab. Eine müde Stimme sagt „Ja?“ Und plötzlich schreit Frl. Krise los: „Arschlochkind!!! Arschlochkind!!! Arschlochkind!!!“

Wenn ich groß bin werde ich…

Wussten Theo von Guttenberg, Frank W. Steinmeier und Angela Merkel in der Neunten Klasse bereits, was sie mal werden wollen? Oder wussten nur ihre Eltern, dass aus denen noch was werden SOLL?

Weiß man mit 15 überhaupt schon, was man als Erwachsener machen möchte? Theos Eltern haben bestimmt nie gesagt: „Hauptsache du findest gute Frau. Muss aber Jungfrau sein. Abiturschule ist egal. Hauptsache heiraten und danach macht du viele Söhne.“ meine eltern haben immer gesagt: „Wenn die mal noch Frisöse wird…“

Wie soll man auch in der verwirrenden Zeit der Pubertät wissen, welchen Beruf man möchte. Ich wollte wahlweise Trapezkünstlerin, Archäologin, Kapitän oder Briefträgerin werden.

Meine Schüler wissen gar nicht, was sie mal werden wollen. Okay, einige wollen berühmt werden. Das ist ja schon mal was. Hätte ich auch nichts gegen. Ich sage ihnen immer: „Ich hebe eure Kunstarbeiten auf, wenn ihr dann mal berühmt seid, und in der Zeitung steht, dann kann ich die an BILD verkaufen. Aber macht  mal nicht nur durch irgendeinen bescheuerten Einbruch oder mit Ehrenmord von euch reden.“

Und dann sage ich auch in jeder Klasse: „Wäre schön, wenn jemand von den Mädchen Kosmetikerin werden könnte, ich habe doch immer so viele Pickel.“ Falls ich mir ein Auto kaufen möchte, habe ich geschworen, vorher Hakan zu konsultieren, der kennt sich voll krass aus. Leider hängt der z. Z. in einer Maßnahme fest, aber ich vertraue seinem Sachverstand total.

Letztes Jahr hatte ich eine Schülerin, die von einer Gymnasiumschule  zu uns kam. Daniela hatte gute Zensuren und wir sprachen oft nach dem Unterricht über Auslandsaufenthalte und wie das Studieren funktioniert. Sie will Plastische Chirurgin werden. Ich setze alle meine Hoffnungen in sie. Sie hat mir Rabatte versprochen. Eine Kosmetikerin, dir mir billiges Botox spritzen kann, würde mir aber in den nächsten Jahren erstmal reichen.

Die Berufswahl ist echt schwierig und ich bin froh, dass ich das hinter mir habe. Ich beneide meine Schüler nur selten darum, dass ihnen noch alles offen steht.

Die Eltern kümmern sich meiner Meinung nach zu wenig darum. Und die Schüler wissen ja gar nicht, was es so alles gibt. Wenn die wenigstens sagen würden: „Irgendwas mit Medien.“ Aber ich bezweifle, dass von Guttenberg vor 25 Jahren sagt: „…irgendwas mit Krieg, will ich später auf jeden Fall mal machen.“

Die verkaufte Braut

„Mitten in Deutschland wird eine 14jährige Kurdin an einen 19Jährigen verkauft – für 15 500 Euro…“

Und die Öffentlichkeit regt sich darüber auf. Ich wundere mich. Das ist doch nicht die erste, die verkauft wurde. Wie kam das überhaupt raus? Warum ist das Entsetzen jetzt so groß? Sind wir nicht eigentlich davon geschockt, dass die Familie des Bräutigams das Geld zurück verlangt und die Dreistigkeit hat, das vor einem Gericht zu tun? Plötzlich gibt es Gesetze, die auch für sie gelten. „Dann gehe ich vor Gericht!“ Eine 14 Jährige zu heiraten und dafür Geld zu zahlen: „Tja, Tradition…ist halt so bei uns.“ Aber wenn es gerade passt, dann doch bitte vor Gericht ziehen.

Angeblich wollte der Vater der Braut am Anfang 70 000 Euro für seine Tochter. Eine Stange Geld. Jetzt frage ich mich, weshalb er von 70 000 auf 15 500 Euro runter gegangen ist. Wie wird denn der Wert des Mädchens ermittelt? Gibt es da eine Checkliste? Klar, Jungfrau muss sie sein. Aber das ist ja normal, dafür kann man jetzt nicht so viel Geld verlangen. Gutes Aussehen, gesund sein, kochen können… Oder Bildungsgrad der Braut: „Geht sie nur Hauptschule. Kann sie nicht so teuer sein. Ist nicht Gymnasiumschule. Dann 70 000 Euro, aber so…“

Und wie sich der Vater der Braut zu rechtfertigen versucht: „Wir haben ihr für das Geld, Kleidung, Schmuck, Gold, Haushalt gekauft.“ Vater und Braut sagen beide, dass sie: „Haushalt“ gekauft haben. Ich frage: „Was kostet Haushalt?“ Der will mir doch nicht im Ernst erzählen, dass er für 15 500 Euro Klamotten, Schmuck und Küchenmaschinen gekauft hat.

Und wo kommt denn das Geld her? Ich könnte mir zurzeit keine Braut kaufen – weder Gymnasiummädchen, noch nicht mal Hauptschulbraut. Hat denn jede Familie mal so locker 15 000 Euro? Was ist denn, wenn die mehrere Söhne haben und die Hochzeit müssen die doch auch noch bezahlen… das kann ja ganz schön teuer werden.

Und wie kommt man auf diese krumme Summe?

Vater 1: „Gibst du 70 000 Euro für Jasmin!“

Vater 2: „Aboo, 70 000 …mein Freund…geb’ ich dir 7000 Euro. Ist guter Preis!“

Vater 1: „Gibst du 50 000 weil sie sehr hübsch und gutes Mädchen…Zähne gut, Haare gut, alles gut.“

Und irgendwann endet man bei dieser seltsamen Summe.

Tja, ist halt Tradition. Aber keine Angst, lieber Vater vom Bräutigam, du wirst dein Geld bestimmt zurückbekommen, schließlich gibt es ja hier Gesetze und was Recht ist muss Recht bleiben. Wenn mir die Klamotten, die ich bei H&M gekauft habe, doch nicht gefallen, dann kann ich sie ja auch wieder umtauschen. Geht schon. Wird schon. Mach dir keine Sorgen…

Endlich Individualisierung!

Frl. Krise, Frau Dienstag, der Deutschlehrer und ich haben gestern eine bahnbrechende Erfindung gemacht. Wir haben die BESCHULUNGSBOX erfunden.

Die BS-Box ermöglicht jedem Schüler eine störungsfreie Lernsituation. Individualisierung – kein Problem! Innerer Differenzierung – selbstverständlich! Die Beschulungsbox ist eine Art  Kasten (Vollholz), in dem der Schüler sitzt. Die Box betritt man durch eine Tür. An der Frontseite ist eine Tischplatte, in der Mitte ein Hocker. Alles fest montiert. Ist die Box zu, kann der Schüler bequem im Inneren sitzen und arbeiten.

Oben in der Box ist ein Schlitz, durch den die Lehrkraft dem Schüler seine individuellen Arbeitsblätter zuführen kann. An der Seite befindet sich eine weitere Öffnung, durch die er die bearbeiteten Blätter dem Lehrer überreicht.

Die BS-Box ist nicht größer als ein Dixieklo, so lassen sie sich Platz sparend an den Wänden aufreihen. Zum Klassensatz BS-Boxen gehört ein Videosystem, das es dem Lehrer ermöglicht bequem vom Pult aus, in jede Box zu schalten. Möchte der Schüler Kontakt zur Lehrperson aufnehmen drückt er auf einen Knopf und auf der BS-Box leuchtet ein Lämpchen. Dann kann der Lehrer durch ein Mikrophon in die einzelne Box schalten und individuell Hilfestellung leisten.

Kein Schüler wird vom anderen abgelenkt. Konflikte zwischen Schülern gehören ab sofort der Vergangenheit an. Der Schüler und die Lehrkraft sind entspannt, wodurch sich automatisch die  Schüler-Lehrer-Beziehung verbessert. Der durch die Aufreihung der BS-Boxen an den Wänden gewonnen Platz kann individuelle von der Lehrkraft gestaltet und genutzt werden. Musste sich der Lehrer bisher hinter seinem Pult verkriechen und sich mit maximal zwei Quadratmetern zufrieden geben, ermöglicht ihm der Einsatz der BS-Box in seiner Klasse nun unendliche Gestaltungsvielfalt. Bei der Bestellung von mindestens 29 BS-Boxen wird ein Bandscheibenschonendes Schlafsofa und eine Yoga Matte gratis mitgeliefert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass nur eine entspannte Lehrkraft in der Lage ist, guten Unterricht zu machen.

Wir bieten außerdem eine preisgünstige Mitgliedschaft in unserem DVD-Online-Verleih an. Bequem werden Ihnen die neusten Spielfilme in die Schule geliefert und wieder abgeholt.

Bestellen Sie die Beschulungsbox noch heute und Sie bekommen die DVD-Mitgliedschaft als Begrüßungsgeschenk, inklusive eine Auswahl Arbeitsblätter für ihre Unterrichtsfächer.

Machen sie sich das Leben schöner mit der BS-Box. Gehen sie entspannt und glücklich nach einem Unterrichtstag nach Hause. Ihre Gesundheit wird es Ihnen danken.

Wir lassen unsere BSBs von Schülerfirmen an ausgewählten Bennpunktschulen fertigen.

Bestnr: 123-666-1984

Was waren Sie für eine Schülerin?

So, die erste Woche ist rum. Juchu! Ging schnell, war leicht, hat Spaß gemacht. Danke für meine Arbeitsstelle. Diese Schüler bei uns an der Schule sind echt der Hit. Ich könnte mich den ganzen Tag über die bepfeifen. Ich frage mich immer, ob das an jeder Schule so ist. Sagt mal ihr anderen Lehrer, sind eure Schüler auch so witzig, schlagfertig, originell und noch dazu so verdammt gutaussehend? Na ja, die sehen jetzt auch nicht alle gut aus, aber die meisten holen schon ziemlich viel aus sich raus. In meiner Klasse bin ich ja die Einzige, die sich nicht so viel um ihr Aussehen kümmert. Die anderen Mädchen – halleluja! Da gibt es den Disco-Islam – alles in pink oder türkis (man revivalt die 80er – auch mit Kopftuch). Samira – eindeutig Punk-Islam – immer das Kopftuch auf halbacht, Haare hängen verschwitzt an der Seite raus. Die Klamotten cool, meistens schwarz oder grau, keine Schminke und kurze dreckige Fingernägel – genau wie ich. Meine Fingernägel sind auch PUNK. Und an manchen Morgen wünschte ich mir, ein Kopftuch über die fettigen Haare zu ziehen, anstatt sie mir um 6.10 Uhr zu waschen.

Ja, sie sind echt cool. Leider auch zu cool, um sich für irgendwas Schulisches zu interessieren. Ehrlich gesagt würde ich mich für den Unterrichtsstoff  der meisten meiner Kollegen auch nur schwer erwärmen können. Und meine Klasse hat ja auch das besondere Glück, bei ein paar echten Freaks Unterricht zu haben… da hätte ich als Schüler auch viel Stress gehabt.

Gestern fragte mich Ali aus der Zehnten Klasse, was für ein Schüler ich war.

„Wie meinst du das, Ali?“

„Na, haben Sie sich immer an alle Regeln gehalten, haben sie auch mal geschwänzt?“

„Geschwänzt… na ja…“ Ich kann ihnen ja nicht erzählen, dass ich in der Oberstufe gar nicht mehr zum Matheunterricht gegangen bin und dann auch nur 2 Punkte in Mathe hatte. „Na, ich habe jedenfalls nicht so bescheuert geschwänzt wie ihr. Nicht immer die gleichen Fächer und nur bei Lehrern, wo ich wußte, dass die nicht….“ ich begebe mich auf gefährliches Terrain. „Na ja, so schlecht kann ich ja nicht gewesen sein, ich habe ja schließlich Abitur gemacht.“

„Aber was waren Sie für eine Schülerin? Waren Sie so strebermäßig oder waren sie so Freak. So cool und checkermäßig?“

„Checkermäßig?“

„Na, so wie wir.“

„Na ja, ich habe jedenfalls nicht die 10te Klasse zweimal wiederholt wie du.“

Hätte ich mich eigentlich heute gerne als Schülerin? Ich habe heute Schüler und Schülerinnen, die so sind, wie ich als Schülerin war. Das sind die, die ich als Menschen total gut finde, die mir aber durch ihre Art fast jede Unterrichtsstunde kaputtmachen. Warscheinlich späte Rache vom Pädagogikgott. Samira, Abdul, Dirk, Dschinges… alle zeigen Verhaltensweisen von Frau Freitag als Schülerin. Sogar Mehmet. Manchmal. Der große Unterschied… keiner von denen wird Lehrerin werden. Keiner von denen wird mit 18 ausziehen und eine eigene Wohnung haben. Keiner wird durch Europa trampen und fast zwanzig Jahre studieren. Leider. Das Potenzial für so eine Biographie hätten sie alle.