Unschooling

Gestern bekam ich einen interessanten Kommentar. Da geht es um UNSCHOOLING. Eine Sache von der noch nie gehört habe:

Bei Unschooling gibt es gar keinen Unterricht, das Kind kann sich frei beschäftigen, und wenn es Interesse an etwas entdeckt, kann es seine Eltern fragen, oder die Eltern weisen es auf ein Thema hin. Das Kind kann somit seinen Interessen frei nachgehen und seine Talente finden und fördern. Selbst in der Oberstufe der so allgemein bildenden Gymnasien hat die Hälfte keine Ahnung, was sie mal werden will — kein Wunder, ist doch der Schulstoff immer auf einige Sichtweisen beschränkt, die Fächer nicht alle frei wählbar und wenn man die Ineffizienz des Unterrichts und Nichtanschaulichkeit des Stoffes (der Stoff bleibt in der Schule und wird in der Praxis nicht verwendet) betrachtet.

Die Kinder von UNSCHOOLING-Fans sollen also gar nicht zur Schule gehen. Äußerst interessant. Ich versuche mir das mal praktisch vorzustellen. Das Kind wird sechs – bleibt zu Hause. Wer passt denn dann auf das Kind auf?  Na gehen wir mal davon aus, dass es die Mutter ist, die sich mit ihrer Aufgabe als Hausfrau und Erzieherin glücklich arrangiert hat und der Vater einen Haufen Geld verdient.

Und das Kind geht also zu Hause seinen Interessen nach. Wenn ich mich recht erinnere, dann war mein Hauptinteresse in diesem Alter ganz klar FERNSEHEN. Konsequenterweise dürfte dieses Kind also den ganzen Tag fernsehen – herrlich! Aber ich nehme mal an, dass ein Kind von so engagierten Eltern, die sich mit dem Thema UNSCHOOLING auseinandergesetzt haben, ihrem Nachwuchs schon frühzeitig die Abartigkeit der Glotze beigepult haben. Also hat dieses Kind gar nicht so ein großes Interesse am Fernsehen. Vielmehr sagt es: „Mama, ich sehe immer, dass du und Papa immer soviel lest. Ich will auch lesen. Setzt sich also die Mutter hin und bringt ihrem Kind das Lesen bei. Ein kleiner Schritt ist es da nur, auch noch nebenbei das Schreiben zu lernen. Ganz von selbst kommt dann das Interesse an der Mathematik. Natürliche und unnatürliche Brüche wollte das Kind schon im Krabbelalter kennen lernen.

Jetzt bitte nicht gleich alles falsch verstehen. Ich bin mir sicher, dass das Kind sehr früh seine Talente findet und die zu Hause auch gut gefördert werden können. Allerdings sehe ich nicht, wo die Schule diese Talente zerstört oder so verdrängt, dass Schulkinder nicht mehr wissen, was sie gerne tun oder gut können.

Meine Schüler wissen das ganz genau. Das geht vom schminke, tanzen, rappen, freestylen (ach, seufz), Fußball spielen, shoppen, mit Freunden quatschen, Handy, Klamotten, essen, rauchen, Drogen nehmen, Scheiße bauen, kriminell werden, nicht kriminelle werden, gute Noten bekommen, religiös werden bis noch nicht genau wissen, was man möchte. Diese Talente entwickeln die trotz Unterricht. Manchen hilft der Unterricht dabei sogar. Man denke an die Schüler, die besondere Leistungen und viel Interesse in Kunst, Musik, Mathe oder Sport zeigen. In manchen Klassen entwickeln sich auch wahre Geschichtsfreaks oder Physik Cracks. Ich finde die Schule hat schon ihren Betrag, bei der Förderung von Talenten.

Ich könnte von jedem Schüler, den ich in der Klasse habe genau sagen, was der oder die gut kann. Und natürlich auch, woran er oder sie durchaus noch arbeiten könnte. Ich sehe die Schule allerdings nicht zuletzt als eine Einrichtung, die die Eltern entlastet. Wer möchte denn sein pubertierendes Kind den ganzen Tag zu Hause haben? Ich glaube niemand. Welche Eltern sind nicht erleichtert, wenn die Ferien zu Ende sind?

Trotzdem – UNSCHOOLING – interessant. Klingt allerdings recht illegal. Oder gibt es so was in Deutschland? Dass die Amis das machen, ist mir schon klar und die afghanischen Mädchen haben alle das Glück, ihre Talente selbst zu entdecken. Wäre das nicht eine Alternative? Auswandern nach Afghanistan?

Endlich Individualisierung!

Frl. Krise, Frau Dienstag, der Deutschlehrer und ich haben gestern eine bahnbrechende Erfindung gemacht. Wir haben die BESCHULUNGSBOX erfunden.

Die BS-Box ermöglicht jedem Schüler eine störungsfreie Lernsituation. Individualisierung – kein Problem! Innerer Differenzierung – selbstverständlich! Die Beschulungsbox ist eine Art  Kasten (Vollholz), in dem der Schüler sitzt. Die Box betritt man durch eine Tür. An der Frontseite ist eine Tischplatte, in der Mitte ein Hocker. Alles fest montiert. Ist die Box zu, kann der Schüler bequem im Inneren sitzen und arbeiten.

Oben in der Box ist ein Schlitz, durch den die Lehrkraft dem Schüler seine individuellen Arbeitsblätter zuführen kann. An der Seite befindet sich eine weitere Öffnung, durch die er die bearbeiteten Blätter dem Lehrer überreicht.

Die BS-Box ist nicht größer als ein Dixieklo, so lassen sie sich Platz sparend an den Wänden aufreihen. Zum Klassensatz BS-Boxen gehört ein Videosystem, das es dem Lehrer ermöglicht bequem vom Pult aus, in jede Box zu schalten. Möchte der Schüler Kontakt zur Lehrperson aufnehmen drückt er auf einen Knopf und auf der BS-Box leuchtet ein Lämpchen. Dann kann der Lehrer durch ein Mikrophon in die einzelne Box schalten und individuell Hilfestellung leisten.

Kein Schüler wird vom anderen abgelenkt. Konflikte zwischen Schülern gehören ab sofort der Vergangenheit an. Der Schüler und die Lehrkraft sind entspannt, wodurch sich automatisch die  Schüler-Lehrer-Beziehung verbessert. Der durch die Aufreihung der BS-Boxen an den Wänden gewonnen Platz kann individuelle von der Lehrkraft gestaltet und genutzt werden. Musste sich der Lehrer bisher hinter seinem Pult verkriechen und sich mit maximal zwei Quadratmetern zufrieden geben, ermöglicht ihm der Einsatz der BS-Box in seiner Klasse nun unendliche Gestaltungsvielfalt. Bei der Bestellung von mindestens 29 BS-Boxen wird ein Bandscheibenschonendes Schlafsofa und eine Yoga Matte gratis mitgeliefert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass nur eine entspannte Lehrkraft in der Lage ist, guten Unterricht zu machen.

Wir bieten außerdem eine preisgünstige Mitgliedschaft in unserem DVD-Online-Verleih an. Bequem werden Ihnen die neusten Spielfilme in die Schule geliefert und wieder abgeholt.

Bestellen Sie die Beschulungsbox noch heute und Sie bekommen die DVD-Mitgliedschaft als Begrüßungsgeschenk, inklusive eine Auswahl Arbeitsblätter für ihre Unterrichtsfächer.

Machen sie sich das Leben schöner mit der BS-Box. Gehen sie entspannt und glücklich nach einem Unterrichtstag nach Hause. Ihre Gesundheit wird es Ihnen danken.

Wir lassen unsere BSBs von Schülerfirmen an ausgewählten Bennpunktschulen fertigen.

Bestnr: 123-666-1984

Ist Schule noch zeitgemäß?

Meine Schule ist eine Analogschule. Irgendwie wie keine echte Schule. Die Schüler, die Lehrer, der Unterricht, das Gebäude… alles analog. Wie Käse ohne Milch ist mein Unterricht – Lernsituation ohne jeglichen Lernzuwachs. Schüler ohne jegliches Interesse. Ohne Bereitschaft außerhalb des Schulhofs etwas zu lernen.

Und unsere Realität dort ist hyperreal. So realistisch ist die Realität gar nicht. Nicht mal die der Schüler. Da treffen so viele Probleme geballt aufeinander, das gibt es an keinem anderen Ort. In den Klassen sind bis zu 30 Menschen, die alle ihre eigenen Probleme haben. Also haben wir einen Raum mit 30 Problemen, plus Hauptprobelm: Unterricht, inclusive Lehrer mit massiven Problemen. Sind die einzelnen Schüler nun zu Hause, nehmen sie nur ihre eigenen Problemchen mit und treffen dort auf die häuslichen Probleme. Die sind im Gegensatz zu den schulischen Problemen eher geringfügig.

Da fragt man sich doch, ob man die Schule nicht abschaffen sollte. Man hätte mit einem Schlag viele Probleme beseitigt und das Leben der Schüler und der Lehrer verbessert. Vielleicht schafft man auch nur den Unterricht ab und hat nur noch Hof. Auf dem Hof sind die Schüler gerne und dort nehmen sie auch Wissen auf, lernen diverse Verhaltensweisen und das Sozialverhalten… wird in jeder Minute in den Peer-Groups trainiert.

Da ich ja auf Hyperrealität stehe, macht es mir nichts aus, jeden Tag in die Schule zu gehen und mich den täglichen Dramen auszusetzen. Im Gegenteil, an meinen Feriendepressionen sieht man ja, dass ich geradezu süchtig danach bin. Schule kommt mir vor wie die Lindenstraße. Auch dort herrscht extreme Hyperrealität. So viele Probleme, Tragödien und Katastrophen in einem Haus gibt es doch gar nicht im richtigen Leben. Diverse Morde, tödliche Krankheiten, Drogen, Kriminalität, Terrorismus usw. Und auch bei uns in der Schule gibt ein Drama dem nächsten die Klinke in die Hand. Gerade hat man den Mobbingfall „Sie ist voll Schlampe und ich habe die Schlampenfotos von ihr allen via Bluetooth aufs Handy geschickt“, kommt das nächste Problem. „Susie hat Läuse, ich habe sie in Mathe auf ihrem Kopf rumspringen sehen.“ „Mir ist schlecht, ich mußte kotzen, wahrscheinlich habe ich Bulemie.“ „Frau Freitag, war ich am 13.3. in der Schule? Die Polizei hat mir einen Brief geschrieben, ich hätte an dem Tag einen Raubüberfall begangen.“  „Frau Freitag, wußten sie, dass Mehmet Drogen verkauft? Und er hat auch Waffen.“ Und dann natürlich noch die täglichen Nerverein: „Kein Bleistift, kein Buch, keine HA, keine Unterschrift, keinen Praktikumsplatz, das Formular verloren – schon zum dritten Mal, keinen Bock, keine Federtasche, keine Elternliebe, keine Geduld, kein Geld, keine Freunde, keine natürlichen Feinde, keine Lust auf die Schule…“

Alles hyper, alles analog, alles unecht, alles unrealistisch, alles total unnötig. Und ich bekomme auch noch Geld für diesen Wahnsinn. Total verrückt.

Ich bin volle Kanne gegen Gewalt

Ach ja das Wochenende…da wird man so richtig faul. Ohne Schülerkontakt fällt mir auch gar nichts ein. Fühle ich mich doch seit vorgestern ein wie ein Privatmensch.

Ich bin ein wenig entsetzt, wie falsch ich hier dauernd zitiert werde. Also nicht falsch zitiert, aber irgendwelche Leute kopieren Passagen aus meinem Text über das Gerichtsurteil zur „Körperverletzung“ und schreiben so, als sei ich für die Einführung der Prügelstrafe. Oder ich sei geprägt von Hilflosigkeit, Wut und Verachtung. Bin ich voll nicht! Ein optimisterisches Stehaufmännchen als mich muss man erstmal finden.

Wäre ich wirklich schon so frustriert, wie manche denken, würde ich den Beruf wechseln oder wäre schon dauerhaft krank. Also hier lieben Gutmenschen, die ihr gar nicht beurteilen könnt, wie ich so drauf bin oder wie ich mit den Schülern umgehe: Wenn ihr alles so viel besser wisst und mir nicht mal ein wenig Polemik gönnt, warum kommt ihr nicht an meine oder eine andere heiße Schule mit vielen Problemkindern und engagiert euch vor Ort?

Wer mal die volle Realitätspackung wünscht, dem könnte ich ein paar spannende Vertretungslehrerjobs an interessanten Schulen vermitteln. Aber nachher nicht hilflos rumjammern!

Kindergeld kürzen?

„Zweimal nicht die Hausaufgaben gemacht – 50% des Kindergeld kürzen!“ sagt Thilo S. Was halten wir denn nun davon?

Als ich das hörte dachte ich: „Zweimal nur? Diese Schüler kriegen bei uns doch gleich das Abitur. Und was ist mit:  4 x keine HA – kein Kindergeld mehr? Was ist mit: niiiiieee die Hausaufgaben machen, keine Blätter, Stifte, geschweige denn Hefter oder Bücher mit in die Schule zu bringen? Was ist mit: 76 unentschuldigten Stunden in einem Halbjahr? Mit: ständig den Unterricht stören, wenn man mal im Unterricht ist? Was kostet das? Bisher nur meine Nerven. Aber ich hätte gar nichts dagegen, darauf  Strafzölle zu erheben.

Hier mein Vorschlag: Wir drehen alles um. Es gibt nicht einfach Kindergeld wie bisher, das Geld muss verdient werden. Die ganze Woche pünktlich gekommen= 5 Euro. Dann Geld fürs Arbeitsmaterial mal mitbringen und vielleicht auch für gute Mitarbeit und natürlich Hausaufgaben machen. Ich glaube ich würde wieder welche aufgeben können. Zur Zeit hat das ja keinen Sinn, da sie ja nicht gemacht werden.

Hat jemand ein wirksames – ich betone wirksames Mittel gegen Unpünktlichkeit? Das kriege ich nämlich nicht hin. Nachsitzen habe ich probiert. Bin ich nicht dafür, das bestraft nur mich, da es den Schülern entweder nichts ausmacht oder sie nicht kommen.

Nochmal zu Thilo S.: an welche Art von Schüler denkt der eigentlich, wenn er seine Vorschläge macht? An meine jedenfalls nicht. Ich werde seinen Vorschlag mal morgen mit meinen Schülern diskutieren. Mal sehen, was die sagen. Wenn es nach ihnen ginge gäbe es sowieso nur noch schariaartige Strafen in der Schule.

Die frechen Mädchen

Heute läuft im Bildungssender RTL2 die erste Folge von Die Mädchengang, oder Die schrecklichen Mädchen, ich weiß nicht so genau wie das heißt. Aber ich freue mich schon seit Wochen darauf. Bratzen, Schlampen, weibliches Gesox, unterste Schublade, schlecht geschminkt, ohne Augenbrauen, dafür gerne mit hellgrauen Jogginghosen. Blondierte oder schwarzgefärbte Haare, riesen Ohringe, Klamotten zwischen Ich geh‘ ins Fitnessstudio und Ich muss zur Arbeit in den Puff. Gerne trägt dieses Klientel auch weiße Stiefel und steckt die Jeans da rein. Und das Wichtigste – den Großteil der Freizeit verbringt man im Solarium oder im Nagelstudio. Für sie wurden die French Nails erfunden. Und sie kauen immer Kaugummig – mit offenem Mund, wie Kühe auf der Weide.

Soweit zum Aussehen. Jetzt das Verhalten: Bezeichnend für diese fleischgewordenen Mädchen-Pitbulls ist, dass sie immer sofort hochgehen. Egal was man sagt, sie antworten immer mit: „Waaass??? Willst du in die Fresse, Missgeburt?“ Sie leiden unter einem ausgeprägtem Verfolgungwahn und denken immer man starrt sie an. Ein Paradoxum: Einerseits kleiden sie sich so, dass man sie einfach anstarren muss, weil sie soooo scheiße aussehen und andererseits bekommt man von ihnen aufs Maul, wenn man auch nur in ihre Richtung blickt. Auch wenn sie schon seit Generationen deutsch sind sprechen sie gerne so, als hätten sie einen heftigen Migrationshintergrund. Das finden sie cool.

Jungen gegenüber benehmen sie sich so, als wollten sie ständig Eins in die Fresse. Sie wissen genau, dass die meisten Jungs davor zurückschrecken, Mädchen zu schlagen und gerade deshalb beschimpfen und beleidigen sie Jungen aufs Heftigste.

Und sie haben immer Probleme und sie müssen immer WAS KLÄREN. Hat man solche Mädchen-Exemplare in der Schule, sieht man sie nicht oft im Unterricht, denn sie sind ständig mit anderen Mädchen im Streit und müssen dann stundenlang WAS KLÄREN. Klärt sich aber nie was. Wenn man Pech hat, gibt es auf dem Hof die schönste Mädchenkeilerei.

Oh ich freue mich so, die im Fernsehen zu sehen. Die übertragen einem so schön die eigenen Aggressionen. Wenn man die sieht möchte man sie nur schütteln und waschen und anders anziehen und ihnen normales Sprechen beibringen. Bei uns an der Schule gibt es mehrere solcher Tussis. Zum Glück habe ich nur eine davon in meiner Klasse und die ist auch nur eine milde Version und eigentlich ganz umgänglich. Ich würde mir die Kugel geben, wenn ich solche Weiber unterrichten müßte. Meine Mädchen stressen ja auch ganz gut, aber die sehen wenigstens nicht so häßlich aus und die können auch normal sprechen und so aggro sind die auch nicht. Wenigstens nicht mir gegenüber.

Herrlich, heute geht es los. Und morgen kann ich dann in der Schule alles analysieren. In mehreren Klassen haben wir schon darüber gesprochen. Im Lehrerzimmer guckt ja keiner diesen Schrott. Und ich wette jetzt schon, dass eine von denen ritzt. Und die werden ständig rauchen und saufen und sich die ganze Zeit vor der Kamera produzieren. Und ich werde mit Tee auf der Couch liegen und mich freuen, dass ich keine von denen persönlich kenne und auch keine von ihnen zu irgendeinem Schulabschluss bringen muss. Welcheein Glück ich doch habe.

Der Mensch braucht Struktur

So, wieder eine Woche rum. Jetzt sind doch auch bald die Osterferien, oder? Wie ist das eigentlich in den richtigen Berufen? Merkt man da auch so deutlich, dass die Zeit vergeht? Und wie gliedert sich das Arbeitsjahr eines Nichtlehrers. Ihr habt ja NUR euren popligen Urlaub, den ihr euch aber dann schön außerhalb der Ferienzeiten legen könnt – es sei denn ihr habt Kinder, sorry, aber das wolltet ihr ja so, oder?

Jetzt können sich mal alle angesprochen fühlen, die hier mitlesen und nicht diesen wunderbaren Traumjob des Lehrens ausüben. Ihr, die ihr doch im Gegensatz zu uns viel härter und länger und richtiger arbeitet. Ihr arbeitet wahrscheinlich auch am Wochenende und an Weihnachten. Im Gegensatz zu euch weiß ich nämlich nicht, wie sich ein NORMALER Beruf anfühlt. Komischerweise weiß ja jeder über den Lehrerberuf Bescheid. Und das nur, weil man mal Schüler war. Ich bin auch schon mal im Flugzeug geflogen, würde mir aber nicht anmaßen, irgendwas zum Beruf des Piloten zu sagen. Ich esse jeden Tag Brot. Aber was verstehe ich vom Bäckersein? NIIICCCHHTTSSS!

Für uns teilt sich das Arbeitsjahr in drei Hälften. (Schön gesagt, oder? Man merkt, dass ich kein Mathelehrer bin.) Die eine Hälfte ist das erste Halbjahr, die zweite Hälfte ist das zweite Halbjahr und die dritte Hälfte ist der große Neidfaktor: Sommerferien. Zur Zeit befinden wir uns auf der Anfangsstrecke zweites Halbjahr, steuern auf die Osterferien zu und ab da geht es zielstrebig in einem Rutsch zu den Sommerferien. Die schlimmste Zeit ist zwischen den Herbst- und den Weihnachtsferien, am schönsten ist es im Mai – bedingt durch etliche freie Tage. Die natürlich nur uns Lehrern bekommen und die wir eigentlich gar nicht verdient haben.

Mit gefällt diese Zerstückelung des Jahres ganz gut. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, eine Arbeit zu machen, die das ganze Jahr ähnlich oder sogar gleich ist. Wahrscheinlich strukturiert die sich ja auch – Inventurzeit, Zwischenden-jahrenzeit, dichte Auftragslagenzeit usw.

Aber heute beginnt erstmal die kleine Ferienzeit – das Wochenende. Regeneration. Also herzlichen Glückwunsch zum Wochenende. Die nächste Woche kommt bestimmt.

Wer holt mich denn da ab wo ich stehe?

Es gibt so viele schöne Sätze von Pädagogenerziehern (wie Bushido sagt), die mir ständig im Kopf rumschwirren, wenn ich unterrichte:

„Erst spricht das Bild, dann der Schüler, dann der Lehrer.“

„Mit den Recourcen arbeiten – nicht mit den Defizieten.“

„Ein guter Lehrervortrag darf über alles gehen, nur nicht über 10 Minuten.“

„Alle Wege führen nach Rom, nur nicht der goldene Mittelweg.“

Und hier mein absoluter Lieblingsspruch: „Die Schüler da/dort abholen, wo sie sind.“

Darüber denke ich seit ein paar Tagen immer wieder nach. Wo sind die Schüler eigentlich? Wo sind sie in der ersten Stunde? Und wo soll ich sie abholen? Zu Hause?

Meine Schüler befinden sich z.Z. in einem Paralleluniversum, zu dem ich überhaupt keinen Zutritt finde. Licht an, aber keiner zu Hause. Was ist, wenn ein Schüler noch beim kleinen Einmaleins steckt und der andere in den Dezimalbrüchen hängt? Darf ich denn in der neunten Klasse den Stoff der Fünften und Sechsten wiederholen, wenn sie alle keine Checkung haben? Klar, sagen jetzt die Differenzierungs- und  Individualisierungsfreaks, das musst du sogar. Ja schön, sicher, aber wie schreibe ich dann eine Arbeit? Mit dem Stoff der fünften Klasse? Ich bin da echt überfragt und freue mich auch die kommenden Fachbereichssitzungen.

Und dann diese Sache mit der Motivation. Angeblich lernen die Schüler ja nur, wenn sie am Anfang der Stunde unheimlich motiviert werden. Und in vielen Kommentaren lese ich immer wieder, dass wir Lehrer doch Sachen machen sollten, die nahe an der Jugendwelt sind und die sie interessieren. Das klappt oft, aber eben auch nicht immer und wahrscheinlich hängt das auch von den Fächern ab. Nicht immer läßt sich ein Lebensweltbezug herstellen. Heißt das dann, dass die Schüler diesen Stoff nicht lernen sollen? Und schon mal darüber nachgedacht, dass nicht alle Schüler immer die gleichen Interessen haben? Und, ich will hier nicht der Spielverderber sein, aber geht es immer nur um Spaß? Immer nur ums motivieren und faszinieren? Kann Unterricht nicht auch das Ziel verfolgen, sich durchzubeißen, auch wenn einen das Thema nicht vom Hocker haut? Geht es nicht auch darum, mal durchzuhalten? Ist nicht die Freizeit schon spaßorientiert genug?

Meine Schüler werden, wenn sie Glück haben Berufe ausüben, die nicht besonders abwechslungsreich sind. Sollte die Schule sie nicht auch darin trainieren nicht aufzugeben?

Ganz ehrlich, wenn es nach mir ginge, würde ich nur Fun und Action in der Schule haben wollen. Ich persönlich brauche die Fächer, Mathe, Physik und Chemie nicht. Meinetwegen könnten wir den ganzen Tag kochen, quatschen, tanzen, singen und uns schminken, ich hätte damit gar kein Problem. Der Arbeitsmarkt aber schon, oder?

„Oh sorry, der Schüler kann keinen Dreisatz, da war er wohl nie in der Nähe vom Dreisatz und konnte nicht dort abgeholt werden. Seine Interessen lagen eher in den Plusaufgaben, die kann er dafür sehr gut.“

„DDR/BRD? Tut mir leid, da hatten sie kein Interesse dran, wir haben eigentlich nur über den zweiten Weltkrieg gesprochen. Sie waren so fasziniert von Hitler. Mauerbau und Wende und so, das wollte keiner machen.“

Wie schön, wenn Lehrplan und Schülerinteresse aufeinandertreffen und passen, passiert schon mal und passiert sogar an Stellen, an denen man es gar nicht vermutet. Meiner Meinung nach ist es völlig egal, was man unterrichtet, wenn die Beziehung zu den Schülern gut ist, dann machen sie alles und lernen vielleicht sogar Dinge, die sie gar nicht lernen wollten. Das klingt jetzt komisch, aber in einer Gruppe mit der man sich gut versteht kann man den langweiligsten Mist bearbeiten und trotzdem Spaß haben.

Bushido’s kleine Welt

Endlich, eine Talkrunde, die ich mir nicht besser hätte wünschen können: Bushido (Ich bin krasser Hurensohn, aber trotzdem Muttersöhnchen), Herr Bueb (Lob, Lob, Lob auf Diziplin und Gehorsam), eine Schauspielerin (Ich habe ja auch gekifft und war crazy und jetzt hoffe ich aber, dass aus meinem Sohn was wird), ein Erziehungsguru (Strafen nützen nix, Erziehung auch nicht) und das Highlight, die Christenmenschen (Wir unterrichten unsere 7 (!) Kinder zu Hause, damit sie nicht verrohen und Fernsehen gibt es auch nicht) und Frau Maischberger (Ich kann auch ficken sagen).

Herrlich, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Hier meine Lieblingsstelle:

Herr Bushido auf die Frage, ob seine Mutter seine Texte gut findet: „Das ist doch blasphemisch, wenn man davon ausgehen würde, dass meine Mutter alle meine Texte gut findet.“

Frau Maischberger lässig: „Ja, wenn man davon ausgeht, dass sie die Mutter Gottes ist, dann ist das blasphemisch.“

Bushido zeigt keine Reaktion, wird aber noch am gleichen Abend blasphemisch googeln. Schön war auch, wie Bushido entweder die Augen geschlossen vor sich hin döste oder in die Luft starrte, wenn jemand anderes redete. Und wenn er was sagte, dann so geschwollen, dass es nicht zum aushalten war. So ungefähr: „Ich will jetzt mal ganz anders rüberkommen. Guckt mal her, wie ich reden kann. Wie isch auch gebildet bin.“

Allerdings, liebe Frau Maischberger, Sie haben sich von dem Möchtegern-Ich bin guter Junge und schlauer Junge ganz schön einlullen lassen. Hätte mich nicht gewundert, wenn sie sich mal zu ’nem Bier verabredet hätten. Und Herr Bueb, sorry, aber ich hatte immer die Bilder, des Überwachungsvideos aus der Münchner U-Bahn im Kopf, wie so Bushido-Typen den ehemaligen Schuldirektor zusammentreten. Der Herr Bushido würde das nicht machen, aber seine Fans… das sah schon echt bizzar aus, wie Sie beide da nebeneinander saßen.

Dann die Schauspielerin, erzählt wie sie gekifft hat und eine Woche von zu Hause weggelaufen ist und sich nicht gemeldet hat. Bushido: „Dann sind Sie ja wie ich gewesen…“ Frau Schauspielerin, da hätten Sie ruhig ein wenig widersprechen können, denn ein Blinder sieht, dass zwischen ihrem jugendliches Selbst und dem jungen Bushido Welten liegen.

Und dann die Szene mit der „hauseigenen Moral“ bei Familie Bushido. Als Bushido 16 war, hat ihm seine Mama angeblich das Startkapital gegeben, damit er Drogendealer werden konnte. Das nenne ich mal Unterstützung! Hoffenlich kam das Geld, vom Sozialamt. Heute könnte Bushido wahrscheinlich auch zum Jobcenter gehen und eine Ich-AG anmelden, oder? Jedenfalls fragt Frau M. warum die Mutter das getan hätte, es sei doch trotz allem ein wenig illegal.

Darauf Bushido: „Genauso wie ich hat meine Mutter einfach auch ihre eigene Moral gehabt. Sie läßt sich nicht davon abschrecken, wenn Pädagogen und Lehrer oder Gesetzeshüter dann sagen, Sie machen oder Sie begehen da gerade eine Straftat. Sie hat den Kontakt zu mir gesucht und sie hat mit mir persönlich unsere eigene Moral zu Hause erstmal gelebt bevor wir uns dann Gedanken gemacht haben, ob das für die Gesellschaft, für die Öffentlichkeit, für die Gesetzesgebung legal oder illegal ist oder vernünftig oder unvernünftig. Das ist uns vollkommen egal. Genauso wie es mir vollkommen egal ist.

Frau M. weist darauf hin, dass er dafür in den Knast hätte gehen können (Frau M., Sie müssen nicht Knast sagen, Bushido versteht auch wenn Sie Gefängnis sagen!) und das sei nur nicht passiert sei, weil er so einen guten Richter gehabt hat, der ihm eine Chance geben wollte.
Bushido: „Das ist Deutschland.“ Und später: „Hätte man mir gedroht mir die Hand abzuhacken, dann hätte ich das wahrscheinlich nicht gemacht. Super Bushido: Einführung der Scharia – flächendeckend in Deutschland, oder was?

Und Herr Bushido, nochmal was zur MORAL: Es gibt hier ein Grundgesetz und da kann man sich nicht so aussuchen, was man selbst legal oder illegal findet. Da kann man sich nicht eine eigene Gesetzgebung mit Mama zusammenbasteln. Und mal anders gefragt: Haben Sie nicht Leute verklagt, die im Internet Ihre Songs zur Verfügung gestellt haben? Was ist denn mit der eigenen Moral von diesen Leuten? Vielleicht haben die das nicht als illegal, sondern als ganz vernünftig empfunden. Warum bestehen Sie plötzlich darauf, Ihre Rechte vom Gesetz vertreten zu sehen?

Genau dieses Sich die eigene Moral zusammenschustern ist auch bei den Familien an meiner Schule ein enormes Problem. Bestimmte Dinge kann man leider nicht selbst bestimmen. Dazu gehört nun mal auch, was legal und was illegal ist.  Und wenn sie da in einer Fernsehsendung sitzen und ungestraft von der Talkmasterin erzählen, wie Sie das so sehen, dann ist das wenig hilfreich. Vielen Dank, Herr Bushido.

Sie können sicher sein, dass ich in meiner Klasse alles dafür tun werde, jeden Pups, den Sie von sich vermarkten wollen schlecht zu reden. Sie sind doch zum DJ BOBO der Rapszene geworden, und das raffen die Jugendlichen auch so langsam.

Frau Freitag als Jogi Löw

Wenn irgendein Fussballverein keinen Erfolg hat, sind sich alle einig, dass der Trainer Mist baut. – Und darum wird er kurzerhand entlassen.“

Ein schöner Vergleich von eigenhirn. Ich möchte diesen Gedanken gerne noch mal aufnehmen:

Der Lehrer ist also der Trainer. Die Schüler sind die Spieler. Gehen wir mal davon aus, dass es sich um einen Bundesligaverein handelt oder ein Nationalteam.

Um in einem Team zu spielen, bei dem der Trainer gefeuert werden kann, wenn die Spieler erfolglos bleiben, muss man den größten Teil seines Lebens sehr dizipliniert sein. Denn Fußballspieler ist ja kein Ausbildungsberuf, auf den man sich mal eben so bewirbt. Niemand bekommt eine Stürmerposition beim FC Bayern vom Jobcenter vermittelt, oder? Und last but not least: Es wird niemand dazu gezwungen in einem Verein zu spielen.

Hier hinkt der Vergleich zu meinen Schülern schon enorm. Freiwilliger Schulbesuch? Schön wär’s und effektiver auch. Traumjob Fußballer, klar, höre ich jeden Tag. Traumtätigkeit Schüler-sein? Viellleicht in Indien, nachdem man 12 Stunden lang Teppiche geknüpft hat.

Und dann stelle ich mal ein paar Frage: Was würde denn passieren, wenn Poldi ständig – immer (!) zu spät zum Training käme? Wenn Beckham nie seine Fußballschuhe dabei hätte. Wenn sich Schweini sich ständig weigerte, am Training teilzunehmen, weil es vielleicht mal nicht so faszinierend ist, wie er es gerade gerne hätte. Würde man dann den Trainer feuern?

Ich kenne mich ja wahrlich nicht gut in der Fußballwelt aus, aber ich gehe mal davon aus, dass alle Fußballspieler, die es in die Bundesliga schaffen, Spitzensportler sind – zumindest Spitzenfußballer. Nun zur Zusammensetzung meiner Klasse. Keineswegs Spitzenschüler. Und das soll jetzt an mir liegen? Können sich Vereine nicht auch ständig neue gut Spieler KAUFEN?

Sobald sich Bayern München ein Team aus lauter kranken, übergewichtigen, blinden und gehbehinderten Spielern zusammenstellt und damit Tabellenführer wird , bin ich bereit darüber nachzudenken, ob der Lehrer der Hauptverantwortliche für die Schulleistungen seiner Schüler ist.