Nächste rechts und dann wieder links

„Dieter, kannst du die Heizung runter drehen?“, frage ich. Meine erste Fahrstunde nach der nicht bestandenen Prüfung. Dieter hatte nach mir noch zwei andere Prüflinge. „Ja, die Steffi und die Lara, die haben es beide geschafft.“ „Na, die haben sich bestimmt gefreut.“, sage ich.
„Klar. Du hättest dich ja auch gefreut.“, sagt Dieter. Ja, ich hätte mich auch gefreut. Jetzt sitzen Dieter und ich wieder im Auto, als sei nichts gewesen. „Nächste dann links.“ Draußen scheint die Sonne und im Auto ist es heiß.
„Dieter, kannst du die Heizung ausstellen?“
„Hast du aufsteigende Hitze?“, fragt Dieter und lacht. „Kommst du in die Wechseljahre? Hahaha, du bist in den Wechseljahren.“ Da bin ich nicht nur durch die Prüfung gefallen, nein, hier komme ich jetzt wohl auch noch ganz plötzlich in die Wechseljahre. Dabei hat Dieter einfach nur die Heizung zu doll aufgedreht. „Nein! ich bin nicht in den Wechseljahren. Du hast einfach ein Durchblutungsproblem, wenn du immer noch kalte Hände hast. Kommt wahrscheinlich vom Rauchen.“ kontere ich. „Apropos Rauchen“, sagt Dieter „Ich werde mir mal eine genehmigen.“

Wir fahren die Prüfungsstrecke noch einmal ab. Nützt mir jetzt auch nichts mehr. Ich fahre diesen Kackweg seit Freitag dauernd in meinem Kopf und da mache ich auch alles richtig. Genau wie jetzt. „So, und hier hättest du einfach nur blinken und gucken müssen.“ Schrecklich. Alles ist wieder da. Autobahn im dritten Gang, Fahrspurwechsel ohne blinken, nur die Autobahnmeisterei fehlt.

„Guck, da sind schon wieder Blumen auf der Mittelinsel.“, sagt Dieter. „Heute ist ja kalendarischer Frühlingsanfang.“
„Der war gestern.“, sage ich. „Ach ja, stimmt. Aber von Frühling merke ich noch nichts.“
„Wieso, da sind doch überall Krokusse auf dem Boden und auch schon ein paar Knospen an den Bäumen.“
„Nee, ich sehr noch nichts vom Frühling.“

„Und die Liebe? Was macht die Liebe?“, frage ich.
„Die nervt.“, sagt Dieter.
„Warum das denn?“
„Die hat mir gestern drei SMS geschickt und abends angerufen. Und ihr ginge es so schlecht. Sie hätte Dünnpfiff und ob ich denn ihre SMS nicht gelesen hätte. Und ich so, nee, hab ich nicht. Dabei hatte ich die gelesen.“
„Na, bei Whatsapp wäre das nicht gegangen. Da sieht man, wenn der andere das gelesen hat.“
Dieter lacht: „Ja, sie jammert auch rum; warum hast du denn kein WhatsApp? Ich sag, wozu brauch ich WhatsApp? Brauch ich nicht.“
„Na, da kannst du dich jedenfalls nicht damit rausreden, dass du ihre Nachrichten nicht gelesen hast. Das wird da nämlich angezeigt.“
Dieter schüttelt den Kopf: „Nee, die Dame nervt. Die quatscht Romane ohne Sinn und Zweck. Nichts von wegen: fasse dich kurz, oder so. Sie erzählt mir da genauestens über ihren Durchfall. Das interessiert mich gar nicht. Fehlte nur noch, dass sie die Konsistenz beschreibt. Ob der dünnflüssig oder…“
„Ja, ja, schon gut Dieter. Ist sie wenigstens lustig?“
„Nee.“

Wir fahren durch Tempelhof und dann wieder auf die Autobahn Richtung Hamburg. „Nun gib mal Stoff! Los, gib Gummi.“ Ich versuche Stoff und Gummi zu geben, aber irgendwie erscheint mir heute Tempo achtzig schneller, als sonst. Vielleicht ist das mit dem Autofahren einfach nichts für mich. Wenn ich daran denke, dass ich in zwei Wochen schon wieder Prüfung habe – mir tut das Knie weh und so richtig Spaß macht es mir heute auch nicht. vielleicht ist das normal, wenn man durch die Prüfung geflogen ist. Die Steffi hat bestimmt abends schön gefeiert und ist dann das ganze Wochenende durch Berlin gedüst, während ich immer wieder das gleiche erzählen musste. „… mit Pauken und Trompeten… nein, der Prüfer war sehr nett… ja, ich muss mir das mit dem Spurwechsel nochmal angucken… ja, nächste Mal schaffe ich es.“ Was ist denn, wenn ich es nächstes Mal nicht schaffe? Wann kommt dieser Idiotentest? Und was ist das überhaupt? Vielleicht bin ich dazu verdammt den Rest meines Lebens neben Dieter durch Tempelhof zu fahren. Zweimal die Woche, bis an mein Lebensende. „Nächste rechts und dann an der Ampel links.“

Allgemein

6 Gedanken zu “Nächste rechts und dann wieder links

  1. Ach, lass den Kopf nicht hängen, Frau Freitag. Bin auch beim 1. Mal durchgefallen. Mit 18! 🙂 Dieter nervt ganz schön. Bestimmt ist er in Wirklichkeit noch viel schlimmer als beschrieben…

  2. Ich habe nach der ersten Prüfung beschlossen, niemandem mehr zu sagen wann ich Prüfung habe und einfach still und leise hinzugehen. Mich hat diese Fragerei so genervt und dann immer diese Enttäuschung und dieser Druck… Ne, nicht mit mir!
    So war’s für mich viel entspannter als zu wissen, wenn ich es wieder nicht schaffe ist da noch viel mehr Enttäuschung, noch mehr Mitleid und ich muss es wieder und wieder erzählen.
    Ich habe erst beim 4. mal bestanden. Nicht, weil ich es nicht konnte, sondern weil ich da immer so aufgeregt war, dass mir Fehler passiert sind, die mir noch nie passiert sind. Immer auf dem Rückweg. Wenn ich mir vorstelle ich hätte nach jedem Mal diese Tortur mitmachen sollen, ich hätte alles viel schlimmer betrachtet und wahrscheinlich am Ende aufgegeben.
    Kopf hoch, alles nicht so schlimm wie es sich anfühlt 🙂

  3. auf jeden Fall durchhalten!!! ich habe , vor zwei Wochen, mit fast vierzig, meinen Führerschein gemacht, mit deutlich mehr Fahrstunden als der ganze junge Rest 😉 , diese Phasen mit “ ich schaffe die Prüfung eh nie“ hatte ich auch. aber die vielen Fahrstunden haben mir schlussendlich viel Sicherheit gegeben auch auf unbekannten Strecken gut zurecht zu kommen und damit habe ich auch dann die Prüfung bestanden. also locker bleiben, das wird !!!

  4. Nun,
    in einem Punkt hat Dieter völlig Recht, kein Mensch braucht WhatsApp. Denn man will ja schließlich in Ruhe gelassen werden, da kann ich ihn gut verstehen. Meine Schüler lachen auch immer über mein Motorola C116 was wirklich nichts kann außer telefonieren und SMS verschicken. Meistens nutze ich es ausschließlich als Uhr und Wecker und finde es im Höchstmaße störend, wenn ich angerufen werde.
    Ob das Sinn macht, die Prüfungsstrecke nochmal abzufahren, ist ja auch zweifelhaft, denn nächstes Mal musst du ja ne andere Strecke fahren, da sind dann wieder andere Dinge, die einen plötzlich unsicher machen, obwohl man die vielleicht schon 3-4 Mal wunderbar gemacht hat.

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