Der Lehrer kurz vor den Ferien ist wie eine offene Wunde. Er suppt und sappscht, schleppt sich träge, müde, ausgebrannt in die Schule und stöhnt leise vor sich hin. Im Lehrerzimmer fällt er schwer in einen Stuhl und atmet hörbar laut aus. Mitleid kann er von den Kollegen jetzt auch nicht mehr erwarten, denn allen geht es gleich schlecht. Obwohl, wer tänzelt da eben so gutgelaunt durch den Kopierraum? Ein Schulfremder? Ein Elternteil? Nein, es war bestimmt ein Fachlehrer!
Der gemeine Fachlehrer zeichnet sich dadurch aus, dass er keine Klasse hat. Auch Klassenlehrer sind eigentlich Fachlehrer – jeder von uns hat mindestens eins, die meisten zwei und einige Weirdos sogar drei Fächer studiert. Aber der Klassenlehrerstatus überlagert unser Fachlehrerdasein völlig.
Eigentlich ist die Zeit zwischen Weihnachtsferienende und Winterferien – soweit man in einem Bundesland unterrichtet, das solche hat – ein Spaziergang. Nur vier Wochen – das rocken wir doch auf einer Arschbacke ab, denkt man noch Anfang Januar. Aber plötzlich heißt es Noten eintragen. Der Fachlehrer – ist schlau und ermittelt seine Noten schon in den letzten Tagen der Weihnachtsferien. Natürlich macht er das. Und natürlich ist er schlau – denn er war ja nicht so doof sich eine Klassenlehertätigkeit ans Bein zu binden. Dann trägt er seine Noten in die Notenlisten ein und voilà – fertig! Jetzt lehnt er sich zurück und wartet auf die Zeugniskonferenz. Da sitzt er im Publikum und korrigiert irgendwelche Tests und hofft, dass die Klassenlehrer sich diesmal nicht so lange ausmehren, damit er früh nach Hause in seinen wohlverdienten Feierabend kann.
Ganz anders der Klassenlehrer: Auch er muss Noten errechnen. Aber als Klassenlehrer gibt man seinen eigenen Schülern auf jeden Fall noch die Chance sich in den 6 Tagen VOR der Notenabgabe nochmal so richtig zu verbessern. Deshalb sitzt der Klassenlehrer krummbucklig am Abend vor der Zensurenkonferenz und rechnet und rechnet. Am nächsten Tag ist sein Nacken steif, aber das merkt er nicht, denn er rennt den ganzen Morgen wie ein kopfloses Huhn durch das Schulgebäude… Mir fehlen noch die Erdkundenoten… Sportnote von Rosa ist auch noch nicht da… Frau Schwalle wollte die Zensur von Gülistan nochmal hochsetzen.
Ach, ich hatte vergessen, die Woche vor der Konferenz versucht sich der Klassenlehrer durch ein Gestrüpp von Verordnungen zu kämpfen, um die Abschlussprognosen seiner Kleinen zu ermitteln. Für jeden einzelnen Schüler ein komplizierter Rechenweg. Und wenn man dann fertig ist, kommt jemand und sagt – es gibt da aber ein neues Papier und das besagt, dass man seit diesem Halbjahr auch mit blah, blah, blah den MSA erreichen kann und schon sitzt man nochmal über den Prognosen.
Dann schreibt man mehrere Briefe an die Eltern. Blaue, gelbe, grüne, schwarze. Die müssen noch kopiert werden und dann in die Post. Dann alle Noten eingeben. Mindestens 5 Sätze bekommt jeder noch oben oder unten auf sein Zeugnis geballert. Die setzt man natürlich auch gerne mal falsch ein. Was nach oben gehört landet unten usw.
Ausdrucken, unterschreiben, der Schulleitung hinterherrennen, damit die auch unterschreibt, dann kopieren – Vor- und Rückseite – I hate it! Ich will das nicht lernen. Bzw. will ich diese Kopierfunktion wohl immer wieder neu lernen und weigere mich nur, mir zu merken wie das geht.
Dann Fehler finden in den Zeugnissen und ein Kollege sagt dir im Vorbeigehen: „Du weißt, dass du die Auf- und Abstiege auch mit draufschreiben musst, oder?“ Du weißt es jetzt.
Und der Fachlehrer? Der beobachtet die Klassenlehrer, wie sie so aufgescheucht umher rennen und denkt: „Tja.“ Dann geht er zur Schulleitung: „Herr Schulleiter, am Zeugnistag – da habe ich ja erst zur vierten Stunde Unterricht und ich habe doch keine Klasse – ist doch dann okay, wenn ich zu Hause bleibe, oder?“ Der Fachlehrer ist pragmatisch und der Schulleiter auch. „Stimmt, da brauchen Sie dann nicht zu kommen.“
Eins ist mal sicher – im nächsten Leben werde ich auch Fachlehrer!
Was ist denn MSA?? Und Auf- und Abstiege – geht es in der Schule inzwischen zu wie in einer Fußballliga?
wer weiß es?
Ich würde eine Art Mittlerer SchulAbschluß vermuten, also eine andere Bezeichnung für Mittlere Reife, Realschulabschluß…
sehr gut. 14 PUNKTE. WEGEN DER ZÖGERLICHKEIT LEIDER EINEN PUNKT ABZUG.
Und warum die Umbenennung? Wenn, dann hätte ich den Realschulabschluss in „besserer Schulabschluss“ umbenannt. Denn für Ihre Schüler ist es ja der BSA… Ist wohl eher eine Aktion aka „alter Wein in neuen Schläuchen“, oder?
Habe mir darüber bislang noch gar keine Gedanken gemacht, sondern immer davon geträumt irgendwann auch mal „meine“ Klasse zu haben (studiere Lehramt). Mal schauen, was ich in ein paar Jahren dazu sagen werde.
Ich leide immer mit allen Lehrern mit, … meine Mama – auch Klassenlehrerin und Fachlehrerin – die knockt es regelmäßig komplett aus, … so ein Schulalltag heutzutage ist wirklich kein Spaziergang! Wer dieses Studienfach belegt, der sollte sich der ganzen Aufgaben echt im Klaren sein, … denn meist gehts ja zu Hause weiter
Tja, selber schuld, wer seinen Schülern nochmal Chancen gibt, die sie eh nicht nutzen. Sage ich als Refi und Fachlehrer. Besonderes Glück haben ja die Kollegen, die wie ich eine Oberstufe haben. Den Durchschnitt aus dem Allgemeinen Teil bilden, die Klausurnote nehmenm dann auf die Tabelle gucken und in 10 Min. hat man die Noten für 25 Schüler fertig.
und an den wochenenden schön klausuren korrigieren…
…macht bestimmt voll SPASS !!!
ja, kann mich kaum noch halten
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Die Prozedur hört sich für mich wahnsinnig kompliziert an. Gibt es da keine Software-Unterstützung, damit die Sätze und Noten an den richtigen Stellen landen?
Mit den zweiten Chancen ist das so eine Sache. Wenn die Leistungen eines Schülers so gerade eben nicht-bestanden bedeuten, dann gibt es ja die offizielle pädagogische Aufgabe, sich das noch einmal anzuschauen. In der gymnasialien Oberstufe wurde diese Zeit auch immer wieder genutzt, um mit Referat oder zusätzlicher Hausarbeit noch die Kurve zu bekommen. Vorher? Naja… andere Dinge sind auch wichtig und es gibt ja noch die Nachprüfungen…
Natürlich gibt es auch tolle Programme – jedes Jahr oder Halbjahr ein neues. Aber da müssen die Sätze und Noten auch erst Mal eingegeben werden. Und da Klassenlehrer auch nur Menschen sind und man bei über 20 Kindern irgendwann den Wald nicht mehr vor lauter Bäumen sieht, schleichen sich ganz schnell Fehler ein.
Vom Fachlehrerdasein träumen ich auch – besonders, wenn dann noch ne Abordnung dazu kommt. War letztes Jahr Klassenlehrer und an eine andere Schule abgeordnet und habe nur noch Wochenenden und Feiertage gezählt.
Wenn ich das so lese, hätte ich auch (Klassen-)Lehrer werden sollen. Klingt nach einem recht entspannten Job.
Tiefenentspannung pur 😉 … Wenn man all das hinter sich gelassen hat.
Meine Wenigkeit, vor 2 Jahren noch Nur-Fachlehrerin, äußerte den unvorsichtigen Satz, dass ich doch ganz gerne mal wieder ne eigene Klasse hätte… – Jetzt hab ich den Salat. (Geschrieben grade zurück von der Halbjahresnotenkonferenz)
Och richtig bunt wird es, wenn man als Fachlehrer für 2 Fächer mit einer 60%-Stelle plötzlich auch noch Klassenlehrer ist. Wenigstens eine Ermäßigungsstunde dafür? Fehlanzeige. Das mit der Klassenleitung macht Frau doch nebenbei.
Teilzeitstelle und Klassenlehrer. Wie funktioniert der 60%-Klassenlehrer? Wandertage, Elternabende, Elterngespräche, Zeugnisse schreiben mach ich dann nur zu 60% oder wie??? Ich verzichte doch nicht zum Spaß auf 40% Gehalt. Es gab Gründe für die Teilzeittätigkeit.
Na gut. Was uns nicht umhaut, macht uns stark.
Und echte Stärke will bewiesen werden: Vollgestopfte Kurse (31 Sch.) in der Oberstufe mit aufwendigen Experimenten und Klausurkorrekturen plus die eigene Klasse in der SEK I gabs für mich direkt nach einem Burn Out und Wiedereinstieg mit Hamburger Modell. Wow, echte Tiefenentspannung. Vor allem, wenn man einen der besagten Oberstufenkurse und die Klassenleitung zum ersten Mal im Leben macht.
Stark gemacht hat es mich nicht.