Verzichte auf provozierende Latzhosen

Vorhin bei der Konferenz ist es passiert. Ich habe es richtig gemerkt: Krankheit kroch an mir hoch. Kalte Knie und Hals. Mist. Schnell nach Hause und in die Badewanne. Draußen: Regen – Schirm vergessen – na toll. Und im Bus: Niesattacken. Jetzt sitze ich am Schreibtisch und meine Knie sind schon wieder kalt. Ich fühle mich schon krank. Zu krank, für die Wirbelsäulengymnastik. Toll: Krank und Rückenschmerzen. Der Freund ist in der Küche und macht Suppe. Vielleicht hilft das noch.
Scheiß Herbst. Wie hatte ich mich auf Herbst gefreut. Keine Sonnenbrandgefahr mehr und endlich wieder zu Hause bleiben dürfen. Zu Hause: Licht an und voll gemütlich. Aber wenn ich mich hier so umgucke, dann ist das hier weit entfernt von gemütlich. Überall ist Staub und Dreck – wahrscheinlich habe ich einfach Staub- und Dreckallergie und muss deshalb soviel niesen. Würde mir aber auch nichts nützen, wenn dem so wäre. Und überall in meinem Zimmer steht Zeugs rum. Ich habe ungefähr 1000 Billyregale und trotzdem stehen sieben Leitzordner neben und sechs weitere unter meinem Schreibtisch. Und auf dem Tisch – schon wieder lauter Haufen. Haufen und Dreck. Und diese Regale – was da für ein unnützer Scheiß drin ist. Eine Million Didaktikbücher, in die ich NIE reingucke. Jedes einzelne habe ich mit der Überzeugung gekauft, dass ich erst eine richtig gute Lehrerin sein kann, wenn ich genau dieses oder genau jenes Buch habe. Und was ist? Ich bin schlecht wie eh und je und sage den Schülern, dass aus denen nichts wird. Wieviel Geld ich da in den diversen Schulbuchverlagen gelassen habe… die Verkäuferinnen haben mich schon mit Vornamen begrüßt und mir Kaffee hingestellt, wenn ich kam.

Da steht auch dieser fette Ordner von Lionsquest: Erwachsen werden. Klar habe ich das Seminar bei denen gemacht. Mit Inbrunst habe ich dort teilgenommen. Und nun? Nun steht der Ordner da und sammelt den Staub für meine Allergie. Kann ich den Ordner nicht einfach den Schülern geben: „Hier – Erwachsen werden! Lesen und machen!“
Klippert!!! Klippert – in allen seinen Auswüchsen. Methodentraining! Buähhhhh – Klippert – der hat sich auch ’ne goldne Nase damit verdient und muss nicht mehr in die Manege. Ist der überhaupt mal Lehrer gewesen? Und was sehe ich denn da „Survival in der Schule“ – was ist das denn? Muss ich direkt mal nachgucken.
„Tricks für Lehrer und was Schüler daraus lernen können“ von 1988. Wo kommt das denn her? Riecht auch wie 1988. Mal sehen was das ist: Ah, die Kapitel fangen alle mit der, die, das an. Sympatisch – überfordert mich nicht gleich.

Der Unterrichtsbeginn
Die Konferenz
Die Tafel
Der Hausmeister
Das Tagebuch
Die Kleidung
Der Abschied
Die Pausenaufsicht
Die Hohlstunde
usw.
Die Hohlstunde – hahahahahahahaha muss ich an meine Zahnlücke denken – da soll noch ein Inlay rein, da bräuchte ich aber noch das Kapitel: Die Zahnarztterminmachung.
Also ich würde das: Die Freistunde – nennen.

Ist ein witziges kleines Buch. Ich ende heute mal mit Trick Nr 6:

„Sei in deiner Kleidung bescheiden, wenigstens am Anfang deiner Laufbahn. verzichte auf provozierende Latzhosen, Ohringe und wallende Tücher. Such etwas Preiswertes, Mausgraues im Sommerschlussverkauf, so dass du aussiehst wie der nette Mann von nebenan. So wirst du es mit niemandem verderben.“

Schön. Meine Lehrer haben sich damals nicht daran gehalten, aber meine Kollegen scheinen das Buch zu kennen, denn Latzhosen sehe ich eher selten.
Ahhh, da kommt die Suppe.

Allgemein

40 Gedanken zu “Verzichte auf provozierende Latzhosen

  1. Also, mausgrau werde ich aber nicht rumlaufen als Lehrerin, neenee. Sehe ich gar nicht ein. Aber auf meine Hippieröcke werde ich verzichten müssen, schätze ich – und aufs Barfußlaufen auch.

      • und auf den Joint, wenn wir grad bei Klischees sind.. 😀
        Man hats heut schwer als Alt-Hippie.

        Latzhosen.. konnte ich nie leiden.. aber weisste was, wenn ich grad den Rosen Axel da oben in seinen feinripp Schlüpper seh, dann doch lieber Latzhosen. Wasn Aaar.., aber geile Mucke hatter mal gemacht.

      • Lol, merke gerade dass das Gun’s und Roses Video ja gar nicht das Video ist, das da eingebunden war.. Jetzt macht der Kommentar natürlich noch weniger Sinn. Ooops.

  2. hahahahahah solche bücher haben also unsere zukünftigen Mentoren und Mentorinnen gelesen ….
    also ich empfehle allen immer die Lektüre der Freitagschen Abhandlung zum Thema Lehrerkleidung. Kennen Sie diese Freitag? Ich hab ja gehört, die Unterrichtet auch in … !

  3. Dreck und überflüssige Sachen binden viel Energie und machen krank. Kopfschmerzen, fehlende Energie…….Also dann mal Feng-Shui-mäßig das Leben und die Wohnung aufräumen. Aber dann klappts vielleicht nicht mehr mit dem Blog.

  4. Und seid froh, wenns nicht der Virus ist, der hier umgeht. Dann ist es nicht mit Übermorgen getan. Dauert locker zwei bis drei Wochen und die Hälfte der Leute entwickelt auch noch ne Lungenentzündung.

      • Ja fürchtet euch nur. Euch erwischt es auch noch. Hier ist 30 KM über HH. Inzwischen hab ich erste Meldungen aus HH. Viel Spass damit! Am besten man bleibt vorsorglich aufm Sofa. Und immer schön Tee trinken am besten mit bisschen (mehr) Rum. Das desinfiziert. Dann kann doch eigentlich nix passieren.

  5. ich besitze genau zwei pädagogik-bücher und habe mich bisher beharrlich geweigert auch nur eins aufzuschlagen 😀
    die meisten lesen sich auch mehr wie ein guter witz muss ich sagen, da fragst du dich, ob der autor blattläuse hat bzw. überhaupt so einen schüler schon mal aus der nähe begutachtet hat 😀 latzhose und bunte tücher hatte bei uns nur die öko-relilehrerin 😛
    und überhaupt nutzt eins von diesen dingern wirklich im umgang mit schülern? außer dass man sie im zweifel damit niederschlagen kann?

  6. fachbücher – geh mir WECH! hab ich hier auch zuhauf und guck ich da rein? nein. ich weiß das alles schon. ich hätte die selber schreiben können. hab ich ja auch. eins. guck ich auch kaum noch rein:-)
    die berufsbekleidung von lehrerInnen ist mir aus eigener erinnerung präsent in form von (breit-)cordhosen, v-ausschnitt-puliis in bordeaux und irgendwelchen unprätentiösen schuhen. wahlweise tatsächlich kostüm, klickerklackerschuhe und ein frisch wirkendes halstuch (englischlehrerin, sah original aus wie maggie thatcher!). meine nichte beschwert sich über das „derbe parfum“ („schwer und blumig“) ihrer klassenlehrerin. und findet den neuen jungen französischlehrer „sehr cool angezogen“: kapuzenshirt, jeans, sneaker. darf man das denn?!?

  7. Oh,wie gut kenne ich all das.
    Wenn ich Richtung Billy gucke, sehe ich nur Dadaktikscheiß.
    Obwohl, die meisten Bücher hab ich doch gerade der Referendarin geliehen. Warum stehen da noch welche?

    „Ist der überhaupt mal Lehrer gewesen?“
    Diese Frage kann ich Ihnen beantworten. Ich hab ihn nämlich selbst gefragt. Eigentlich um ihn zu entgurufizieren.
    Also, er war es zwei Jahre, dann hat er sich auf die Stelle an der Lehrerfortbildungsdingens beworben.
    Weil es ihm zuviel wurde.
    So genau hat er das allerdings nicht gesagt. Ich habe es so zwischen die Zeilen hineininterpretiert.

    Jetzt geht es Ihnen schon besser, stimmt’s?

    • ZWEI JAHRE???????? Halloooo!?!!!! nur zwei jahre???? ich will mein gled zurück? ich will die bücher zurückgeben… betruuuugggg ! danke für die info:

      • Sag ich doch. Man fühlt sich sofort und auf der Stelle betrogen.
        Hab bei ihm ja Gruppenarbeit gelernt, obwohl ich das schon konnte.Mein Semiar war in den 80igern schon revolutionär.
        Und so hatte ich alle Gegenargumente parat.
        Er schaute mich dann immer ganz komisch an.
        Ob er mich hasst?
        Jedenfalls geht es Ihnen jetzt schon viel besser.
        Freut mich :-))

  8. Klippert!!!!!!!!

    Wir haben damals immer die Woche nach der Lehrerschulung nach/durch (?) Klippert gehasst…… Gruppenarbeiten in allen Fächern, erst kleinere dann größere Gruppen. Wild-kreative Methoden um Gruppen zu bilden (nach der dritten Stunde auch nicht mehr soooo kreativ). Grausam. Hat mir bis heute erzwungenes Gruppenarbeiten zu einem Horror gemacht!!!

    Aber durch den Gruppenbidungsoverhead ging wenigstens schön viel sonst sinnvoll zu nutzende Unterrichtszeit drauf. Und wenn man Glück hatte und nicht in einer zweiergruppe mit der absoluten Hassperson war, konnte man immerhin ne halbe Stunde ungestört quatschen….

    Gute Besserung
    Anja

  9. Oh Gott ja – Klippert! Den Namen hatte ich schon fast verdrängt. Klippert und Pallasch, DIE Päpste für Methodik und Didaktik. So mancher damals im Studium dachte, man könnte eigentlich auf’s Referendariat verzichten, wenn man sich nur an ihre Bücher hielte. Mir haben sie aber auch nicht geholfen. Als ich 10 Jahre nach dem 1. SE mein Referendariat vorzeitg beendete, sagte mir die Schulleiterin: „Wissen Sie, vom sozialpädagogischen Standpunkt ist Ihre Entscheidung ein Verlust – für die Kollegen, Ihre Klasse, vielleicht sogar für die ganze Schule. Aber Ihr Unterricht ist Scheiße!“ – „Und da ich sicher bin, dass sich dies nie ändern wird, gehe ich jetzt auch wieder als Erzieher ins Heim!“ Das war eine gute Entscheidung.

    Ich hoffe, Sie konnten sich heute ein wenig erholen!

  10. Pingback: Ich denk, dass macht doch jeder?? | Zweitesselbst's Blog

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