Und dann hat der gesagt und dann hab‘ ich gesagt…

„Cybermobbing.“ sagt der Freund und reicht dem Deutschlehrer die Butter. „Hast du gesehen, den Film? War auf dem Ersten.“
Der Deutschlehrer schüttelt den Kopf und beißt in sein Bagel „War das da, wo der Vater gleich am Anfang geheult hat?“
Der Freund nickt.
„Ohhh nein, das sah ja schlimm aus, das habe ich mir erst gar nicht angesehen.“
„Ich MUSSTE das ja gucken.“ sagt der Freund und guckt vorwurfsvoll zu mir.
„Ej komm, der Fim war gar nicht so schlecht.“ versuche ich mich und den Film zu verteidigen. „Der war ziemlich realistisch gemacht. Da kommt bestimmt bald Unterrichtsmaterial zu raus. In einer neunten oder zehnten Klasse würde ich den auch zeigen. Meine sind da ja leider noch zu jung zu.“

Aber mit Cybermobbing kennen sich meine Schüler auch schon in der Siebten aus. Bei Facebook sind sie ja alle schon. Finde ich etwas zu früh und ich werde mich auch nicht mit ihnen befreunden, bevor sie in der neunten oder zehnten Klasse sind.
Maria aus meiner Klasse steckt zur Zeit in einer ziemlichen Cyberaffaire fest. Sie hat in der letzt Woche immer wieder einzelne Unterrichtsstunden gefehlt und deshalb habe ich mich heute mal nach dem Unterricht mit ihr zusammengesetzt und sie ein wenig interviewt.
„Mit wem musstest du denn nun was klären und konntest deshalb nicht zu Deutsch gehen? Maria, erkläre mir das jetzt noch mal, ich versteh das immer noch nicht.“
„Aaaaalso, Mustafa und Ozan hatten gesagt, dass ich Scheiße über sie laber. Aber das stimmt gar nicht und da wollte ich das mit denen klären.“
„Mustaf? Ozan? Sind die auf unserer Schule?“
„Ja, in der Achten.“
„In welcher Klasse?“
„Weiß ich nicht.“
„Wie sehen die denn aus?“
„Weiß ich nicht. Ich habe die ja noch nie gesehen.“
„Äh, aber wieso… ach, kennst du die von Facebook?“
„Ja und da hat dieser Ozan mich angechattet und meinte ich soll nicht so Scheiße über ihn labern, sonst passiert was. Und dann habe ich mich mit dem verabredet, auf dem Hof, weil ich das klären wollte.“
„Wie? das verstehe ich nicht. Du kennst den gar nicht und willst mit dem irgendwas „klären“?“
„Ja, ich wollte das klären, also mit dem reden, damit der aufhört über mich zu reden. Hat er aber nicht und jetzt redet die ganze Schule über mich. Das ich eine Bitch sei und dann kamen zwei Mädchen aus der neunten und die haben mich voll angemacht, ich soll Ozan in Ruhe lassen und die eine meinte, Ozans Freundin ist voll sauer auf mich und wenn die mich erwischen würde, dann könnte ich mein Testament machen. Dabei kenne ich doch diesen Ozan gar nicht. Und dann kam ein Mädchen und meinte ich sei eine Schlampe, weil ich ihr Mustafa ausgespannt hätte und ich solle nur abwarten, ich könnte noch was erleben. Aber den kenne ich ja auch nicht.“
„Aber auf Facebook bist du mit diesem Mustafa und diesem Ozan befreundet, oder“
„Ja, aber alle sind mit allen befreundet. Die ganze Schule ist doch da.“
„Also Maria, ich glaube du gehst jetzt erstmal nach Hause und räumst dein Facebook-Account ein wenig auf. So richtige Freunde scheinen das ja nicht zu sein. Weißt du, ich bin ja auch bei Facebook, aber ich bin nur mit Leuten befreundet, die ich auch persönlich kenne und die ich auch in der richten Welt nett finde. Kennst du denn alle Leute mit denen du bei Facebook befreundet bist?“
„Ja eigentlich schon. Also das sind alles Freunde, oder Freunde von Freunden, die ich aber auch kenne.“
„Wie viele Freunde hast du denn bei Facebook?“
„Nicht so viele, ungefähr 500.“

Allgemein

13 Gedanken zu “Und dann hat der gesagt und dann hab‘ ich gesagt…

  1. Jaja…. die liebe Community!

    Ich bin mit vielen meiner 6. und 7.Klässern „befreundet“. Da erfährt man immer wieder was neues und interessantes.

    Schlimm find ich nur, wenn selbst Eltern von irgendwelchen Schülern unserer Schule eine Freundschaftanfrage schicken.
    Dabei würde man sich kaum mehr als Grüßen auf der Straße und das wohl auch nur, weil man das Gesicht nicht zuordnen oder sich nicht schnell genug abbiegen konnte!

  2. Oha! Nicht zu unterschätzen, was die so als Alternativ-Leben haben. Hier waren heute vorm REWE so 10 schwarz gekleidete Security-Männer, Polizei auf dem Parkplatz. Da hat einer über FB ne Party vorm Getränkemarkt verkündet. Es lungerten auch – ganz unauffällig – einige Jugendliche mit Rucksäcken da rum. Aber zu wenige. Das wird inzwischen echt ernst genommen. Nur die Kids können damit nicht alle wirklich umgehen.

  3. Facebook ist ja auch so eine neue Sucht. Da kommen die gar nicht mehr weg von. Man sollte wirklich ein Call Center einrichten das die Leute darüber aufklärt was für einen Müll sie in Facebook produzieren. Hat bei mir abschreckend gut funktioniert.

  4. 500? Immer wenn ich mich bei FB und Co einlogge das selbe Drama: „DU HAST KEINE FREUNDE“. Jaja, reibs halt noch rein. So deprimierend. Aber so is das halt, wenn man als unsozialer Eigenbrödtler auf soziale Netzwerke trifft. Ihh, da sind ja lauter Leute.. nix wie weg.

  5. 500?! Wie behält man da noch den Überblick? Ach nee, Moment, hat sie ja nicht mehr.
    Vor kurzem habe ich diesbezüglich einen Artikel gelesen, in der die These aufgestellt (oder mit Tests gar belegt wurde), dass eine hohe Anzahl an FB-Freunden mit höherer grauer Gehirnmasse korreliert.
    *Google anschmeiß* Focus war’s: http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/mensch/neuronaler-hintergrund-sozialer-netzwerke-die-statusmeldung-im-gehirn_aid_675816.html
    Wie passt das nun in’s Bild? *grübel*

    • Die Studie wurde ausschließlich an Studenten und nicht an Siebtklässlern durchgeführt und als Ergebnis wurde ja lediglich festgehalten, daß „der sogenannte rechte entorhinale Cortex besonders ausgeprägt ist, ist . Dieses Areal ist für das Zuordnen und Merken von Namen und Gesichtern verantwortlich.“.

      Da paßt das schon ganz gut ins Bild, daß das Ergebnis nicht ins Bild paßt, denn von besonders clever oder besonderer Kompetenz im Sozialverhalten steht da nichts.

  6. der film war so dermaßen bis ins oberstübchen hinein mit problemen vollgeknallt, dass man für jedes einzelne sicher bald einen megapacken unterrichtsmaterial kriegt:
    1) eltern trennen sich,
    2) mutter hat ihr coming-out,
    3) papa kommt nicht klar, der kann nur „bulle“,
    4) drogenabusus bei minderjährigen,
    5) kamera- und speicherkartenklauerei plus sachen-ins-netz-stellen-die-da-nicht-reingehören
    6) das drama der ersten liebe undundund
    uuuund dann noch material zur talkrunde mit tante will, wo der jurist saß und der kinderpsychiater, also roundabout das rundumsorglospaket, alles drin, von sex bis cyber.
    und das dann mit abdul!
    hähähähääää!

      • aber soviel stoff in einem film, das ist doch für die kinder gar nicht gut. sechs plots! das muss man sich mal reintun, da langt doch einer schon! wenn du die sechs allesamt machst, dann fällt doch auch der ‚heidepark‘ flach.was das wieder für diskussionen gibt!

  7. Hallo,

    hmmmm, ich muss da aber jetzt den Film auch mal verteidigen. Klaro, irgendwie 6 Filme oder so in einem. Aber das muss man ja der Fairness halber über Facebook & Co auch mal sagen, dass es eben schon auch eine Frage der sozialien Strukturen ist, inwiefern Kinder oder Jugendliche in solchen Netzwerken zum Opfer werden. Denn im Film hat ja wirklich erst diese Konstellation dazu geführt, dass es zum Schlimmsten kam.

    So, das wollte ich nur mal loswerden.
    Hihi…. und auf das Unterrichtsmaterial bin auch ich schon gespannt.

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