Monsieur Leroc est aux lit

„Frau Freitag, warum müssen wir eigentlich Bio lernen? Planzen. Warum müssen wir das lernen? Wer will denn später einen Beruf mit Pflanzen haben?“
„Na, aber…“
„Ich muss doch nicht wissen, wie die Planzen von innen aussehen. Es reicht doch, wenn ich weiß, dass sie da sind und dass sie schön sind.“ sagt Tarik.
„Tja, also ich weiß auch nicht, aber ich finde ihr solltet schon wissen, wie Pflanzen funktionieren. Vielleicht braucht man das später doch mal.“ sage ich, denke aber, dass sie das alles sowieso wieder vergessen werden. Was weiss ich denn noch von den Pflanzen? Was weiß ich überhaupt noch aus meiner Schulzeit? Also: ich kann noch erklären warum Seen umkippen, wie man Dreisatz rechnet, -s,-s,nichts, -ons, -ez, -ent; – irgendwelche Französischen Endungen, dann weiß ich noch, dass Ratten bei Dichtestress homesexuell werden und ihre Jungen fressen, dann: Monsieur Leroc est aux lit, ilähmmalade, Madam Leroc arrive, elle apporte une lettre et deux journaux, le doctor arrive, vite le cigar sou le lit, ouvre la fenetre, dann, dass die Schwimmblase in einem Fisch aussieht, wie ein Kaugummi, Andreas Gyfius – Alles ist eitel – habe ich sehr schön interpretiert, Dihybrider Erbgang, Masse Berechnung im freien Fall, Marokkokrise, Rommel, Brecht, Römische Bäder hatten Fußbodenheizung, Sechs-Tage-Krieg, Nord-Irland Konflikt…

Ein ziemliches Sammelsurium an Fakten. Völlig nutzloses Halbwissen, im besten Fall kann ich sagen, davon habe ich schon mal was gehört. Aber was ich aus meiner Schulzeit noch genau weiß, sind solche Sachen: zB, dass ich unbedingt die Tennis-Special-Turnschuhe haben musste, bevor Petra die hatte, damit die nicht „nachgekauft“ sagen konnte.
Dass es mir heut leid tut, dass ich einen Klumpen Ton durch den Kunstraum geschmissen habe, weil den meine Lehrerin abgekriegt hat und dass ich in der Grundschule einen Kopfstand auf einem Stuhl gemacht habe, als wir gerade mit Wasserfarben malten und ich umfiel und dabei das dreckige Tuschwasser in die Schultasche von Marion Fichtelholz gelaufen ist. Die hat dann total geheult und ich musste mit ihr die Schulbücher tauschen und hatte deshalb das ganze Jahr diese dreckig gewellten Bücher. Nicht schön.

Und ich weiß noch, wie wichtig es war nie krank zu sein und immer in die Schule zu kommen, weil man sonst ganz wesentliche Dinge in den Pausen nicht mitbekommen hätte und die sich daraus ergebenden Insiderjokes hätte man dann nicht verstanden. Eine Erkältung, konnte dich direkt zum Außenseiter in deiner Clique machen. Jeden Mittag zum Supermarkt: Chips und eine Dose Cola. Der Mathelehrer hatte Mundgeruch. Physik war sehr langweilig. In Französisch hing grundsätzlich eine Seite aus einem Porno an der Tafel. Jede Stunde der gleiche Joke – Lehrer klappt die Tafel auf und muss erst die Pornoseite abmachen. Das war aber nicht ich. Aber ich fand es lustig. Wie habe ich nur das Abitur geschafft? Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, kann ich mich an vieles erinnern, aber an den Unterricht…irgendwie nicht.

Allgemein

24 Gedanken zu “Monsieur Leroc est aux lit

  1. An ein paar Einzelheiten des Unterrichts kann ich mich ad hoc noch erinnern. Z.B. als der Physiklehrer, um die Fliehkraft zu erklären, ein 1 kg Gewicht an ein Kabel (!!) knotete. Diese Konstruktion schleuderte er dann am Lehrerpult mit den Worten „Seht, Ihr hier wirkt die Zentrifugalkraft“ an seiner Seite. Bis sich das Gewicht löste und gegen die Leuchtstoffröhre an der Decke knallte. Menschen wurden nicht verletzt. Und ich kann bis heute, trotz einer 5 in Physik, die Formel auswendig.
    Andere Dinge sind irgendwo in meinem Speicher abgelegt und werden durch Fragen meiner Kinder wieder hervorgekramt. Ist schon erstaunlich, was einem wieder einfällt, wenn man gefragt wird, wieso Pflanzen Sonne brauchen und wir die Pflanzen. Wieso sich der 14. Löffel Zucker im Tee nicht mehr auflöst. Und während man das übergelaufene Badewasser vom Boden aufwischt kann man erklären, was es mit Auftrieb und Verdrängung auf sich hat. Warum also ein Quietscheentchen in der randvollen Badewanne keine Überschwemmung verursacht hat, ein 8jähriges Kind aber schon.

  2. Wirklich schöner und ehrlicher Beitrag. So in etwa erinnere ich mich auch an meine Schulzeit 🙂
    Aber irgendwie sind auch all die nicht gemerkten Sachen aus der Schule für irgendwas nützlich…wenns auch nur Gehirnjogging ist. Solange man nicht blöder wird hilfts. Auch ungemerkt.

  3. Ach ja, Abitur … mit „Reife“prüfung hatte das im Rückblick bei uns auch nix zu tun.
    Nen Porno an der Tafel hatten wir zwar nicht, hätte aber ins Bild gepasst. Und so als running gag ist das doch auch was feines.

    Dafür habe wir jedes Mal die Sicherung rausgebrezelt, wenn die Reli-Leherin mit Kassettenrekorder oder Di-Projektor um die Ecke kam 😉

  4. Die Hälfte von dem, was man in der Schule lernt, wird man nie brauchen. Aber man weiß vorher nicht, welche Hälfte es ist.
    Im Ernst, es geht auch nicht um Einzelheiten. Es geht um das Verständnis des Ganzen.
    Müsste im Vergleich sich mit Menschen unterhalten, die nie zur Schule gegangen sind. Aber ich kenn halt keine.

  5. Genau das frage ich mich jeden Tag… Was habe ich eigentlich in der Schule gelernt? Wie habe ich meinen Abschluss geschafft und wozu müssen unsere Schüler das alles eigentlich nochmal lernen?

    Lustig finde ich nur, dass die Schüler, die einfach zur Schule kommen, weil es da eben lustiger ist als zuhause, dass genau die irgendwie stetig was lernen. Die doofen Motzesäcke, die cool sein wollen und ewig auf Aggro-Bollo machen, die bleiben irgendwie auf der Strecke und enden vermutlich als Bräsmänner.

    Eigentlich lernt man in der Schule nur, wie man immer nett sein soll. Glaub ich. Der Rest wächst am Ende hinzu.

  6. Andreas Gryphius heißt er, glaub ich 😉
    Ansonsten: Schöner Beitrag. Ich kann mich an manche Sachen noch ganz genau erinnern – z. B. an meine 15 Minuten der Erkenntnis, in denen ich den „Faust“ komplett durchschaut hatte (danach war das Phänomen wieder weg -, an anderes nun wieder gar nicht. Was ich all die Jahre in Physik, Chemie und Mathe eigentlich gelernt hab….null Ahnung 😉
    Aber ich weiß noch, dass ich immer Dienstags Kartendienst hatte (=im Kartenraum sitzen und Karten/Atlanten rausgeben) und das der einzige Tag der Woche war, wo ich geschminkt war, weil da der süße Typ aus der Klasse über mir immer Karten holen kam *g*

    • “ in diesen säälen, diesen hallen will es mir keineswegs gefallen…“
      kartendienst hatte ich auch ziemlich lange – hinten in der ecke fingekloppe spielen …

  7. Wenn ich an meine Schüler denke, dann lernt man als Kind – und auch in der Schule – doch eine ganze Menge:
    Heute war es bei uns das A / a.
    Oder dass diese komischen Zeichen (z.B. „4“) für eine Menge steht.
    Oder dass Kurdistan kein eigenes Land ist – und diese Schüler sind immerhin schon in der 5ten Klasse.
    Wenn wieder einer das Prinzip des synthetisierenden Lesens verstanden hat und 3+5 auch ohne Kastanien abzuzählen rechnen kann, dann denke ich: heute haben sie etwas gelernt – fürs Leben.

      • Klar, dass die nen Stressulcus hatten,…., keine der Mädels hat Mathe verstanden 😉

        Und ein Ulcus (meist im Magenbereich) macht *igitt-Geruch*.

        Das habe ich aber erst später, in der Ausbildung gelernt:-)

        Grüße

        Wiebke

      • manchmal ist das aber auch einfach mangelhafte mundhygiene. und wer seinen gegenüber mit einem solch üblen foetor behaucht hat auf dauer probleme mit dem respekt. dem kann man ja schlecht ins gesicht gucken, wenn man den mief nicht einatmen will. gut ist also immer ein bisschen pfefferminz parat zu halten, „hier, möchten sie eins?“ *verlogen grins’* und dann kann amn reden.

  8. Am Beginn des Referendariats macht man die schöne Übung: Schreiben Sie mal auf, was sie an der Schule schön fanden und was nicht. Von Unterricht war da nie die Rede.
    Dass Schüler in der 5. Klasse nicht wissen, dass Kurdistan kein eigenes Land ist – geschenkt. Meine 6. Klasse wollte mir in der letzten Stunde Frankreich auf der Karte nach Finnland, Russland oder Griechenland verfrachten…. Hätte gerne meinen fassungslosen Blick gesehen.

    • 🙂 das glaube ich – das mit dem fassungslosen Blick. Klar wissen fünftklässler das eigetlich nicht, ist auch voll in Ordnung. 3 meiner Schüler sind aber aus Kurdistan… und die wollten es mir einfahc nicht glauben 😉

  9. ich mochte französisch nicht. alles klang wie „ronronron“ oder hat irgendwie gekracht. klang nicht schön. und dann die scheiß grammatik noch dazu! da hab ich mir dann auch keine mühe mehr gegeben und mich einfach in richtung „5“ dümpeln lassen.
    „en france les grands vacances commence à premiere aout,“ ist mir aber noch im gedächtnis geblieben, wobei mir das eigentlich nix bedeutet, das ist mir ja wurscht, wann bei denen ferien sind, ich fahr da ja nicht hin, ich kann ja die sprache noch nicht mal.

  10. Ach ja, mit der „famille Leroc“ habe ich auch Französisch gelernt. Und ich mochte es. Das ist eine schöne Erinnerung. Das erste Buch der Reihe war blau, das zweite grün und das dritte orange.

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