Aus anderen Galaxien


„Und wie läuft’s so?“ frage ich die neue Kollegin. Sie ist total klein und unheimlich jung. Meiner Meinung nach gehört die in die Oberstufe und nicht als Lehrerin ins Lehrerzimmer. Sie sieht sehr brav aus. Brav, harmlos, verletzlich, zart, unbedarft, weich, lieb, zu lieb, jung – sie sieht einfach zu jung aus. Wäre ich der Schulleiter meiner Schule und sie würde sich bei mir vorstellen, um eingestellt zu werden – dann würde ich sie väter- oder mütterlich nehmen – so mit Arm um die Schulter legen, sie aus dem Raum begleiten, zum Ausgang und ihr leise sagen: „Meine Liebe, das ist hier nichts für Sie. Jetzt gehen Sie mal schnell und suchen sich ein nettes Gymnasium.“

„Ach geht.“ sagt sie.
Ich will ihr entgegenkommen, denn es geht offensichtlich nicht. „Na, du warst doch vorher an einem Gymnasium. Da war es doch bestimmt ein bisschen anders, oder?“

„Ha, anders… gar kein Vergleich. Hier muss man ja so oft, also dauernd, also immer muss man die zur Ruhe rufen. Dauernd, immer. So was kenne ich gar nicht. Und das NIVEAU!!!!!!“

„Ja, was ist damit? Niedriger als am Gymnasium?“

„NIEDRIGER???? Also ich schaffe ja gaaar nichts in einer Stunde, wenn ich was vorbereite, dann…“

„Dann hält das für eine Woche. Oder?“

„Ja. Das gibt es doch gar nicht.“

„Na, hat doch auch was Gutes…musst du nicht so viel vorbereiten.“

„Aber man muss sich ständig um die Unterrichtsstörungen kümmern. Also ein halbes Jahr mache ich das vielleicht, aber dann…“

Ihr Vertrag geht nur bis zum Sommer. Längerfristig sieht sie sich wohl wo anders.

„Also man bekommt ja nicht so viel zurück. Immer muss man sich um die Störer kümmern. Das ist irgendwie nichts für mich. Da muss man wissen, was man will.“ sagt sie.

„Was meinst du damit?“ Ich bin verwirrt „Denkst du das ist das, was WIR wollen?“

Dann klingelt es und sie muss in den Unterricht. Was war das denn? Denkt sie, wir wollen immer mit diesen Unterrichtsstörungen zu tun haben, wir wollen nur mit Deppen arbeiten? HALLO????? Geht es noch? „Da muss man wissen was man will…. „, was ist das denn für eine Einstellung? Der Gymnasiallehrer will also keinen schlechten Unterricht und wir wollen das, oder was? Der Gymnasiallehrer will den Schülern störungsfrei Wissen vermitteln und wir WOLLEN das nicht????

Na, meine liebe neue unbedarfte Kollegin… noch ist kein Sommer und noch bist du bei uns und da lernst du mal besser ganz schnell, das alles hier zu WOLLEN.

Allgemein

25 Gedanken zu “Aus anderen Galaxien

  1. Hm…..Komische Einstellung beschriebener Dame!

    Also ich WILL diesen ganzen Driss! Wäre doch sonst voll langweilig und man wäre ja nur noch am Vorbereiten! Grauenhaft!
    Und außerdem könnte man SOFORT den/das blog scließen.

    WILL DAS JEMAND?????

    Na, also.

  2. Ach, das kennen ich!!!!!!!!!

    Wobei ich Ihrer Kollegin zustimme: Das Unterrichten am Gymi ist (zumindest meiner Erfahrung nach) ein gemütlicher Spaziergang, im Gegensatz zu Haupt- und Realschule.

    Intellektuell durchaus anspruchsvoll, aber eben deutlich stressfreier!

    Und das kann ich nach 3 Jahren Realschule, einem Jahr Gymi und dann wieder 3 Jahren Haupt- und Realschule ganz klar sagen 🙂

    Aber: ich mache es trotzdem lieber an der H&R !!!! 🙂
    (und nein, das nicht weil ich für eine Gymi-Lehrerin zu blöd bin … hoffe ich wenigstens 🙂 )

  3. JaWOLL. Und auch sonst ganz Ihrer Meinung 🙂

    Viele dieser jungen (und alten) Gymnasial-Pädagogen nerven. Habe gerade frische Eindrücke. (Indirekt, über meine Kinder. Und die sind, ja, ich kann ja auch nicht für dieses dreigliedrige System, auf dem Gymnasium.)

  4. sorry die damen,

    aber ich verstehe die junge dame ganz anders:
    „da muss man wissen was man will“
    ihre frage ist doch, bin ich wissensvermittlerin oder pädagogin?

    und dann wird dies zur ganz grossen theorie/praxis- bildungsdebatte.
    aber wen interessiert das schon…

    nix für ungut aber ich war auch mal jung und univerbildet.

    p.s wehe, sie hoeren auf zu bloggen!
    haben sie schon mal überlegt, finanzielle aufwandsentschädigung vom kultusministerium bzw. senat für die psychohygienische, nachhaltige und hoch präventive massnahme des bloggen zu fordern?
    wo ist die gew wenn frau/mann sie braucht?

  5. Hmm – ich les das gar nicht so negativ – sie ist jung – hat noch Spass am unterrichten und sieht das in so einem Umfeld gefährdet – vielleicht will sie das für ihr Leben nicht (und meint damit eher, dass sie das nicht kann und eben schauen muss an eine Schule zu kommen, an der es besser ist).

    Sie sagte ja nicht dass ihr das wollt, nur dass es für sie, für ihr Leben – keine dauerhafte Alternative ist.

  6. „Was man will“ = „man muss wissen, was man bereit ist, in Kauf zu nehmen“, das meinte sie vermutlich. Ich erkläre auch gern Sachverhalte, aber nur, wenn man mir auch zuhören möchte. Damit käme ich an der Brennpunktschule vermutlich nicht weit.

  7. Ich seh das auch nicht so negativ. Es gibt eben Lehrer, die gut mit schwierigen Schülern umgehen können. Die trotz des ganzen Ärgers immer noch gerne in die Schule gehen und den Kindern was vermitteln, durchgreifen, etc. ICH könnte das nicht. Ich bin froh, dass ich an einem Gymnasium arbeite, an dem die meisten Schüler gut erzogen und lernwillig sind. Wir sind ein Schulzentrum, d.h. die Haupt-, die Realschule und das Gymnasium sind in einem Gebäude. Ich kenne auch die anderen Schüler und habe leider auch schon die Schulleitung der Hauptschule näher kennengelernt, weil es Probleme mit einigen Schülern gab. Ich könnte nicht mehr mit Freude in die Schule gehen, wenn alles nur Kampf wäre. Ich habe allergrößten Respekt für Kollegen, die dies machen. Ich ziehe meinen Hut!

  8. Hm…nennt mich naiv und univerblendet, aber ich würde die Dame so verstehen, dass feststellt, dass man sich in diesen Klassen eben keine Unsicherheiten erlauben darf. Meine letzte Mentorin sagte mir auch ein paar mal, ich müsse den Schülern noch deutlicher zeigen, was ich will, weil man sich damit einige Diskussionen ersparen kann. Wenn man selbst nicht ganz sicher ist, was man will, dann war es in der Hauptschule echt schwer die Schüler davon zu überzeugen produktiv zu sein… mit klaren Vorstellung und genauer Angabe dieser Vorstellungen ging es viel leichter 🙂
    (Während ich im Praktikum vorher auf einem Gymnasium ganz gut damit gefahren bin, wenn ich nicht so genau darüber nachgedacht habe, wie das alles so im Detail aussehen soll und sich das dann spontan in der Stunde entschieden hat.)

  9. frau freitag,
    klingt so als neiden sie jugend und schönheit?!
    is doch egal was die will. will sie halt nich da arbeiten, sondern lieber woanders, wolln sie denn auch lieber woanders arbeiten?
    also ich mach mein referendariat lieber an ner grundschule (5./6. kl.) in neukölln als in zehlendorf. und ich will danach auch lieber an ne sekundarschule in neukölln als an ein gymnasium in zehlendorf.
    gibt halt sone und solche.

  10. Liebe Frau Freitag,

    genau die Frage geht mir im Kopf herum.

    Will ich nach vielen Jahren Gesamtschule noch die Gesamtschule oder will ich Gymnasium? Ich weiß nicht recht…
    Man malt sich das immer so schön aus: Immer die Hausaufgaben gemacht, alle lernen, was ich sage und immer herrscht eitel Sonnenschein auf der Gewinnerseite! Aber sicher ist das nur so eine Vorstellung. Eigentlich ist es auch ganz schön bei mir an der Gesamt. Die Schüler brauchen doch auch gute Lehrer.

    Am wahrscheinlichsten ist das aber eine Frage des Selbstbewusstseins: Alle meine Freundinnen und Freunde sind am Gymi und jammern da schon manchmal. Tja und ich sitze an Gesamt und hatte doch das beste Examen… So, das musste alles mal gesagt werden und jetzt ist wieder gut. Ich freue mich morgen schon auf die Schule, ehrlich. (Habe nur einen Block!:)

  11. Dürfen Lehrer eigentlich streiken? Wegen lernunwilligkeit der Schüler z.B..
    Das wäre doch mal was. Unterricht bekommt der, der lernen will und die anderen werden nicht (mehr) vom Staat finanziert. Kein Kindergeld, kein Hartz4.
    Besserer Unterricht, weniger genervte Lehrer, und noch Geld gespart.
    Das wäre doch mal was.
    Wer etwas tut (aktiv lernt, so gut er kann), bekommt auch etwas (staatliche Unterstützung).
    Vielleicht würden dann mal so manche Eltern über den Sinn der Schule nachdenken.
    Denn das die Schulpflicht eigentlich ein Schulrecht ist, scheinen viele vergessen zu haben.

  12. Oh ja, störungsfrei Wissen an interessierte und wissbegierige jungen Menschen vermitteln. Ein wunderbarer Traum.

    Dagegen sagte mir ein Kollege bei seinem Einweisungsgespräch in meine Klasse den Pädagogenspruch „Störungen haben Vorrang“. Bei mir nicht . Niemals.

    Die heute mal bei ihm zuhörende Soz.Päd. fragte mich hinterher, nach einer viertelstündigen Schilderung der Unterrichtsumstände, ob „die bei mir auch so wären“. Nein, das trauen sie sich nicht mehr.

    Sie sind auch laut, quatschen viel miteinander und versuchen, auf die eine oder andere Weise meine Grenzen auszuloten. Doch wenn ich schweige, wird es leise. Wenn ich aus dem Raum gehe, holen sie mich inzwischen zurück. Denn das Zaubermittel ist meine Uhr.

    Es gab von mir vor einiger Zeit die klare Ansage, dass ich verpflichtet bin, ihnen Unterricht zu geben. Und zwar genau 8 Stunden am Tag, die wiederum sie verpflichtet sind, diesem Unterricht zu folgen, um ihre saumäßigen Schulnoten zu verbessern. Das hat die Agentur für Arbeit so verfügt.

    Somit schaue ich auf die Uhr, wenn ich nicht tätig sein kann. Und hänge diese Minuten hinten dran.

    Wobei einige ganz schlaue Störer meinten, ich müsse ja dann auch länger bleiben und das würde mich ganz schön annerven. Doch sie schauten recht bedröppelt aus der Wäsche, als ich ihnen grinsend erzählen musste, dass ich diese Mehrarbeit vergütet bekomme (ok, war gelogen, ich bekomme nur Freizeitausgleich).

    Klappt gut bei mir. Ob sie mich noch mögen?

  13. Hallo,
    unterrichte an einem Gymnasium, seit 10 Jahren. Möchte hier gern insofern widersprechen, dass Gymnasium auch nicht jeder kann. Kenne Kollegen, denen auch im Gymnasium die Schüler auf der Nase rumtanzen, die keinen Fuß in die Tür kriegen.
    Davon aber mal abgesehen, danke für diesen Blog. Habe ihn zufällig entdeckt und das Lesen hier holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Wir (Gymnasialllehrer) jammern doch manchmal auf ganz schön hohem Niveau!

    Viele Grüße
    Susu

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