Film – der Schluss und das Fazit


So, vollbracht, jetzt haben wir den letzten Teil des Films geguckt. Und ich muss sagen – es war recht unspektakulär. Viele Kommentatoren hier vermuteten ja, dass sich die Schüler über die scheiternden Protagonisten lustig machen würden. Das war ÜBERHAUPT gar nicht der Fall. Es gab nicht eine blöde Bemerkung von meiner Klasse. Nicht, als Michelle aufhört sich zu bewerben und nur noch einen Wohnung für sich und ihren neuen Freund sucht, nicht als Florian mit der dubiosen Nazijacke da sitzt und sagt „ich liebe meine Land, aber ich hasse den Staat“ und auch nicht, als Ivan seinen angepeilten Abschluss nicht schafft.

Lacher gab es von uns allen, als Florian bei der Bundeswehr gefragt wird, ob er irgendwelche speziellen Fähigkeiten hätte: Computer – nein; Führerschein – nein; Klettern – nein; Skilaufen – nein; Erste Hilfeschein – nein; Sportabzeichen – ja – Seepferdchen.

Komisch, obwohl er doch Seepferdchen und einen einfachen Hauptschulabschluss hat, hat die Bundeswehr ihn dann doch nicht genommen. Dabei wollte er sich doch für 12 Jahre verpflichten. Vielleicht sollte ich mehr Werbung für eine berufliche Zukunft bei der Bundeswehr machen – jetzt sollen die dort ja sogar Leute nehmen, die keinen deutschen Pass haben.

Nach dem Film sagte Esra: „Die haben es alle nicht geschafft.“ Kurzes nachdenkliches Schweigen.

Dann entspann sich eine Diskussion über den Wert von: „Ich mach den Abschluss noch mal auf OSZ.“ Die Wiederholer in meiner Klasse und die etwas fleißigeren Schülern sind davon überzeugt, dass man in diesen Schulen wahrscheinlich keinen besseren Abschluss machen wird, weil man sich dort auch nicht anstrengen wird. Die Schüler, die das vorhaben, wollen das natürlich nicht hören und glauben fest an einen Neuanfang. Bilal sagt, dass alle seine Freunde das Probehalbjahr auf dem OSZ bestanden hätten.

Hat das ganze nun was gebracht?

Die Schüler haben sich den Film aufmerksam angesehen. Sie haben sich gemerkt, wie viele Bewerbungen die Jugendlichen geschrieben haben, wie viele Absagen sie bekamen und wie sie am Ende zugaben, dass sie völlig unrealistische Ziele und Vorstellungen hatten. Ich habe sie dabei beobachtet und sie taten mir leid.

Niemals würde ich mit ihnen tauschen wollen. Floristin – da ist das der Traumberuf von dieser Michelle. Und dann bekommt sie dafür noch nicht mal einen Ausbildungsplatz. Ich würde nicht mal einen haben wollen. Ich würde weder als Floristin, noch als Industriemechnikerin arbeiten wollen und mich schon gar nicht für 12 Jahre bei der Bundeswehr verpflichten. Okay, wahrscheinlich will auch keine Jugendlicher Lehrerin sein. Wollte ich ja in dem Alter auch nicht.

Es wird schon irgendwas hängengeblieben sein.

Ayla sagte mir, als ich sie ermahnte nicht so viel mit Marcella zu quatschen, sondern den Film anzusehen: „Aber Frau Freitag, warum soll ich mir das ansehen? Ich werde schon noch früh genug mitkriegen, wie das ist.“ Und damit hat sie wahrscheinlich gar nicht so unrecht.

Ich glaube die sind erwachsen geworden und ich habe es gar nicht gemerkt.

Allgemein

27 Gedanken zu “Film – der Schluss und das Fazit

  1. Letzendlich wird man den Schülern doch so oft erzählen können, wie es wirklich ist, sie werden es nicht glauben, bis sie selber auf die Fresse geflogen sind… Der Film hat drei perfekte Beispiele gezeigt.

  2. Ich muss mich in der Tat bei den Jungs und Mädels entschuldigen. Sie haben sich erwachsener verhalten, als ich es mir aisgemalt hatte.

    Vielen Dank für den Bericht, Frau Freitag

  3. „Nazijacke“? „Wuppertal Hardcore“, so ergab eine kurze Googlerecherche, wird von Fußballfans, sog. Ultras, getragen. Das die beiden Jungs Hooligans sind , wage ich mal auszuschließen – wenn dann wohl nur Schmalspurversionen. Hooligans sind auch nicht gleich rechts, obwohl es lt. Wikipedia auch solche Gruppierungen gibt.
    Was ich eigentlich sagen wollte – eine schwarze Bomberjacke macht noch lange keinen Nazi. 😉
    Und der Spruch „ich liebe meine Land, aber ich hasse den Staat“ hätte ebenso von einem kleinen Punk kommen können.

      • frakturschrift ist tatsächlich nicht ganz unüblich in der punkszene, aber frau freitag hat recht: dieser florian ist sicherlich einer anderen subkultur zuzurechnen, denn punks sind keine patrioten. interessanterweise trägt der junge mann aber an dem tag, an dem sie die abschlussfeier der nachfolgenden klasse besuchen ein eläkeläiset-t-shirt. das ist eine finnische band, die ähnliche musik wie ska spielt und deren fans oft aus dem punkumfeld kommen. (jedenfalls eher als aus einem neonazistischen oder rechtsextremen)

        der Hardcore schriftzug auf der jacke könnte in verbindung mit den schuhen des freundes (nike classics) eher auf eine zugehörigkeit zur gabber-szene schliessen lassen. die sind auch mitunter rechts und oder patrioten. (nicht durchgängig; siehe dazu auch wikipedia)

        so, und jetzt zu den reaktionen der schüler: ich bin erfreut, dass die schüler sich viel besser verhalten haben als ich es angenommen hatte. vielleicht ist es nur der schreck des halbjahreszeugnisses; vielleicht hat da aber auch so etwas wie realitätsverständnis eingesetzt. bleibt zu hoffen, dass den kindern mit dem film ein wenig die augen geöffnet wurden.

      • Man schaue hier: Wuppertal Hardcore Hooligan Ultras T-Shirt http://www.bedrucktetshirts.de/wuppertal-hardcore-hooligan-ultras-tshirt-sxxxl-p-129.html?ref=3
        Ich hatte allerdings auch auf Nazi getippt. Besonders nach dem Spruch und aufgrund der Schriftart (bis dato hab ich mich noch nie mit schriftarten der hooligans beschæftigt, aber offensichtlich nimmt man da schon mal die gleiche oder aehnliche). Wobei ich eher fuer Moechtegern-Nazi/Hooligan bin. Eher der verzweifelte Versuch, irgendwo dazu zu gehoeren und womoeglich auch nicht so recht wissen, auf was man sich da einlaesst.

      • tante sushi hat da schon recht. Das könnte ich so unterschreiben.
        Mir ist aber noch ein Titel zu den kleinen Jungs eingefallen:

        (hab ich früher gerne gehört ;))

        Das verwächst sich noch bei den Jungs, egal wie die orientiert sind – hat es sich bei uns doch auch. 😉

      • Wenn es wie ein Nazi aussieht, ist es meistens auch einer. Klar, kann man sich im Dickicht irgendwelcher Subkulturen verstecken, oder meinen das Kleidung nur Kleidung ist und „Thor Steinar“ lediglich eine Klamottenmarke ist, aber wenn jemand mit einer Bomberjacke mit aufgedruckter Frakturschrift herumläuft und ein anitdemokratisches Gehabe (daher die Gegnerschaft zum Staat und nicht zum Land) sein Eigen nennt, sind das schon gute Identifikatoren. Letztendlich tragen derart gestylte Menschen ja Ihre Kleidung nicht aus Zufall und wissen genau welche Assoziationen sie auslösen. Meiner Meinung nach, jedenfalls.

        Andersherum soll man auch nicht alle über einen Kamm scheren. 😉

  4. Man kann nur hoffen, dass etwas hängenbleibt – dauerhaft. Oft beeindrucken solche Erfahrungen für den Moment; was in einer Woche davon noch abrufbar ist, ist der interessante Punkt.

    Vielleicht können Sie da mit ihren Schülern in ein paar Tagen nochmal nacharbeiten. Das wäre es sicherlich wert. Oder sehe ich das zu rosa?

    Frau Müller

  5. Ich finde Ihr Blog ganz großartig, sagte ich das schon einmal? Weil Sie nämlich Ihre Schüler ernst nehmen, und dazu gehört auch, dass Sie ernst nehmen, wenn Sie von den Schülern genervt sind. Weil Sie sich Fehler zugestehen und Ungenauigkeiten. Weil Sie bereit sind, sich überraschen zu lassen.

    Wenn ich Ihr Blog lese, dann werde ich ein wenig traurig. Weil mir Ihr Blog zeigt, was für tolle Lehrer an Schulen arbeiten. Und weil ich mich dann immer erinnere, mit was für desinteressierten, besserwisserischen, von der eigenen Großartigkeit überzeugten Lehrern ich mich einst rumschlagen musste, als Schüler.

  6. Das Schlimme ist doch, früher im Deutschen, so zu Luthers Zeiten, da haben die auch in Nazi – Schrift gedruckt. Und niemand hat etwas unternommen! Keine Lichterkette, nichts. 😉

    • Sagen Sie nicht so Karl Eduard.

      post scriptum
      Ich verneige mich vor ihrem Wissen um geschichtliche Zusammenhänge, welches Sie in der Vergangenheit (und hoffentlich auch in Zukunft) gezeigt haben. Hier hätte ich Sie nicht erwartet, na ja unverhofft kommt oft.

    • Nazi-Schrift? Luther? Lichterkette? Geschichte selber basteln? Kann man machen, hält bloß der Realität nicht stand. Wikipedia hilft. Was uns rezente Subkulturen durch die Verwendung bestimmter Schriftarten sagen wollen, ist nicht davon abhängig, was Luther, Bismarck oder Hitler zu diesen Schriftarten meinten.

      • *Daumenhoch* So siehts aus.
        Die Subkulturen verändern sich außerdem ständig. Was früher mal im Punk war beliebt, wurde in die Hooliganszene übernommen und vieler jener wurden rechts und sahen trotzdem aus wie Hoolis, die wie Punks aussahen … von solchen Äußerlichkeiten sollte man sich nicht täuschen lassen.
        Ist ja auch egal.

        Was haben denn Ihre Schüler zu dem Florian gesagt, frau Freitag?? Oder ist denen gar nichts aufgefallen? (Wäre ja positiv… im Gegensatz zu uns Schubladendenkern ^^)

  7. Die Reaktion bzw. die Nicht-Reaktion der Schüler fühlt sich doch recht positiv an. Immerhin scheint da eine wirkliche Reflektion in Gang gesetzt worden sein. Das bringt die Klasse sicher weiter – auch wenn es nur ein Schritt von vielen sein wird :).

  8. Spannend, da scheint ja tatsächlich etwas Erkenntnis durchzusickern. Reflektionsfähigkeit ist etwas, das haben Deine Schüler vielen anderen voraus, es besteht also noch Hoffnung!

  9. war die eigentliche aussage des films nicht die des schreinermeisters, der sagte: „wir waren früher genauso, aber es war halt leichter in einer lehre unterzukommen….“

    es sind nicht die kids, die immer schlimmer werden. vor 50 jahren wäre das mädchen floristin geworden, der eine jung soldat und der andere mechaniker. im laufe der lehre hätten sie sich berappelt, wären zu ganz normalen leuten herangewachsen. zum mitschreiben: mit 17 verstrahlt zu sein ist nicht pathologisch. sondern normal.

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