Einstieg in ein neues Thema


Ich bin platt. Als ich eben die Schule verlassen habe war es schon dunkel!!!! Das geht doch nicht! Da finde ich doch gar nicht mehr auf den Tennisplatz. Ich dachte immer die Lehrer haben nachmittags frei…

Heute bin ich mal wieder an meine Grenzen gebracht worden. Siebte Klasse. Sie kommen rein – nein sie stürzen rein, rennen, schreien, schmeißen sich auf die Tische, die Tische verrücken in schiefe Anordnungen, sie hauen sich, kreischen, machen Geräusche, die Luft wird dünn. Ich gucke mir das an und denke: Warum machen die so? Macht nicht so! Seit ruhig und lieb. Bewegt euch nicht so viel. Das ist mir hier alles zu wuselig, zu hektisch. Die sollen sich hinsetzen.
„Hinsetzen bitte“ sage ich. Mist, wo ist der Sitzplan? Such, such, nicht find! Nervös werd! Wenn ich den nicht finde, dann weiß ich gar nicht mehr, wie die vor den Ferien gesessen haben. Scheiße, verdammt.

Aber dann gehen sie irgendwie von selbst auf die Plätze, auf die ich sie gesetzt hatte. Ohne Murren. Super. Ich lasse sofort einen Sitzplan zeichnen. Murat soll das machen, dann stresst der mich wenigstens nicht in den nächsten 4 Minuten. Es klingelt.

Und jetzt kommt’s – wieder ein Trick – Lehrerfreunde aufgepasst: Ich möchte, dass alle ihre Sachen für den Englischunterricht auf den Tisch tun. Zu Stundenbeginn haben das nur vier Schüler gemacht. Innerlich rege ich mich schon darüber auf, sage aber: „Toll, Vanessa hat ihre Sachen schon draußen, Cindy auch und Tarkan ebenfalls.“ Die Kleinen wittern leicht verdientes Lob und holen sofort ihr Zeug raus. „Ich hab auch!“ „Ich auch, gucken Sie!“ Und in null-komma-nix können wir anfangen.

Thema: food and drinks – ein sehr dankbares Thema. Wir fangen mit einem Spiel an. Motivationsfördernde Spiele im Englischunterricht…darüber müßte mal jemand eine Arbeit schreiben!!!!
„I tell you a word and you have to say a word that is related to my word.“
Schüler: ???????????????????????? „Sagen Sie auf deutsch!“ Nachdem wir die Regeln dieses Spiels geklärt haben und nachdem ich mal wieder froh bin, denen nicht Skat beibringen zu müssen fangen wir an. „I say spaghetti.“ Einige Schüler melden sich sofort. „Ja, Umut“
„Döner!“
„No, erstens ist Döner kein Englisches Wort und zweitens hat das nichts mit Spaghetti zu tun. Noch mal. I say spaghetti. Yes, Vanessa.“ „Tomato soup.“ Tarkan: „cheese!“ Dann kommt nur noch „Lamachun, Börek und Red Bull, gepaart mit einem erheblichen Motivationsabfall. Ich baue spontan einen Phasenwechsel ein. Wahrscheinlich fetzt das Spiel nicht, weil dabei niemand gewinnen kann. Also mehr Wettbewerb. „I need three girls and three boys up here.“ Alle wollen nach vorne. Ich nehme die Nervtöter, denn dann habe ich sie in meiner Nähe. „Okay, tell me or food or drink word with e.“ „Ice cream!“ “ e – i gesprochen, wir sind im Englischunterricht!!! Schon vergessen?“ Mädchengruppe: „Mit i (e) gibt es kein Wort.“ Irgendwann finden wir dann noch egg. Nach einigem mehr oder weniger spannendem hin und her haben die Mädchen knapp gewonnen. Nun wird es höchste Zeit für ruhige Einzelarbeit. Um das zu merken muss man nicht mal studiert haben. Food alphabet. Um den Einstieg in diese Phase zu erleichtern, habe ich ihnen ein Blatt mit dem Alphabet kopiert und lasse es verteilen.

„Wie wird cucumber geschrieben, wie schreibt man apple, es gibt nichts mit b. Wie schreibt man Ananas, Frau Freitag?“
„Ich bin kein Wörterbuch, guckt im Englischbuch nach!“

Letzte Phase – Sicherung an der Tafel. Ein Riesenspaß! „Schreibt bitte die Wörter mit, ich habe schon gesehen, dass ihr viele Fehler gemacht habt. Also which words did you find with a?“
„Ananas!“ „Ananas heißt aber pineapple.“ lerne ich sie und schreibe das bei p hin. Sofort ein Aufschrei von einem Schüler hinten: „Aber da habe ich potato!“ „Wir sammeln ja auch möglichst viele Wörter.“

Nachdem ich dreimal gesagt habe, dass sie mitschreiben sollen und es bei niemandem angekommen ist, setze ich mich, als ich die ganze Tafel mit Essen und Trinken vollgeschrieben habe hin und sage: „Ich sammle die Blätter in zwei Minuten ein und da müssen mindestens die Wörter von der Tafel draufstehen. Und das zensiere ich und das wird eure Mitarbeitsnote für diese Stunde.“ Ruhe, ein paar abos und tschüchs und dann klingelt es endlich. Teaching English is sooo much fun!

23 Gedanken zu “Einstieg in ein neues Thema

  1. Ich liebe vor allem die abos und tschüchs, und muss sagen, dass ich es in solchen Momenten fast bereue mich doch gegen Englisch entschieden zu haben. 🙂

  2. Ich habe während eines Praktikums mit in einer neunten Hauptschulklasse gesessen, die sich darüber unterhalten sollen, was sie im Leben vorhaben. Das war auf Englisch nicht möglich und hat mich auf Deutsch dann ziemlich erschüttert. Da ist cucumber und pineapple doch schön, wenigstens nicht so deprimierend.

  3. Lob und Anerkennung, das goldene Kreidestück am Band für Sie, liebe Frau Freitag. Eine gelungene Stunde, handlungsaktiv und kompetenzfördernd, übertragbar auf alle Klassenstufen (In the classroom A-Z (Kl. 5) In London A-Z (Kl. 6) – In New York A-Z …)

  4. An einen ähnlichen Unterricht kann ich mich in meiner 7. Englischklasse auch erinnern. Da ging es u.a. um die Frage, warum man pork sagt und nicht swine oder beef statt cow. Die Chance hat der Lehrer dann gleich genutzt, um uns en passant den Einfluss der Normannen, William the Conqueror und die Schlacht bei Hastings 1066 auf die englische Sprachentwicklung beizubringen. Das fand ich damals alles sehr spannend und habe die grundlegenden Infos wieder gebraucht, als es an der Uni und später während meiner Zeit in Washington um das (lateinisch-altfranzösisch- anstatt germanischstämmige) Rechts- und Verwaltungsenglisch ging.

    Sprachen und Geschichte – es gibt kaum bessere Themen, um die Welt zu entdecken und zu verstehen. Ähnliche Beispiele gibt es natürlich auch in der orientalischen Welt zuhauf. Allein die wissenschaftliche Kontroverse um die Herkunft des Namens Istanbul ist hochspannend. Allerdings gab es in Konstantinopel weder Red Bull noch Ice cream, was die Sache für Schüler möglicherweise wieder uninteressant macht… 😉

  5. Meine ehemalige Englischlehrerin brachte Englischvokabeln immer im Zusammenhang mit Solinger Platt, das hat das Lernen sehr vereinfacht, außerdem hatte sie eine Sweet Box mit außergewöhnlichen Leckereien, die es für gute Mitarbeit gab

  6. Moin!

    Ich lese hier wirklich gern – aber eben ist mir doch nahezu das Brötchen in den Kaffee gefallen.

    Zitat: “ ‚Ananas heißt aber pineapple.‘ lerne ich sie […]“

    Sie haben sich vertippt, Frau Freitag, stimmt’s?! Bitte sagen Sie, dass das stimmt!

    Ansonsten sind Sie für mich künftig keine „Lehrerin“ mehr, sondern eine „Lernerin“…

      • Sehr gute Wortschöpfung, verdeutlicht das Lernen immer ein aktiver Prozess des Schülers ist. Lehren geht gar nicht.

  7. Vorletzter Absatz: „LEHRE ich sie“

    Sie sind schließlich Lehrerin, nicht Lernerin, oder? 🙂

    (Das bayrische „jemandem etwas lernen“ gibt es zwar auch immer wieder, dann müsste es aber heißen „lerne ich ihnen“.)

  8. Auch auf die Gefahr hin, nörgelig zu wirken, es heißt nicht „seit ruhig“, sondern „seid ruhig“, als Lehrerin sollte man den Unterscheids zwischen seit und seid eigentlich kennen…

  9. ach jaaa, frau freitag, als lehrerin dürfen sie keine schreibfehler machen, nichts unrechtes tun, immer vorbild sein, nicht rauchen, nicht trinken, nur gesundes essen essen,tiere lieben,retten Sie gefälligst die welt oder erschaffen Sie gleich eine neue – ach, liebe rum-mecker-leser, ich finde, wir verlangen gleich von ihr: sie soll gott sein!oder godd, oder gOtt, wie auch immer…

    ich finde sie ist eine suuuuuuper lehrerin!!!

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