Zur Zeit befinden wir uns ja medial mitten in der Deutschfeindlichkeitsdebatte. Da frage ich mich natürlich – wie sieht es denn bei Frau Freitag und ihrer Klasse damit aus? Ist meine Klasse deutschenfeindlich?
Also ich bin deutsch – das gebe ich hier mal offen zu. Auch, wenn die Schüler das gerne hätten und oft vermuten, kann ich keinen nennenswerten Migrationshintergrund aufweisen. Sind die Schüler mir gegenüber feindlich, weil ich deutsch bin? Sagen sie Sachen wie: „Sie deutsche Schlampe“?
Nein! Habe ich noch nie gehört. Noch nie habe ich im Lehrerzimmer gehört, dass eine Kollegin oder ein Kollege von einem Schüler beleidigt wurde, weil er oder sie deutsch ist. Unsere Schüler sind sehr distanzlos. Im positiven („ich hab‘ Sie lieb“), wie im Negativen. Wenn sie sich über mich oder einen anderen Lehrer ärgern, dann nehmen sie kein Blatt vor den Mund und ja, manchmal schießen sie übers Ziel hinaus. Sie werden beleidigend, aber das hat dann nichts mit der Staatsangehörigkeit zu tun. Jede Beleidigung wird von uns geahndet und pädagogisch bearbeitet.
Kurz gesagt, was die Familienministerin da sagt, habe ich so nicht erlebt. Und die Schüler untereinander? Vorweg muss eigentlich geklärt werden, was denn überhaupt deutsch ist. Abdul, Emre, Samira, Esra, Elif und die meisten anderen haben einen deutschen Pass. Ich erwähnte schon mehrfach, dass für mich alle Schüler meiner Klasse deutsch sind. Aber machen wir hier ruhig mal die Unterscheidung zwischen solchen und solchen. Ich würde aber gerne sagen: Schüler mit und Schüler ohne Migrationshintergrund. Das trifft die Sache eher. In meiner Klasse haben Christine, Ronnie, Peter und Sven einen Schonimmerhiergewesenenhintergrund. Werden sie von den anderen deshalb abgelehnt? Auf keinen Fall. Wie denn auch? Das sind doch ganz unterschiedliche Menschen.
Peter ist recht schüchtern und versucht nicht weiter aufzufallen. Er hatte noch nie Stress mit einem anderen Schüler. Sven ist gut in Mathe und hilft seinen Mitschülern gerne bei den Hausaufgaben. Ronnie ist stressig und eckte deshalb schon öfter an. Weil er deutsch ist? Nein, weil er stresst.
Na Frau Freitag, das klingt ja, als hätten Sie an Ihrer Schule und in Ihrer Klasse eine schöne heile Welt und Ihnen sei die ganze Debatte, die da im Fernsehen rauf- und runtergenudelt wird völlig fremd. Leider kann ich dem aber auch nicht aus vollem Herzen zustimmen. Wenn ich über den Hof gehe, dann sehe ich immer die unterschiedliche Schülergruppen. Klar sind da einzelne „türkische, arabische und deutsche Schüler“ miteinander befreundet, aber es gibt auch einige Gruppen die so ganz „unter sich bleiben“. Woran das liegt? Keine Ahnung.
Vielleicht sind die Lebenswelten außerhalb der Schule zu unterschiedlich. Obwohl…eigentlich sind sie das gar nicht. Ich glaube einfach, dass es zu viele Schüler von „der einen Gruppe“ – also mit Migrationshintergrund gibt. Das tut der Integration nicht besonders gut. Die Mehrheit ist muslimisch und man muss sich überhaupt nicht mit irgendeiner anderen Lebensweise oder Kultur auseinandersetzen, wenn man nicht will. Wäre die Quote 50:50 wäre das sicher anders.
Ich will gar nicht sagen, dass es für „deutsche Schüler“ an unseren Schulen mitunter nicht auch sehr anstrengend sein kann, weil man permanent zu einer Minderheit gehört, aber was ist mit Schülern wie Salma – Mutter deutsch, Vater Pakistani, beste Freundinnen Christine, Funda (Mutter Russin, Vater Türke) und Elif (deutscher Pass, Eltern Türken). Wie passen die in unsere kuscheligen Voruteile?
Wenn wir in meiner Klasse über DEUTSCHSEIN und DEUTSCHE sprechen, dann haben meine Schüler genau so viele Klischees im Kopf, wie die Gäste in den Talkshows, wenn es um Moslems geht. Ich würde mir einfach wünschen, wir würden diese Debatte etwas entspannter führen, denn man tut den einzelnen Schülern keinen Gefallen, wenn man sie immer in irgendwelche Schubladen schmeißt, in die sie eigentlich gar nicht gehören.
Ich hoffe, dass ich in spätestens 20 Jahren den Kindern von Abdul, Samira, Christine und Ronnie im Unterricht sagen kann: „Und dann gab es so was, das nannte sich Deutschenfeindlichkeit.“ Und die Schüler gucken mich ungläubig an: „Äh, was soll denn das gewesen sein? Waren denn damals nicht alle Deutsche, so wie heute?“
Hallo fraufreitag,
sind Sie die Frau Freitag aus der Gesamtschule 4 ehst?
ja und aus der 5 und 6 und 7 🙂
Verstehe, Sie sind ein richtiger Spaßvogel …
Ist sehr interessant, was sie hier beschreiben. Ich – eine Single Frau ohne Kind, bekomme nicht mit, welche Probleme Kinder und Jugendlich in den Schulen haben.
Ihre Fragestellungen sind sehr interessant. Ich bin froh zu erfahren, dass es solche Lehrerinnen wie Sie gibt.
danke, kommen Sie öfter!
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Sohn 1, seit 6 Wochen Erstklässler (ja, ich weiß, heißt nicht mehr so… Schulanfangsphasenkind…), meinte neulich: „Mama? Warum habe ich keinen deutschen Vornamen? Was ist eigentlich ein deutscher Vorname?“ „Kind, du hast einen Vornamen aus der Bibel, die sind alle hebräisch oder griechisch. Deutsch wäre Hans oder Robert oder Siegfried…“ „Hm, ich meinte so einen wie Osman oder Berat oder Elyesa…“
Der erste qualifizierte Kommentar, den ich zu diesem Thema lese.
Danke 😉
Klar werfen sich Schüler manchmal gegenseitig vor, Russe oder Türke oder Deutscher zu sein. Genauso, wie sie sich als „schwul“ oder „Motherfucker“ beschimpfen. Und morgen sind sie mit genau denjenigen Schülern wieder verbrüdert….
Ganz zu schweigen davon, dass sie sich im Ethik-Unterricht immer brennend für die Gebote und Gebräuche der „anderen“ interessieren.
Ich erinnere mich gut, dass der größte Nazi meiner eigenen Schulzeit ein Pole war… Bei dem hing Hitler über´m Bett, weil er ihn gut fand.
Der ein oder andere sollte in der Diskussion mal nicht vergessen, dass hier Jugendliche zitiert werden.
Die wissen ja noch nicht mal, ob sie homo oder hete sind, Rapper oder Emo, geschweige denn, ob sie sich „deutsch“ oder „türkisch“ fühlen. Die sind noch auf der Suche nach sich selber!!!
Und woher weiß man überhaupt, ob man sich „deutsch“ oder „türkisch“ fühlt?
Da haben die, die jetzt laut schreien (Frau Schröder, die hoffentlich nie wieder nach Hessen zurück kommt), es einfach: sie sind „ursprungsdeutsch“ und haben daher eine „weiße Weste“ und können ohne Nachdenken sagen „ich bin deutsch“.
Die vielen Menschen mit Migrationshintergrund können das aber nun mal nicht. Sie sitzen zwischen den Stühlen, den Kulturen und diejenigen im Alter von den Schülern kennen meinst nur das Leben hier und von „Heimatländern“ kann man da ja nun wirklich nicht reden. Und auch nicht von Ausländern.
Die Rolle der Medien, die jeden F* hochkochen (siehe „Schnitzelkrieg“ – der Fall war Anfang des Jahres und in dem Dorf kräht kein Hahn mehr danach) ist dabei auch äußerst bedenklich.
Wird Zeit, dass man in der Diskussion mehr nach Gemeinsamkeiten sucht (in Ruhe und Frieden hier leben) und nicht nach dem, was die Gesellschaft in Gruppen trennt….
Und ehrlich: mir als politisch interessiertem Menschen geht die Diskussion inzwischen so auf den Keks….
Naja zum Thema deutschenfeindlichkeit macht man sehr unterschiedliche Erfahrungen.
Alter, Geschlecht, äußerliche Erscheinung und natürlich vor allem das Umfeld in dem man lebt.
Als Osel bin ich regelmäßig von einer Gruppe deutscher Mitbürger mit Migrationshintergrund umringt worden. Was folgte war die übliche Anfolge:
Verbale Demütigung, angerempel und dann entweder ein paar Laschen ins Gesicht oder gleich eine satte Tracht Prügel.
Damals war Möllen und Co großes Thema und überall lauerten Nazis darauf unsere Kinder zu verführen und neue KZ zu bauen.
Die deutschen jugendlichen haben am besten auf den Boden geschaut und den Mund gehalten. Wer den Heimweg durch den Park nahm, hat ds schnell abgestellt. Mir wurde damals das Rad abgenommen und von der Brücke in den Fluss geworfen weil ich ja ein „scheiß Nazi/Deutscher“ War.
Damals noch mit langen Haare, einem „Nazis raus“-T-shirt und schmaler statur.
Ich hab so oft auf die Fresse bekommen, weil ich deutscher bin, dass ich mir selbst kaum erklären kann, warum ich kein Nazi geworden bin.
Damals wurden wir in der Schule so massiev mit dem 3. Reich und den braven Ausländern die alle nur arme Opfer sind, vollgestopft… Dabei waren wir ( zumindest in dieser Gegend ) die bedrohte Minderheit.
Die Deutschen haben kein Monopol auf Rassismuss.
Der Ort heißt Mölln.
Und dessen ungeachtet wird hier nicht behauptet, dass irgendwer das Monopol auf Rassismus hätte. Vielleicht sollten Sie den Eintrag noch einmal lesen (oder den ganzen Blog).
Mit den besten Grüßen
die Denkerin.
Robert hat nicht behauptet, dass in dem Beitrag geschrieben wurde,
dass es eine Monopolstellung für Rassismus gäbe.
Allerdings würde ich (der auch genug Antifa-Erfahrung hat) mir etwas mehr Empathie für Rassismus-Opfer wünschen, auch wenn sie deutsch sind.
Mit den besten Grüßen,
der Mit-Denker
Komisch bei uns hatten alle Ausländer/Aussiedler mit Türken Probleme oder eher umgekehrt.Manche hatten ja schon Erfahrungen mit Moslems in ihrem Heimatland gemacht und welche Wunder dort liefs genauso ab.Einer allein=friedlich,
2=fangen an zu stänkern
3=reden unmöglich,bedrohung
Nun fragt man sich wie kann das sein?Hmm vielleicht weil die von kleinauf den Koran lernen müssen wo drin steht wenn man schwach ist soll man sich zurückziehen aber sobald man gewinnen kann die pflicht hat zurückzuschlagen!
Achja mit Griechen haben sie sich bei uns komischerweise Verstanden.
Eine kleine Randnotiz:
Auch Deutsche verweigern die Integration!
siehe http://www.tagesschau.de/schlusslicht/integration202.html
🙂