Jetzt auch noch das…

Okay, heute – der Tag der Entscheidung – denken zumindest die Schüler. In der ersten Stunde sage ich ihnen, dass ich ihnen erst in der fünften Stunde genau sagen kann, ob wir nun HP- gehen oder nicht. Nur so kann ich sicher gehen, dass sie nicht schon früher nach Hause abhauen. Ich weiß bereits, dass wir einen größeren Bus bekommen haben und alles schon gebucht ist. Irgendwas in mir möchte aber die endgültige Zusage noch hinauszögern, weil ich momentan echt keinen Bock auf diesen Höllentrip habe. Ich sage ihnen, dass das Busunternehmen gegen Mittag anrufen wird. Sie können sich gar nicht vorstellen, dass ich nicht in den Heidepark möchte und fragen ganz aufgeregt: „Frau Freitag, was meinen Sie? Meinen Sie wir fahren, oder nicht?“

Ich: „Keine Ahnung, kann ich echt nicht sagen. Aber einige haben ihre Bücher noch nicht abgegeben…ich lese noch mal die Namen vor….“

In der vierten Stunde dann der Schock! Ich putze mit einigen Schülern meiner Klasse fröhlich meinen Raum. Alle machen mit und wir sind bester Dinge, als sie mir plötzlich erzählen, dass Abdul geplant hat, Alkohol zu besorgen, damit sie sich VOR der Busfahrt noch besaufen können. Ich bin sprachlos: „Waaaasss?“ Ich erfahre unglaubliche Details und  Namen von Partizipanten. Alle Anwesenden distanzieren sich. Auch Abdul versucht sich von sich selbst zu distanzieren: „Hab ich doch gar nicht gesagt!“ Chancenlos – da ihn alle anderen sofort niederbrüllen. Nach der Stunde habe ich absolut überhaupt keine Lust mehr auf diese Fahrt. Ich sehe mehrere besoffene Schüler im Rote Kreuz Zelt, Elterngespräche am Handy, missmutige Kollegen, die meinetwegen warten müssen…ich sehe nur noch Untergang und Verdammnis, Tod einzelner Schülerinnen, Disziplinarverfahren, Arbeitslosigkeit, Wohnungsverlust, Mietnormaderei und Messitum.

Kurz vor der fünften Stunde schnüre ich meine letzten Kraftreserven zusammen und trete vor meine gespannte Klasse. Ich verkünde, dass wir fahren und zische hinterher, dass ich bei dem kleinsten Vergehen in Richtung Zigaretten und Alkohol sofort die Eltern anrufe und die Kinder kostenpflichtig von den Vätern abholen lasse, dass sie dann eine fette Sitzung erhalten und, dass sich dann jegliches Vergnügen im nächsten Schuljahr von der Backe zu putzen sei. Die verdächtigen Kandidaten spreche ich vor allen anderen noch mal ganz persönlich an und male ihnen jeweils ihre individuelle düstere Zukunft aus, sollten sie sich nicht an meine Gebote halten.

Dann schließe ich mit einem etwas Milderen: „Wer sich im Heidepark nicht ohne Alkohol amüsiert, der schafft das auch nicht mit.“ Innerlich grummle ich vor mich hin: „Es wird Taschenkontrollen geben, Taschenkontrollen, Atemproben und ich werde jedes Getränk vorkosten.“

3 Gedanken zu “Jetzt auch noch das…

  1. Ja, Frau Freitag, das ham se nu von ihrer gutmütigkeit!
    Heidepark und alkohol tuen jedem Schühüler wohl……sing* !

    Dann mal viel spaß beim vorkosten der leckeren eistees, cola-und limogetränke …..und nicht ko… äh, brechen auf der Rückfahrt!

  2. Puh harter Toback, ich fahre momentan mit den Schulklassen sämtlicher Hamburger Schulen morgens in der Bahn. Man merkt die Notenkonferenzen sind durch, die Klausuren geschrieben, die Klassenausflugszeit – zum Theater, ins Museum, zum Schwimmbad, egal was.

    Ich beneide sie nicht. Zumindest nicht um die Klassenausflüge.

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