„Frau Freitag, haben Sie geguckt Eurovision am Samstag?“
„Ja.“
„Haben Sie gesehen, diese Lena hat gewonnen.“
„Mehmet, ich hab’ doch gerade gesagt, dass ich das geguckt habe. Meinst du, ich hätte irgendwie versäumt mitzukriegen, wer da gewonnen hat?“
Esma will auch was fragen: „Frau Freitag, wer ist eigentlich Oslo?“
Ich: ????
Von allen Seiten: Oslo ist ein Land!!! Bist du bescheuert, Esma!“
Ich: Land?!?
Dann Ronnie (er verdient eigentlich jetzt schon den Nobelpreis in der Kategorie Wissen): „Oslo ist eine Stadt in Norwegen. Oslo ist sogar die Hauptstadt.“
Nachdem wir das geklärt haben machen wir Unterricht.
Merves Tasche kommt mir so klein vor. Ich gehe zu ihrem Tisch. Nehme die Tasche und öffne sie trotz geballtem: „Das dürfen Sie nicht! „ „Dürfen Sie das?“ „Hallo Privatsphäre!“
Merve belastet ihr Täschchen nicht mit schulischem Firlefanz. Da ist weder ein Block, noch ein Hefter oder ein Buch drin. Nicht mal Schreibzeug, es sei denn, sie schreibt mit Kajalstift.
Ich bin entsetzt: „Merve! Was ist das??? Weiss deine Mutter, wie es in deiner Tasche aussieht??? Was soll das? Bist du hier um dich zur Tussi ausbilden zu lassen? Wir sind hier in einer SCHULE nicht in der DISCO!!!“
In einer anderen Stunde: „Ich hasse übertrieben kleine Familien!“ „Ja, abooo, nur so drei oder vier Kinder, voll langweilig.“ „Wie viele seid ihr zu Hause?“ „Sieben Kinder. Und ihr?“ „Acht. Mein Vater hat 11 Geschwister.“ „Super. Meine Oma auch.“
Ich höre mir diese Konversation, die sich direkt vor meiner Nase abspielt genau an. Visualisiere 11 kleine Esras und Duygus. Stelle mir total überfüllte Wohnungen und ein ewiges Geschreie vor.
„Wie wollt ihr denn sieben Kinder ernähren?“ frage ich. Sie denken nach. Sagt jetzt nicht Harz4, bitte! Sagt nicht, Jobcenter macht das schon. Bitte! Ich habe gerade meine Steuererklärung gemacht. „Ich werde Zahnärztin.“ sagt Duygu.“ Duygu wird wahrscheinlich nur mit Ach und Krach versetzt, aber bitte, soll sie doch Zahnärztin werden. Ich muss da ja nicht hingehen.
Ansonsten war es heute mal wieder ein typischer Montag:
- Kraft- und Lustnachlass mit jeder gehaltenen Stunde: rapide.
- Zu spät kommende Schüler: gefühlte 1000.
- Sich für die Verspätung entschuldigende Schüler: 0.
- Berichterstattung der Kollegen in Bezug auf negatives Verhalten meiner Klasse: 5.
- Daraus resultierende Verhaltensverbesserung der Klasse: 0.
- Daraus resultierende Stimmungsverschlechterungen bei mir: 5.
- Anzahl der Schüler, die ich heute vor die Tür gestellt habe: 3.
- Völlig unpädagogische Sätze die ich gesagt habe: viele – alle in der letzten Stunde.
- Geräusch in meinem rechten Ohr: Indischer Ozean.
Fazit des Tages: Wenn man Lehrer werden will, dann nicht montags!
Ja mei, die Kinder heißen heute auch Paris oder Brooklyn. Warum nicht auch Oslo, der kleine dicke Bruder von Kopenagen mit der niedlichen Cousine Helsinki.
Find ich super, dass mein Name nun auch in der Klasse vertreten ist. Und das erst noch als Nobelpreisanwärter.
Boah, das Video zieht mich ja gleich noch mehr runter. Dabei war ich schon in Gedanken bei Dienstag (mit nur 3 Stunden Unterricht). Außerdem – da Liede spielte in irgendeinem Film eine Rolle (noch nicht so alt). Kann mir jemand helfen? Sonst kann ich heute sicher nicht schlafen…
da hat heute wohl der blaue verschluss-clip nix geholfen? *ommm*
Liebe „Frau Freitag“
Danke für die tollen Berichte!!! Wirklich besser als jede Psychotherapie… 🙂
Könnten sie in Buchform veröffentlichen, wäre unterhaltsam 🙂