Harte Mädchen

Okay, ich weiss, dass die meisten Menschen sich diesen Doku-Schrott wie Die Mädchen-Gang nicht im Fernsehen ansehen wollen. Ich habe es genossen. Jede Minute. Ich würde mir eine Standleitung in dieses Haus mit diesen krassen Mädels wünschen und die den ganzen Tag beobachten.

Warum eigentlich? So genau kann ich das gar nicht sagen, aber ich lache mich schlapp, wenn die Mädchen sich da als die überharten Schlägerbräute präsentieren. „Verpiss dich du Fickfehler!“ sagt die eine vor der Kamera und vor ihrer Freundin zu ihrer Mutter. Und wie sie sich aufregen, dass sie in einem Dorf gelandet sind. In einem mega Spießerhaus, das sie aber total toll finden. Weil es einen WÖÖRLPUHL hat.

Und wie begrüßt man sich als harte Braut? „Wieviele Anzeigen hast du?“ Da werden die Straftaten abgecheckt. Wer hat das schlimmste Verbrechen begangen? Die darf dann die Chefin sein. Überhaupt ging es gestern hauptsächlich darum, wer die Chefin ist. Die Russin, die gleich bei der Kofferkontrolle ausflippt? Und wie findet frau sich als Gruppe zusammen? Ganz klar, indem man sich ein Opfer sucht, auf dem man rumhacken kann. Gemeinsamer Feind hält warm. Und das Opfer ist schnell gefunden. „Sie sieht voll Hartz4 aus.“ Herrlich, weil die anderen ja alle aus der Oberschicht kommen und  mit ihren Schulabbrecherkarrieren ja sicher Jobs in Führungspositionen anstreben.

So. Opfer gefunden und mit der Lesbe in ein Zimmer verbannt. Dann wird erstmal vorsichtig abgelästert: „Was hälst du von….“ Und dann ganz offen gemobbt. „Lass mal in das Zimmer gehen.“ Und später: „Da stinkt es voll. Geh‘ mal rein.“ Und dann gehen sie zu viert in das Zimmer und stressen rum, als wären sie in diesem „Projekt“, um genauso blöde zu sein, wie sie sowieso den ganzen Tag sind.

Es ist doch auch viel wichtiger, welche Position man in der Gruppe einnimmt, als sich ernsthaft zu ändern. „Ich lass mir überhaupt nichts sagen. Wenn ich was nicht machen will, dann mach‘ ich das auch nicht.“ Aber diese traute Wir halten zusammen, weil die eine so blöd ist – Gang wird nicht lange halten. Denn die haben noch nicht ausgedealt, wer die Chefin ist. Außerdem sind die Mädchen zu unterschiedlich und jede einzelne ist es gewohnt die Chefin ihrer Kleinstadtbahnhofsgang zu sein. Und das Hauptstadtmädchen mit den drei Kindern, die nicht mehr bei ihr leben, wird sich aus allem raushalten, denn die anderen werden sie nie akzeptieren und solange die die andere als Opfer haben läuft ja alles gut für sie. Sie kann sich schön hinter ihrem „Ich will mich ändern, denn ich will meine Kinder zurück“ verstecken.

Lustig und überraschend war, dass die Psychologin nicht mit den Mobbern, sondern mit dem Opfer gesprochen hat: „Du hast dich zurückgezogen und nicht gezeigt, dass du auch so eine harte Schlägertussi bist wie die anderen.“ Das Gespräch war eher ein Vorwurf, dass sie nicht so bescheuert ist wie die anderen. Oder ist der Ansatz: Einsicht, durch auch mal Opfer sein?

Und das Schöne ist, die Mädchen haben alle soviel auf dem Kerbholz, dass es einem schwer fallen wird, Mitleid zu empfinden, wenn sie dann endlich anfangen zu heulen. Und das werden sie. Heulen. Alle werden heulen. Darüber, dass sie eine schlechte Kindheit hatten, dass sie keine Zukunft haben, dass ihnen ein Nagel abgebrochen ist und weil sie so bekloppt sind und sich selbst hassen. Am Ende werden einige von ihnen wehmütig schwören ein neues Leben anzufangen und dann mit dem nächstbesten Idioten ein Kind bekommen, dass sie dann auch wieder schlecht behandeln. Naja, wenigstens ist damit mein Bedarf an diesen herrlichen Fernsehsendungen ein Leben lang gedeckt.

7 Gedanken zu “Harte Mädchen

  1. Ach ja. Genauso habe ich mir das vorgestellt….

    Mir kommt es bald so vor, als ob es NUR noch solche Jugendlichen in unserem Lande gibt.

    Kann es nicht mal eine Sendung geben über Jugend, die sich engagiert?
    Die nicht nur auf der Straße abhängt?

    *seufz*

  2. …ich war ja gestern abend im dienst, während unsere kids das geschaut haben. außer ein paar sekunden beim durchlaufen durch den fernsehraum und meiner an die kids gerichteten, abwertenden frage: „zählt das bei euch als fortbildung?“ hatte ich nicht viel davon.
    ich lass mir aber immer wieder gerne von ihnen erzählen wie’s war, denn wenn ich hingucken müsste, dann hätte ich herzkrämpfe und andere körperliche Aussetzer!
    danke frau freitag, dass sie mir das ersparen!

      • apropos to close to home: gibt es studien darüber, inwieweit ohnehin benachteiligte jugendliche durch das sehen derartiger sendungen „noch benachteiligter“ werden? durch übernahme von verhaltensweisen der fernsehprotagonistInnen, durch quasi-rollenlernen?

        das ist eigentlich meine größte angst, bezüglich der von mir zu betreuenden oben genannten klientInnen/kids die das schauen…

        RTL macht in diesem falle meinen job noch mehr zur hölle, als er es vorher war.
        danke RTL!

  3. Ich frag mich immer wieder,was eigentlich seit den 80gern, als ich Teenager war, passiert ist. Was genau ist abgelaufen und warum gibt es dieses Phaenomen nicht in allen Laendern?

  4. Ich kann nicht sagen ob es genau diese Serie war oder eine ähnliche die hier in der Gegend (ländlich) letztes Jahr gedreht wurde. Jedenfalls gab es Ärger weil die „Insassinnen“ an Schlägereien beim Dorffest beteiligt waren. Es war auch die Rede davon, die Auseinandersetzungen wären von den Mädchen provoziert worden, bzw. von der Produktionsfirma. Solange sich die Mädchen zuhause ankeifen, meinetwegen, aber bei solchen Geschichten wird es unlustig, imho.
    Berichten Sie mal, falls in der Serie passende Ereignisse auftauchen – ich bin gespannt.

    Aber unabhängig davon mal wieder Danke für Ihre interessante Lektüre, Frau Freitag!

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