Ein neuer Beruf?

Nur mal angenommen, ich bin plötzlich  Fachbuchredakteur. Ich arbeite in einem Schulbuchverlag und bin für die neuen Deutschbücher der Oberschulen zuständig. Ich schlafe erstmal gemütlich bis Acht und mache mich dann gut gefrühstückt auf den Weg in die Redaktion. Dort ist es nett, sonnig, alles sehr modern. Ich begrüße die Sekretärin, die mir die Post und einen Kaffee reicht. Dann schlendere ich in mein Büro. Großer Schreibtisch, voll mit herrlichstem Bürokram und ein super Computer mit vielen bunten Post-its. Erstmal Emails checken, Kaffee trinken, Termine angucken. Was steht denn heute an? Meine Lieblingskollegin kommt rein und erinnert mich an das Meeting um 10.30 Uhr im kleinen Konferenzraum.  Bis dahin blättere ich in den neuen Ausgaben der Fachzeitschriften, beantworte zwei-drei Emails und esse einen Apfel.

Meeting: Gesund belegte Brötchen werden gereicht, Mineralwasser und Saft in kleinen Flaschen stehen bereit. Wir besprechen das neue Deutschbuch. Klasse 5, 6, und 7 sind schon raus. Heute: Brainstorming für Themen im Buch und Arbeitsheft Klasse 8. Flip-Chart, Whitboard, Beamer – name it – we have it! Aufgrund meiner langjährigen Schulerfahrung bin ich unter den Kollegen klar im Vorteil. Man hört genau zu, wenn ich was sage. Man fragt mich nach meiner Meinung – immer. Ich bin sozusagen die Verbindung zwischen dem Verlag und der Wirklichkeit. Niemand außer mir hat schon mit Jugendlichen gearbeitet.

Chefredakteur: „Okay Leute, was haben wir? Wo wollen wir hin. Achte Klasse. Vierzehn, fünfzehn Jahre.“ Kurze Pause. Blick in die Runde. Dann: „Frau Freitag, worum geht es in dem Alter? Ich dachte an Tier- und Umweltschutz…“

Ich lehne mich zurück, schließe die Augen: „Tierschutz…Umweltschutz..“ Ich tue so, als würde ich nachdenken, nehme mir eine Flasche Wasser und gieße sie in Zeitlupe ein. Dann spinge ich plötzlich auf, bewege mich zielstrebig zum Beamer.:“ Achte Klasse, wenn Sie nichts dagegen haben, zeige ich Ihnen etwas… Ich habe da eine Kleinigkeit vorbereitet. Jemand macht das Licht aus und auf der Wand erscheint eine rote Fläche, dann ein riesiger Schriftzug: Der gemeine Achtklässler! Lady Gaga singt Pokerface und dann erscheinen Jugendliche auf einem Schulhof. Alleine, in Gruppen, gut gelaunt, im Streit, Mächen, Jungen. Die Musik schafft die richtige Atmosphäre. Alles sehr MTV und trotzdem realistisch. Ich stelle mich neben den Beamer: „Achte Klasse das ist: Verliebtsein, der erste Kuss, Klamotten, Gewichtzunahme, Musik, Streit mit den Eltern, überhöhte Handyrechnungen, Absturz der Schulleistungen, Pickel, Streit mit den Freundinnen, Muskelaufbau bei den Jungen, Solarium, scheiß Eltern, scheiß Lehrer, scheiß Schule und keine Ahnung was man später machen soll. Tierschutz… ? Umweltschutz…? In der achten Klasse geht es nur um die eigene Person!“ Die letzen Worte lasse ich besonders dramatisch klingen. Plötzlich bricht tosender Beifall aus. Der Chef springt auf und umarmt mich: „Frau Freitag, Sie haben uns mal wieder gerettet. Was würden wir ohne Sie machen?“ Und zu den anderen: „Los, los Leute, ihr habt gehört, was die Jugend bewegt! An die Arbeit, bis Donnerstag will ich erste Entwürfe sehen!“

Zufrieden gehe ich in mein Büro und entwerfe ein Kapitel zum Thema Erörterung: Gangsterrap – okay oder nicht okay? Um 13.30Uhr gehe ich in die Kantine und esse einen fettarmen Salat, scherze mit den Kollegen aus, lasse mir noch mal zu meiner Präsentation gratulieren und dümpel dann noch bis um 17.30 Uhr in meinem Büro rum. Dann fahre ich direkt zum Yoga. Abends bin ich fürs Kino verabredet und sehe einen französischen Film in schwarz-weiß.

Um Mitternacht komme ich leicht angetrunken und zufrieden in meine Wohnung, wo ich von zwei netten Katzen begrüßt werde. Glücklich schlafe ich nicht nur ein, sondern auch bis zum nächsten Morgen durch.

Meinen Urlaub verlängere ich durch Überstunden und verbringe den auf traumhaften Inseln. Mein Leben könnte so schön einfach sein…

3 Gedanken zu “Ein neuer Beruf?

  1. Frau freitag, darf ich zum gegenentwurf ausholen?

    Sie sitzen also in ihrem stylischen büro und gucken auf den kalender….mist, das Kap. Gängstarap müsste ja morgen fertig sein!
    Sie fahren sich durch die Haare, reiben sich die augen. Die mascara, wasser-,aber nicht wischfest legt sich schleierartig übers auge. Ebenso unscharf ist ihr entwurf. Wen interessiert denn noch gänstarap? Der ist doch längst over! Und erörterung! Eröterung ist sowas von out. Wieso soll man auch was erörtern?
    Ihnen wird ganz heiß. Morgen Abgabe und nix geschrieben. Sie trinken einen kleinen Apfelsaft. Nützt nix.
    Sie greifen zur COLa Zero, die Bürodecke reißt auf….. der himmel ist blau….auf dem Dach steht der bildungsminister ihres bundeslandes und reicht ihnen die hand…..sie ergreifen sie…. adieu verlag…..ein helicopter trägt sie davon…das leben, wie es sein sollte…..über der Mohamed Ata schule werden sie abgeseilt, hunderte schüler/innen umjubeln sie und tragen sie ins lehrerzimmer….ihre kollegInnen klatschen ….der schulleiter herzt und küsst sie (igitt)….sie sind wieder zu hause…..mashallah!

  2. Oder…
    Sie machen glorreiche Vorschläge, der Chefredakteur ein rechthaberisches Ekel und wirft ihnen sexistischen Werteverfall vor, sie müssen 37 Artikelansätze zum Thema Umweltschutz schreiben. Zwecks guter Vorbereitung besichtigen sie Kläranlagen und Biobauern, auf dem Rückweg bleibt ihr Auto im Schlamm stecken, sie schaffen es nicht mehr in den französischen Film…

    …dann wachen sei auf, trinken einen Orangensaft aus einem schönen großen Saftglas, essen dazu ein halbes Marmeladenbrot und stürmen zur Arbeit!

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