Heule, heule Wirbelsäule

Ich habe seit ich denken kann einen total kaputten Rücken. Bucklig gekrümmt krepel ich durch mein Leben. Jeder Arzt stellt mit einer mir nicht nachzuvollziehenden Genugtuung immer wieder fest, dass sich meine Wirbelsäule wie ein schräges Fragezeichen verbogen hat und fragt, ob das nicht wehtun würde. Ja, verdammt, das tut weh. Und wie das weh tut!

Seit Jahren liege ich abends auf dem Boden und mache uncoole Wirbelsäulengymnastik. Aber das kratzt die Wirbelsäule überhaupt nicht. Biegt sie sich wieder zurück? Nein, sie denkt gar nicht dran. So geht das seit Jahrzehnten. Und dann werde ich plötzlich Lehrerin. Kaum vorstellbar, aber ich glaube ich bin gar nicht als Lehrerin geboren, sondern bin es irgendwie geworden. Wenn die Schüler mich fragen, warum ich diesen Beruf gewählt habe – für sie ist dieses Berufswahl ja überhaupt nicht nachzuvollziehen – dann sage ich immer, das war eine Aneinanderkettung von so unglaublichen Zufällen, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.

Jedenfalls wenn man Lehrerin ist, dann muss man ja jeden Tag von zu Hause in die Schule kommen und man muss Sachen dabeihaben. Diese Sachen transportiert man dann in einer Tasche. Und die ist manchmal ziemlich schwer. Warum eigentlich? Was schleppe ich denn da jeden Tag mit mir rum?

Das sind zum Beispiel so wichtige Dinge wie Notenheft, Kalender, Federtasche, die man eigentlich nicht braucht, da ein Kugelschreiber reicht, dann Hefter, in denen man die Kopiervorlagen und die von den Kindern angefertigten und von mir korrigierten Schrifterzeugnisse transportiert (dafür eignen sich Sammelmappen-mit Gummibändern an den Ecken) und dann evt. mal eine Fachzeitschrift, die man sich bestellt, nie liest, aber aus schlechtem Gewissen tagelang mit sich rum trägt und einen schrottigen Roman, für dessen Titelbild man sich im Bus schämt, der einem aber dabei helfen soll, sich geistig von der Arbeit zu entfernen. Klappt bei mir allerdings nur bedingt, denn ich lese zur Zeit gerne Geschichten, über missglückte Integration von muslimischen Einwandererkindern in der vierten Generation.

Und wenn ich mir meine Tasche mal genauer betrachte und mich auf ihren Grund zubewege, kommen da noch ganz unnütze Dinge zutage: Eine Schere und ein Klebestift, die Einladung zur Gesamtkonferenz im letzten Sommer, eine Tüte Gummibänder, die ich einem Schüler abgenommen habe, Sonnencreme und ein altes T-Shirt, Kaugummis, von denen bereits die Verpackung zerfetzt ist und die nun ganz dreckig und unessbar sind. Der Boden meiner Tasche ist überseht mit Radiergummistücken, TicTacs, Magneten und Büroklammern. Diese Sachen schleppe ich jeden Tag von meiner Wohnung in die Schule und dabei hängt der Riemen der Tasche immer über meiner linken Schulter. Komischerweise tut mir der Rücken auch immer auf der linken Seite weh. Ich werde den Gedanken nicht los, dass es zwischen meiner schweren Schultasche und meinem kaputten Rücken einen Zusammenhang gibt. Was soll ich denn jetzt machen? Mehrere Möglichkeiten hätte ich:

  1. Ich könnte die Tasche regelmäßig ausleeren und wirklich nur das Wichtigste mitnehmen. Scheitert wahrscheinlich daran, dass ich das einfach nicht machen werde.
  2. Ich könnte die Tasche mal eine Weile auf die andere Schulter hängen. Scheitert daran, dass ich das schon mal versucht habe und die da immer runterrutscht, weil ich schon so schief bin, dass die rechte Schulter eigentlich nicht mehr da ist.
  3. Einen Rucksack kaufen. Ohhhh Gott! Oh, nein! Scheitert auf jeden Fall an dem Wort RUCKSACK!
  4. Den Beruf wechseln. Es gibt ja viele Berufe, in denen man nichts mitnehmen muss. Busfahrer, Bäcker, Politiker (obwohl, die Akten und so?), Verkäuferin oder Supermodel (da braucht man sich noch nicht mal die Haare zu machen, das machen ja alles die Make-up- und Hair-Stylisten)
  5. Ich könnte auch in die Schule ziehen, da bräuchte ich meine Sachen nicht mehr von hier nach da zu transportieren. Scheitert wohl daran, dass „…wenn das alle machen würden…“
  6. Einen Rollkoffer in Miniformat kaufen. So tun als wäre ich Stewardess und das Teil lässig hinter mir herziehen. Wird daran scheitern, dass ich mich mit sowas nicht auskenne und es sowas vielleicht gar nicht gibt.
  7. So weiter machen wie bisher und in ein paar Jahren mit Bandscheibenvorfall in Frührente gehen.

Ich bin noch sehr unentschlossen. Hat jemand Erfahrung mit den oben erwähnten Möglichkeiten? Für rückenfreundlichen Rat bin ich immer zu haben.

16 Gedanken zu “Heule, heule Wirbelsäule

  1. Ich habe besagten Stewardessen-Koffer im Miniformat (Nunja aufgrund der Tictacs, Büroklammern usw, die ich eigentlich immer nur in den Sommerferien aussortiere, habe ich ihn gleich ein wenig größer gewählt). Die gibt’s wirklich. Und mittlerweile komme ich mir auch nicht ganz so blöd damit vor, denn das halbe Kollegium hat solche und die Schüler haben sich nun dran gewöhnt und machen keine doofen Kommentare mehr. Ich fahre allerdings auch mit dem Auto zur Schule, ob mein Mut für öffentliche Verkehrsmittel reichen würde, weiß ich nicht. Aber hilfreich für den Rücken sind die Dinger schon, nur nicht bei Treppen…

  2. Hallo

    Doch, einen Rollkoffer gibt es. Schimpft sich „Pilotenkoffer“, ist unglaublich uncool – und sehr rückenschonend. Ich eier damit nun seit einigen Jahren durch die Gänge, zunächst in der Berufsschule und nun im Gymnasium. Man erntet am ersten Tag komische Blicke, am zweiten dumme Sprüche. Nach einer Woche kommen Nachfragen, wo ma nden her hat und bald darauf finden sich Nachahmer… Die Dinger sind praktisch, man kann noch mehr einpacken, weil man’s ja nun nicht mehr auf dem Rücken schleppt und eine gewisse Ordnung stellt sich auch ein.

    Gruß!

  3. Nicht unbedingt ein Rat, aber meine Mutter – ehemalige Brennpunktlehrerin – erklärt ihre verbogene Wirbelsäule und darauf folgende Frühpensionierung nicht auf ihre damalige auch absurd schwere Tasche sondern auf all die am Schreibtisch verbrachte Zeit und insbesondere darauf, dass sie sich nicht Zeit für kleine Pausen und Übungen, auch nur Aufstehen genommen habe. Durch das mütterliche Beispiel stark negativ beeindruckt habe ich in meine Computerroutine auch definierte Pausen für „wasanderes“ eingebaut und habe zumindest somit Verspannungen und Rückenschmerzen abgebaut. Vielleicht sollten Sie auch mal abseits der Tasche gucken.

    Wenn es denn die Tasche sein soll. Ich hab im IT-Umfeld an ausgewachsenen Menschen in den letzten Monaten entsetzt Laptoptaschen als Miniatur-Rollkoffer beobachtet. Es gibt diese also ganz bestimmt, wenn sie diese zweckentfremden müssten – und die Lässigkeit wohl sehr viel Übung und etwas Schmerzbefreitheit erfordert.

  4. Ohja, böses Problem. Weil meine Umhängetasche immer mehr zu einem Sammelbecken für nicht bearbeitetes wurde, hab ich sie in die Ecke gestellt und mir so eine billige, neoprenartige Notebook-Tasche im quasi-A4-Format gekauft. Reicht für nen Block, Stifte, Kalender, Handy und die Tagesordnung/Unterlagen der nächsten Veranstaltung. Aber ich brauch i.d.R. auch nicht soviel Zeug.

    Zu 3.: das heißt nicht Rucksack, sondern BACKPACK und damit gehts doch auch ^^ Allerdings wird der vermutlich auch nur über eine Schulter hängen. 😉

    Ich würd den Rollkoffer nehmen. Hab sogar (als nicht-Lehrer) schon Schüler mit sowas gesehen.

  5. Es gibt tatsächlich für Lehrer (und ja auch für Schüler) diese Rucksäcke zum ziehen. U.a. auch bei Timetex. So einige Kollegen bei uns sind schon darauf umgestiegen – interessanterweise haben die Jüngeren diesen Trend angefangen. Eine Möglichkeit ? 😉

  6. ohje- mitleid. falls erwünscht.
    das mit dem rollkofferchen machen einige meiner kollegen, sogar schüler, nicht nur zarte, haben sowas…es rollert immer so hübsch flughafengeräuschvoll. das ist schön.
    bin überzeugt, dass es das auch in deiner gegend gibt!

  7. ist auch Lehrerin. Als ich mal spasseshalber ihre tägliche Schultasche hochgehoben habe (nein, wäre ich nicht beinahe zusammengebrochen – schließlich bin ich ein Mann ;-P ), war ich wirklich sehr sehr beeindruckt vom Gewicht…

    Also ich fände die Idee mit mit dieser zu rollenden Tasche ziemlich gut. Gibt es in mehreren Ausführungen. Von lässig bis nüchtern…

    Bei Bedarf kann ich ja mal ein paar Links schicken.

  8. Liebe Frau Freitag,
    zunächst gute Besserung! Leider haben auch Schüler Ihr Problem… und Taschenhersteller dies erkannt. Mein Junior ist seit kurzem stolzer Besitzer der Rucksack-Trolley-Kombination von Fit-z (suchen Sie auf fit-z.de nach ‚Trolley‘, im Katalog ist er z.Zt. nicht). Sieht auch lehrerinnentauglich aus und ‚cooler‘ als die Lehrertrolleys von Timetex. Auf so einen schwört eine Kollegin und ignoriert tapfer Bemerkungen wie „Flight ti-dabbelju-ei to chicago ready for take-off“

  9. Den Rollkoffer im Miniformat gibt es als „Backpack“ (vulgo: Rucksack), haben Ihre SchülerInnen so was nicht? Bei uns läuft jede zweite Schülerin damit herum. Das Teil kann entweder schick hinterhergezogen oder auf den Rücken geschnallt werden. Gibt es auch in schlichten Farben ….

  10. Bin selbst rückengeschädigt (Skoliose) und empfehle eine Kombination der Varianten 1 und 3. Als sich damals meine Wirbelsäule immer öfter über die einseitige Taschenbelastung beklagt hat, bin ich erst aus Trotz dabei geblieben. Nach einer Weile sind mir die Schultern ausgegangen (habe nur 2).

    Rucksäcke sind besser als ihr Ruf! 🙂

  11. Ich hab’s! Anstelle Tadeln zu vergeben, einfach mal kleine Strafen verteilen und Tasche tragen lassen! Nicht nur pädagogisch sehr wirksam! ;p

  12. Ich plädiere für die Optionen 1, 3 und 6 und wollte zudem Nr. 8 vorschlagen: einiges davon im eigenen Fach lassen (Schere, Klebe, Kaugummi) – oder gibt es solche Fächer an der Schule nicht?

  13. Wenn möglich: Mit dem Rad zur Schule fahren und die Tasche in den Fahrradkorb legen!
    Und als Kompromiss-Tasche: Crumpler-Taschen, die sind zum Umhängen, aber man kann sie so quer über der Brust befestigen, dass sich das Gewicht besser verteilt.
    Und ich zwinge mich, so viel wie möglich in der Schule vorzubereiten und dann da zu lassen, seit ich auch noch mein Kind in den 5. Stock tragen muss!

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